Gin-Gin-Gin
Wir grad60-er lieben dieses Getränk, aber bester Gin ist Geschmackssache. Damit ihr euren besten Gin findet, beschreiben wir die Botanicals, die Aromen der Destillate, die Geschmackserlebnisse sowie die Performance kleiner regionaler Brennereien und großer Millionenseller. Bester Gin – mit oder ohne Tonic, hier erfahrt ihr, was passt. Das ist unsere persönliche Suche zum Thema „Bester Gin“. Immer ein Erlebnis, natürlich nur bei verantwortungsvollem Genuss.
Bisher erschienen sind Artikel zu folgenden Gin-Sorten auf der Suche nach dem besten Gin:
…und über folgende Gin-Bars und Tastings:
Und übrigens: Die Artikel wurden ohne Bezahlung, Vergünstigung oder Beeinflussung geschrieben. Weitere Informationen zu diesem Thema findet ihr auf unserer Seite Transparenz.
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Lydén Distillery, Test Bester Gin
Grete Minde aus Tangermünde schaut mit tadelndem Blick auf die fast leere Flasche des Dry Gins der Lydén Distillery. Auch ich glaub`s kaum. Da haben wir gestern doch fast die ganze 30. Flasche aus dem 48. Batch verkostet. Aber ein guter Gin unter Freunden an einem sanft dahingleitenden Herbstabend hat selten eine lange Halbwertzeit. Der „alte“ Schwede kommt übrigens aus der Pippi Langstrumpf Heimat Småland. Die Distillery dort wurde im Jahr 2019 von Vater Roger und Sohn Emil Lydén gegründet. Den somit gar nicht mal so „alten“ Schweden hat mir ein lieber ehemaliger Kollege aus früheren Ordnungshüterzeiten geschenkt. Das war vor einigen Wochen, als noch die Sonne schien und man draußen sitzen konnte.
Und wie hat uns der Lydén geschmeckt? Sagen wir mal so: unser Urteil ist uneindeutig. Aber lasst uns gemeinsam in den gestrigen Abend eintauchen...
Der Gin ist im Glas. Er hat eine recht ölige Konsistenz; schlierenhaft klammert sich der letzte Tropfen an die Wand des Probengläschens. Das ist unzweifelhaft ein Qualitätsmerkmal, dieser Stoff ist dickflüssig. Der scheint inhaltsschwer zu sein, im wahrsten Sinne des Wortes. Wir sind gespannt.
Beim Noising habe ich sofort einen sehr floralen Kräuterteppich vor Augen; Thomas meint, dass könnte von so etwas wie Holunder kommen. Ich bin verblüfft. Wie zum Teufel kann der das herausriechen? Wir schauen uns das Label an. Einige der organischen Botanicals werden in Småland gewonnen und das Wasser kommt aus einer Quelle in Ljungby. Aber was im Gin drin ist, wird nicht verraten.
Ich recherchiere schnell mal und richtig, unter den diversen Zutaten wie Angelikawurzel, Koriandersamen, Preiselbeeren, Rosmarin, Wacholder, Zitronenschalen sind auch Holunderblüten. „Und die Lingonbeeren hast du womöglich auch gerochen, wie?“, kann ich mir die schnippische Bemerkung nicht verkneifen, „die sind nämlich auch noch enthalten, jawoll, steht jedenfalls hier!“ Wir schmecken. Auf der Zunge schiebt sich neben den Wacholder heftig winkend eine Zitronenzeste, die fruchtig-beerige Note bleibt aber dominant. Und er ist etwas süßlich. Am Anfang jedenfalls. Ob das nur von den Blüten kommt oder auch etwas Süßholz drin ist, wissen wir nicht. Beim Abgang hingegen wird er scharf, es muss auch noch Pfeffer enthalten sein. Interessanter Geschmack, absolut. Mir sitzt heute Abend der Schalk im Nacken, ich will mit diesem Gin einen Cocktail mixen und zwar einen besonderen. Über diese Mischung habe ich irgendwo mal gelesen. Ich nehme eine getrocknete Orangenscheibe, zwei persische Rosenblüten und ein paar Körner Wacholderbeeren auf Eis. Dazu ein paar Spritzer Tonic von Thomas Henry.
Ich reiche Thommy den Drink zum Probieren. Er verzieht das Gesicht. „Ist mir zu süß, viel zu süß. Und der Henry verdeckt alles.“ Als Gegenstück habe ich einmal Gin-Tonic auf Eis ohne Zutaten; wir tauschen die Drinks. „Besser“, sagt er und nimmt einen kräftigen Schluck. Ich tue es ihm gleich und lasse reichlich Flüssigkeit in den Mundraum fließen. Ich fühle einen fast toxisch anmutenden Effekt, der mehr ist als nur einfach floral, das ist ein olfaktorischer Frontalangriff. Ich wähne mich mitten in einem duftenden Rosenhain. Und während mir Scheherazade Geschichte aus Tausendundeinernacht ins Ohr flüstert, reicht sie mir frisch geschnittene Orangenslices. Irre! Ich weiß gar nicht, was er hat, mir schmeckt meine extravagante Mischung supergut.
Wir fachsimpeln ein wenig über die verschiedenen Tonics dieser Welt. Thomas Henry, Schweppes, Goldberg, Fentiman und natürlich Fever Tree. „Ich glaube, ich habe da noch ein Fourpack vom Fieber Baum im Keller“, sage ich und springe mal kurz ins Basement. Meine Ahnung hat mich nicht getäuscht. Mit vier kleinen Flaschen des Fever-Tree Mediterranean Tonic Water komme ich wieder ans Licht.
Selten habe ich erlebt, dass das Mediterrane des Fever Trees so ausgebremst wird. Aber hier in einer guten Art. Und zum Vorteil des Lydén. Alle Feinheiten der floralen Kräutermischung bleiben erhalten. Sie kuscheln sich quasi in die Kissen des Limostyle-Fevers, ohne sich zuzudecken. Eine gute Mischung. Aber bitte nur wenig Tonic, sonst wird das nichts.
Stunden später, die Flasche ist fast leer. Unser Urteil ist zwiegespalten. Dieser Gin hat viel zu bieten, ist gut ausbalanciert und damit hervorragend zum puren Genießen geeignet, also durchaus zu empfehlen. Thomas ist er aber zu süß, mir nicht. Der scharfe Abgang ist nachhaltig und die Wacholderbeeren bleiben noch lange auf den Geschmacksknospen. Mit dem Mediterranean Fever Tree ist er gut zu mischen. Meine Cocktailvariation muss man jetzt nicht wirklich nachmachen; das ist mehr Show als alles andere. Apropos, noch ein Wort zur Optik. Der Gin kommt in einer schlichten 500ml-Flasche daher, verschlossen durch einen Kunststoffkorken mit Holzscheibe. Auch das Etikett ist frei von Effekthascherei. Hier geht es den Machern wohl mehr um den Inhalt als um die Verpackung. Auch ein Standpunkt. Oft ist es in der Welt der unzähligen Gins andersherum.
Betreute Malariaprophylaxe oder Gintasting vom Feinsten, Test Bester Gin
Mike bringt es auf den Punkt: Chinin wird aus der Rinde des Chinarindenbaumes gewonnen und ist ein Arzneistoff gegen Malaria. Eigentlich sehen hier alle ganz gesund aus beim Gintasting in den Räumen des feinen Alkoholshops „BerlinBottle“. Der Stoff ist ja auch nur in geringen Mengen im Tonic Water der Firma Fever Tree enthalten, das unsere freitagabendliche Verkostung begleiten wird.
Hübsch haben die Frauen und Männer das Event für uns Wacholderaffine gestaltet. Unter samtblauen Licht blinken und blitzen schier unendliche viele Noising-Gläser. Und in allen erkenne ich schon etwas Flüssigkeit, Gin natürlich. Der Holzboden und die massiven Vollholztische kontrastieren ausgezeichnet mit dem Weiß der deckenhohe Regale, die voll mit Spirituosen aus aller Welt sind. Atmosphärisch sehr gelungen.
Degustationen sind mitunter viel zu steife, formale, unlustige Veranstaltungen. Das wird heute anders, mit Sicherheit. Das nach und nach eintreffende Volk ist gut hälftig beiderlei Geschlechts und deutlich jünger als wir. Kaum der wärmenden Sachen entledigt, der Herbst ist draußen voll im Gange, beginnt ein heftiges Plaudern. Zum Warmwerden bekommen wir einen Passionsfrucht Gimlet in die Hand gedrückt. Normalerweise wäre mir der zu süß. Aber diese Mischung ist hervoragend und passt zum Heute und Hier. So kann das weitergehen.
Es ist halb acht in der Katharinenstraße 26, also Gin o`clock. Alle haben Platz genommen. Sofie begrüßt die 26 Verkostungswillingen, stellt uns beide von grad60.com vor und übergibt dann an den Erklärbär Mike, der uns durch den Abend bringen wird. Er quatscht nicht lange um den kalten Gin herum, sondern geht gleich in die Vollen. Die Nummer eins der acht Ginproben eröffnet den Reigen.
Es ist der Nordes Atlantic Galician, ein frischer Spanier. „Der Grundbrand wird aus lokal angebauten Albariño-Trauben destilliert“, eröffnet Mike die Runde. „Ihr werdet das schmecken und neben dem Pflichtanteil Wacholder sind jede Menge florale Zutaten dabei.“
Thomas schnuppert schon mal. „Besonders hervorheben möchte ich den Queller“, fährt unser Gin-Guide fort. „Das ist ein sogenannter Seespargel, der auf Wattböden und an Meeresküsten wächst.“ Noch nie gehört, wirklich nicht. Und so etwas darf in einen Gin? Na, wenn sie meinen, die Galizier, testen wir mal.
Kardamom, Zitrone, vielleicht etwas Eukalyptus kitzeln in der Nase und viele Blumen liegen bei mir auf der Zunge. „Der riecht und schmeckt wie ein ganzer Obstkorb“, bekräftigt Patricia von gegenüber meinen Eindruck. Auf meine Herkunftsfrage antwortet der rechts daneben sitzende Peter mit der genialen Kopfform, die der meinigen ähnelt: „Wir sind eine Gruppe von Hobbyseefahrern und wollen heute mal etwas mehr über Gin erfahren.“ Eben dieser Peter hatte übrigens kurz vorher beinahe einen Eklat verursacht, weil er zu spät kam und bei seiner Gruppe kein Platz mehr frei war. Ziemlich unwillig, verständlicherweise, musste ein Pärchen einen Platz nach rechts rücken. Aber es ging ohne Hauen aus. „Willst Du auch einen Eiswürfel?“, reißt mich Jasmin aus meinen Gedanken.
Klar will ich; ich mixe mir einen kleinen Gin-Tonic. Es ist sehr angenehm, dass nach jeder einzelnen Ginpräsentation genügend Zeit zum Probieren, Meinung austauschen und Notizen machen bleibt. Aber jetzt geht es weiter, die Nummer zwei ist dran. „Der Ginraw stammt aus Barcelona und zählt zu den absoluten Premium-Produkten unter Gin-Kennern“, beginnt Mike die Vorstellung des zweiten Spaniers an diesem Abend.
Das Geschmackserlebnis ist intensiv, ja fast hart. Der Wacholder dominiert durchweg. Peter meint, dieser Gin sei wie eine Faust mitten ins Kontor. Recht hat er. Allerdings meine ich, dass die Faust in einem dünnen Handschuh floralen Aromas steckt. Im Abgang schmecke ich außerdem Lakritze. Und die Schärfe bleibt am Gaumen hängen. Thomas überlegt, wie das Gewürz heißt, das ihm gerade den Zapfen massiert. Er fragt unseren Gin-Somelier. „Das könnten die zerstoßene Kardamomsamennoten sein, sie verleihen dem Abgang eine prickelnde Hitze.“ Interessant.
Es folgt der Caorunn Small Batch, dessen Name von dem gälischen Wort für Vogelbeere stammt. Eine ehrliche Angelegenheit, frisch mit Zitrusaromen und vollmundig, ein rauer Schotte mit milden Seiten. Sehr hübsch im Mund. Und dann gibt es vor der Halbzeit noch den No 3 London Dry Gin.
Ein Klassiker mit recht hohen Alkoholprozenten, der sich trotzdem nur mild am Gaumen reibt. Mike informiert uns, dass er Koriander, Engelwurz, Kardamom, Grapefruit- und Orangenschalen enthält und fügt gleich noch etwas Geschichte zum Gin allgemein hinzu. Das macht er sehr geschickt. Hier ein paar historische Fakten und dort ein Spritzer Wissenswertes. Thomas mixt währenddessen die No 3 mit den florarlen Tonic von Fever-Tree und ist begeistert.
Alles erhebt sich nun, schüttelt die Glieder, es ist Essenszeit. Auch das ist hier bei „BerlinBottle“ besonders und nicht unbedingt üblich: Buffet zum Tasting. Brav stellen wir uns in die Reihe. Es ist reichlich aufgefahren und auch für mich als Vegetarier genug vorhanden. Die kross angebratenen Kartoffelpuffer mit dem Pilztopping sind ein Traum.
In der Pause marschiere ich durch den Laden und bin begeistert ob der Vielfalt des Angebots. Ich suche auch das Klo auf und kann mir ein Schmunzeln über die Dusche nicht verkneifen. Die wird wohl bei Degustationen heftigerer Art gebraucht. Im riesigen Lager des Ladens treffe ich auf Mike, mit dem ich über seine sehr gelungene Performance und unsere Website spreche. Er verspricht, mal reinzuschauen. Ein netter Kerl und voller Ginwissen.
Fachsimpeln, analysieren, charakterisieren, wir alle nutzen die Pause zum angeregten Smalltalk. Aber dann schlägt Mike mit einem Noising-Becher gegen die Tanqueray Malacca Flasche. Das heißt: jetzt Ohren gespitzt und zugehört. „Dieser Gin ist eine historische Spezialität, da er auf einem Original-Rezept von Charles Tanqueray von 1830 basiert. Er ist fast ein Old Tom Gin, mit Zugabe von etwas Zucker“, erläutert unser Professor. Auf jeden Fall ein Gin, der den ganzen Mundraum einnimmt. „Wie eine orientalische Süßspeise“, meint William links neben mir und der muss es wissen, er ist Koch von Beruf. Stimmt.
Es folgt der Beefeater 24, auch ein Klassiker mit neuer Interpretation, der sich durch seine Aromen von grünem Tee und Grapefruit von den anderen abhebt. Zugegebenermaßen sind meine Geschmacksknospen an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit angelangt. Den anderen Gästen geht es wohl ähnlich. Aber Endspurt, wir sind schließlich nicht nur zum Vergnügen hier. Isle of Raasay Hebridean ist nicht nur eine Insel, sondern auch ein Gin; der vorletzte Kandidat des heutigen Abends. „Ich muss dabei spontan an einen Felsen im Meer denken“, meint Jasmin. Liegt ja auf der Hand, denke ich mir, wo doch die Brennerei auf der magischen Hebrideninsel Raasay liegt.
„Ihr habt es fast geschafft.“ Mike ergreift noch einmal das Wort. „Der Cotswolds Dry Gin enthält neun Botanicals, wobei der Lavendel sowie die rosa Grapefruit euch besonders auffallen werden.“ Schmecke ich nicht, eher Vanille. Der Gin ist cremig, lieblich, gemütlich, wie ein netter Kumpel, mit dem man gerne den Abend verbringen würde. Ein gelungener Abschluss. Es ist halb elf und eine ganze Stunde bleibt uns noch zum Reden und Trinken. Sofie stellt einfach alle angebrochenen Flaschen auf den Tisch. Tonic und Eis ist ausreichend vorhanden. Alle schauen etwas ungläubig. Hut ab vor so viel großzügiger Gastlichkeit, das ist nicht normal, wirklich nicht.
Die Veranstaltung mit dem Thema „Die Kraft des Wacholders“ ist zu Ende. Wir haben sie gespürt, die Macht und die Magie des Gins. Wir bedanken uns bei Mike, Thekla, Sofie und den anderen Machern aus dem Team der „BerlinBottle“ für diesen herausragenden Abend. Dazu beigetragen haben natürlich auch die vielen anregenden Gespräche über Geschmacksteppiche und Gewürzspitzen mit den anderen Gingenießer:innen. Einfach köstlich!
Liebe Leute, Ihr habt Maßstäbe gesetzt, die schwer zu übertreffen sind.
Am Anfang des Artikels steht „Werbung unbeauftragt”, das heißt, dass dieser Artikel ohne Beeinflussung und Bezahlung geschrieben wurde. Warum der Vermerk trotzdem dort steht, erfahrt ihr auf unserer Seite „Transparenz”.
Den Schnapsladen BerlinBottle findet Ihr in der Katharinenstr. 26, 10711 Berlin - Wilmersdorf, hier ist der Link: https://berlinbottle.de/Schnapsladen-in-Berlin
Gin aus Australien, Test Bester Gin
Ich brauche nie einen Vorwand, um einen Gin zu genießen. Aber heute nehme ich die Fertigstellung meines Fotoalbums über die Camperreise entlang der Ostküste Australiens als willkommenen Anlass. Obwohl dieser Gin vom Kangaroo Island ist und diese Insel in der Nähe von Adelaide an der Süd- und nicht an der Ostküste Australiens liegt. Auch über diesen Streckenabschnitt unser fast dreimonatigen Australienreise werde ich noch ein Fotobuch erstellen. Doch wie lange soll ich eigentlich noch warten?
Ich erwarte 43,5 % reines Vergnügen, öffne die Flasche und gieße ein Paar Tropfen in das Probierglas. Schon nach wenigen Sekunden folgt ein olfaktorischer Überfall mit Lakritze, süßen Pfeffernoten, Lavendel und Kreuzkümmel. Ich fühle mich schlagartig an einen Gewürzstand im orientalischen Mascat versetzt, das wir im Rahmen unserer Dubai Kreuzfahrt besucht haben. Das ist stark, sehr stark.
Ich lese nach, dass hier anstelle des üblichen schwarzen Pfeffers zwei asiatische Paprika verwendet werden. Es handelt sich zum einen um den sogenannten langen Pfeffer, ein etwas süßeres, indisches Gewürz, das an Garam Masala erinnert, und um Cubeb, einen javanischen Pfeffer, der nach Piment schmeckt.
Jetzt kommt der Geschmackssinn ran. Ich nippe am Glas und lasse nicht mehr als ein kleine Mundspülung an die Zunge. Pinie, Wacholder, Orange und eine gewisse Schärfe machen sich breit. Weich und doch herausfordernd umspült der O´Gin meine Knospen. Ich bin ziemlich geflasht. Was für ein Geschmackserlebnis! Das übliche Wuchern mit Begriffen ist hier völlig überflüssig. Dieser Gin ist einfach nur fantastisch.
Weitere würzigen Noten entstehen durch die süßen Vanillearomen von Tonkabohne und südaustralischer Orange. Und ich recherchiere noch weiter im Netz. Das vermeintliche Pinienaroma stammt vom Coast Daisy-Bush, auf Deutsch Küstengänseblümchen, auch als „wilder Rosmarin“ bekannt oder lateinisch korrekt: Olearia axillaris. Und schon bin ich wieder etwas schlauer.
Der O'Gin von Kangaroo Island Spirits wurde 2019 beim International Wine and Spirits Competition (IWSC) als bester zeitgenössischer Gin der Welt ausgezeichnet und ist dieses Jahr (2023) wieder am Start. Ich habe ihn in Adelaide gekauft und nicht auf der Insel, da hatten wir einfach kein Zeit für derartigen Luxus. Ich war an diesem Tag extrem gut drauf und bin mit meiner Frau wie wild durch die Straßen Adelaides gestromert. Wir kamen dann auch zum Central Market und haben ihn systematisch abgearbeitet. Plötzlich stand ich am Stand 17 bei Alex Skordas. Ein toller Typ, der aber nicht auf`s Foto wollte. Er bot mir verschiedene Gins zum Ausprobieren an.
Schließlich blieb ich beim O´Gin hängen und nahm eine kleine Flasche (200 ml) für 42 AUD (rund 26 Euro) mit. Der Stand heißt „Kionline“, was nichts weiter als die Abkürzung für Kangaroo Island online ist. Sie beziehen den Gin von der südaustralische Brennerei Lark Distillery, die Jon und Sarah Lark gehört. In Tasmanien gibt es auch noch eine Destillerie dieses Namens, die Jons Bruder Bill betreibt. „Kionline“ liefert übrigens nur innerhalb Australiens, sehr schade. Aber Alex meinte, dass ich ihm mal eine Mail schicken sollte, wenn ich wieder zu Hause bin, vielleicht lässt sich da etwas machen.
Ich bin wieder zu Hause und überlege, wie ich jetzt diesen Gin mit Tonic und einigen Zutaten verfeinern könnte. Ein Orangenslice wäre bestimmt nicht schlecht. Ich fürchte aber die Dominanz einer frischen Orange; ich nehme besser eine getrocknete Scheibe oder zwei.
Ob ich die Wacholderkügelchen tatsächlich ins Glas tue, weiß ich noch nicht, vielleicht eher nicht, denn die Wacholderbasis im O´Gin ist solide. Den Rosmarinzweig nehme ich als Verbeugung gegenüber dem Coast Daisy-Bush. Das grüne Stängelchen werde ich etwas flambieren, um das Aroma herauszukitzeln.
Als Tonic wähle ich den klassischen Premium Indian Fever-Tree, der passt bestimmt gut. Zwei extra große Eiswürfel und fertig ist die Mischung. Nur leicht umrühren, nicht schütteln. Etwas warten, die Ingredienzien sollen sich entfalten können und das Eis soll den Drink schön kalt machen. Rein optisch macht das Ensemble schon richtig was her.
Ich nehme die ersten Schlucke aus meinem Cocktailglas und sofort erscheint vor meinem geistigen Auge die wunderbare Great Ocean Road mit ihren überwältigen Felsformationen. Eine Bank lädt zum Verweilen ein. Ich lasse mich nieder und bin ganz allein. Der warme Wind streichelt mir die Glatze, die Sonne lässt mich blinzeln und in der Ferne steigt ein Milan immer höher. Ich setze meine Sonnenbrille auf, das Licht ist jetzt angenehm. Nichts stört, nur das Eis in meinem Glas klimpert leise. Ein Geschmack von Sommer, Sonne, Urlaub liegt auf meiner Zunge. Ich bin zufrieden, die Mischung ist mir gut gelungen. Dieser Gin-Tonic scheint in der Lage zu sein, einem aus der Gegenwart zu reißen und irgendwo hinzubringen, jenseits von Zeit und Raum, an einen Lieblingsort, auch zurück an die Südküste Australiens. Etwas wehmütig denke ich an diesen Urlaub zurück; er war fantastisch, so wie dieser Gin. Ich fühle mich einfach nur gut, sehr gut.
Gin Adventskalender, Test Bester Gin
Ich bin schon ganz aufgeregt. Heute darf ich mein erstes Türchen aufmachen. Wir schreiben den ersten Dezember 2022 und vor mir steht der Gin-Adventskalender der Firma Tastillery. Eine geniale Idee der Drinking Buddies aus Hamburg.
Er steht schon seit Wochen bei mir im Schrank und hat mich täglich angebettelt: „Öffne mich, öffne mich!“ Aber ich bin standhaft geblieben. Schließlich beginnt der Countdown der Ankunft des Herrn nicht irgendwann im Herbst, sondern am ersten Dezember.
Andreas und Waldemar von der Tastillery haben auch noch ein inspirierend gemachtes Begleitheft dazu gepackt und zwei Probiergläschen. Sie schreiben, dass sie schon immer davon geträumt haben, mit mir 24-mal köstliche Gins zu verkosten. Den Traum kann ich Wahrheit werden lassen. Auf der Menükarte stehen Gin-Sorten aus Estland, Kanada, Finnland, Japan, Schweiz, USA, Brasilien und Deutschland. Und das absolut wirklich coole ist die ganz reale Blindverkostung. Alle Flaschen haben ein verdecktes Etikett, der erste Kontakt mit dem Wacholdergetränk ist folglich ein kleines Geheimnis, wenn man will. Los geht`s.
Tür Nr. 1 Ukiyo Japanes Blossom Gin
Ich bin verwirrt. Ein sehr künstlich riechendes Aroma irgendeiner Blüte steigt mir nach dem Öffnen in die Nase und lässt kaum Platz für Anderes. Ganz hinten auf der Bühne vermute ich noch einen völlig verschüchternden Wacholder. Aber sonst? Vielleicht etwas Orange. Ich nehme einen ersten Schluck. Der Geruch wird zur Faust und knallt mir voll auf die Knospen. Einen derartig präsenten floralen Vertreter habe ich noch nicht erlebt. Aber es reift eine Erkenntnis. Je länger ich den Gin im Mund behalte, desto klarer erscheint vor meinem geistigen Auge die Frucht, die hinter dem Frontalangriff stehen muss: Kirsche. Ich ziehe das obere Label ab.
Es ist ein Japaner, der mich fast umgehauen hat. Ich lese nach, dass Ukiyo im Schatten des Sakurajima Vulkans in Kagoshima geboren wurde und der Name „fließende Welt“ bedeutet. Die Botanicals sind Wacholder, Veilchen, Koriander, holziges Gewürz, Mandarine und … Kirschblüten. Mir scheinen da nicht nur Blüten, sondern ganze Kirschstiegen verarbeiten worden zu sein. Pur schmeckt er mir jedenfalls zu künstlich. Ich versuche es mit Thomas Henry, besser, deutlich gesitteter. Ich kann in Erfahrung bringen, dass der Cherry Blossom Tonic von den Henrys gut passen soll. Kann ich mir vorstellen; zum Ausprobieren fehlt mir leider der entsprechende Stoff. Zum Schluss schaue ich mir noch die Flasche an. Eine Schönheit. Und sieht irgendwie so aus, wie der Gin schmeckt. So soll es ja auch sein, nicht wahr?
Tür Nr. 2 Prince Explorer Monaco Gin
Klar und etwas ölig schwimmt der Gin im Glas. Mein Geruchssinn signalisiert Vielfältiges. Allerdings hauen zwei Burschen etwas stärker auf den Putz als die übrigen: Pfeffer und Zitrone. Ansonsten könnten die Botanicals vielleicht Thymian und Koriander sein, neben der Kopfnote des Wacholders. Ich teste und lasse den Gaumen arbeiten. Frisch und sehr würzig, ein langanhaltendes Brennen und bärenstark im Abgang, klasse. Das ist mal ´nen Gin. Whow! Ziehen wir doch mal das Label ab.
Prince Explorer Monaco Gin, ein beindruckender Name. Auf der Website des Herstellers steht, dass dieser Gin von Fürst Albert I. im hohen Maße inspiriert worden ist. Einen Gin aufgrund von Inspirationen zu kreieren, scheint mir nicht die schlechteste Idee zu sein. Dieser Gin begeistert mich jedenfalls und schreit nach mehr. Die kleinen Kalenderfläschchen haben leider nur 30 ml, das ist natürlich recht wenig. Ich notiere mir, dass mein nächster Gineinkauf der Prince von Monaco sein könnte. Er ist übrigens nicht gerade preiswert. Knapp 60 Euro für einen halben Liter. Er ist es aber auch wert, nicht nur wegen der Flasche, die eine Hommage an die ausgeprägte intellektuelle Neugier und den anhaltenden Abenteuergeist des Ideengebers sein könnte.
Tür 3 Alpako Rosé
Leichtes Pink oder sehr helles Lavendel räkelt sich da im Probiergläschen und riecht auch so, nämlich nach Lavendel. Außerdem liegt etwas Zitronenhaltiges in der Luft. Das ist aber weder die klassische gelbe Frucht noch ihre grünliche Schwester. Das muss etwas Anderes sein. Aber was? Keine Ahnung! Ich benetze vorsichtig meine Lippen. Das reicht nicht zum Erkennen. Ich nehme einen größeren Schluck und kleide den kompletten Mundraum damit aus. Ich muss die Augen schließen, so sehr bin ich gerührt. Tränen schießen mir in die Augen. Diesen Gin lasse ich nicht wieder raus, der bleibt hier. Ich weiß jetzt auch, wer aus der Welt der Zitronenhaltigen hier mitspielt: die Grapefruit. Na mal schauen, wie der Winternachtstraum heißt.
Der Alpako Rosé bringt wohl das Beste aus der südamerikanischen Heimat seines Wappentiers mit, obwohl er in Deutschland hergestellt wird. Ich genieße diesen runden, vollen Geschmack. Ganz fantastisch gemixt und abgestimmt. Ich informiere mich, dass zu den insgesamt 26 verwendeten Botanicals unter anderem exotische Papayas, saftige Pink Grapefruits und sonnige Zitronen gehören. Dazu etwas Kardamom und ein klein wenig rosa Lavendel. Ich kann mir vorstellen, dass ein Alpako Rosé Gin Tonic mit Thomas Henry und einen opulenten Scheibe Pink Grapefruit der absolute Hammer sein muss. Leider fehlt mir diese Zutat. Aber man kann ja nicht immer einen kompletten Fruchtstand zu Hause haben. Das Gin-Gefäß ist übrigens auch sehr gut gelungen: Ein charmant dreinblickendes Alpaka, eine wuchtige Flasche und eine Anmacherschrift in Metallic-Rosé.
Die Zeit rast nur so dahin und es wird täglich weihnachtlicher um mich rum. Wham mit „Last Christmas“ konnte ich zwar knapp entgehen, dafür verfolgt mich Bing Crosby mit seinem „White Cristmas“ hartnäckig. Es ist nicht zu leugnen, die Ankunft des Herrn steht unmittelbar bevor. Um mich zu entspannen und aus reiner Lust am Ausprobieren, genieße ich Abend für Abend eine kleine Portion Extra-Gin aus dem mitreißend gemachten Kalender der Hamburger Drinking Buddies. Es gibt sehr oft Außergewöhnliches zu bestaunen. Selten mal, dass mir ein Gin nicht gefällt oder nicht ganz überzeugt. Hier auf alle einzugehen, scheint mir jedoch nicht möglich. Aber ich möchte auf dem Weg zum „Heiligen Abend“ zwei besondere Exponate hervorheben.
Tür 8 Rauschen Gin
Eine klassische Wacholdernote mit blumigen und herbalen Untertönen triggert meine Nase. Ich koste und meine, eine sanfte salzige Meeresbrise zu spüren. Und siehe da, nach dem Abziehen des Labelschutzes ist klar, woher der Wind weht: Der Gin ist ein Nordlicht der Firma Robert Meisner mit Sitz in Heide. Ich gehe gleich mal auf ihre Website. Der Anblick der Flasche lässt das Auge am Genuss teilhaben. Sehr stylisch, wunderschön hellblau und aufregend gut kombiniert. Auch im Begleitheft macht die Flasche etwas her.
Ich nehme einen weiteren Schluck und bin nochmals etwas überrascht. Ich schmecke Sanddorn und rieche Lavendel. Ist mit beim ersten Mal gar nicht aufgefallen; da waren Wacholder und Thymian an Bord. Eine deutliche Entwicklung im Glas. Also, immer schön Zeit lassen. Mache ich ja sowieso nicht anders. Der Name des Gins stammt übrigens von der verwendeten Rauschbeere. Ob diese beim Genuss des alkoholischen Getränks zum möglichen Rausch beiträgt, ist mir nicht bekannt. Wäre mir auch egal. Ich lehne mich zurück und lasse die letzten Tropfen in die Kehle rinnen. Schade, dass das Probierfläschchen schon leer ist. Ein verdammt gut gemachter Wacholderschnaps. Wahrhaftig. Ich mache mir ein Knoten in´s Ohr; beim nächsten Einkauf ist der Rauschen Gin dabei.
Tür 20 Raven Hills
Beim primären Nosing umrauscht mich sofort ein komplexer Duft von Wacholder zusammen mit vielfältigen Zitrusnoten. Und als der erste Vorhang gefallen ist, tritt selbstsicher mit erhobenem Kopf die Minze auf die Bühne. Das ist mal ein durch und durch frischer Auftritt. Ich bin gespannt, was die Zunge sagt. Vorsichtig benetze ich die Zungenspitze. Ich habe befürchtet, dass die Minze keinen Raum für Anderes lässt. Ist aber nicht so. Orangen, Zitronen und einige andere Kräuter, die ich nicht identifizieren kann, spielen miteinander und präsentieren sich harmonisch elegant. Ich nehme einen zweiten Schluck und warte ab. Angenehm füllt der Gin meinen Mundraum. Nicht aufdringlich, aber doch bestimmt mit einer klaren, sehr frischen Richtung. Ich schlucke und bin überrascht. Im Abgang mischt sich noch eine angenehme Süße mit ein. Erstaunlich, wie machen die das? Tatsache ist, dass er mir sensationell gut schmeckt. Mal sehen, wie er heißt.
Der Raven Hills Gin scheint direkt aus einer Apotheke des 19. Jahrhunderts zu stammen. Die Aufmachung ist perfekt. Bei den Brüdern der Tastillery kann ich die Horror-Geschichte zum Getränk nachlesen. Wer nicht nur einen guten Gin kreiert, sondern auch noch eine passende Geschichte parat hat, ist sicherlich ein Kandidat für die vorderen Plätze eines entsprechenden Rankings. Von mir gibt es jedenfalls „Douze points“!
Tür 24 Procera Blue Dot
Meine Nase hängt über dem Probierglas und riecht neben dem obligatorischen Wacholder einen kräftigen Zitrusduft. Und es riecht irgendwie pfeffrig. Ich lasse nun meinen Gaumen ran. Der Wacholder ist anders, er ist erdiger. Und es mischt sich etwas Nussiges mit in die Performance. Das ist interessant. Ich lasse dem Gin noch mehr Zeit, um meine Geschmacksnerven zu beeindrucken. Die Limette wird stärker und es ist ein wenig Schärfe im Raum. Aber nicht nur. Das ist komplex, hier mischen noch weitere Botanicals mit. Schließlich schlucke ich ihn runter. Der Wacholder ist noch eine Ewigkeit lang am Schlund. Und war da im Abgang etwas Süßes? Kann sein. Ich bin mir nicht sicher. Ich schaue mir das Label an.
Wie ich nachlesen kann, stammt der Name vom außergewöhnlichen Wacholder aus Kenia. Dazu kommen rosa Pfefferkörner aus Madagascar, eine marokkanische Iriswurzel und die Swahili-Limette. Für die leichte Süße ist Honig verantwortlich. Ich ziehe meinen Hut. Eine gelungene Komposition. Und ein Blick auf die Website lohnt sich auch: Procera Gin
Weihnachten ist ja mitunter langweilig und öde. Weil man alles kennt und das Procedere immer sehr ähnlich ist. Aber dieses Jahr war es deutlich spannender mit meinem Gin Kalender. Kann ich nur empfehlen. Macht Spaß!
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Christmas Gin, Test Bester Gin
„Nö, Nada, Nein!“, sagt er. „Aber es ist doch Advent“, flöte ich. Doch unser Bester-Gin-Tester Martin bleibt hart: „Ich muss nicht, ich will nicht und ich kann den nicht trinken!“ In einem Satz ein vernichtendes Urteil zum Christmas Gin von der Firma Wajos. Ich versuche es noch mit einem letzten Rentier-Augenaufschlag. Vergeblich. Martin lugt schon nach einem anderen Gin, den er würdig für unsere Liste der besten Gins erachtet. „Mach‘ du doch!“, so seine Aufforderung. Und so mach‘ ich, denn Weihnachten naht und was passt besser als ein Christmas Gin. Ich tröpfle die klare Flüssigkeit in ein Probiergläschen und führe es zur Nase. „Bämmm“, eine Boxerfaust schnellt mir entgegen.
Voll auf die Zwölf. Zimt! Kardamom! Vanille! Es riecht wie ein Röhrchen Backaroma. Ganz klar, das könnte auch eine fertige Lebkuchenmischung sein. Beim zweiten olfaktorischen Test bin ich vorgewarnt und sauge das Aroma zurückhaltender ein. Wo ist der Wacholder? Ich vermute, er ist geflüchtet, gestorben oder zumindest total niedergerungen von Zimtstern, Spekulatius und Glühwein. Langsam verstehe ich den Besten-Gin-Tester Martin. Für die Liebhaberin und den Liebhaber des Wacholdergetränks ist das hier eine Herausforderung oder sollte ich sagen: Zumutung?
Okay, ich suche vor dem ersten Schluck schon etwas Weihnachtsstimmung. Kerzen angezündet, Kugeln drapiert und vielleicht läuft irgendwo schon „Last Christmas“. Dann benetze ich meine Zunge und bekomme genau das, was meine Nase angekündigt hat. Kein zarter Klang von „Jingle Bells“, sondern hier läuten AC/DC mit aller Macht die Zimtglocken. Donnernd versucht der Kardamom aufzuholen und liefert sich einen Kampf mit künstlichem Vanillearoma. Der Wacholder ist tot, da bin ich mir sicher und auch die üblichen Orangen- und Zitronennoten werden ersetzt durch einen schweren, süßlichen Pflaumenton.
Ich schaue mir die Flasche genauer an und in der Tat werden die erkannten Gewürze angekündigt und die Komposition als harmonisch, sanft, nuancenreich, sinnlich, festlich und warm beschrieben. Bei „warm“ und „sanft“ gehe ich voll mit. Es findet sich für meinen Geschmack keine Schärfe, keine Kante in dem Getränk. Auch das „festlich“ lasse ich für die noch gelten, die den vollen „Wumms“ Weihnachten brauchen. Den anderen Attributen kann ich nicht wirklich folgen.
Mit großer Skepsis, ich gebe es zu, mach ich mich jetzt an die Tonic-Mischung. Ohne groß zu überlegen, setze ich die Allzweckwaffe „Thomas Henry“ ein und bekomme auch hier das erwartete Ergebnis. Zimt, wohin man riecht, Zimt, wohin man schmeckt. Die Bitterstoffe des Chinins bestreiten einen aussichtslosen Kampf. Egal, ob noch eine Orangenscheibe oder eine Gurke zugegeben wird. Das wird kein vernünftiger Longdrink. Ich versuche es mit einer Cocktailkirsche. Und siehe da, das Marzipanaroma der roten klebrigen Frucht kann gegenhalten.
Das bringt mich auf eine Idee: Glüh-Gin! Der Kohlensäure des Thomas Henry wird im Kochtopf der Garaus gemacht.
Anschließend fülle ich den toten Thomas in ein Grog-Glas und geben einen ordentlichen Schuss vom Christmas Gin hinzu. Und kieke da, es funktioniert einigermaßen. Die kleine Schwester vom Glühwein ist da.
Zwei Schlückchen vom Heißgetränk beamen mich zwar nicht gerade auf den Gendarmenmarkt zwischen weihnachtlich dekorierte Stände, aber ich bekomme eine Ahnung, was da geht. Meine Experimentierfreude ist geweckt, wie wäre eine Komposition mit Apfelsaft? Gesagt, gemischt! Und plötzlich duften gebrannte Mandeln herüber und nebenan dampfen die Kessel mit Feuerzangenbowle. Der perfekte Konkurrent zum Winzer-Glühwein ist im Becher und der Eierpunsch hat schon lange verloren. Leise schallen „Jingle Bells“ vom Striezelmarkt in Dresden herüber.
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Lind & Lime, Test Bester Gin
Nur Gin im Kopf. Nun ja, ich hoffe nicht nur. Aber richtig ist, mit diesem Wacholdergetränk beschäftige ich mich schon recht oft. Heute Abend will ich mal wieder einen Gin-Tonic genießen, um unserer Serie „Bester Gin“ eine weitere Auswahl hinzuzufügen. Ich öffne unseren alkoholischen Schrein, der eigentlich ein fast 100 Jahre alter Kleiderschrank ist, und schaue mir meine Sammlung an. Sofort springt mir diese wunderschöne, sanft grünblau schimmernde Flasche des Lind & Lime Gins in´s Auge.
Dieses ungemein attraktive Glasgefäß scheint einer französischen Weinflasche aus dem 17. Jahrhundert nachempfunden zu sein und macht so schon seinem Erzeuger, der schottischen Port of Leith Distillery, alle Ehre. In diesem Augenblick fällt mir ein, dass ich schon einmal über diesen Gin schreiben wollte. Doch damals stand meine Krebserkrankung im Weg. Notizen müssten noch im Archiv sein und Bilder auch.
Jetzt erinnere ich mich auch, wie ich den Artikel nennen wollte: „Ein Schrei nach Lemon!“ Er verhallte damals im Schnapsschrank und meine Frau meinte, dass ich nicht mehr alle Tassen bzw. Gläser im selbigen hätte. Heute habe ich zwar keinen Schrei gehört, aber dieser Gin hat sich wieder nach vorn gemogelt und sich mir Aufmerksamkeit heischend in die Arme geworfen. Dann soll es so sein. Ich öffne die Flasche und sogleich erinnere ich mich an eine weitere Begebenheit. Die Macher der Tastillery hatten mir um Weihnachten rum eine Flasche ohne Etikett geschickt. Auf meine Beschwerde hin kam postwendend eine zweite Flasche mit Etikett und auf dem beigefügten Brief stand: „Der Weihnachtself war im Stress wohl etwas unaufmerksam“ und ob ich die Entschuldigung in Form eines weiteren Fläschchens annehmen würde. Na klar, was sonst?
Ich führe das Glas unter meine Nase und nehme auf, was mir das Bouquet anbietet. Der Wacholder zieht das Tischtuch straff, auf dem sich die Zitrusfrüchte ziemlich dominant präsentieren dürfen. Und was schwebt da noch in der Luft? Irgendetwas Erdiges, Wurzeliges.
Nun nehme ich den ersten vorsichtigen Schluck. Das Allererste, was mir meine Zunge in den Kopf pflanzt, ist die Frage: „Wieso ist der so scharf?“ Sicherlich Pfeffer. Aber üblicherweise meldet der sich beim Abgang und nicht schon in den ersten Sekunden. Und der Lind & Lime scheint etwas ölig zu sein. Ich schaue mir das Probierglas an. Tatsächlich, der Gin fließt ziemlich träge zurück. Beim zweiten Schluck bin ich gewarnt, die Schärfe lenkt mich nicht mehr ab. Die starke Limette marschiert vorneweg, der Wacholder hält sich dezent zurück. Es gesellt sich eine Geschmackskomponente hinzu, die ich nicht erkenne. Sie ist etwas bitter und salzig-erdig. Keine Ahnung, was das sein könnte. Ich schaue mal auf die Ingredienzien: Zitrone, Limette, rosa Pfeffer, Angelikawurzel, Iriswurzel, Süßholz, Koriandersamen. Die Verdächtigen sind enttarnt: Süßholz für den Lakritz ähnlichen Geschmack und die beiden Wurzeln für das Erdige. Ich leere das Probiergläschen. Was im Gaumen bleibt, ist zitronig, etwas bitter, scharf und doch insgesamt weich. Ich habe ein warmes, angenehmes Gefühl im Mund. Mal schauen, was ein Tonic mit dem Gin macht.
Ich nehme einen kräftigen Anteil Lind & Lime, Icecubes und den Premium Indian Tonic von Fever Tree. Schlürfend nehme ich den ersten Schluck und bin etwas irritiert. Die Kombination ist nicht rund, nicht perfekt. Seltsam, ich dachte, der Fever Tree passt. Aber er scheint zu bitter zu sein für diesen Gin, der ja selbst einen Hauch von Bitternoten in sich trägt. Damals hatte ich es noch mit dem guten Thomas Henry versucht, leider ist mir gerade dieser Stoff ausgegangen. Was tun? Etwas Grenadine vielleicht? Gesagt, getan; einige wenige Tropfen sollten genügen.
Deutlich besser. Die leichte Süße des Sirups gleicht das Bittere aus; beide stehen jetzt friedlich vereint im Hintergrund und lassen die restlichen Botanicals in Ruhe ihre Wirkung entfalten. Ich schüttle das Glas. Kling, klang, die Gletscherzwerge sind meiner Meinung. So muss das sein. Beim zweiten Schlückchen schaue ich mir das Foto von damals an, auf dem der Drink fertig gemixt ist. Ich hatte ihm noch rote Johannis- und getrocknete Wacholderbeeren dazugegeben. Wacholder habe ich zwar im Haus, Johannisbeeren leider nicht; sie sind im November schwer zu bekommen.
Die empfohlene Trinkweise scheint mir aufgrund des spektakulären Geschmacksprofils des Lind & Lime Gins doch eher der Purgenuss bei Zimmertemperatur oder leichter Kühlung zu sein. Als Drink sollte er besser mit einem Tonic der nicht so bitteren Sorte gemixt werden. Limettenscheiben dürfen als Zutat dann nicht fehlen, sonst schreit der sich die Seele aus dem Leib. Und etwas Süße, zum Beispiel in Form einiger Spritzer Grenadine, kann den Genuss abrunden.
Fazit: Mit all seinen Unterschieden, seinen botanischen Ambivalenzen, seiner alten Geschichte vom Skorbud-Arzt „Lind“ und der wunderschönen Flasche ist dieser Gin keinesfalls aus der Zeit gefallen, sondern ein Kind des Jetzt. Ich empfehle ihn ausdrücklich als Purgenuss; Tonic Water bringt ihn nur durcheinander, das muss nicht sein. Und wenn, dann sollten die erwähnten Zutaten dabei sein. Ich nehme meinen Lind & Lime und stelle ihn wieder in den Schrank. Ein wenig weiter nach rechts, damit er sich nicht gleich wieder vordrängelt; es gibt schließlich noch andere gute Gins, die probiert werden wollen und in unser Ranking „Bester Gin“ gehören.
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BosinGin, Test Bester Gin
Der Alemannenfürst schaut mich an, direkt, ohne Furcht, mit wissendem Blick. Ein Typ, dem man nicht allein im Dunkeln begegnen will, der aber auch Freund, Retter, Gefährte sein kann. Attraktiv, rustikal, mit kariertem Hemd und ledernem Beinkleid. Vielleicht. Das ist Spekulation. Das Label zeigt nur den Kopf.
Seine roten Augen blitzen feurig und scheinen mich spöttisch aufzufordern, endlich den ersten Schluck zu nehmen. „Nur die Ruhe, mein Junge“, flüstere ich, „geht ja gleich los.“ Das neue Probierglas glitzert in der Sonne. Meine Nase schwebt schon über der Öffnung und ich lasse die Aromen einströmen.
Der Schriftzug „Schwarzwälder Speckrauch Gin“ hat mir schon verraten, was das Bouquet dominiert. Es riecht nach geräuchertem Schinken. Und das mir als Vegetarier. Jedem Carnivore würde jetzt das Wasser im Mund zusammenlaufen. Mir nicht, ich esse keine toten Tiere. Aber das Odeur ist überhaupt nicht unangenehm oder aufdringlich. Auch nicht für mich. Würzig und rauchig, mit einer schöne Fichtennadelnote. Ich schließe die Augen. Was rieche ich noch? Wacholder natürlich und deutliche Zitruskomponenten. Ich nehme den ersten Schluck. Wenig nur. Gerade so viel, dass sich die Flüssigkeit im Mundraum nicht verliert.
Der Schinkenrauch steht ganz vorne auf der Bühne, lässt sich bewundern und tritt zurück. Macht Platz für Ingredienzien, die identifiziert werden wollen. Der Wacholder spielt Ringelrein mit Orangen und Zitronen. Wie nett! Von hinten schleicht sich das Nadelholz nach vorn und will auch beachtet werden. Ich lasse es und schlucke. Im Abgang kitzelt etwas Schärfe am Schlund. Könnte das Ingwer sein? Möglich. Vor dem zweiten Versuch, diesem Aroma auf die Schliche zu kommen, lasse ich noch einmal die Riechnerven ran. Es ist jetzt so, als ob mich der erdige Atem des Waldbodens anhaucht. Sind hier wohlmöglich psychogene Pilze mit im Spiel? Und der Schinkenrauch ist fast vollständig verschwunden. Interessant! Auf zum zweiten Akt. Ich gieße erneut ein. Diesmal in zwei Gläsern, ein guter Freund hat sich spontan zu mir gesellt und möchte auch mal kosten.
„Der Schinkenrauch ist dominant, ohne Zweifel. Aber dann kommen viele andere Dinge zum Vorschein, interessante Sachen, irre!“ Andreas kostet ein zweites Mal und schaut zum Himmel hinauf. Ich wage kaum, seine Konzentration zu unterbrechen, frage ihn dann aber doch: „Welche könnten das sein?“ Einige Minuten vergehen, eher er antwortet. „Vielleicht Sandelholz, Thymian oder Lorbeer. Und erdig, wie Moschus. Und harzig wie Fichtennadel.“ Spannend. Ich denke daran, was mir Benjamin, einer der drei Macher des BosinGins, zu den Inhaltsstoffen beim Interview gesagt hat.
„Tatsächlich sind außer dem Wacholder Rosmarin, Koriander, Zimt, Lorbeer, Abelmoschus, Lavendel und Rosenblätter bei der Mazeration und im Geistkorb dabei. Die Rosen haben wir übrigens extra am Waldrand angepflanzt. Und wenn die Rehe sie nicht wegfressen, bleibt auch genug für den Gin übrig. Für die Schärfe ist Ingwer verantwortlich und Orangen- und Zitronenzesten runden das ganze ab.“ Es sprudelt nur so aus ihm heraus. Ich kann seine große Begeisterung für diesen Gin spüren. Er erzählt weiter von den Anfängen 2019, der Initialzündung auf dem Speckfest an der Bollenhutbar und den Schwierigkeiten, den Schwarzwälder Schinkenrauch in den Gin zu bekommen. „Und, lieber Benjamin, wie kriegt ihr das hin?“, bohre ich nach. „Der ansässige Metzger räuchert extra nur für uns die Speckschwarten. Die hängen wir in die Brennblase. Der Räucherschinken gibt dann sein Aroma an das aufsteigende Destillat ab“, erläutert Benjamin. Nachvollziehbar.
Ich erzähle Andreas von meinem Gespräch mit Benjamin und berichte von der eigenen Quelle bei der Burg Hohenschramberg im Landkreis Rottweil. „Wenn der Gin 45 Volumenprozente Alkohol hat, dann sind immerhin 55 Prozent reines Wasser. Da ist es schon wichtig, woher das stammt. Oder? Ich finde, diese Quellwasser macht den Gin ganz weich an der Basis. Es hilft dem feinen Raucharoma eine komplexe Wirkung mit den Kräutern zu erreichen.“ Ich versuche meine Eindrücke in Worte zu fassen. „So schmeckt der Gin eben nicht nur nach Speckschwarte.“ Ich schaue Andreas fragend an. Der wiegt stumm seinen Kopf und bittet um ein zweites Gläschen. Gesagt, getan, eingegossen.
Nach einigen Minuten und mehreren Schlückchen spricht Andreas wieder: „Der Rauchfangeindruck ist jetzt völlig verschwunden. Entweder hat sich meine Zunge daran gewöhnt oder sie ist taub. Dafür schmecke ich so etwas wie Asche. Ganz eigenartig. Und es ist kein Sommergin, sondern eher etwas für die kalten Tage.“ So als wenn man sich eine warme Jacke über die Schulter hängt, denke ich.
Wir sind uns einig. Der BosinGin geht gemeinsam mit Wacholder, Gewürzen, Kräutern und Zitrusfrüchten eine verrauchte, aber harmonische Ehe ein. Eine Beziehung, die durch den scharfen Ingwerabgang niemals langweilig ist. Auch der grandiose Auftritt in einem Glas und nicht in einer Flasche ist eine coole Idee. Kleider machen eben Leute, so auch hier. Ein Blickfang in jedem Spirituosenregal. Dieser Gin ist das Gegenteil von beliebig. Der will nicht auf jeder Hochzeit die Braut und auf jeder Beerdigung die Leiche sein. Er ist einzigartig und verlangt zu Recht unsere Aufmerksamkeit.
Der BosinGin aus dem kleinen Örtchen Bösingen im Schwarzwald, mit Liebe von Jürgen, Uwe und Benjamin gebrannt, hat einen ganz besonderen Platz in meinem Schrank verdient. Den bekommt er auch. Und nicht nur da, auch in meinem Herzen. Ganz sicher. Ein Gin, der einen sehr guten Platz im Ranking “Bester Gin” verdient hat.
Benjamin vom BosinGin hat uns eine Flasche unentgeltlich zur Verfügung gestellt; dafür bedanken wir uns. In Begleitung kam dann auch noch ein Fläschchen Ingwer Zitronen Brand bei uns an. Ebenfalls von ganz besonderer Qualität. Aber das ist eine andere Geschichte.
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Ursel Taunus Premium Dry Gin - Die dreifache Uschi, Test Bester Gin
Ich habe mir zunächst nur Probierfläschchen bestellt. Es sind Ursels kleine Schwestern, sie hören auf den Namen Uschi. Wie nett. Von dem gesamten Angebot werde ich drei testen. Vor mir stehen Heritage, Dark Forest und Golden Oak, jeweils 50 ml. Bevor ich mich ans Probieren mache, rufe ich mir in Erinnerung, was ich über den Ursel Gin in Erfahrung bringen konnte.
Roland Braza ist Jäger und der Kopf hinter der Taunus-Gin GmbH. Heimisch und verwurzelt dort, wo die meisten der verwendeten Botanicals herkommen, im schönsten Mittelgebirge der Welt, in dem Städtchen Oberursel. Daher auch der Name; wobei auch die Großmutter von Roland, die Ursel, genannt Uschi, nicht unerwähnt bleiben soll. 2014 gab die Teilnahme an einem Brennseminar in Österreich Roland die Initialzündung. Roland ließ die Idee, eine eigene Destille zu kaufen und einen eigenen Gin zu brennen, nicht mehr los. Fortan suchte er nach einer geeigneten Brenneranlage und feilte am Rezept. Im August 2017 war es soweit, die ersten Flaschen des würzigen Gins standen in einem Feinkostladen in Oberursel. Es folgte ein Artikel im Regionalteil einer Zeitung mit Fotos und Beschreibung seines Ursel-Gins. Der Anfang war gemacht.
Ich bin mir völlig im Klaren, dass mich mit dem Ursel-Gin ein Produkt mit herbem Charme erwartet. Hier wird ein Waldspaziergang in Flaschen abgefüllt, mit Sorgfalt und Bedacht. Dafür spricht auch die Verwendung von zertifiziertem Bio-Alkohol und das besondere Brennverfahren, wie mir Brennmeister Tobias Reul erläutert: „Bei unserer Destillation wird auf eine Mazeration in Alkohol verzichtet, wir verwenden das Geistverfahren. Die Botanicals werden dabei in einem Aromakorb vom Dampf durchzogen und geben so besonders schonend und intensiv ihr Aroma an den Brand ab. Dieses Verfahren verhindert auch, dass zu viele Bitterstoffe in das Destillat gelangen.“
Als ich ihn zu seiner Rezeptur befrage, ist seine Auskunftsfreudigkeit naturgemäß zurückhaltend. Aber er erzählt mir, dass der Charakter dieses Gins die Ursprünglichkeit der Region widerspiegeln soll. Das einzigartige ätherische Aroma entsteht vor allen Dingen durch die jungen Fichtentriebe, den Maiwipferl, die Roland Braza im Frühjahr selbst im Wald sammelt und anschließend einfriert.
Dazu kommen Wacholderbeeren, Brennnessel, Melisse, Löwenzahn und weitere Botanicals aus der Gegend. Die Portionierung in den Aromakörben ist die große Kunst und das Geheimnis des Brennmeisters. „Manche Experimente waren erfolgversprechend, andere auch mal nicht. Erfahrungen spielen dabei eine große Rolle. Was passt zueinander? Was darf nicht zu stark vertreten sein? Wie kann ich ein harmonisches Miteinander erreichen?“ Tobias ist voll in seinem Element. Ich bin beeindruckt. Eine besondere Wasserquelle sei übrigens nicht erforderlich, versichert er mir. „Das normale Trinkwasser der Gegend ist weich und eignet sich hervorragend für die Herstellung“, erläutert er abschließend. Ich bedanke mich artig für das nette Gespräch und stelle mir vor, wie das Destillat direkt in mein Glas tropft.
Heute ist ein guter Tag für einen guten Gin. Ich begebe mich nach draußen, die Sonne scheint. Auf unseren Granittreppenstufen vor dem Haus nehme ich Platz und bereite mich auf das Tasting vor. Mit welchem Gin soll ich anfangen?
Ich beginne mit dem Heritage. Warum? Weil er der erste, ursprüngliche Gin aus dem Hause von Roland Braza ist. Und ja, ich weiß, dass Gin auch nur Alkohol ist. Aber mir macht es Spaß, das Profane mit ein wenig Pathos zum Ereignis zu erhöhen.
Die ersten Tropfen sind im Glas, ich rieche und schließe die Augen. Was will mich da beeindrucken? Klar, der Wacholder ist immer zuerst da, sonst wäre es ja auch kein Gin. Aber er ist nicht aufdringlich, eher fein. Im Schlepptau sind einige weniger zurückhaltende Typen. Sie drängeln, sie wollen nach vorn, gerochen werden. Kaum floral, sondern fruchtig kommen sie daher. Orange, auch Limette und Zitrusduft, denke ich. Und noch mehr anderes Obst. Schwer zu erkennen, was das sein könnte, für mich jedenfalls. Ich nehme den ersten Schluck. Es schmeckt waldig, nussig, spritzig. Der Wachholder ist wiederum eher zurückhaltend. Lavendel scheint mir noch mitzuspielen. Und etwas Minze. Ich schaue auf mein Glas. Am Rand bilden sich ganz kleine, ölige Schlieren. Sieht gut aus. Ich drehe meinen Kopf zur Sonne und schlucke. Könnte das Ingwer sein? Möglich. Ein wenig scharf der Abgang. Chili bestimmt. Ich nippe nochmals, lasse den Stoff unter die Zunge gleiten. Angenehm, harmonisch und breit. Sehr hübsch im Mund und vielfältig. Aromen überall. Final nehme ich noch einen den Mundraum füllenden Abschluss. Ich habe die Wangen voll und lasse dem Gin nochmals viel Zeit, mich zu beindrucken. Ich warte. Schließlich darf sich der Heritage in Richtung Leber aufmachen und ich resümiere: Harmonie aus dem Herzen des Waldes, mit ganz vielen tollen, fruchtigen Begleitern. Gut gelungen.
In der Nase breiten sich ätherische und waldige Noten der jungen Fichtentriebe aus. Ich habe den zweiten Kandidaten am Wickel, es ist der Dark Forest. Der Wacholder ist auch hier nur unterschwellig wahrzunehmen. Aber frisches Zitrusaroma hat sich sofort bei den Beeren untergehakt und marschiert vorneweg. Koriander und etwas sehr Florales zuckeln hinterher. Könnte auch hier Lavendel sein. Der Gesamtreindruck ist würzig-kräftig. Am Gaumen bestätigt sich das erste olfaktorische Auftreten. Die sehr waldigen und ätherischen Noten der jungen Fichtentriebe liefern sich wie beim Noising einen kleinen Kampf mit dem Wacholder. Unentschieden, würde ich sagen. Auf jeden Fall ist das Fichtenaroma perfekt abgestimmt mit den übrigen Botanicals wie Orange und Zitrone sowie Anis und Ingwer. Im Abgang kommt etwas Schärfe dazu. Pfeffer? Möglich. Ich genieße den Rest und bin sehr angetan.
Ein insgesamt markanter, kräftig-maskuliner Auftritt. Wenn man den von mir zuerst getesteten Heritage als Botschaft aus dem Wald sieht, dann ist der Dark Forest ein Spaziergang tief drinnen im Wald, zwischen Fichten, Buchen und Kiefern. Auch dieser Gin ist ein hervorragend gelungenes Produkt aus dem Haus von Roland Braza.
Der dritte im Bund ist nun der Golden Oak. Als Krönung soll er mich endgültig überzeugen von den Produkten der Taunus-Gin GmbH. Er besticht allein schon optisch durch seine auffällige Goldfärbung. Diese entsteht, weil der Gin nach der Herstellung für bis zu fünf Monate in einem Tokajer-Fass reift. Der Name kommt vom ungarischen Gebiet Tokajer, von wo die Eichen dieser Fässer stammen. Sie wachsen dort auf vulkanischem Boden. Innen medium getoastet für eine schöne gold-gelbe Farbe, geben sie unverwechselbare, holzfassartige Aromen an die Destillate ab.
Die Flasche ist offen, die Aromen nähern sich meinem Riechkolben. Sofort grenzen Holz, Erde und Rauch ihre Territorien deutlich ab. Sie lassen dem Wacholder nicht viel Platz. Die Fichte ist auch wieder mit von der Partie, Arm in Arm mit Zitrone und Koriander. Ich benetze meine Lippen, nehme dann einen kräftigen Schluck und lasse die Flüssigkeit im Mund kreisen. Eine kräftige und erdig-harzige Wacholdernote ist deutlich im Vordergrund wahrzunehmen. Hier vereinen sich die im Geruch noch so stark abgegrenzten Aromen zu einem gemeinsamen Auftritt. Sehr ansprechend, sehr anregend.
Ich lasse den Gin noch etwas im Mund verweilen. Wacholder verschwindet allmählich, die Holznoten bleiben länger. Zitrone und Koriander sind auch lange präsent. Im Abgang ist er süßlich bis würzig, etwas scharf. Pfeffer oder Chili, möglicherweise. Erdige und holzige Nuancen überwiegen und er ist nicht ganz so komplex wie seine Kollegen. Aber der Golden Oak ist eine wahre Gaumenfreude, fast schon eine Art Whisky-Gin. Von den drei Typen hat er mich im Ranking “Bester Gin” am meisten überzeugt. Wenn man dem Golden Oak auch ein Motto mitgeben will, so würde ich in metaphorischer Anlehnung an die anderen beiden Destillate von einem ausgedehnten Waldspaziergang mit Folgen reden.
Zum Schluss schaue ich noch einmal in die Destille und stelle mir vor, wie mittels Geistverfahren aus den vielen, unterschiedlichen Zutaten ein fertiges Spitzenprodukt der Marke Gin wird. Und wie dann die göttliche Versuchung in meinem Glas leicht hin- und herschaukelt. Gleich nehme ich den ersten Schluck. Ich freue mich darauf. Aber ach, die Probierfläschchen sind ja leer! Da hilft wohl nur nachbestellen…
Eine tolle Arbeit, lieber Tobias Reul, und herzlichen Glückwunsch, lieber Roland Braza, zu diesen Produkten. Absolut empfehlenswert.
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Iris Krader Dry Gin vom Scholerhof, Test Bester Gin
„Warum eigentlich Kupfer?“, frage ich mich und die staatlich geprüfte Brennerin antwortet: „Dieses Metall besitzt die beste Leitfähigkeit aller Materialien für einen Brennkessel und erschwert das Anbrennen der Maische beim Destillieren erheblich.“ Und es gibt noch einige andere gute Gründe, Kupfer zu verwenden, klärt mich Iris Krader weiter auf. Ich verstehe.
Bei ihr wäre 2013 beinahe Schluss gewesen mit der Brennerei. Der Kupferkessel hatte seine beste Zeit hinter sich. Die Wände der Brennblase waren dünn, zu dünn. Lange würde sie es nicht mehr machen. Iris musste sich entscheiden. Aufgeben oder viel Geld für’s Weitermachen investieren? Eine neue Destille war damals schon teuer und das Geld dafür musste erst einmal verdient werden. Aber eine neue Anlage bot auch die Chance, alles so zu gestalten, wie Iris es wollte. Und dann war sie da, die neue, sehr teure Brenn- und Destillieranlage. Ihr Porsche, wie sie sagt. Seit 2014 glänzt der strahlend polierte Kupferkessel in der ehemaligen Waschküche.
Als Iris damals so vor ihrer Brennanlage stand, ging ihr etwas durch den Kopf, was sie nicht mehr losließ: „Zu einer neuen Destillieranlage gehört auch ein neues Produkt, oder? Kein neuer Obstbrand, sondern vielleicht ein … Gin?“ Die damalige Entscheidung, sich auch einmal an einem Gin zu probieren, hat sich als sehr weitsichtig erwiesen. Heutzutage ist dieser Gin-Hype schon kein Trend mehr, sondern eine Weltanschauung. Mit Gin lässt sich eine andere, neue, jüngere, konsumfreudigere Käuferschicht aufbauen. Und das ist Iris gelungen.
Als ich über Weihnachten wieder einmal in Freiburg war, bin ich natürlich auch durch die Wein- und Schnapsgeschäfte gebummelt. Und da fiel mir eine rote Bommel am Flaschenhals einer Ginflasche auf. Früher schmückten mehrere dieser Bollen die Hütte junger Frauen, dies galt als sehr schick. Und auf dem Etikett ist genauso eine Dame. Ich lasse mich ja oft vom Äußeren verführen und hoffe dann, dass der Inhalt das Versprechen der Flaschenperformance einlöst. Und ich hatte Glück. Schon im Kreis der Familie in Merdingen und dann auch zu Hause in Falkensee habe ich mich in diesen Gin unsterblich verliebt. Ein Gin, der den Schwarzwald auf den Kopf stellt, wie die wunderbar gemachte Website suggeriert. Da mir von damals ein passendes Foto fehlt, muss das nachgeholt werden. Heute scheint die Sonne vom blauen Himmel. Highnoon ist vorbei, das Licht ist schon wieder etwas sanfter. Für ein Fotoshooting ideale Bedingungen. Und falls jetzt jemand fragt: „Gin am frühen Nachmittag?“ Dann kann ich nur antworten: „Die Frage verstehe ich nicht, Gin passt immer. Salud!“
Im wunderschönen Markgräflerland in der Nähe von Freiburg und geprägt von der mediterranen Wärme, die die Burgundische Pforte zwischen Jura und Vogesen einfließen lässt, liegt das Weingut Scholerhof. Seit über 100 Jahren im Besitz der Familie, wird der Hof von Iris Krader weitergeführt.
Iris wollte, ihrer Liebe für die Blumenwelt in ihrem Garten folgend, unbedingt einen floralen Charakter in den Vordergrund stellen. Selbstverständlich auf der Basis einer kräftigen Wacholdernote. Floral bedeutet in diesem Fall vor allen Dingen englische Duftrosenblüten, Lavendel, aber auch Schlehen, Akazienblüten und Brombeerblätter.
Ich lasse zuerst der Nase den Vorrang. Der Wacholder ist stark, dazu gesellt sich eine leichte Note von Zitrus. Das Gesamtbild ist fruchtig und weniger herb oder würzig. Der erste Schluck entwickelt im Mund einen balsamischen Geschmack, der auf einer dezenten Zitrusnote schwimmt. Das ist raffiniert. Lange hält sich das harmonische Aroma auf der Zunge. Und je länger ich das Destillat hin- und herschwenke, desto mehr setzt sich der blumig-frische Geschmack durch. Ich schlucke. Der Abgang ist leicht pfeffrig. Und der Wacholder reicht zum Schluss dem Koriander die Hände und verabschiedet sich mit Bravour. Am Gaumen bleibt ein mildes, aromatisches Feeling zurück. Sehr beeindruckend. Bravo Iris! Bravissimo!
„Meine Mutter starb, als ich zwei Jahre alt war. Aufgewachsen bin ich bei meiner Tante und meinem Onkel. Ich hatte eine tolle Kindheit. Ich war der Star. Aber mein Held war mein Opa. Was lag da näher, als die Tradition weiterzuführen?“ Der Hof wird nach wie vor nach dem Leitsatz der Familie „Qualität vor Quantität" geführt. Die besonderen Destillate sollen in Erinnerung bleiben, weil sie gut und ausgereift sind. Daher wird auch heute noch das Credo des Großvaters befolgt: Doppelt gebrannt hält besser! Iris wollte eigentlich Medizin studieren und arbeitete zunächst als Krankenschwester. „Ich wäre bestimmt eine gute Landärztin geworden“, sagt sie. „Als dann aber die Kinder kamen, war es einfacher, zu Hause im Scholerhof zu arbeiten.“ Iris gehört zu einer der wenigen Frauen in einer von Männern dominierten Berufsgruppe, den Brennmeistern. Aber es war und ist ihr Traum. Sie ist zurück zu den Wurzeln der Familie gegangen und fühlt sich frei und ungebunden. Aber es ist auch viel Arbeit, besonders wenn man fast alles selbst macht. Auch die Bommel an den Flaschenhals binden.
Der Iris Krader Dry Gin wird im Small Batch Verfahren hergestellt. Damit kann sie die ständig steigende Nachfrage nach besonderen Destillaten in kleinen Chargen hervorragend bedienen. Beim Konsum von Spirituosen besinnen sich viele wieder auf kleine, regionale Kostbarkeiten. Die Idee, sich mit einem eigenen Gin zu belohnen, wurde im ersten Produktions-Jahr 2014 direkt mit einer Goldmedaille, sozusagen als bester Gin, der Destillata Organisation ausgezeichnet. Und 2016 kam die Prämierung bei dem Spirit Craft Festival in Berlin dazu.
Ein Erfolgsgeheimnis dieses Gins sind zweifelsohne die regionalen und zum Teil eher ungewöhnlichen Botanicals. „Ich will so viel wie möglich von meiner Heimat in meinen Gin einfließen lassen. Alles, was ich selbst anpflanzen, ernten und trocknen kann, macht mich unabhängig. Ich weiß, was ich will. Ich bin die Zeremonienmeisterin, ich bestimme die Qualität. Und das Quellwasser aus dem Schwarzwald ist besonders weich."
Zusammenfassend kann ich Iris nur beipflichten, die sehr treffend formuliert: „Mein Gin bleibt in Erinnerung!“ Übrigens, für einen Drink passt Thomas Henrys Tonic zwar fast immer, aber hier scheint mir Fever-Tree Elderflower besser mit dem Gin zu harmonieren.
Das Fotoshooting ist vorbei, die Sonne geht schlafen. Ich noch nicht. Und ich weiß, was ich heute Abend mache. Ich werde mal eines der vier Rezepte für gemixte Iris Krader Dry Gins von der Website ausprobieren und mich dem Genuss widerstandslos hingeben. In diesem Sinne: Gin Gin!
Hier sind die Rezepte, die es auch als Prospekt gibt:
Iris Schwarzwald Gin Tonic
4 cl Gin / Indian Tonic Water/ Zitronenzeste / Rosenblüten
Iris-Ginlet
4 cl Gin / 2 cl Cordial Roses Lime Juice / 1 Spritzer Limettensaft
Iris Schwarzwald Mule
4 cl Gin / 2 Scheiben Limette / Ginger Ale / Gurkenzeste / Glas mit Tannenduft einsprühen oder mit Tannennadeln einreiben
Tom Collins
4 cl Gin / 3 cl Limettensaft / 2 cl Zuckersirup & Limettenzeste
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Saigon Baigur Dry Gin, Test Bester Gin
Ein Drachenei aus Ho Chi Minh Stadt begeistert mich gerade nachhaltig. Und ich will euch mal erzählen, warum.
Jahrelang haben die Vietnamesen auf ihren ersten lokal produzierten Premium Gin gewartet. Ende 2020 entwickelt, erregt der Saigon Baigur Dry Gin jetzt nicht mehr nur in den Straßen von Ho Chi Minh Stadt Aufmerksamkeit. Im Laufe der letzten 14 Monate ist er nach und nach in verschiedenen Ländern Europas am Gin-Himmel erschienen. Vor ein paar Wochen ist er nun auch mir aufgefallen und zwar bei den Drinking Buddies der Tastillery.
Ich gebe zu, dass ich oftmals Gin wegen des Flaschendesigns kaufe und dann hoffe, ein Highlight “Bester Gin” zu erwischen. So auch beim Saigon Baigur, die Flasche ist einfach der Hammer! Bevor ich voller Hoffnung den Korken aus dem Flaschenhals ziehe, möchte ich aber etwas zu Geschichte wissen und forsche nach. Der Saigon Baigur ist der erste Premium Craft Gin, der in Ho Chi Minh Stadt destilliert wird. 2018 bereits von Jochem Lisser und Florian Draaisma mit dem Ziel entwickelt, authentische vietnamesische Botanicals in die Flasche zu bekommen, dauerte es doch zwei lange Jahre bis die finale Zusammenstellung mit zwölf regionaltypischen sowie vier klassischen Botanicals gefunden war. Sie bereisten dazu das ganze Land und schauten nicht nur auf den urbanen Straßenmärkten in die Auslagen, sondern kraxelten auch in den Bergregionen von Dorf zu Dorf. Leider war ich noch nie in Vietnam und kann das gar nicht so richtig nachvollziehen. Aber Thomas war schon da und zwar vor zwölf Jahren. Wie jung aussehend er da lässig am der Statue lehnt! Klasse!
Bevor ich jetzt aber die vom Entwickler-Team mit Stolz präsentierte Botanical-Liste abarbeite, will ich ganz unvoreingenommen erobert werden. Ganz ohne Hinweise und erklärende Details. Das kommt später. Neutral wie der Schiedsrichter bei Hertha … okay, schlechter Vergleich. Unbestechlich wie ein Richter am Verfassungsgerichtshof, nehme ich das Drachenei zur Hand und lasse den Geist aus der Flasche mit der Batch-Nummer 418.
Wenn die Chargen und womöglich auch noch die Flaschennummern vermerkt sind, dann befinde ich beim Genuss eines Destillats dieser Art üblicherweise schon einmal deutlich über dem Durchschnitt eines „normalen“ Gins. Gut so, denke ich und rieche zuerst am Korken. Zitroniger Orangen- und schwacher Wacholderduft. Aha, interessant. Mal sehen, was der Geschmack sagt. Ich nehme einen gesunden, den Mundraum nicht überfordernden Schluck und schaukle ihn hin und her. Ich stutze: Lakritze! Wieso Lakritze? Ich schmule mal in der Liste. Süßholzwurzel ist dabei und auch Sternanis. Klar, daher kommt der intensive Geschmack der schwarzen Süßigkeit. Und was erzeugt den zitronigen Orangengeruch? Mit Sicherheit kommt der von der sehr exotischen Buddhas-Hand-Zitrone, die wegen ihres eleganten, intensiv blumigen, frischen Duftes und ihres bizarren Aussehens von weltgewandten Spitzenköchen geschätzt wird.
Im Gegensatz zu anderen Zitrusfrüchten enthalten die meisten Sorten kein Fruchtfleisch oder Saft. Gibt man sie zum Essen dazu, muss sie gehobelt werden, ähnlich wie Trüffel. Sie gilt nicht nur hierzulande als begehrteste und teuerste aller Zitrusfrüchte. Tolle Idee, sie in einem Gin zu verwenden. Ich koste weiter.
Koriander und Kardamom schmecke ich jetzt. Und leicht scharf im Abgang ist er, der Saigon Baigur. Ich blinzle nochmals bei den Botanicals. Bird's Eye Chili und Phu Quoc Pfefferkörner sind die verantwortlichen Protagonisten.
Einen zweiten und dritten Schluck genehmige ich mir und versuche herauszufinden, was da noch drin ist: Zitronengras sicherlich und etwas Zimt. Richtig und sonst? Angelikawurzel, Fenchelsamen, Lotusblüten, Zitronenschalen und Drachenfrucht stehen noch auf der Liste.
Eine ganz feine Mischung, sehr speziell. Ich schaue mir mal das Etikett auf der Rückseite der Flasche an. Das stolze Selbstbewusstsein der Macher ist unübersehbar, es springt mich geradezu an. Das darf es aber auch. Ein abenteuerlicher, aufregender Gin, steht da. Kann ich nur unterstreichen. Absolut!
Über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten und jeder hat andere Assoziationen. Als ich Paul einen Schluck anbiete, sagt der sofort, dass ihn dieser Gin an die vietnamesischen Sandwiches erinnert, die er in Kambodscha gegessen hat. Auf denen sind nämlich als Basiskräuter immer Zitronengras und Koriander. Interessant! Ich frage ihn, ob er noch etwas anderes vorrangig schmeckt. „Haselnuss“, sagt er. „Und die Konsistenz ist irgendwie klebrig. Sieht aus und schmeckt wie der Ouzo gestern Abend beim Griechen!“ Also, Haselnuss ist nicht enthalten, aber Sternanis, wie im Ouzo! Ich experimentiere jetzt mal, mit welcher Frucht in Tom Henrys Tonic der Saigon Baigur am besten rüberkommt. Ich versuche zunächst die Limette.
Mit einer mundvollen Mischung auf meinen Geschmacksknospen stelle ich ganz schnell fest, Limette ist es nicht. Die strenge Linie diese Gins wird unkontrolliert durchbrochen. Die zitronige Basisorange von Buddhas-Hand harmoniert so gar nicht mit der kleinen Limone. Ich versuche es weiter. Orangenscheiben sind es auch nicht. Wieder eine unheilvolle Konkurrenz. Schließlich lasse ich alle Früchte weg, gebe nur Tomas Henry zum Saigon Baigur und nippe. Besser, aber die exotisch kräftigen Lakritznoten hängt irgendwie in den Seilen. Sie braucht Hilfe. Was also tun? Ich mixe etwas Sirop de Monin Grenadine in den Drink. Ungefähr ein Esslöffel voll. Und siehe da… gut, sehr gut sogar. Der süße Johannisbeersaft begräbt die Anis gefärbte Buddha-Hand nicht, er verfeinert sie. Er nimmt ihr nicht den Raum, er begleitet sie.
Ein besonderer Gin mit Stringenz. Nicht jedermanns Sache, bestimmt nicht. Wer Anis nicht mag, sollte die Händen vom Saigon Baigur Dry Gin lassen. Aber er ragt als Exot heraus aus der Masse der vielen neuen Gin-Sorten. Der hohe Aufwand einer 24-stündige Mazeration und die Destillation sowie Dampfinfusion der aromatischen Pflanzenstoffe in einer extra handgefertigte Carterhead-Kupferdestille in der District 9 Distillery zeichnen diesen Gin aus. Er ist empfehlenswert, aber auch ziemlich strange. Und diese ganz speziellen Flasche, inspiriert von einem Drachenei aus der vietnamesischen Mythologie, mit diamantförmigen Einbuchtungen rundum, ist ein echter Hingucker.
Sollte sich jemand beim Geschmack vertan haben, kann er immer noch mit dem Flaschendesign protzen und sich daran erfreuen. In diesem Sinne, Cheers oder wie man in Vietnam sagt „Một – Hai – Ba – dzô”.
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Das kleine Gin-Ensemble, Test Bester Gin
Die ganze Woche über freue ich mich schon auf Freitag. Nicht, weil ich Robinson bin oder das Ende der Arbeitswoche mich erfreuen könnte (was mir als Pensionär völlig wurscht ist), nein, sondern weil ich dann endlich mein Projekt des Gin-Tastings eines Ensembles von fünf Probierfläschchen angehen kann. Ziemlich lange schon stehen „Lime Gin“, Rhubarb & Rose Gin“, „City of London Dry Gin“, Murcian Orange Gin“ und „Six Bells Lemon Gin“ abwartend in unserem gut gefüllten Alkohol- und Glasschrank.
Diese in Flaschen gefüllte Versuchung, der Leber neue Fettränder zu verpassen, ist während meiner durch Krebsoperation und Chemotherapie erzwungenen Abstinenz nicht wirklich kleiner geworden. Das Alkohol-Fastenbrechen hatte ich bewusst auf unsere letzte AIDA-Tour in den Orient im Dezember des letzten Jahre verlegt. Unter den diversen „ersten“ Drinks war natürlich auch ein Gin-Tonic. Der AIDA-Gin war nicht so schlecht. Mir hat er geschmeckt. Doch heute sind diese kleinen Proben dran.
Streng nach Reihenfolge öffne ich den „Lime Gin“. Seltsam, so eine kleine Flasche. Vorsichtig halte ich meine Nase über die Öffnung. Na klar, wie sollte es bei dem Namen auch anders sein, die erste olfaktorische Richtung gibt die Limette vor. Es folgen Wachholder und irgendwie etwas wie Lakritz. Interessant. Der erste Schluck aus dem Schnapsglas bei Zimmertemperatur umschmeichelt wärmend Zunge und Gaumen. Ich schaukle den Lime ein wenig hin und her und lasse ihn dann langsam am Zäpfchen vorbeigleiten. Der Abgang ist himmelstürmend. Wow, denke ich und genieße. Nach einigen Minuten verkoste ich den Rest der fünf cl mit einer Limettenscheibe und einer Orangenspalte auf Eis, aufgefüllt mit Thomas Henry Tonic. Ein guter Anfang.
Als Hintergrundmusiker fungiert Claus Hempler, der in der dänischen Serie „Die Wege des Herrn“ den Titelsong singt: „Ride upon the Storm“. Seine tiefe Stimme füllt den Raum und passt gut zu meiner Stimmung. Número dos ist dran, der „Rhubarb & Rose Gin“. Was für ein Name! Ich drehe den kleinen Verschluss ab und wittere sofort den intensiven Rhabarberduft. In dem Augenblick, als ich meine Nase näher heranbringe, schlägt die Rose den Rhubarb in die Flucht. Jedenfalls versucht sie es. Kann das gutgehen? Zwei so stark blumig duftende Stoffe in einem Gin? Ich bin skeptisch und schlürfe die ersten Tropfen. Er schmeckt wie er heißt. Kann man als angenehm empfinden oder auch nicht. Ich komme mir vor wie in einer Shisha Bar, in der parfümierter Tabak geraucht und Candys zum Schwarzen Tee gereicht werden. Sehr exotisch und pur absolut gewöhnungsbedürftig. Ich mische mit Limetten, Orangen und Tonic, alles auf viel Eis. Mit dem langen Cocktaillöffel rühren, lange rühren. Vorsichtig nehme ich ein Schlückchen. „The times they are a-changin’“ singt Claus Hempler als Cover-Version vom guten alten Bob Dylan. So geht es mir auch gerade. Der Gin-Tonic, den ich in der Hand halte, hat sich verändert. Die Mischung Rhabarber, Rose, Limette, Orange, Tonic ist genial. Der Drink ist jetzt ausgewogen, rund und richtig hübsch im Mund, wie ein sehr sorgfältig gebundener Sommerblumenstrauß. Dieser Mix könnte ein Basiscamp romantischer Träumereien sein. Man sollte einen Gin nie vor der richtigen Komposition mit anderen Zutaten beurteilen!
Der dritte in der Runde ist der „City of London Dry Gin“. Der Name ist ja eigentlich die Bezeichnung der bekannteste und beliebteste Gin-Sorte überhaupt. Eine Sorte mit den strengsten Auflagen, was die Herstellung angeht. So dürfen zum Beispiel die Botanicals nur gesammelt zu Beginn des Destillervorgangs beigegeben werden. Insofern halte ich irgendeine Variante dieses Basic-Gins in den Händen. Ich koste. Klar und ehrlich. Wachholder deutlich, Koriander kurz dahinter. Ein wenig scharf im Abgang, könnte schwarzer Pfeffer sein. Orange und Zitrone sind auch dabei. Schmeckt mir. Aber klar ist auch, dass dieser Gin mit seinem prägnanten, klaren und eindeutigen Auftrag die blumigen Träumereien seines Vorgängers in der Luft zerreißt.
So langsam aber sicher schwebe ich auf einer Welle angenehmer Trunkenheit. Es ist spät. Von außen presst die Nacht ihre glatte schwarze Haut gegen die Fensterscheibe. Ich schraube die oben angebrachte Drehvorrichtung vom Fläschchen „Murcian Orange Gin“ und rieche. Er duftet sehr würzig, mit einem reichhaltigen, abgerundeten Profil. Beim ersten Schluck dominiert die Orange, die aus Murcia im Osten Spaniens ist. Der Ort ist bekannt für viele tolle Gemüsesorten genauso wie für bestes Obst. Und heute sind die Murcianer Orangen bei mir im Glas. Die Flüssigkeit ist raumgreifend im Mundraum. Sie brennt nicht, sie gibt Wärme ab und erzeugt viel Geschmack. Ich erkenne weitere Botanicals: Wacholder natürlich, Koriander und Kardamom. Dieser Gin bleibt pur im Glas, man muss sich auch mal durchsetzen, kein Thomas Henry. Kein Mix. Sorry, mein Junge.
Nachdem mich der „City of London Dry Gin“ aus allen Träumen gezerrt hatte, hat „Murcian Orange Gin“ eine himmlische Ruhe und einen atemberaubenden Charakter präsentiert. Mal schauen, was das Finish bringt. Ich hoffe auf ein die Sinne umschmeichelndes Ende meines Ensemble-Gin-Tastings. Der „Six Bells Lemon Gin“ ist dran. Er ist inspiriert vom populären Reim auf die Glocken einer Kirche in Eastcheap, London: „Orange and lemons, say the bells of St. Clements.“ Der Name ist Programm und sofort umfängt mich ein reich duftendes Aroma von Sommerzitronen. Und im Hintergrund umkreist der Wachholder meine Nase. Sehr angenehm. Im Mund kommt auch nichts mehr hinzu. Beide Aromen schmiegen sich sanft an den Gaumen und füllen die Mundhöhle komplett aus. Auch beim Abgang ändert sich nichts. Klare Aussage, klare Linie. Ich bin begeistert von dieser überzeugenden Performance. Ein distinguierter, lebendiger Gin mit unmissverständlichem, sehr straighten Profil. Er bekommt die volle Punktzahl.
Claus Hempler intoniert „Man on the flying trapeze“, die Nacht ist gekommen, bald beginnt die Geisterstunde und in meinem trunkenen Hirn wabernd zahlreiche faszinierenden Eindrücke. Ein ausgewogen zusammengestelltes Ensemble der „The City of London Distillery”. Die fünf verschiedenen Gins sind alle empfehlenswert, jeder ein wenig anders, jeder auf seine Art faszinierend. Ich könnte mir vorstellen, von der einen oder anderen Sorte mal ein große Flasche zu bestellen. „A ver”, wie der Spanier sagt.
Thomas Henry war treu und gut wie immer an meiner Seite und hat mich nach Kräften unterstützt. Die fruchtigen Accessoires der Limetten und Orangen waren ebenfalls nützliche Helfer. Und viel Eis. Ein gelungener Abend.
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Gin Likör selbstgemacht
Die Wachholdernoten sind schlaff, das Korianderkraut streng und die Chinarinde muffig! Oder der Gin schmeckt nach – nichts! Habt ihr das schon mal erlebt? Wenn nicht, dann braucht ihr nicht weiterzulesen. Für alle anderen habe ich einen Einfall und eine Weihnachtsgeschenkidee dazu: Selbstgemachter Gin-Likör.
Und das Beste daran: jeder kann seiner Schöpferkraft freien Lauf lassen oder einfach mal schau’n, was vom Obstteller weg muss. Bei mir ist es eine Schale mit frischen Cranberrys. Gab’s letztens beim Discounter und die wollte ich mal ausprobieren. Roh schmecken die kleinen prallen Beeren eigentlich nur sauer und die Schale klebt etwas bockig am Gaumen. Also rein in den Topf, etwas Wasser dazu und aufgekocht. Schon besser, aber noch immer Grimassen-schneidend-sauer. Drei Esslöffel Zucker dazu und es schmeckt richtig fruchtsaftig gut.
Ich muss aufpassen, dass ich nicht so viel von den roten Beerchen nasche, damit noch genug für meinen Cranberry-Gin-Likör übrigbleibt. Zum Glück ist es mehr als genug und ich kann reichlich gekochte Früchte in ein engmaschiges Sieb füllen. Jetzt brauche ich Geduld. Sehr langsam -slow- tropft die Flüssigkeit in den Messbecher. Ich schmunzle: Als ich das erste Mal von dem bekannten Schlehen-Gin, Sloe-Gin, hörte, glaubte ich, das Getränk wir besonders langsam produziert.
So gibt es heute Slow-Gin aus Cranberrysaft. Ich fülle den rotvioletten Sirup in eine kleine Flasche. Dazu kommt mein Ladenhüter-Gin, der schon lange sein Leben in der hintersten Bar-Ecke fristet und zack, eine neue Kreation ist entstanden. Und im wahrsten Sinne des Wortes komme ich auf den Geschmack! Die Orangen warten auch auf eine Veredelung und zwei Flaschen mit Gin Resten wollen im Regal Platz für neue Kreationen schaffen.
Ich bekomme richtig Spaß an der Herstellung und lasse in meinem Kopf schon die wildesten Kompositionen wachsen. Geht’s vielleicht auch mit Kiwi und Ananas? Ganz bestimmt mit Kirschen und Limetten. Aber ich wette, ihr kommt auf noch viel bessere Ideen. Und das Beste daran: natürlich muss ich die Kompositionen probieren! Nicht schlecht…
Wenn ihr mögt, schickt doch bitte ein Foto von eurer Idee rüber: info@grad60.com
In diesem Sinne schon mal ein weihnachtliches Gin-Gin!
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Humboldt Gin - Eine Entdeckungsreise, Test Bester Gin
Auf der Suche nach einem geeigneten Plätzchen für das Humboldt Gin Fotoshooting biege ich mit dem Fahrrad in den Brieselanger Wald ein und bin sogleich überwältig von den unglaublich schönen Herbstfarben. Da habe ich den Termin doch richtig gewählt. Wunderbar, ich freue mich.
Und warum führt mich mein Weg heute in den Wald? Weil ich die Brücke schlagen will von den Botanicals des Gins zum Naturforscher von Humboldt. Natürlich hinkt der Vergleich mächtig, schließlich war Alexander auf der ganzen Welt unterwegs und ich bin hier nur in meiner Nachbarschaft. Aber der Wald empfängt mich sofort und unmittelbar mit einer Atmosphäre, die meine Sinne sehr gut auf das Vorhaben mit dem Forscher einstimmt.
Ich komme zu den Bahngleisen, auch ein Symbol für ferne Reisen und spannende Abenteuer, und suche nach dem alten, verfallenen Bahnhof Waldheim, der für mich, so wie beispielsweise das Alpenhaus von Beelitz, morbider Bildhintergrund mit hinweisender Bedeutung sein sollte. Nichts mehr da, alles weg. Wie ich später erfahre, sind die Ruinen vor zwei Jahren abgerissen worden. Da bin ich wohl etwas spät dran.
Von Humboldt genoss schon zu Lebzeiten ein hohes Ansehen und wurde als „der größte Naturforscher seiner Zeit“ betrachtet. Die Akademie der Wissenschaften zu Berlin würdigte ihn als „die erste wissenschaftliche Größe seines Zeitalters“, dessen Weltruhm sogar den von Leibniz überrage. Er galt als Pionier des ökologischen Denkens, für den die Einsicht galt: „Alles ist Wechselwirkung“. Das ist mir Pflicht und Ansporn zugleich. Gin hat immer eine Wechselwirkung und mit dem täglich größer werdenden Angebot ist die Auswahl eine schwierige Herausforderung. Da hilft es doch, wenn man eine Flasche geschenkt bekommt und sie nicht selbst aussuchen muss, so wie den Humboldt Gin zu meinem Geburtstag. Und das auch noch zweimal. Der muss doch einfach gut sein.
Ich bewege mich jetzt wieder jenseits der Gleise, fahre hin und her, bin schon etwas verunsichert, ob ich denn noch etwas Passendes finden werde, und gelange schließlich nach rund einer Stunde Suche tief im Wald von Brieselang an einen Ort, der nicht nur Rotkäppchen gefallen würde, sondern auch assoziativ sehr gut passt. So wie die Orange zum Gin, obwohl ich heute auf alle Zutaten verzichten und ihn rein und pur genießen werde. Ich stelle mein Fahrrad ab und richte mich ein.
Auf was muss ich mich gefasst machen, wenn der Humboldt Gin aus dem Spreewald meine Geschmacksknospen touchiert und meinen Riechkolben herausfordert? Mit Sicherheit nichts Profanes, nichts Alltägliches. Denn zum 250. Geburtstag haben sich die Distillers aus Schlepzig bestimmt richtig ins Zeug gelegt. Ich habe gelesen, dass ein Potpourri an exotischen Wurzeln und Rinden drin sein soll. Das würde ja zum Alex von H. passen. Na, dann, auf geht’s. Ich rieche zuerst einige Minuten am Glas und nehme schließlich ein kleines Schlückchen.
Neben dem obligatorischen Wacholder, der aber nicht sehr präsent ist, erschnuppere ich deutliche Zitronenfrische und auch, etwas im Hintergrund, Orangenduft. Dazu viele verschieden Gewürze. Der erste Kontakt mit meiner Zunge ist scharf und würzig. 43 Volumenprozent sind auch nicht wenig und das erste Gewürz, was mir in den Sinn kommt, ist Kardamon. Dieses Gewürz kenne ich recht gut, weil ich ab und zu mal die Kapseln kaue. Interessant ist auch, dass ich diesen ersten Schluck als ziemlich bitter empfinde. Ich schaue mal online in der Liste der Botanicals nach und siehe da, ich habe Recht: Kardamon ist enthalten und Chinarinde aus den Anden auch. Sieh mal einer an, das Etikett lügt nicht.
Ich probiere weiter und stelle fest, dass der erste Eindruck anders ist als erwartet. Ich hatte etwas geschmacklich Rundes vermutet. Was ich bisher wahrgenommen habe, ist mehr eckig und fordernd, unkonventionell halt. Aber an der gewählten Disposition der Macher aus dem Spreewald, die mit den Botanikern des Botanischen Garten und dem Botanischen Museum in Berlin entwickelt wurde, finde ich auf Anhieb Gefallen. Ein Gin wie ein Rundgang durch die Natur. Eine Entdeckungsreise für die Sinne, ganz im selbigen des großen Naturforschers. Das Glas ist irgendwie und auf seltsame Art und Weise schon leer und ich muss etwas von dem guten Stoff nachkippen.
Ich lerne neue Dinge kennen und versuche, Schritt für Schritt herauszufinden, welche das sind. Nach einigen weiteren Schlückchen glaube ich, Koriander und Lavendel zu riechen und zu schmecken. Da ich nun wirklich kein Spezialist für das Erkennen von Ingredienzien bin, erlaube ich mir nochmals einen Blick in die Liste der Inhaltsstoffe und werde bestätigt. Gut geraten, oder?
Ich sitze im Wald mit Alkohol und freue mich. Das klingt komisch? Nun ja, könnte sein. Aber ich fühle mich gut hier in der Natur, so ganz allein, fantastisch sogar. Meine Gedanken schweifen ab und ich genieße. Nach einiger Zeit denke ich, dass mein Humboldt Gin Test sich nunmehr dem Ende nähern sollte. Ich habe einen wunderbaren Nachmittag mit zwei sehr gut aufgestellten Darstellern genossen. Auf der einen Seite der preisgekrönte Roggenalkohol, der mit insgesamt 21 Botanicals mazeriert und Aromen schonend in kupfernen Hybrid Pot Stills redestilliert worden ist und auf der anderen Seite der Brieselanger Hauswald in einem wunderschönen, farbenprächtigen Herbstkleid. Etwas beschwipst und sehr zufrieden packe ich meine Siebensachen und strebe dem heimatlichen Herd zu.
Dieser Gin aus Schlepzig im Spreewald, der den Namen des berühmten Naturforschers Alexander von Humboldt trägt, ist ein wundervolles Meisterwerk der Destillierkunst und uneingeschränkt zu empfehlen. Ich habe ihn pur und handwarm getrunken; ich bin mir aber sicher, dass er mit einer Orangenscheibe, einem Stück Gletschereis sowie Thomas Henry Tonic auch eine sehr gute Figur macht.
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Goldener Gin: Inverroche Amber, Test Bester Gin
Zwischen Herz und Bauch strömt ein Erinnerungszucken. So klar, warm und wohlig. Beim Freudenkiekser reckt der Straußenvogel seinen biegsamen Hals und schaut uns staunend an. Nur kurz schließt er die Riesenaugen, klimpert mit seinen langen Wimpern und widmet sich wieder den Gräsern und Kräutern im De Hoop -Nationalpark. Der Flashback ist perfekt. Kaum floppt der Korken aus der Inverroche Gin Flasche, schickt uns der Duft in das südafrikanische Cottage. Der Barkeeper, sein weißes Jackett gibt seiner schwarzen Hautfarbe einen fast blendenden Kontrast, empfiehlt einen Inverroche Gin Amber mit einer halben Orangenscheibe und öffnet damit für mich die Geschmackswelt guter Gin-Tonics.
Bis zu diesem Tag habe ich mir nicht viel aus dem Getränk gemacht. Nur selten habe ich in einer Bar an einem Gin Tonic genippt und nie die besonderen Geschmacksnuancen erlebt. Lag wahrscheinlich auch an der Qualität der Gins. Vier Jahre nach dieser Offenbarung wollen wir nun diesem Destillat aus Südafrika auf den Kräutergrund gehen. Das richtige Ambiente bietet die passend beschriftete Schiefertafel.
Natürlich probieren wir den Inverroche Gin Amber zunächst in seiner unverdünnten reinen Form. Deutliche Citrusnoten steigen uns in die Nase. Aber wunderbar weich eingebunden in diese unfassbaren Aromen des südafrikanischen Fynboss, der Kräutervegetation am südafrikanischen Kap. Es sind über 3.500 Farne, Kräuter, Blüten, die ausschließlich in dieser Region zu finden sind.
Diese Aromen schleudern uns freudig zurück an die Südspitze des schwarzen Kontinents. Bei den Erinnerungen werden die Fotos lebendig: Salzhaltige Pazifikluft weht uns entgegen, Warzenschweine wühlen in der Savanne, Giraffen überragen die Baobabs und die grauen Riesen schwenken eindrucksvoll ihren Rüssel. Wer Lust und 90 Sekunden Zeit hat, kann gerne mitkommen: 90 Sekunden Südafrika.
Den Inverroche Gin gibt es in drei verschiedenen Geschmacksnuancen. Wir haben uns für den Amber entschieden, der sich durch seine bernsteinartige Farbe von den üblichen klaren Gins absetzt. Und daher trägt er auch den englischen Namen des fossilen Harzes. Das hat logischerweise nur den Namen für die Farbe hergegeben, denn die stammt von den gerbstoffhaltigen Kräutern, die im Nachhinein zur Mazeration beigefügt wurden. Was es damit auf sich hat, könnt ihr Nachlesen im Artikel über den Besuch der Spirituosen-Manufaktur.
Der erste Schluck füllt den Mund mit dem vollen Aroma der Fynbos-Botanicals. Meine Sinne spüren einen würzig-süßlichen Geschmack und erinnern mich an einen Anflug von Kräuterlikör. Martin schnalzt mit der Zunge: „Richtig fett am Gaumen“, und wir sind uns einig: genauso gut wie damals. Die Wachholderaromen sind recht zurückhaltend. Sie unterstreichen lediglich diesen Kräuterwind der einzigartigen Vegetation vom Kap. Das haben wir bei noch keinem anderen Gin so erlebt und das macht den Inverroche Amber so besonders. Er hebt sich damit ganz eindeutig von anderen Gin Sorten ab. Aber dieser Facettenreichtum ist ja auch das Interessante an diesem Getränk. Egal ob Berliner Brandstifter, Mampe oder Tanqueray Sevilla, jede gute Destillerie bietet interessante Kreationen.
Bevor wir den Inverroche Gin in den Tonic tauchen, genießen wir noch ein paar weitere Schlückchen in seiner puren Form. Karamell, Tannine und eine angedeutete Nähe zu Rum fallen uns auf. Vielleicht liegt es daran, dass die Inverroche Spirituose aus Melasse, also Zuckerrohr gebrannt wird. Schwärmend bereiten wir die zweite Testlinie vor. Eis, Orange und Tonic stehen bereit.
Und hier wird uns noch einmal klar, warum der südafrikanische Bartender eine Orange als Partner für den Inverroche Amber ausgewählt hat. Sie passt ideal. „Orangenaffin! Die unterstreicht nochmal alles!“, freut sich Martin. Recht hat er und schon fühle ich wieder die Atmosphäre der afrikanischen Abendsonne. Allerdings habe ich keine Erinnerung, welches Tonicwater der geniale Barmixer aus dem De Hoop Collection Cottage beigegeben hat. Unser Gin Tonic Longdrink wird mit Thomas Henry komponiert und wir sind glücklich über die passend bitteren Chinin- und floralen Citrusnoten des Fillers.
Der Abend hält noch viele Erinnerungen an das Land zwischen Johannisburg und Kapstadt bereit und erweckt Gefühle, Düfte und Aromen aus einem einzigartigen Urlaub. Der Inverroche Amber Gin ist davon ein wichtiges Steinchen im Mosaik. Wir sitzen noch Stunde um Stunde zusammen und sind glücklich, diesen Gin jemals kennengelernt zu haben.
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House of Gin - STAY GOLD
Es ist wie ein „Sechser“ im Lotto. Mit meiner Freundesgruppe genieße ich regelmäßig das Morgenpostmenü (Morgenpostmenü- so funktioniert’s / Morgenpost – Menü mit Aussicht / Menü im Kempi) und jetzt bietet der Verlag ein Tasting mit dem Titel „Gin around the World“. Unser Gastgeber ist das „House of Gin – STAY GOLD“ in den Räumen des Palace-Hotels im Europa-Center. Das Lokal empfängt mich mit blau-samtigen Barhockern, gemütlichen Cocktailsesseln und schwarz-goldener Dekoration. Ein Blick auf die Bar zeigt es deutlich: Hier steht der Gin im Mittelpunkt.
Der Startspieler der Gin-Runde ist der „Star of Bombay“ aus dem Haus Sapphire mit seinen typisch blaukristallenen Flaschen. Im wahrsten Sinne ein Star mit seinen 47% Alkoholgehalt. Er wird pur serviert und kann so seine 12 Botanicals unverfälscht verströmen. Neben dem selbstverständlichen Wachholderaroma bietet er Citrusnoten und ergießt sich mit seinem hohen Alkoholgehalt erstaunlich harmonisch über den Gaumen. Vernünftigerweise gibt es nur ein „wönziges Schlöckchen“, denn weitere vier Wachholder-Getränke warten noch auf ihren Einsatz.
Der zweite Gin-Gang ist ein optischer Türkis-Hingucker: Ein Milk-Punch mit Brooklyn-Gin. Wer jetzt an einen milchhaltigen Cocktail denkt, der irrt. Die Milch, in diesem Fall Mandelmilch, wird nur zum Klären des Getränks genutzt. In dem Gin-, Zitrone-, Zuckergemisch flockt die Milch aus und wird herausgefiltert. Zurück bleibt ein glasklares Getränk. Und das wird hier auf einen blaugrünen Gelatinespiegel im Glas aufgegossen und mit einer Blüte dekoriert. Ulli, ihr kennt ihn von Achteinhalb vs. viereinhalb, hat sich passend floral gekleidet.
Der Brooklyn-Gin mit seinem starken Wachholderaroma kann sich in diesem Getränk noch behaupten; es zeigt aber auch das Dilemma von Gin-Cocktails an. Gute Gin-Produzenten stimmen die Gewürze in präziser Feinarbeit auf den gewünschten Geschmack ab, der hier durch die Mixzugaben stark verändert wird. Allerdings hat der Bartender gute Arbeit geleistet und einen wunderbar süß-säuerlichen Leckertrunk gezaubert.
Das Besondere an diesem Abend sind nicht nur die gepflegten Gin-Drinks, sondern die Erklärbegleitung durch das Bar-Team. So erfahren wir, dass der folgende klassische Gin-Tonic „The Occasion“ eine Eigenkreation des Hauses ist. Er wird mit einer dicken Brombeere serviert, stößt bei uns jedoch nicht auf allzu große Begeisterung. „Ahoi-Brause“, vernehme ich eine Stimme und muss lächelnd der Assoziation zustimmen.
Auch zum folgenden Gimlet bekommen wir eine spannende Geschichte erzählt. Das Getränk im Martini-Glas wurde mit Begeisterung bei der Royal Navy getrunken, meist von den Offizieren, die ihrer täglichen Gin-Ration Limettensaft und Zuckersirup beimengten. Das hob nicht nur die Stimmung, sondern das Vitamin C verhinderte Skorbut auf den monatelangen Seefahrten. Bis 1970 gab es übrigens für jeden Matrosen täglich ein halbes Imperial Pint 55%igen Alkohol. Umgerechnet 14 Schnäpse. Na dann prost! Im House of Gin ist die Menge zum Glück deutlich kleiner, das Ritual dafür umso größer. Der „Ki No Bi Kyoto Dry“ wird mit feinem Tee aromatisiert, von dem wir uns zwischen zwei Sorten entscheiden dürfen. Ich schnuppere etwas hilflos und entscheide mich für den „linken“.
Süffig exotisch mit Süße und Citrus-Bukett. Das Tee-Aroma nehme ich nur sehr schwach wahr und auch im Gegentest zum „rechten“ Tee ist der Unterschied nicht gerade gewaltig. Nichtsdestotrotz ein herrliches Getränk. Den „Ki No Bi Kyoto Dry“ aus Japan setze ich auf meine Tasting-Liste. Diesen Gin möchte ich bei Gelegenheit pur testen.
Der abschließende „Elephant Gin“ ist mit seinen afrikanischen Botanicals ein passender Begleiter eines „Afrikanischen Cocktails“. Der Bartender zeigt die Flasche mit der kleinen Geschichte, dass jedes Flaschenetikett von einer Kalligrafin mit dem Namen eines Elefanten beschriftet ist und 15% des Gewinns an Organisationen gehen, die sich um den Schutz afrikanischer Elefanten und deren Lebensräume kümmern. Der Gin wird mit Drachenfrucht serviert und lässt kurzzeitig Safari-Feeling aufkommen. Prost Phelwana.
Da diese Seite ein Gin-Blog ist, habe ich die begleitenden Häppchen nicht extra erwähnt. Jedes von ihnen wäre schon eine eigene Geschichte wert. Spitzenklasse die Jakobsmuschel, Garnele, Hähnchenbrust und Gin-Praline. Ein wirklich gelungener Abend mit hervorragendem Service und erstklassigen Gins. Das House of Gin könnte fünf Sterne bekommen, wenn nicht die Rechnung mit dem dazu bestellten Mineralwasser in die Parade fahren würde. Elf Euro für die Flasche „Selters“ ist eine Frechheit und ich hasse es, abgezockt zu werden. Schade!
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Eine Wachholderbomber aus Dresden - Juniper Jack, Test Bester Gin
Wacholder ist nun einmal der Grund dafür, dass sich Gin überhaupt Gin nennen darf. Es gibt verdammt gute Gins, bei denen dieses Basic eher wie ein notwendiges Übel behandelt wird: „Muss halt mit rein!“ Bei dem Juniper Jack aus Dresden ist das anders: Beim ersten olfaktorischen Aufeinandertreffen frage ich mich, ob da außer Juniper (= Wacholder) noch andere Botanicals drin sind. „Aber natürlich“, würden mir die beiden auf der Flasche mit Namen und Unterschrift verewigten Destiller, Siebert Henning, und Founder, Jörg Fiedler, entgegenrufen, hätte ich sie gefragt: „Zehn Botanicals, nämlich Lemon, Blackberry, Mint, Coriander, Vermouth, Orange und der Rest ist Schweigen!“, so steht es jedenfalls auf der Flasche.
Ich rieche beim zweiten, dritten und vierten Mal auf jeden Fall Zitrone, Minze, Orange und etwas Koriander, eventuell. Der Rest ist kompliziert. Versuchen wir es doch mal mit den Geschmacksknospen der Zunge, vielleicht kann ich doch noch andere Pflanzenstoffe identifizieren. Ich lasse die ersten Tropfen über die Lippen in Richtung Schlund gleiten, bewege die Flüssigkeit von rechts nach links. Und kaue, also ich tue so, als ob ich kaue. Interessant, seht interessant. Ich meine Anis und irgendetwas Holziges zu schmecken. Ich warte noch etwas und schlucke. Ich erkenne nichts weiter. Aber ganz am Schluss ist der Schluck scharf, pfeffrig. Sehr schön. Ich bin überzeugt, dass ich einen neuen, guten Gin in meiner Sammlung habe.
Ich tue zwei Eiswürfel ins Glas, tropfe den Juniper Jack darüber und finishe mit Tonic von Thomas Henry. Ein schönes Plätzchen im Garten ist schnell gefunden. Ich genieße und stelle fest, dass diese Wacholderbombe ruhig ein wenig mehr Tonic verträgt. Gut so, mal etwas anderes als sonst, wo oft zu viel Tonic den Gin erschlägt.
Bevor ich dieses ganz private Tasting beende, schaue ich mir die Flasche noch einmal genauer an. Verschlossen ist sie mit einem Glaskorken, der mit JJ und 1736 verziert ist. Die Jahreszahl verweist auf ein Theaterstück, das in diesem Jahr als Protest gegen den „Gin-Act“ (eine Steuer auf Gin) von einem Mitarbeiter der Brennerei mit Namen „Juniper Jack“ geschrieben worden ist. Die Adelstitel vor den Botanicals stammen übrigens aus diesem Stück. Der rechteckige Flaschenkörper hat runde Schultern und einen massiven Boden. Die Flasche liegt verdammt gut in der Hand und sieht sehr schick aus. Und sie hat ein grandios gezeichnetes Männergesicht aufgedruckt bekommen. Vollbart, lange Haare, die zu Ästen eines Baumes werden. Ein attraktiver Bursche.
Wieder einmal habe ich einen guten Gin gefunden. Das war vor kurzem auch mit dem Tanqueray Flor de Sevilla so oder vor längerer Zeit mit dem Inverroche Amber Gin aus Südafrika. Und es gibt in meiner Sammlung noch etliche andere, über die ich (noch) nicht geschrieben habe.
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Ein neuer Sommer-Gin - Tanqueray Flor de Sevilla Gin, Test Bester Gin
Die goldgelbe Flüssigkeit ergießt sich langsam, ganz langsam in das kleine Likörglas. Tropfen für Tropfen. „Bitte jetzt nur nicht kleckern“, denke ich. Meine Hand zittert aber nicht. Es gelingt. Ich bin fertig, das Glas ist fast voll. Ich setze die Flasche ab und führe das Glas an meine Nase.
Der Tanqueray Flor de Sevilla Gin knallt mir sofort seine Bitterorangen auf den Riechkolben. Das habe ich auch erwartet, aber so intensiv haut es mich doch fast aus den Socken. Neben den Orangen rieche ich noch Koriander, vielleicht Ingwer und -naturalmente- Wacholder. Vorsichtig nippe ich an der goldgelben Flüssigkeit. Ich behalte ihn lange im Mund. Er bleibt am Gaumen ebenso fruchtig wie in der Nase und es verstärkt sich noch einmal das kräftige Aroma von Bitterorange. Der erdige Wacholder kann jetzt etwas deutlicher nach vorn treten, der würzige Koriander folgt ihm auf dem Fuß. Bevor ich den Schluck am Zäpfchen vorbeigleiten lasse, legt sich noch die fast schon schwere Süße dieses Gins auf meine Geschmacksknospen. Ich bin überwältigt..
Für den Gin-Cocktail schneide ich dann die Orangen, drücke das gefrorene Wasser aus den Eiswürfelbehältern ins Glas und gebe den Gin dazu. Anschließend tröpfle ich das Tonic von Thomas Henry darüber. Obwohl guter Stoff, zuviel davon könnte alles zerstören.
Es ist vollbracht. Ich setze mich neben meinen Buddha, proste euch allen zu und genieße.
Der Tanqueray Flor de Sevilla Gin wurde 2018 als Sommer-Gin vorgestellt und ist ein mit Sevilla-Bitterorangen und Orangenblüten veredelter Tanqueray London Dry Gin, der mit 41,3 Vol%. in die Flasche kommt. Ich hatte ihn schon länger im Visier, habe ihn dann aber leider aus den Augen verloren. Vor ein paar Tagen trat er dann wieder in mein Leben. Die “Drinking Buddies” von der „Tastillery“ postete ihn auf Instagram und ich dachte, „jetzt oder nie!“ Gesagt, getan, bestellt, ausgeliefert, ausgepackt und probiert. Klasse!
Übrigens ist uns Beiden als passionierte Gin-Tester der Hersteller Tanqueray durchaus ein Begriff. Er gehört zweifelsohne zu den ganz Großen im Gingeschäft und verfügt über eine breite Produktpalette. Flagschiff des Hauses ist der klassische Tanqueray London Dry Gin, dessen charakteristische grüne Flasche weltweit in keiner Bar fehlen darf. Wir haben ihn schon des Öfteren genießen dürfen. Vielleicht nehmen wir ihn demnächst einmal in eine besondere Testreihe mit auf. Bis dahin: „Gin, Gin!“
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Kein Alkohol ist auch... Siegfried Wonderleaf Alkoholfrei, Test Bester Gin
Ich kenne ganz brauchbare alkoholfreie Biere. Annehmbaren alkoholfreien Sekt habe ich auch schon probiert. Jetzt noch einen alkoholfreien Gin. Das wär’s.
Der original Siegried Gin aus dem Rheinland liegt in meiner Bestenliste ziemlich weit vorn. Ein Freund hatte ihn mitgebracht und bei einer gemeinsamen Feier haben uns das Wachholderaroma (natürlich) und die Citrusnoten gefallen.
Und jetzt ein „Gin“ ohne Umdrehungen. Geht das? Das Flaschendesign des „Siegfried Wonderleaf“ ist auf jeden Fall edel und steht dem klassischen Gin in nichts nach. Schon mal eine gute Voraussetzung. Auf dem Etikett steht „Vegan“ (hey – Martin!), „18 Botanicals“, „Pure Love“. Na dann…
Beim Öffnen des Holzstopfens rieche ich angenehme Wachholdernoten, aber auch einen etwas spitzen Citrusgeruch. Gesamteindruck trotzdem „gut“. Na dann mal einen klassischen Gin Tonic zubereitet. Da Citrus schon stark hervortritt, entscheide ich mich für eine halbe Orangenscheibe und den guten Thomas Henry. Der Eiswürfel klimpert und hoffnungsfroh nehme ich den ersten Schluck.
Nichts…, außer zitronigem Brausegeschmack. Das gefällt mir ganz und gar nicht. Okay, vielleicht stimmt die Mischung nicht. Also den wahren Purgeschmack getestet, aber das zeigt die volle Pleite: Wasser mit Zitrone und etwas Wachholder. Wirklich schade. Ich glaube den Herstellern aufs Wort, dass die Produktion aufwändig ist. Sicher ist auch Pur Love drin. Das Destillieren der Kräuter und Blüten ohne Alkohol, allemal nicht leicht. Aber bei der Flasche und der gesamten Aufmachung denke ich für mich, hier gibt es alkoholfreien Gin. Und so ist es eben nicht. Dann kaufe ich mir lieber gleich eine Kräuterbrause, z.B. von Thomas Henry.
Wer schöne Flaschen sammelt, dem kann ich die 0,5 Liter-Flasche für 19 Euro empfehlen, wer Gin mag, der kommt dann doch am Alkohol nicht vorbei. Was singen schon die Toten Hosen: „Kein Alkohol ist auch keine Lösung…“
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Gin-Test Test - Tryfoods Gin Tasting, Test Bester Gin
Oktober 2016 war es, Martin schlug es vor. Es wurde mein erster bewusster Gin-Tonic. Serviert im De Hoop-Nationalpark in Südafrika von einem aufmerksamen Barkeeper - perfekt im Glas mit Eiswürfel, knapp angegossen mit Tonic, die 0,2 l Flasche Tonic daneben zum Nachgießen. Überraschend war aber nicht die Cognacfarbe des Gins „Inverroche Amber“, sondern sein Duft nach Wachholder (na klar) und Fynbos, der typischen Pflanze Südafrikas. Jedenfalls für mich. Mein Interesse für Gin war geweckt.
Und dann stand ich da, im Supermarkt, im KaDeWe, im Spirituosenhandel. Das Regal von oben bis unten mit bunten Flaschen gefüllt: eckig, rund, gedrungen, gestreckt. Fantasievolle Namen von Helden, Affen, Ländern, Orten und ebenso fantasievolle Preise. Keine Ahnung was „gut“ ist.
Da traf es sich gut, dass es einen Menschen gibt, der das Beschreiben und Ausprobieren von verschiedenen Produkten sein Geschäft nennt und es mit seiner Idee schon in „Die Höhle der Löwen“ geschafft hat. Jörn Gutowski versendet Probierpakete: https://www.tryfoods.de/
Für 30 Euro kam das Päckchen mit fünf kleinen 50 ml Fläschchen und einem Beschreibungs-Heftchen an und der Termin mit Martin und unseren Frauen für eine Testrunde wurde gefunden. Diskutieren über Aromen von Bitter-Orange, Majoran und Pfeffer macht alleine ja wenig Sinn. Vier Teilnehmende bei einem Päckchen sind aber auch die Obergrenze, wenn denn jeder Gaumen mit noch spürbarer Menge Gin benetzt werden soll. Insbesondere wenn nicht nur, wie empfohlen, der Gin im Digestif-Glas verkostet wird, sondern auch mit etwas Tonic. Auch das ist ja eine Geschmacks-Wissenschaft. Mein Favorit ist dabei übrigens „Thomas Henry“.
Lustig wurde es. Nicht der Alkohol, sondern die Suche den Pappel- und Kieferknospen-Aromen - "Ist das jetzt eher Schlehe oder doch Preiselbeere, schmeckst du nicht die Eukalyptusnote? - nee Lakritz" -machten den Spaß aus.
30 Euro für 250ml Gin sind kein Schnäppchen, aber mehrere Fehlkäufe von uninteressanten Gins, die nur originelle Etiketten haben, ist ja auch nicht günstig.
Das Ergebnis war ein lustiger Abend für alle und ein bevorzugter Gin für jeden.
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Luft! Gin! Motel One!
Motel One, das stand für mich bisher für modern, preiswert und zweckmäßig, aber eben auch ohne jede Besonderheit. Das sollte sich heute ändern.
Auf einen Tipp hin zog es mich zum Motel One am Breitscheidplatz in das „Upper West“. „Die Dachterrasse ist klasse“, hieß es und auch für Nicht-Hotelgäste geöffnet.
So überrascht mich am Eingang des Hotels die Frage nach der Zimmerkarte. Die Erklärung ist einfach: „Die Terrasse ist voll, bitte in 20 Minuten noch einmal probieren.“ Und tatsächlich, nach einer kurzen Flanierrunde geht es ungefragt mit dem Aufzug in die 10. Etage.
Und schon hier wird klar: Das ist das Flaggschiff von Motel One. Die typische Motel One – Farbe "Türkis" blitzt zwar überall hervor, aber das Design ist edel, das Raumgefühl gemütlich. Inspiriert vom nahegelegenen Zoopalast steht das Motto „Kino“ im Vordergrund. Zwischen feinen Ledersesseln stehen historische Filmkameras und an den Wänden hängen Fotos von Schauspielern.
Die Dachterrasse ist gut besucht - kein Wunder in diesem Glutsommer. Die Gäste sind entspannt. In Begleitung einer langjährigen Freundin nehme ich in vorderster Front am Tisch eines Paares Platz, auf einem Regie-Stuhl mit dem Aufdruck „Nina Hoss“. Wir plaudern kurz gemeinsam über den einmaligen Ausblick auf die Gedächtniskirche, aber die Tische sind so groß, dass auch Zweier-Gespräche nicht gestört werden. Für weitere Abwechslung ist ebenfalls gesorgt: Nonstop fertigen Jung und Alt an der Balustrade Selfies, nach dem Motto „Ich vor der Gedächtniskirche“. Von aufgebrezelt bis leger werden Lippen gewölbt und mit schräg gestelltem Kopf die Instagram-Sammlung vergrößert.
Der Blick in die andere Richtung fasziniert ebenfalls: Zwischen den Türmen des Upper West und dem Waldorf Astoria bietet die Sonne einen dramatischen Untergang. Hier lässt es sich aushalten. Dazu weht ein angenehmer Wind, der für Abkühlung sorgt – wirklich luftig.
Die lockere, höfliche, freundliche Bedienung im Motel-One-Türkis schmunzelt, als ich vorsichtig nach einem Gin Tonic frage, den ich nicht auf der Getränkekarte finde. „Welchen unserer 42 Gins hätten sie denn gerne? Vier Tonics haben wir auch!“ Whow!
Nach dem Studium der Spezialkarte entscheide ich mich für den Monkey 47 mit GENTS Tonic Water aus der Schweiz. Perfekt!
Das Sonnenlicht schwindet, dafür leuchtet vorne der Eiermann-Bau vor der alten Gedächtniskirche im mystischen Blau und hinten strahlt das Weiß des „Upper West“.
Ich denke für mich, hier kann man es auch alleine genießen. Es gibt genug zu sehen und ein auffälliger Exot wäre ich als Einzelgast nicht. Mit grad60 passt man hier hin.
Der zweite Gin, ein Hayman’s 1850 Reserve Gin, klimpert mit dem Eiswürfel im Glas. „Was für eine Kulisse“, genieße ich aus meinem Regie-Stuhl! Für Berliner und Besucher! Für grad60 und für die darunter. Und das an einem Abend mit 29 Grad um Mitternacht.
Der Wind ist kühl, aber das Angebot vom Motel One Service für eine Decke nehme ich heute wirklich nicht in Anspruch.
Habt Ihr andere Tipps für gepflegte Getränke mit toller Aussicht, dann her damit. Wir freuen uns auf Eure Kommentare oder Zuschriften an info@grad60.com.
Ralph Kunze:
Angeblich ist die Bar mit den weltweit meisten Gin Labels hier bei uns in Ponta Delgada auf den wunderschönen Azoren. Sie heißt "The Gin Library". Ich konnte nicht nachprüfen, ob es auch stimmt!?
grad60.com:
Ja, da können wir nur antworten: bitte ausprobieren und uns darüber berichten, bitte!