Sydney Reisebericht
Down under und regnerisch
Unter den Teilnehmern der „The first Fleet“ war auch eine Gruppe von Straftätern, die das Britische Empire lieber weit weg von der Heimat untergebracht sehen wollte. Nordamerika ging wegen der Unabhängigkeitserklärung ja nicht mehr. Was lag da folglich näher, als sie auf dem neuen Kontinent „down under“, dem später so genannten Commonwealth of Australia, anzusiedeln. Allerdings zum nachhaltigen Unwillen der dort ansässigen Aborigines, was bis heute nicht wirklich wieder gut gemacht worden ist. Wie auch? Es ist einfach viel zu viel Unrecht geschehen. Jedenfalls siedelte man in dieser Bucht und nannte den Ort Sydney, zu Ehren des damaligen britischen Innenministers.
Auf unserer zehnwöchigen Australien-Tour werden wir uns für einige Tage unter die Nachfahren der rund 160.000 Gefangenen mischen und mal schauen, was die „Aussies“ hier in Sydney so treiben.
Wir verlassen das Song Hotel, das zentral günstig in der Wentworth Avenue liegt. Gleich gegenüber gehen wir durch den 1792 geplanten Hyde Park, dem ältesten Park Australiens. Am südöstlichen Ecke des Parks stoße ich mit meinem Kopf fast an das Kanonenrohr des deutschen Kreuzers Emden, der am 9. November 1914 von der H.M.A.S Sydney vor den Kokosinseln versenkt worden ist, dem ersten australischen Seesieg im 1. Weltkrieg.
Der Park begeistert mit einem Bestand von gewaltigen, alten Feigenbäumen, die rechts und links der Wege in den Himmel ragen. Dunkel und majestätisch stehen sie da und grüßen die schier endlose Zahl an Touris, die an ihnen vorbeiziehen.
All gegenwärtig sind die australischen Ibis-Vögel. Am Pool of Reflection von dem Kriegsdenkmal der Teilnehmer des 1. Weltkrieges, dem ANZAC-Memorial, steht einer, der erschreckt ein Bein hochzieht, als er merkt, dass ich meine Kamera auf ihn richte. Ansonsten sind die aber gar nicht schreckhaft. Sie sind in der ganzen Stadt unterwegs und suche nach Fressbarem. Man nennt sie hier übrigens auch „Bin Chicken“, weil sie regelmäßig die Mülleimer durchstöbern.
Das Wetter ist durchwachsen, der Himmel ist dunkel und voller schwerer Wolken. Kaum sind wir am Hafen, regnet es. Wir schützen uns beim Italiener Rossini am Circular Quay und werden von Georg aus Bielefeld bedient. Work and Travel ist immer noch sehr beliebt. Nach der Stärkung mit Pancakes und Cappucini treten wir hinaus und sind begeistert vom regennassen Ambiente. Es muss nicht immer Sonnenschein sein, wirklich nicht.
Wir gehen Richtung The Rocks, um in den historischen Gassen im Schatten der Harbour Bridge nach Streetfood und handgefertigtem Schnickschnack zu schauen. Unter der Brücke stehend sehen wir vom offenen Meer aus den nächsten Regenschauer heranziehen.
Jetzt aber schnell. Hier in der Gegend befinden sich einige der ältesten Pubs von Sydney, viele gehobene Restaurants und das älteste Hotel Sydneys. Da wollen wir hin. Wir hetzen die Hickson Road runter und kollidieren fast mit einer seltsamen Skulptur, die uns an die Cadillacs in Berlin erinnert.
Das Werk heißt „Still Life with Stone and Car“ und ist – siehe da – von dem in Berlin lebende Künstler Jimmie Durham geschaffen worden. Der Regen hat uns fast eingeholt und unsere Schirme nützen wenig, da der Wind sie sofort wegreißt. Über die Windmill Steps und die Kent Street landen wir etwas angefeuchtet im „Lord Nelson“, das auch eine fantastische Bar hat.
Tatsache ist, dass wir uns hier locker festsaufen könnten. Das Bier schmeckt, das Drumherum ist cool, die Bedienung nett. Sie ist übrigens nicht nur nett, sondern kommt aus Augsburg und macht Work and Travel. „Wir sind eine Plage“, sagt sie, „ich weiß!“ Wir verkneifen uns eine weitere Runde und gehen wieder raus. Auf der Straße schauen wir wehmütig zurück auf dieses imposante Gebäude. Beim nächsten Mal in Sydney werden wir hier wohnen. Versprochen!
Wir zuckeln zurück Richtung Song Hotel. Das Wetter ist besser, kein Regen mehr, es kommt sogar die Sonne durch. Die George Street lockt mit unendlich vielen Einkaufsmöglichkeiten. Meine Frau geht hier und da mal rein. Ich wache regelmäßig vor der Tür, damit nichts passiert. Am Fullerton Hotel posiere ich vor der Namenstafel dieses fantastischen Platzes, der zu Recht nach mir benannt worden ist.
Zurück in unserem Hotel fallen wir ermattet in das Kingsizedouble. Mal schauen, was der nächste Tag bringt.
Viel Sonne und gute Laune
Bei herrlichem Sonnenschein laufen wir durch den Hyde Park. Wie wunderschön diese Wege unter dem dichten Blätterdach sind. Da bekommt man sofort gute Laune, die wir aber sowieso haben. Wir freuen uns total, hier in Australien zu sein. Um uns rum sind nicht nur Besucher dieser liebenswerten Stadt, sondern auch viele lockere Aussies auf dem Weg ins Büro. Andere überholen uns joggend, um den Tag mit sportlichen Ambitionen zu begrüßen.
Bevor wir vom Circular Quay, Wharf 2, die Fastferry nach Manly nehmen, lichte ich pflichtgemäß Opera House und Harbour Bridge ab.
Mit der Opal Card entfällt das lästige Anstellen und Ticket kaufen. Die Karte wird an das Lesegerät gehalten und schon sind wir durch und auf der Fähre. Die Fahrt kostet für eine Richtung übrigens 10,20 AUD. Die Karte hatten wir am Airport gekauft. Das funktioniert aber auch mit einer Kreditkarte. Einfach ranhalten und durch. Super System!
Fastferry heißt rund 20 Minuten bis Manly, wofür andere eine Stunde brauchen. Ich kann gerade noch mein Käppi sichern und ab geht die Luzie. Die Gischt spritzt bis hoch an die Reling, irre. Hinter uns verschwindet ziemlich zügig die Skyline von Sydney, die einen Blick wert ist. Blau in blau stehen sie da, die Skyscrapers. Über 1.000 Hochhäuser soll Sydney haben. Sehr markant ist der Sydney Tower mit einer Aussichtsplattform auf 251 Meter Höhe.
Unterwegs begegnen wir jeder Menge Segelboote, die in der frischen Brise hart am Wind segeln. Dabei scheint es mitunter, dass sie gleich zusammenstoßen. Aber der Eindruck täuscht, hoffe ich.
Manly Wharf erscheint uns einer dieser Orte zu sein, der buntes, aufgeregtes Treiben und eine entspannte Atmosphäre in perfekter Kombination bietet. Dazu kommen nette Cafés, trendige Bars und ein weitläufiger Strand. Sehr cool das Ganze. Wir laufen eine ziemliche lange Zeit am Wasser entlang und genießen die Atmosphäre.
Wir beenden den Tag im Ben & Jerry's Ice Cream Shop, der absolut zu empfehlen ist. Mit der Fastferry geht es gegen 18:00 Uhr zurück zum Circular Quay. Unterwegs begegnet uns ein Kreuzfahrtschiff mit einem Lotsenboot vorneweg. Wohin die wohl wollen? Vielleicht zu den Fidschi-Inseln? Wer weiß?
Mit Ascher von Free Tours unterwegs
Um 10:30 Uhr beginnt unsere Touristenführung in der Georgestreet zwischen Townhall und St. Andrew's Cathedral mit Ascher von der Organisation „Free Tours“. Diese Führungen werden von lokalen Kräften durchgeführt, kosten nichts und sollen sehr gut sein.
Wir sind rund 20 Leute aus Südamerika, Nordamerika, Europa und Asien allen Alters und machen uns fast pünktlich auf den Weg. Als erstes besuchen wir das Queen Victoria Building, das 1898 an der Stelle des ursprünglichen Sydney Markets errichtet worden ist und zu Ehren des diamantenen Thronjubiläums der Monarchin seinen Namen erhielt. Von außen schon sehr imposant, punktet es innen mit fantastischer Ausstattung.
Ascher hat unendlich viele Details parat und berichtet mit viel Witz und Charme von der Geschichte Sydneys. Alle lauschen gespannt seinem australischen geprägten Englisch, das recht gut zu verstehen ist. Es geht kreuz und quer durch die Häuserschluchten und Gassen Sydneys Richtung Hyde Park. Am Angels Place bewundern wir das Kunstwerk Forgotten Songs, das aus Dutzenden über unseren Köpfen hängenden Vogelkäfigen besteht. Es erinnert an die Lieder von fünfzig Vögeln, die einst im Zentrum von Sydney zu hören waren, bevor sie durch die europäische Besiedlung nach und nach verdrängt wurden.
Vor dem Sydney Hospital in der Macquarie Street steht eine Bronzestatue, genannt „Il Porcellino“, sie stellt einen Eber dar. Warum steht ein Schwein vor einem Hospital? Ascher erklärt uns, dass es weltweit einige Kopien der Originalbronze von Pietro Tacca gibt. Sie dienen meistens dazu, Geld für einen guten Zweck zu sammeln. So auch hier. Die Statue wurde am 16. Dezember 1969 von Marchesa Fiaschi Torrigiani der Stadt Sydney überreicht.
Die Zeit vergeht wie im Flug. Einfach auch deshalb, weil Ascher Geschichten draufhat, die man wahrscheinlich nicht bei Wikipedia nachlesen kann. Wir sind stark beeindruckt. Aber auf alles einzugehen, würde hier den Rahmen sprengen. Die Tour dauert immerhin zweieinhalb Stunden.
Schließlich sind wir am Endpunkt angelangt. Unterhalb der Harbour Bridge im Hickson Road Reserve Park applaudieren wir ihm und honorieren seine Leistung mit einer in unseren Augen angemessenen Spende von 20 AUD. Durstig und hungrig grasen wir dann den samstäglichen Markt hier in The Rocks ab, essen schließlich eine Pizza und genießen ein frischgezapftes Pale Ale in der Brew Bar in der Argyle Street.
Der Tag ist noch relativ jung. Wohin also am Nachmittag? Die Sonne scheint, es ist heiß. Also ab an der Strand. Und wo waren wir noch nicht? Richtig! Am Bondi Beach. Mit dem Bus Nummer 333 geht es vom Circular Quay durch die Ortsteile Paddington und Bellevue Hill zum weltberühmten Surfer Paradies. Es war uns klar, dass wir an einem Samstagnachmittag hier nicht allein sein werden. Aber so voll müsste es nun doch nicht sein.
Abschied von Sydney
Heute ist unser letzter Tag hier in Sydney, morgen früh geht es auf große Tour mit dem Camper. Wir laufen wieder durch den Hyde Park und besuchen an der College Street die Saint Mary's Cathedral, für deren Bau man erstaunliche 60 Jahre brauchte, nämlich von 1868‒1928.
Sie ist mit 107 Metern die längste Kirche Australiens und das merke ich auch. Ich trete in den Innenraum und sehe den Altar kaum, so weit ist er weg. Der Weg nach vorn ist rechts und links mit riesigen Sandsteinpfeilern eingegrenzt. Sie sind goldfarben angestrahlt und gehen in große Bögen über. Darüber schwebt dunkelbraun die mächtige Holzdecke. Was für ein Prunk. Alles das wirkt sehr majestätisch auf mich. Ich nehme mein Käppi ab und setzte mich in eine Reihe.
Draußen ist es wieder sonnig. Ich sehe es. Die Sonnenstrahlen fallen durch die Kirchenfenster auch ins Innere. Als ich aber nach einigen Minuten aus der Kathedrale trete, muss ich mein Käppi festhalten, denn es ist recht windig. Die Bäumen im Hyde Park werden ganz schön durchgeschüttelt. Wir wollen noch nach Chinatown und lenken unsere Schritte über die Market und die George Street zur Dixon Street.
Wir bummeln durch die grellbunte Fußgängerzone und überlegen, ob wir hier irgendwo etwas essen wollen. Es ist voll und quirlig und voller Gerüche aller Art. Und Chinesisch ist nicht die einzige Küche, die wir hier sehen und riechen können. Es scheint Hunderte von Geschäften, Cafés und Restaurants zu geben, die Japanisch, Koreanisch, Indonesisch, Vietnamesisch und anderes servieren. Doch egal, wo wir reinschauen, vegetarisch wird kaum angeboten. Nur kleingehacktes Huhn, zerteiltes Rind, filetierter Fisch oder geröstete Insekten. Letztlich bleiben wir unversorgt und durchschreiten wieder das chinesische Tor an der anderen Seite der Dixon Street. Im Sussex Store in der gleichnamigen Straße, ein Stück weiter weg, finden wir etwas und sind sehr angetan vom vegetarischen Angebot und einem wunderbaren Chai Latte. Nach der Stärkung wandern wir über die Pyrmont Bridge zum Darling Harbour.
Wie verrückt knattern die Fahnen im weiter auffrischen Wind. Mein Käppi droht ins Wasser des Hafens zu verschwinden. Sicherheitshalber nehme ich es wieder vom Kopf und in die Hand. Und wir schauen uns diese Brücke mal genauer an. Sie gilt als Meilenstein in der Entwicklung australischer Ingenieurskunst und technologischer Innovation. Da sie zu niedrig für bestimmte Schiffe ist, müsste sie angehoben werden. Hier hat man das Problem aber mit einem Drehmechanismus gelöst. So ist rechts und links des weggedrehten Brückenteils Platz für die Masten der Segelschiffe, zum Beispiel. Im Hafen liegt ein Nachbau der HMS Endeavour. Es war das Segelschiff des Entdeckers James Cook, mit dem dieser zwischen 1768 und 1771 seine ersten Entdeckungsreisen unternahm und unter anderem die Ostküste Australiens kartografierte. Ein tolles Schiff. Leider ist es für eine Besichtigung zu spät.
Um zum Circular Quay zurückzukommen, nehmen wir noch einmal eine Fähre. Wir donnern am Millers Point vorbei und passieren die Harbour Bridge. Auch vom Wasser aus macht sie mächtig etwas her. In der Ferne sehen wir zum x-ten Mal die Oper. Ein letzter Blick auf dieses fantastische Bauwerk, bevor wir Abschied nehmen.
Am Hafen kommen wir vor lauter Menschen kaum vom Boot runter. Es ist Sonntag und alle scheinen auf den Beinen zu sein. Bevor wir zum Hotel zurückgehen, wollen wir einen Drink hier auf dem Circular Quay genießen. Gar nicht so einfach, alle Tische sind besetzt. Schließlich erbarmt sich ein Pärchen und macht zwei Plätze in der „City Extra Bar“ frei, die sich rühmt, 24 Stunden und sieben Tage die Woche offen zu haben. Und wir haben nochmals Glück: happy hour. Wir bestellen eine Bloody Mary und einen Mojito.
Unsere Bilanz für Sydney ist durchweg höchst positiv. Eine nette, lebendige, interessante Stadt mit viel Großstadtflair und entspannten, sehr sympathischen Aussis. Wir sind uns nicht sicher, ob uns Singapur, wo wir vor ein paar Tagen noch waren, oder Sidney besser gefällt. Ich glaube, es geht unentschieden aus. Es sind beides Städte, die man unbedingt mal besucht haben sollte.