Eat the World – Gast im Wedding
„Den kläglichsten Anblick aber gewähren die sogenannten Vergnügungsörter. Wie Ironie tragen einige die Inschrift: ,Zum freundlichen Wirt’. Man glaubt solcher Inschrift nicht. Wer könnte freundlich sein in solcher Behausung und Umgebung?“ So berichtet Theodor Fontane über den Wedding.
„Auf Seite 181 der Wanderungen durch die Mark steht das vernichtende Urteil”, erzählt uns Angelika zur Einstimmung auf die Wedding-Tour von „Eat the World“.
Die Stimmung der etwa 16 Teilnehmenden ist trotz dieser trüben Aussichten und trotz des trüben Wetters locker und zuversichtlich. „Eat the World“ will uns in freundliche Wirtschaften mit kleinen Leckereien führen und nebenbei Einblicke in den Wedding geben. Sozusagen Essen und Kultur.
Und schon vor dem ersten Happen wird es interessant. Warum hat der Wedding als einziger Ortsteil Berlins einen Artikel? Es heißt ja auch nicht das Steglitz oder der Tempelhof. Angelika erklärt es und hat zur Anschauung auch noch ein paar Fotos und Illustrationen dabei. Die größte Mietskaserne Berlins stand nicht in Neukölln, sondern im Wedding. 3.500 Menschen drängten sich in einem Wohnkomplex mit Seitenflügeln, Hinterhäusern und mehreren Hinterhöfen. Das Afrikanische Viertel, ursprünglich namensgebend von der unrühmlichen Deutschen Kolonialgeschichte, hat nunmehr eine neue Bedeutung als Wohnort einer großen Gemeinschaft von Zugezogenen des Schwarzen Kontinents.
Währenddessen schlendern wir zum ersten Stopp in einem Taiwanesischen Bistro und probieren einen Rice Porridge mit Seitan, Frühlingszwiebeln und Erdnusspulver. Schöner Auftakt mit seiner leicht süß-würzigen Mischung. Wie angekündigt, bleibt nicht viel Zeit zum Verweilen. In der dreistündigen Tour sind sechs Stationen vorgesehen und so geht es nach einer viertel Stunde wieder auf die Straße, weiter zu einem Vietnamesen, wo Ha Cao, kleine gedämpfte Teigtaschen, auf uns warten. Sie treffen mit ihrer schlabbrigen Teigkonsistenz nicht ganz meinen Geschmack, aber den Anderen scheint es zu schmecken. Es sind mehrere kleine Grüppchen in gemischtem Alter bei der Führung dabei, viele davon im grad60-Bereich. Ein paar Worte werden gewechselt, die Atmosphäre ist entspannt und auch Einzelteilnehmer dürften sich hier mitgenommen fühlen.
Der Wedding ist ein Arbeiter-Multi-Kulti-Bezirk und so geht es weiter zum Araber, den ich wahrscheinlich wegen seiner spartanischen Imbissatmosphäre ohne Führung nie betreten hätte. Damit wäre mir aber das leckere Manakish entgangen, in das ich herzhaft hineinbeiße und dabei die herzhaften orientalischen Gewürze auf dem Teigfladen genieße.
Beim Multi-Kulti darf selbstverständlich auch nicht das Deutsche fehlen und so steuern wir eine alteingesessene Fleischerei in der Müllerstraße an. Nicht gerade der Traum für die drei Vegetarier in der Runde, die ihre Boulette mit Gurkensalat ersetzt bekommen. Während wir kauen, versorgt uns Angelika mit weiteren Informationen zu den Lokalitäten, inklusive kleiner Anekdoten über deren Inhaber.
Wenn der Wedding auch nicht vor Sehenswürdigkeiten überläuft, so entdecken wir durch unsere Tour-Führerin doch interessante Gebäude, wie das ehemalige Krematorium mit neu erbauter aber unbenutzter Leichenhalle, einen Stadtplatz, der erst von Kampfmitteln befreit werden musste, oder eine Steele, deren Bedeutung nicht auf den ersten Blick klar wird.
Leider pfeift der kalte Wind durch die Straßen und mit eingezogenem Kopf erreichen wir den völlig versteckten stylischen Falafel-Bus, in dem wir verschiedene Soßen zu dem namengebenden Gericht wählen dürfen. Etwas zu eng für alle Mitessenden, muss ein Teil an den Stehtischen vor dem Truck im Kalten stehen bleiben.
Dass es nun zum Eiskult Wedding weitergeht, überzeugt bei den Temperaturen nicht auf Anhieb. Aber die kleine Manufaktur bietet erstklassiges Eis und insbesondere ein gut geheiztes Café, in dem der Cappuccino schmeckt (ihr wisst ja, bei mir muss er wirklich gut sein, wie ich es bei Süßkram beschreibe).
„Was auf einer halben Meile hin diesen ganzen Stadtteil charakterisiert, das ist die völlige Abwesenheit alles dessen, was wohltut, was gefällt“, so noch mal der alte Fontane. Okay, richtig schön ist der Wedding gewiss nicht, aber auf der Tour habe ich viel Interessantes gesehen und gehört und Fontanes Meinung über die Wirtschaften muss ich energisch widersprechen.
Mir hat es Spaß gemacht, ich habe neue Ecken im Wedding entdeckt und schmackhafte Häppchen probiert. Dazu gab es eine sympathische Gruppe und eine gut informierte Führerin.
Zum Abschluss berichtet Angelika noch über die neun Berliner „Eat the World“-Stadtteile und die vielen deutschlandweiten Destinationen von Freiburg bis Kiel.
Die Tour kostet 39 Euro, Getränke sind extra zu bezahlen.
Weitere Informationen gibt es auf www.eat-the-world.com
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