Ein Spaziergang durch Zehlendorfs Mitte - Ein Gastbeitrag
Berlin kann auch still und beschaulich sein. Klaus Tolkmitt nimmt uns mit durch Zehlendorfs Mitte; lassen wir uns inspirieren.
Den Berlinern im Ortsteil Zehlendorf im Bezirk Steglitz/Zehlendorf wird nachgesagt, sie leben in dem wohlhabendsten und schönsten Teil der Stadt. Was liegt da näher, als sich auf einem vier Kilometer langen Rundgang zwischen dem U-Bahnhof Krumme Lanke und dem Dorfanger mit Hochzeitshaus am Teltower Damm einmal genauer umzuschauen. Und tatsächlich, ich werde durch eine idyllische Villengegend kommen, werde auf dem Friedhof am Grab von bekannten Persönlichkeiten stehen, im Zehlendorfer Wäldchen die Ruhe genießen und im „historischen Winkel“ einige Entdeckungen machen.
Auf geht’s!
Auf dem Alfred-Grenander-Platz fällt die harmonische Architektur des U-Bahnhofs Krumme Lanke auf, der hier als Endhaltestelle der Linie U3 oberirdisch angelegt ist.
Der U-Bahnhof sollte ursprünglich den Namen Alsenstraße tragen, wurde dann aber nach dem einen Kilometer entfernten See Krumme Lanke benannt. In Betrieb genommen wurde er am 22. Dezember 1929 als Teil der damaligen Linie A und bildete den Endpunkt der Verlängerungsstrecke vom Thielplatz.
Alfred Grenander war ein schwedischer Architekt, der größtenteils in Berlin gewirkt hat. Grenander hatte entscheidenden Anteil an der Entwicklung Berlins zur Weltstadt und modernen Architekturmetropole ab 1900.
Grenanders architektonisches Vermächtnis ist seine Gestaltung von etwa 60 Bahnhöfen der Hoch- und Untergrundbahn in Berlin. Anfänglich orientierte sich Grenander am Jugendstil, von 1902 bis 1931 bevorzugte er aber den Stil der Moderne.
Den Eingang der U-Bahn im Rücken folge ich links der Fischerhüttenstraße. Der Straßenname stammt übrigens aus einer Überlieferung. So soll um 1723 am Schlachtensee für die Fischer eine Hütte erbaut worden sein, die später umgebaut und als Lokal genutzt wurde. Zu Zeiten Friedrich II. soll die “Alte Fischerhütte" dann auch als Gutshaus gedient haben. Ich schlendere am Sven-Hedin-Platz vorbei und frage mich, wer war dieser Sven?
Da haben wir doch gleich noch einen Schweden: Sven Anders von Hedin (*19.2.1865 in Stockholm, +26.11.1952 in Stockholm) war ein Asienforscher, aber auch Anhänger der NS-Bewegung. 1885-1891 führten ihn kürzere Reisen in den Kaukasus, nach Persien, Mesopotamien und Turkestan. 1893-1898 unternahm er Expeditionen ins Pamir-Gebiet und nach Nord-Tibet. 1899-1902 erkundete er die Wüste Gobi. Aufgrund seiner prodeutschen Haltung während des Ersten Weltkriegs büßte Hedin das Vertrauen der indischen, russischen und chinesischen Regierungen ein. Seine Sympathie für Deutschland übertrug er auch auf das Dritte Reich, das er vorbehaltlos verteidigte. Noch im Februar 1945, als die Welt schon die Verbrechen von Auschwitz kannte, wünschte er öffentlich, dass Deutschland den Zweiten Weltkrieg siegreich beenden möge. Er nutzte jedoch auch seine Verbindungen, um sich erfolgreich für die Begnadigung von zehn zum Tode verurteilter Norweger sowie für die Freilassung oder das Überleben von in deutsche Konzentrationslager deportierten Juden einzusetzen. Man bezeichnet Hedin als letzten großen Landreisenden der Entdeckungsgeschichte.
An der Ampelkreuzung Sven-Hedin-Straße/Fischerhüttenstraße biege ich links ein und finde an der Ampel einen Hinweis zur Dahlem-Route. Eine schöne Rad-Route, die auch durch Zehlendorf führt. Ich habe sie selbst abgeradelt und kann sie unbedingt empfehlen. Eine ausführliche Beschreibung zur Dahlem-Route habe ich auf meiner Homepage "Mein Berlin erleben / Krumme Lanke". Es gibt aber auch einen Flyer zum Herunterladen: "Dahlem Route".
Keine 200 Meter weiter in der Sven-Hedin-Straße stehe ich an einem Torbogen zum Zinnowweg.
Dahinter verbirgt sich die Zinnowwaldsiedlung, die 1928 von der Gemeinnützigen Heimstättensiedlung geplant und gebaut wurde. Die Privatstraße erschließt die Wohnblöcke im Innenbereich der Anlage. Die Gestaltungsweise der Bauten ist durchweg konservativ, der Einfluss des Architekten Paul Mebes, der das "Bauen um 1800" propagierte, ist aber sichtbar. Der U-förmig angelegte Baublock greift wie keine andere Wohnanlage in Zehlendorf auf das Vorbild klassizistischer Bürgerhausarchitektur zurück.
Am Sportplatz Zehlendorf 88 vorbei, erreiche ich schon bald die Onkel-Tom-Straße, in die ich rechts einbiege, um nach wenigen Metern vor dem Friedhofseingang zu stehen.
Ich orientiere mich am Friedhofsplan und finde schon bald die Gräber von Heinrich George und seinem Sohn Götz George. Beide waren herausragende Schauspieler und Persönlichkeiten, an die ich mich gern zurückerinnere.
Heinrich George wurde als Georg August Friedrich Hermann Schulz geboren. Erst 1932 beantrage er eine amtliche Namensänderung auf seinen Künstlernamen Heinrich George. Als Grabstein dient ein Postament, das eine bronzene Büste Georges trägt, ein Werk des Stuttgarter Bildhauers Hans Gerdes. Eine Inschrift erinnert an Georges Frau Berta Drews, die 1987 auf See bestattet wurde. Auf Beschluss des Berliner Senats ist Georges letzte Ruhestätte seit 1995 ein Ehrengrab des Landes Berlin. Die Gräber von Vater und Sohn liegen nur zwei Gräber auseinander im Feld: 013/96.
Ich mache einen kleinen Rundgang über die schön angelegte Ruhestätte und nehme den Ausgang 250 Meter hinter der Friedhofskapelle links durch ein kleines Tor in der Friedhofsmauer, um dann wieder auf der Fischerhüttenstraße zu stehen. Ich überquere die Fischerhüttenstraße und finde gegenüber am Beginn der Bergmannstraße den Zugang zum "Zehlendorfer Wäldchen". Hier verläuft auch der Berliner Hauptwanderweg 15. Waldduft zieht durch meine Nase und ich genieße die Natur und Ruhe im Wäldchen.
Der Weg ist leider viel zu kurz, denn schon bald stehe ich wieder an einer hektischen Straße. Geradewegs über die Potsdamer Straße spaziere ich in die Ahornstraße und merke, wie der Lärm wieder weniger wird.
Rechts und links des Weges sehe ich hinter hohen Bäumen und Büschen die ersten schönen (und auch alten) Villen, die Zehlendorf angeblich so lebenswert machen. Im Haus 21 war einst das Institut für Jagdkunde beheimatet. Der königliche Hofdrucker Julius Neumann brachte hier zwischen 1919 und 1934 als Verleger "Merkblätter der Gesellschaft für Jagdkunde" und die “Deutsche Jägerzeitung” heraus.
An der Ecke Hohenzollernstraße biege ich links ab, gehe am wunderschönen Haus „Villa Margarete“ vorbei und stoße schon bald auf die Martin-Buber-Straße. Wer viel Zeit hat, sollte einen kleinen Rundgang durch das Viertel zwischen Königsstraße und Beuckestraße machen.
Von weitem ist schon die Pauluskirche zu sehen, für die 1903 der Grundstein gelegt wurde. Der Mauerwerksbau ist mit roten Ziegeln verblendet. Die Giebel werden durch Radfenster, sowie sogenannte Maßwerkblenden, Krabben und Fialen betont. Als Haupteingang dient ein spitzbogiges Trichterportal, bekrönt mit einem Ziergiebel, in der Fachsprache Wimperg genannt. In der Kirche werden regelmäßig Konzerte in Zusammenarbeit mit der Berliner Bach-Gesellschaft durchgeführt. Außerdem werden die Orgeln für den Musikunterricht und Prüfungen der Universität der Künste genutzt.
Ich gehe links an der Kirche vorbei und dabei fällt mir ein Schild auf, das auf die prächtige Buche, die sogenannte Luther-Buche aufmerksam macht, die hier 1907 gepflanzt wurde. Nicht nur die prächtige Buche ist schön anzusehen, auch der Zeli-Brunnen, der ein paar Meter weiter auf dem Sderotplatz an der Potsdamer Straße steht.
Der Name des Brunnens erinnert an das alte Zeli-Kino, das an dieser Stelle bis zum Abriss des Hauses gestanden hat. Besonders Kinder freuen sich im Sommer, wenn der Brunnen der Künstlerin Brigitte Haake-Stamm in Betrieb ist und Schlangen, Fische, Mensch- und Fabelwesen das erfrischende Nass in alle Richtungen „spucken“. Weil auch noch Schildkröten, Tintenfische, Seehunde, Frösche, Gänse, Katzen und Schnecken den Brunnen zieren, wird er auch "Märchenbrunnen" genannt.
Der Sderot-Platz wurde im Jahr 2009 nach der israelischen Partnerstadt von Steglitz-Zehlendorf benannt. Sderot liegt im südlichen Teil Israels in der Negev-Wüste, 13 Kilometer von der Mittelmeerküste entfernt. Die Stadt entstand 1951, als 80 Familien aus dem Iran und Kurdistan sich im Einwanderungslager Gevrim Dorot niederließen. An der Ampel direkt neben dem Brunnen überquere ich zuerst die breite Potsdamer Straße und 100 Meter weiter rechts die Onkel-Tom-Straße.
An der nächsten Ecke stehe ich am alten Dorfplatz bzw. an der alten Dorfkirche von Zehlendorf und stelle fest: Willkommen im “Historischen Winkel". Zu dem Bauensemble gehört die Kirche mit Friedhof, das Heimatmuseum (ehemaliges Schulhaus von 1828) und die mächtige Friedens-Eiche auf dem Platz.
Der Kirchhof ist älter als das Dorf selbst, das 1242 erstmals amtlich erwähnt wurde. Seit Ende des 17. Jahrhunderts, als die Ost-West-Chaussee zwischen Berlin und Potsdam gebaut wurde, liegt der Kirchhof direkt an der Hauptverkehrsstraße. Heute pulsiert hier der Verkehr auf der Bundesstraße 1.
Auf dem Friedhof habe ich eine Rarität entdeckt. Drei verschrobene dicke Maulbeerbäume, die über 200 Jahre alt sind und einst Teil der legendären Seidenproduktion in Preußen waren.
Friedrich der Große verfügte 1752 die Seidenraupenzucht und verordnete sie auch den Schulmeistern und Pfarrern, die sich damit gern ein Zubrot verdienten. Überall wurden Maulbeerbäume gepflanzt, deren Blätter an die Raupen verfüttert wurden. Seide war damals ein gefragter Stoff. Doch die Seidenraupen konnten mit der Berliner Winterkälte nicht so recht "warm" werden. So war die Herstellung der Kokons nicht von langer Dauer und Erfolg gekrönt. Die Zehlendorfer Maulbeerbäume haben allerdings die Zeit überlebt und werden seit 1940 bereits als Naturdenkmale ausgewiesen. Es sind die letzten drei Bäume von einst 28 Exemplaren.
An der Ampel überquere ich noch einmal die Potsdamer Straße und habe vor mir den Teltower Damm mit dem Dorfanger. Ich durchstreife die Grünanlage, über deren künftige Nutzung als einstige Dorfaue in Zehlendorf schon lange diskutiert wird, doch man sich bisher (Stand 2021) nicht einigen konnte.
In der prachtvollen Villa am Teltower Damm 10 dagegen scheint man sich immer einig zu sein (das hoffe ich jedenfalls). Dieses wunderschöne Haus ist unbewohnt, doch steht es gern im Mittelpunkt bei verliebten Paaren. Die denkmalgeschützte “Hochzeitsvilla” wurde im Jahre 1892 errichtet und wird heute als Standesamt genutzt.
Durch seine Lage, mit der viel Grün umgebenen Dorfaue in Zehlendorfs Mitte, ist die Villa bei Hochzeitspaaren aus ganz Berlin beliebt. Das Haus verfügt über zwei repräsentative Hochzeitszimmer mit jeweils 16 Sitz- und neun Stehplätzen.
Man betritt und verlässt die Villa durch eine Loggia und über eine schöne Freitreppe, die sich den Gästen nach der erfolgten Zeremonie als malerisches Fotomotiv anbietet.
Ich lasse die Tour an diesem schönen Ort enden, obwohl ich noch ein Stück weiterlaufe, um zum S-Bahnhof zu kommen. Der Bahnhof Berlin-Zehlendorf ist der älteste Bahnhof im heutigen Berlin, was man ihm leider auch ansieht.
Mein Urteil ist klar, Zehlendorf gehört zweifelslos zu den schöneren Berliner Ortsteilen, die ich erkundet habe, auch wenn es noch viele weitere schöne und beliebte Fleckchen in der Stadt zu entdecken gibt. Mit der kostenlosen App von: www.lialo.com kann man z.B. auf Erkundungsreise gehen und Berlin von einer neuen Seite kennenlernen. Die App muss nicht auf das Handy heruntergeladen werden und kann problemlos immer wieder genutzt werden.
So kann auch die Tour: „Im historischen Winkel Zehlendorf“ https://www.lialo.com/tour/5zqp jederzeit unterbrochen und zu einem späteren Zeitpunkt weitergespielt werden. Sie lässt sich allein, mit der Familie oder mit Freunden spielen. Die App-Tour hält nicht nur noch weitere Informationen bereit, sie ist gespickt mit Rätseln und Aufgaben, wie bei einer Schnitzeljagd, damit der Spaziergang zu einem Erlebnis wird.
Wir danken Klaus Tolkmitt wieder einmal für eine so interessante Tour. Er hat schon öfter für uns geschrieben, so zum Beispiel Olympiapark Berlin oder Marathon-Bummel durch Berlin! Weiter so, lieber Klaus!
Wenn auch ihr eine interessante Geschichte für uns habt, immer her damit, am besten als Mail an info@grad60.com