Hallo

DSCF2003.JPG

Herzlich willkommen auf unserer Magazin-Seite.

Wir wollen unterhalten und informieren.

Viel Spaß

Ehrenamt für Senioren – Es gibt nichts Gutes, außer: Man tut es!

Ehrenamt für Senioren – Es gibt nichts Gutes, außer: Man tut es!

Der Ruhestand beschert euch nun die Zeit, auf die ihr euch Berufslang gefreut habt. Doch dieser Ruhestand beschert auch reichlich Ruhe. Wie wäre es da mit einem ehrenamtlichen Engagement? Ihr wisst nicht so recht, was gibt es denn für Ehrenämter, wo werde ich gebraucht, wie läuft das ab? Diese Fragen wollen wir euch auf unserem Blog beantworten und eine Reihe von Ehrenämtern für Senioren vorstellen. Ganz nach dem Motto: „Es gibt nichts Gutes, außer: Man tut es!“

Und wenn du schon ehrenamtlich tätig bist, dann schreib uns doch bitte, wir würden auch gerne dein Ehrenamt hier vorstellen.

Wellcome-Engel gesucht - Ehrenamt für Senioren

Man kann Autos, Partyzelte oder E-Bikes leihen, aber doch nicht Enkelkinder …

… so unsere irritierte Reaktion auf die Anzeige „Leihoma/Leihopa gesucht“.

Elke hat mit ihrem Mann ein Ehrenamt für Senioren gefunden und berichtet uns über ihre Erfahrungen als Oma und Opa auf Zeit, in einer Patenschaft für junge Familien mit Kleinkindern beim Verein „wellcome

Heute ist „Elias-Day“. Elias* ist ein süßes kleines Kerlchen von neun Monaten. Fast jeden Donnerstag holen wir ihn zum Spaziergang ab. Elias ist nicht unser Enkelsohn, aber alle, die uns anlächeln, nehmen das logischerweise an. Vom kleinen Elias lugte bei unserem ersten Kennenlernspaziergang nur das Mützchen aus der Brusttragetasche hervor. Elias’ junge und liebevolle Mama Franzi ist alleinerziehend und als Single aus Süddeutschland nach Berlin gekommen. Sie hatte eigentlich ganz andere Pläne und so alleinstehend in einer fremden Stadt brauchte sie Hilfe und die kam mit dem Verein wellcome – Praktische Hilfe nach der Geburtund mit uns als Leihoma und -opa.
Da Elias noch sehr klein ist, holen wir ihn einmal in der Woche zum Spaziergang durch die netten Kieze des Prenzlauer Bergs und durch den Volkspark Friedrichshain ab. Mama Franzi hat bereits einen Beutel mit Fläschchen, Brei und Spielsachen vorbereitet und wir haben die Picknickdecke dabei.

Ehrenamt für Senioren - Oma sitzt am Kinderwagen im Park

Anfangs schlief Elias noch sehr viel, aber jetzt beobachtet er seine Umgebung immer aufmerksamer. Er freut sich über die Wasserfontäne, die schwimmenden Enten im See und das Blatt am Strauch. Und wir staunen: warum brauchen wir Erwachsenen so vieles und oftmals Überflüssiges zum vermeintlichen Glücklichsein? Anfangs ist Elias noch recht still, aber nach einer Aufwärmphase plappert er immer mehr, so, als ob er uns schon ganz viel mitteilen möchte. Und mit kleinen simplen Späßen können wir ihm auch schon ein richtig herzhaftes Lachen entlocken. Zum Abschluss drehen wir meistens noch eine Runde im Supermarkt, den er wohl auch ganz spannend findet.
Und gestern haben wir ganz zufällig einen Spruch auf einer Tafel entdeckt, so passend:

Bringen wir Elias zurück zur Mama, strahlen Mama und Kind und wir natürlich auch.
Doch wie sind wir zu diesem Ehrenamt gekommen? Mein Mann und ich kennen uns seit 2008, wir haben vier erwachsene Kinder aus ersten Ehen und hatten damals 2017 noch keine Enkelkinder, während sich in unseren Familien- und im Freundeskreis diese freudigen Ereignisse häuften. Es war einfach noch nicht der richtige Zeitpunkt ...
Das Thema „Leihenkel“ hat mich beschäftigt und eines Tages las ich den Bericht einer alleinstehenden Dame aus Bayern, die über ihren Alltag als Leihoma schrieb. Es war richtig rührend zu erfahren, wie sie die Zeit mit den Kindern verbrachte, wie sie den Familien helfen konnte, den Alltag etwas zu erleichtern und wie sie das sehr glücklich machte. Als unser erstes Enkelkind dann unterwegs war, stand mein Entschluss fest: „Meine Tochter lebt in London, sie kann ich leider nicht unterstützen, aber vielleicht hier in Berlin eine junge Familie“.

Gesagt, getan ... und zunächst in Eigeninitiative: Nach Absprache mit einer Kitaleiterin hängte ich einen Flyer an das „Schwarze Brett“ und die Nachfrage kam schneller als gedacht: Nach einer Woche habe ich mit Mutti Susanne das erste Mal den einjährigen Mats und seine vierjährige Schwester Agnes von der Kita abgeholt, nach drei Wochen bereits allein. Wir haben uns auf Anhieb gut verstanden. Der kleine Mats kam sofort auf meinen Arm, ich werde den Augenblick nicht vergessen. Die große Schwester hat „übersetzt“, wenn ich etwas nicht verstanden habe und mir gezeigt, wo die Brotdose und der Schlüssel lag und welches das Lieblingsspielzeug war. Erstaunlich, wie emphatisch ältere Geschwisterkinder sein können. Wir haben gemeinsam die Schwäne im Urbahnhafen gezählt, mit beachtlicher Ausdauer Bagger beim Buddeln und Wackelkopffiguren im Schaufenster zugeschaut, Fußball und Verstecken gespielt und die exotischsten Eissorten probiert.

Ehrenamt für Senioren - Opa holt Eis aus dem Geschäft und läuft zum Kinderwagen

Und ich habe gestaunt, wie sicher und achtsam sich die Kinder mit Rad und Roller auf dem Heimweg über Sonnenallee und Hermannplatz bewegten, einfach toll! Mit unserer Hilfe konnten die Eltern an diesem Tag länger arbeiten und dafür einen anderen Nachmittag freinehmen. Beeindruckend, wie die Eltern trotz Berufstätigkeit, beengten Wohnverhältnissen und ohne familiäre Unterstützung ihren Kindern so ein glückliches und harmonisches Zuhause ermöglichten. Großen Respekt!
Nach den Beiden habe ich, inzwischen auch immer öfter mit meinem Mann zusammen, noch Paul und Ole betreut.

Ehrenamt für Senioren - Opa hält Baby im Arm

Wir haben sie im süßen Alter von vier bzw. acht Wochen das erste Mal gesehen. Beide Muttis kamen als Singles aus ihren beschaulichen Orten zum Studium bzw. Arbeiten in die „coole“ Hauptstadt, sind inzwischen aber wieder in ihrer Heimat. Der Abschied ist uns nicht leichtgefallen, aber wir verstehen das und stehen auch immer noch im Kontakt.

Ehrenamt für Senioren - Erinnerungs-Polaroid von Oma und Opa mit Babys

Wellcome-Pate als Ehrenamt für Senioren - Wie kann ich Pate auf Zeit werden?

Der Verein wellcome – Praktische Hilfe nach der Geburtwurde 2002 in Hamburg von einer Unternehmerin gegründet, die selbst als junge Mutter ohne familiäres Netzwerk war. Der Verein hat mittlerweile 250 Standorte in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Hier in Berlin gibt es in jedem Stadtbezirk eine Koordinierungsstelle. Der Verein vermittelt Patenschaften zwischen Familien mit Babys bis zu einem Jahr und den ehrenamtlichen „wellcome-Engeln“. Auf der Website heißt es: „Sie kommen ein- bis zweimal in der Woche für zwei bis drei Stunden zu den Müttern nach Hause und helfen dort ganz praktisch im Alltag: Sie wachen z.B. über den Schlaf des Babys, während sich die Mutter erholt, gehen mit dem Baby spazieren oder spielen mit dem Geschwisterkind.“ Natürlich engagieren sich die Ehrenamtlichen unentgeltlich, erhalten jedoch Versicherungsschutz, bekommen ggf. die Fahrkosten erstattet und können an Fortbildungsveranstaltungen teilnehmen.

Ehrenamt für Senioren - Babyfüße schauen aus Kinderwagen hervor

Wellcome-Pate als Ehrenamt für Senioren – Was sind die Voraussetzungen?

wellcome – Praktische Hilfe nach der Geburtbeschreibt: „Unsere Ehrenamtlichen brauchen keine fachliche Qualifikation. Im Sinne der modernen Nachbarschaftshilfe unterstützen Sie so, wie sonst Familie oder Freunde. Entscheidend ist die persönliche Kompetenz – und natürlich Freude und Sicherheit im Umgang mit Kindern. Ein polizeiliches Führungszeugnis wird erwartet.“ Und Elke ergänzt: „Man kann wählen, ob man lieber eine Mama-Kind-Familie oder eine Mama-Papa-Kind-Familie betreuen möchte. Auszufüllen ist ein Fragebogen, u.a. zu familiären Verhältnissen und es wird eine Vereinbarung mit Regelungen zu Einsatzort, Schweigepflicht und Versicherungsschutz geschlossen.“

Die Betreuung endet eigentlich mit Ablauf des ersten Lebensjahres. Die Patenschaft kann fortgesetzt werden mit dem Verein „stützrad gGmbH“, der für Familien mit Kindern von ein bis fünf Jahren Unterstützung leistet.

Ehrenamt für Senioren - Oma und Enkel schauen aus dem Fenster

Wir können uns durchaus vorstellen, Elias auch in den nächsten Jahren zu betreuen, denn es macht Spaß und wir wissen, dass die Mama Franzi es sehr zu schätzen weiß. Vielleicht bleiben die Beiden ja in Berlin ...
*Das kleine Kerlchen heißt nur hier im Artikel „Elias“. Sein richtiger Name bleibt diskret unter uns.

Wir von grad60.com danken Elke ganz herzlich für diese Einblicke in ihr Ehrenamt für Senioren und wünschen ihr weiterhin viele schöne Erlebnisse mit ihrem Leih-Enkel.  

Berliner Stadtmission - Ehrenamt für Senioren

„Das erdet“,

… befindet Elmar und zeigt mir die Essensausgabe der Bahnhofsmission. „Da werden die eigenen Probleme ganz klein!“ Sieben Männer stehen in der Schlange am Tresen und warten auf ihren Kaffee. „Dort bei der Ausgabe habe ich vor gut einem Jahr mit meinem Ehrenamt bei der Berliner Stadtmission angefangen“. „Mit Zucker und Milch?“ Die Besucher dürfen entscheiden und daneben gibt es auch Brot und Brötchen mit Käse und Wurst zur Auswahl. 

Ehrenamt für Senioren - Essensausgabe in der Bahnhofsmission

„Kommt natürlich darauf an, was wir hereinbekommen“, berichtet Elmar. Eine Zeitlang brachte „Lindner“ richtig feine Sachen vom Vortag. Lecker gefüllte Wraps und feine Backwaren. Aber auch „Steinecke“ ist dabei. „Da hole ich mit einem Wägelchen die fertigen Brötchen ab, die in der Bäckerei an zahlende Kunden nicht mehr verkauft werden können. Das sind durchweg schmackhafte Sachen und ich freue mich, dass unsere Gäste auswählen dürfen! Wir fragen nicht: ‘Bist du arm oder reich, hast du eine Wohnung?‘ Jeder ist willkommen und wird als Gast behandelt.“ Und wenn die fertig belegten Brötchen nicht ausreichen, werden Stullen geschmiert.

Ehrenamt für Senioren - Frau schmiert Stullen in der Bahnhofsmission

Manuela ist gerade dabei, einen Berg Brotscheiben mit Butter zu bestreichen, für den Nachschub bei der Essensausgabe. Manuela arbeitet seit vielen Jahren als Ehrenamtliche und freut sich „etwas zurückzugeben“. „Mir geht es gut und es ist schön, hier zu sein; ich freu mich jeden Montag auf das Team“. „Genau“, bestätigt Elmar und ergänzt: „Wir sind privilegiert, wir haben Geld und so will ich auch geben!“ Elmar ist pensionierter Richter und war zuletzt am Amtsgericht Mitte für Betreuungssachen zuständig. Dabei ist er auch in Kontakt mit der Berliner Stadtmission gekommen. „Mir war dazu die evangelische Kirche als Träger sympathisch und so habe ich hier als Ehrenamtler angefangen“. Aber nicht nur als Essenausgeber bringt sich Elmar ein. Einmal die Woche ist Spielenachmittag.

Ehrenamt für Senioren - Ehrenamtler spielen Mensch ärger dich nicht mit Obdachlosen

Ich habe wieder Tischtennis gelernt und unzählige Runden „Mensch ärger dich nicht“ mit unseren Gästen gespielt. Auch hier darf jeder reinkommen und mitmachen. Jeder ist willkommen, auch wenn er nur in der Ecke sitzen möchte. Denn „Willkommen zu sein“ ist ein Gefühl, dass Obdachlose nicht häufig erfahren. „Streit gibt es selten“, höre ich und bemerke selber die entspannte und freundliche Atmosphäre. Und auch die Geruchsbelästigung, die ich unwillkürlich mit Obdachlosen in Verbindung bringe, hält sich im Rahmen. Dazu trägt sicherlich auch das kostenfrei benutzbare Hygienezentrum mit blitzblanken Toiletten, Duschen und freien Pflegeprodukten bei, die von Nivea gesponsert sind.

„Die kostenfreie Dusche ist in Deutschland einmalig“, berichtet Elmar mit einem gewissen Stolz und ich merke deutlich, wie er sein Ehrenamt von ganzem Herzen ausfüllt. Aber natürlich gibt es hier auch hauptamtliche Mitarbeitende, wie zum Beispiel Sünje, die für die Verwaltung zuständig ist. „Könnte ich jetzt hier und sofort als Ehrenamtlicher anfangen?“, ist meine Frage. „Ja, sehr gerne, wir brauchen immer Helfer!“, lacht sie. Ein kleines bisschen Papierkram und schon könnte ich ausprobieren, ob es mir gefällt und ob ich dazu passe. Viele der Ehrenamtlichen sind im Seniorenalter und der Anteil der Frauen und Männer ist in etwa gleich.
Zum Abschluss meines Rundgangs zeigt mir Elmar noch die kleine Kleiderkammer in der Jebensstraße.

Ehrenamt für Senioren - Ehrenamtler von der Bahnhofsmission gibt Schuhe aus der Kleiderkammer herraus

Die ist nur für Notfälle, die richtig große befindet sich in der Hauptstelle der Berliner Stadtmission in der Lehrter Straße. Und dort treffe ich Harald, ein pensionierter Polizist, der schon seit sechs Jahren ehrenamtlich dabei ist und das Thema Kleiderspende aufgreift: „Was glaubst du, was am meisten gebraucht und selten gespendet wird? Warme Jacken? Feste Schuhe? Nein, es sind Unterhosen für Männer!“

„Leider findet sich Bekleidung, die für das Leben auf der Straße geeignet ist, nur zu bestenfalls 20 % in den Kleiderspenden. Andere Teile, vor allem auch Damenbekleidung, verkauft die Berliner Stadtmission zu sehr günstigen Preisen in ihren sechs Kiezläden und gibt täglich an bis zu 200 Menschen sonst brauchbare Bekleidung ab. Manches wird umgearbeitet: Hättet ihr gedacht, dass man aus Bettwäsche Boxershorts machen kann – die dringend benötigten Unterhosen? Aber alte Geschäftsanzüge, Oberhemden, Krawatten, abgetragene High Heels oder zerrissene und verschmutzte Bekleidung sind keine Spenden, sondern indirekte Entsorgung, solche Sachen auszusortieren, kostet viel Zeit und Geld.“

Ehrenamt für Senioren - AltkleiderContainer der Stadtmission

Harald hat sich auf das Thema Lernwelten spezialisiert: Er erklärt die vielfältigen Aufgaben der Stadtmission mit ihren 1.000 hauptamtlichen und 2.000 ehrenamtlichen Mitarbeitenden. Er bringt Schulklassen, Reisegruppen, Firmenausflüglern das Thema Obdachlosigkeit mit all seinen Facetten näher. „Niemand hat sich das Leben auf der Straße wirklich ausgesucht. Ein Schicksalsschlag, Alkohol, Spielsucht, aber auch arme familiäre Herkunft können in eine Abwärtsspirale führen, aus der es so gut wie keinen Aufstieg mehr gibt.“ In einem Video stellt er uns „Pumuckl“ vor. So nennt sich der Obdachlose selbst, während er über seine Perspektivlosigkeit berichtet.

Ehrenamt für Senioren - Ehrenamter hält Vortrag mit Video von Obdachlosen

Zum Schluss muss ich schlucken. „Pumuckl ist tot!“, endet Haralds Vortrag „Einfach so auf der Straße gestorben…“ Das bringt mich zu der Frage, wie man das alles aushält. „Wir achten aufeinander!“, ist die Antwort und in der Tat spüre ich bei meinem Besuch Achtsamkeit, Wärme, Zugewandtheit zwischen allen Mitarbeitenden der Stadtmission und mir wird klar, hier geben die Ehrenamtlichen nicht nur etwas heraus, sie bekommen auch etwas zurück. „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Wir betrachten alle Menschen als Kinder Gottes und behandeln sie mit Würde!“, gibt mir Harald noch auf den Weg und nach meinem Tag heute hört sich das nicht im Geringsten pathetisch an.

Ehrenamt für Senioren - Flaggen der Stadtmission

Wenn ihr Lust habt, im Ehrenamt Teil dieser Gemeinschaft zu werden, dann könnt ihr euch auf der Seite der Stadtmission über alle Möglichkeiten informieren. Ein Ehrenamt für Senioren – es gibt nichts Gutes, außer: Man tut es!

Berliner Tafel - Ehrenamt für Senioren

„Aus dem Weg“, brüllt es. Kurz bevor der Palettenwagen mich laut tösend überrollt, rette ich mich mit einem Hasensprung zur Seite. Ich blicke dem Gemüse-Schnelltransport gerade noch hinterher, als hinter mir ein „Mff“ ertönt. Vorwurfsvoll bremst ein Gabelstapler mit Orangen- und Mandarinenkisten. Um 7:30 Uhr ist die Lebensmittelverteilung bei der Berliner Tafel auf dem Großmarkt Beusselstraße im Vollbetrieb. Um nicht unter Blumenkohl und Kürbis begraben zu werden, verziehe ich mich zwischen die geparkten Transporter auf den Hof.

Ehrenamt für Senioren - Lieferfahrzeug der Berliner Tafel

Dort treffe ich meinen Namensvetter Thomas, mit dem ich zum ehrenamtlichen Hilfseinsatz bei der Tafel Berlin verabredet bin. Thomas spendet regelmäßig einen halben Arbeitstag pro Woche der Hilfseinrichtung, indem er Lebensmittel von Supermärkten abholt und Waren zu Unterkünften von Hilfsbedürftigen liefert. Er war früher bei der Polizei und ist jetzt, wie wir von grad60.com, im Freizeitstatus. Er wird heute mein Anleiter sein. “Bärenführer”, nennt man das bei der Polizei. Mit ihm zusammen wage ich mich wieder in die Halle, denn wir müssen Waren für unsere Lieferung zusammenstellen. Wir suchen Obstkisten mit Äpfeln, Bananen, Mandarinen und Gemüseboxen mit Blumenkohl, Avocados und Champignons zusammen.

Ehrenamt für Senioren - Ost- und Gemüsekisten

Ich staune über die Qualität. Klar, das meiste ist reif und kann nicht mehr lange gelagert werden. Aber es ist im tadellosen Zustand. Ich hätte keinerlei Bedenken, mich selbst daran zu bedienen. Dazu packen wir Kisten mit Brot vom Vortag, sowie H-Milch und Jogurt nah am Mindesthaltbarkeitsdatum zusammen. Dieses Datum heißt übrigens, dass bis dahin die typischen Eigenschaften von Geschmack und Geruch sowie der Nährstoffgehalt mit Sicherheit erhalten bleiben. Und es heißt nicht: Verfallsdatum erreicht. Es darf weiterhin verzehrt werden, ohne Gefahr. Wir sind nur einer Gefahr ständig ausgesetzt: Von einem der rasenden Transportexperten über den Haufen gefahren zu werden. Irgendwie stehen wir denen immer im Weg. Wir haben aber Glück, unsere Hacken bleiben heil und wir beladen unseren Transporter ohne Schaden zu nehmen. Gearbeitet wird an allen Ecken, es wuselt nur so. Neben uns Ehrenamtlichen regeln hier Langzeitarbeitslose aus verschiedenen sozialen Maßnahmen professionell die Warenverteilung.

Unsere Tour sieht acht Lebensmittel-Abholungen und drei -Lieferungen vor. Es geht nach Neukölln und die morgentliche Stautobahn bietet ausreichend Muße, meinen “Bärenführer” zum Ehrenamt auszufragen. „Mir geht es gut und der Job bietet mir die Möglichkeit, etwas an die Gesellschaft zurückzugeben! Ich kann den halben Tag entbehren. Dazu bekomme ich interessante Gespräche mit meinen Tour-Partnerinnen und -Partnern geboten. Die Zeit bei der Tafel zeigt mir auch jedes Mal, dass es viele im Leben sehr schwer haben. Und wenn wir die Waren in den Heimen abliefern, blicke ich in freundliche und dankbare Gesichter. Das ist ein guter Lohn!“

Ehrenamt für Senioren - Mann fährt Transporter

Thomas ruckelt mit unserem Sprinter die Auffahrt zu einer Discounterkette hoch: „Jetzt kommt dein Job!“ Etwas unsicher betrete ich den Supermarkt: „Guten Morgen, ich bin von der Berliner Tafel! Haben Sie etwas für uns?“ Die Kassiererin mustert mich kurz, sieht mein übergezogenes grünes T-Shirt der Tafel und beordert mich zum Warenlager, wo eine Mitarbeiterin für mich das Rolltor hochzischen lässt. Drei Kisten mit Kartoffeln, Rosenkohl und reifen Kaki-Früchten warten auf ihre Abholung. Der Rosenkohl hat seine besten Zeiten hinter sich. Gut geschält dürfte es aber noch gehen. Thomas fährt zur Laderampe. Wir laden ein.

Ehrenamt für Senioren - 2 Männer mit T-Shirts der Berliner Tafel laden Gemüsekiste aus

Im nächsten Supermarkt auf unserer Tour fühle ich mich schon wissender, werde aber mit einem „Heute nichts da!“ enttäuscht. Es ist eigenartig: Ich fühle mich schon als Teil der Berliner Tafel und spüre den Ehrgeiz, das Beste für den Verein herauszuholen. Zu meiner Freude läuft es im nächsten Discounter besser. Mehrere Paletten astreiner Avocados, roter Paprikaschoten, Blumenkohlköpfe und Champignons stehen bereit. Eigentlich unfassbar, was hier entsorgt wird. Denn würde es nicht die Berliner Tafel abholen, kämen die Lebensmittel in den Müll. Offensichtlich nur, weil frischere Ware angeliefert wurde oder die Packung leicht beschädigt ist.

Ehrenamt für Senioren - Schalen mit nicht mehr ganz frischen Champignons

Wir erreichen die erste Auslieferungsstation. Schon beim Einparken sammeln sich einige Bewohner vor der Unterkunft. Ich will mit drei gestapelten Kisten los, aber mein Bärenführer bremst mich: „Lass mal, die Bewohner bringen das selber rein“. So reichen wir die Kisten nur aus dem Transporter heraus und sehen, wie sich die Bewohner freudig aus den abgestellten Paletten bedienen. Mir scheint es etwas unorganisiert, aber es wird auch klar, wie groß der Bedarf ist.

Ehrenamt für Senioren - Menschen suchen sich aus Kisten Gemüse und Obst aus

Etwas anders ist die Situation in einem weiteren Wohnheim in Neukölln. Der Koch begrüßt uns und freut sich über die Champignons. Aber auch Koriander, Paprika und Gelierzucker begeistern ihn. Er hat für mich etwas Zeit und berichtet über die Kochherausforderung in dieser Unterkunft. Er bereitet Essen für bis zu 70 Personen zu und mehrere Bewohner helfen regelmäßig in der Küche mit. Er erzählt ganz begeistert von der Herausforderung, aus den gelieferten Waren etwas Gutes zuzubereiten. „Andere Köche in Restaurants bestellen, was sie brauchen. Ich muss sehen, was kommt und mir dann etwas einfallen lassen! Mit dem Gelierzucker kochen wir Marmeladen, gerade zu Weihnachten doch sehr schön“.

Ehrenamt für Senioren - Koch bei der Annahme von gelieferten Waren

Kurz nach Mittag sind wir wieder zurück an der Basis der Tafel Berlin auf dem Großmarkt Beusselstraße. Wir liefern unsere Supermarkt-Beute in einer anderen großen Lagerhalle ab. Dort dreht eine Sortiererin jede einzelne Weintraube um. Die Guten ins Schälchen, die Schlechten in die Tonne. Aber auch die sind nicht verloren: „Die kommen zu den Prinzessinnengärten und werden Kompost!“

Ehrenamt für Senioren - Frau bei der Berliner Tafel sortiert Weintrauben

Unsere Discounter-Abholung ist genaugenommen nur eine kleine Erbse im Eintopf. Bei insgesamt rund 1.000 Lebensmittelgeschäften läppert es sich aber auch zusammen. Die richtig großen Fuhren kommen aber direkt vom Fruchtmarkt. Meist sehr gute Qualität, nur manchmal krumm. Und das nehmen die zahlenden Verbraucher krumm. So landen durch die Berliner Tafel die Gurken in Bananenform auf dem Tisch von Bedürftigen und nicht im Müll. Nur selten ist etwas direkt für die Tonne wie diese Orangen.

Ehrenamt für Senioren - Verschimmelte Orangen

Im Büro erfahre ich von Sarah, der Chef-Einteilerin für die Ehrenamtlichen, weitere Details: Die Berliner Tafel ist ein eingetragener Verein und finanziert sich von Beiträgen der 2.000 Mitglieder und Spenden von 1,-- bis 10.000,-- Euro, denn der Verein erhält keine öffentlichen Gelder. Dazu unterstützt eine große Anzahl von Sponsoren den Verein. Von 18 Fahrzeugen, über tausende Klappkisten bis hin zur Bereitstellung des Webhosting-Pakets reicht die Liste der Unterstützer. „Wir haben 2.700 Ehrenamtliche in unseren Listen. Das hört sich viel an, aber manche finden nur einmal im Jahr Zeit. Deswegen suchen wir weitere Helferinnen und Helfer.“ Neben solchen Jobs wie von uns beiden Thomasse, werden auch Ehrenamtliche für die Sortierung der Lebensmittel gesucht. Das Motto unseres Blogs ist ja: „Jetzt haben wir Zeit für uns!“, aber wie wäre es mit: „Jetzt spenden wir etwas Zeit für die Tafel!“? Wem das möglich ist, der findet weitere Infos auf der Seite vom Berlin Tafel e.V.

Zum Abschluss bekomme ich noch ein frisch gekochtes Mittagessen „aufs Haus“: Hänchengeschnetzeltes mit Spätzle. Die Garnierung ist ein gutes Gefühl. Nämlich das gute Gefühl, etwas Sinnvolles für die Gesellschaft getan zu haben. Kann ich ausdrücklich empfehlen!

Dieser Artikel ist bereits im November 2021 auf unserem Blog erschienen, hat aber immer noch volle Gültigkeit!

Telefonseelsorge - Ehrenamt für Senioren

 „Ich löse keine Probleme – ich höre zu!“

Ehrenamt für Senioren - Frau mit Headset bei der Telefonseelsorge

 Eine ehrenamtliche Mitarbeiterin der Telefonseelsorge gibt uns Einblick in die Sorgen der Anrufenden und Auskunft über ihre eigene Gefühlswelt. Wir von grad60 konnten ein Interview mit ihr führen. Wir nennen sie Reni, da alle Mitarbeitenden der Telefonseelsorge unerkannt bleiben sollen.

 Grad60: Gibt es bei aktuellen Anlässen mehr Anrufe?

 Reni: Wir sind kostenfrei unter 0800 111 0 111 und 0800 111 0 222 rund um die Uhr erreichbar. Eigentlich bimmelt das Telefon immer nonstop. Aktuelle Anlässe rücken dann ein Thema etwas mehr in den Vordergrund, aber im Grunde bleiben die Sorgen ähnlich: An erster Stelle die Einsamkeit, Beziehungsprobleme, Ängste vor Jobverlust und bei Jüngeren oft auch das Thema Mobbing und Selbstverletzung.

Wer ruft denn bei euch so an?

Viele sind psychisch krank und sie wissen es auch. Wir sind zum Beispiel für krankhaft Depressive eine Hilfe, wenn sie ihren Arzt nicht erreichen. Wir dürfen natürlich nicht behandeln oder gar zu bestimmten Medikamenten raten, aber wir hören zu! Und das hilft in der Not. Zur anderen großen Gruppe gehören Menschen ohne soziales Umfeld. Einsame Seelen, die niemanden zum Reden haben.

 Unter anderem haben wir seit Jahren eine Daueranruferin, die alle ihre Schritte mit uns bespricht: Den Kauf eines Autos, einen Besuch im Restaurant und ihr erstes Date mit einem neuen Mann mit der Frage, wie weit sie gehen soll…

Wie alt sind denn die Anrufenden?

Eigentlich ist jede Altersgruppe dabei, nach meiner Erfahrung vielleicht am Telefon mit Schwerpunkt von Mitte 40 bis ins hohe Alter; denn gerade im Alter wird das Thema Einsamkeit zum Hauptthema. Aber ich habe auch eine Schulung für unseren Chat-Dienst absolviert und hier kommunizieren überwiegend junge Menschen. Da schreiben manchmal Zwölfjährige über ihre Probleme mit Mobbing in der Schule, da sind sogenannte „Ritzer“ dabei, also Menschen, die sich selber die Haut verletzen und dann auch die gesamte Bandbreite von Problemen. Ich finde es schwierig, in so einem Chat zu kommunizieren, da sich dabei ja nicht so leicht Emotionen erfassen lassen. Aber viele der jungen Hilfesuchenden wollen nicht telefonieren.

 Wie kannst du helfen?

 Ich höre zu! Es ist eigentlich unfassbar, wie das vermisst wird. Die Anrufenden sehnen sich nach einem Zuhörer und einem Gespräch. Eigentlich erwarten sie auch nicht unbedingt eine Lösung, sie wollen sich das Problem von der Seele reden. Und da können ich und meine Kollegenschaft bei der Telefonseelsorge helfen. Oft wüsste ich auch keine Lösung. Wie zum Beispiel bei der über 50-jährigen Ehefrau, die ihre Schwangerschaft als Ergebnis einer Betriebsfeier-Ausschweifung nach drei Monaten bemerkte. Sie war absolut verzweifelt. Sie wollte es weder ihrem Ehemann, dem klar wäre, nicht der Erzeuger zu sein, noch ihren erwachsenen Kindern beichten. Aus Angst von allen verlassen zu werden. Da bin ich an die Grenzen gestoßen, was soll ich ihr da raten? Die Frau sagte zum Schluss dann zu mir: „Ich weiß, Sie können mir nicht helfen, aber es war mir wichtig, es irgendwem zu sagen!“

Es geht darum Lebenshilfe zu leisten. Wir versuchen, persönliche Probleme des Anrufenden abzubauen, selbst wenn es nur für den Moment ist.

 Und dann habe ich einen etwa 80-jährigen Daueranrufer, eigentlich klar im Kopf, aber offensichtlich mit Wahnvorstellungen. Angeblich verfolgt und überwacht vom Geheimdienst, ruft er regelmäßig an, weil er jemanden braucht, der ihm zuhört. Allerdings, wenn man ihm signalisiert, dass man ihm nicht alles glaubt, wird er aggressiv und beleidigend.
Ich kenne das ganze Repertoire der „F“-Wörter-Beschimpfungen.

Musst du dir häufiger Beschimpfungen anhören?

 Ich habe schon Schimpfwörter gehört, bei denen habe ich vorher gar nicht gewusst, dass es sie gibt! Ich kenne das ganze Repertoire der „F“-Wörter-Beschimpfungen. Wenn du abhebst, kann es auch der Sex-Anruf sein, inklusive pornografischer Geräusche und der Frage nach meiner Unterwäsche. Das ist manchmal so heftig, das halten dann auf Dauer auch nicht alle aus. Es haben schon einige meiner Kolleginnen deswegen aufgehört.

 Werdet ihr auf diese Sex-Anrufe oder Beleidigungen vorbereitet?

 Wir haben regelmäßig Supervisionen und tauschen uns aus. Aber natürlich gehört auch ein „dickes Fell“ dazu. Ich nehme die Geschichten nicht mit nach Hause und kann sehr gut abschalten. Anders würde das auch nicht gehen. Und wir werden auch umfangreich in Gesprächsführung, Krisenintervention und Selbsterfahrung geschult, bevor wir an das Telefon gelassen werden. Zur Nervenberuhigung greife ich dann gerne in die immer gut gefüllte Süßigkeiten-Schublade.

 Warum tust du dir das an? Helfersyndrom?

Nicht nur. Es bringt mich gut zurück auf die Erde. Ich merke, wie klein meine vermeintlich großen Probleme sind und manchmal kann ich mich sogar mit den Anrufenden austauschen. Das war nach meiner Trennung so. Da konnte ich mich sehr gut in die Sorgen von Alleingelassenen hineinfühlen und habe Vieles auf mich bezogen reflektieren können. Und ja, mir geht es gut und ich will der Gesellschaft auch etwas zurückgeben. Dazu gibt es gelegentlich auch sehr unterhaltsame Anrufe. Ein Mann berichtete zunächst von seiner Trennung, fing dann aber auch an, mit mir zu flirten und gab mir seine Handynummer mit der Idee: Man könnte sich doch mal unverbindlich zum Tanzen verabreden. Da ruft natürlich keiner an. Das geht auf keinen Fall.

Wer arbeitet denn bei der Telefonseelsorge?

Es sind überwiegend Frauen dabei. Ich würde sagen, etwa 2/3 sind weiblich. Die meisten sind so zwischen 50 und 75 Jahre alt. Also viele im Rentenalter, aber es gibt auch zum Beispiel jüngere Lehrerinnen und Lehrer und Angestellte.

 Könnte ich da mitmachen?

 In jedem Bundesland werden ehrenamtliche Mitarbeiter gesucht. Die Bewerbung geht ganz leicht online. Deutschlandweit bei der TelefonSeelsorge oder in Berlin bei der Kirchliche TelefonSeelsorge in Berlin und Brandenburg. Da kannst du auch genauer nachlesen, was dich erwartet.

Ich für mich sage, es ist ein absolut lohnenswertes Ehrenamt! Ich kann es eindeutig empfehlen! Eine verantwortungsvolle und erfüllende Aufgabe!

 Vielen Dank für die interessanten Einblicke!

Das ursprüngliche Interview wurde bereits im Januar 2021 geführt und jetzt im Sommer 2024 aktualisiert.

Außergewöhnliche Restaurants Berlin-Brandenburg

Außergewöhnliche Restaurants Berlin-Brandenburg

Celle und die sprechenden Laternen

Celle und die sprechenden Laternen