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Hofkunst - Berliner Hinterhöfe in Mitte - Erikas Geheimtipp

Hofkunst - Berliner Hinterhöfe in Mitte - Erikas Geheimtipp

„Es war ein Mikrokosmos des Elends“, schreibt Jens Bisky in seinem Buch „Berlin - Biographie einer Stadt“. Und in der Tat, die auf tiefen Grundstücken entstandenen Mietskasernen mit bis zu sechs Hinterhöfen lassen zu wenig Luft und Licht hinein. Und die Zimmer sind klein und voll besetzt. Fünf und mehr Personen sind keine Seltenheit.

Heute ist von diesem Elend der Hinterhöfe kaum noch etwas zu spüren. Die Gebäudekomplexe, die Weltkriege und Abriss überstanden haben, laden heute zum Flanieren, Genießen und Staunen ein. Viele von uns kennen die Hackeschen Höfe, die nach der Wende zu einem touristischen Hotspot wurden. Aber in Mitte gibt es noch andere Hinterhöfe, die es wert sind, bei einem Besuch entdeckt zu werden.

Sophien-Gips-Höfe

Open Air Kunst, eine angesagte Bäckerei und verschiedene Galerien: die Backsteingebäude der Sophien-Gips-Höfe liegen etwas abseits der großen Touristenströme und sind gerade deshalb ein lohnendes Ziel.

Hier befindet sich die Sammlung Hoffmann, einer der größten privaten Kunstsammlungen der Stadt. Sie kann nach Anmeldung besichtigt werden. Aber Kunst gibt es auch für den Besucher, der von der Gipsstraße kommend in Richtung Sophienstraße durch die Höfe schlendert. An den Brandmauern der Klinkergebäude finden sich Kunstwerke in Versform oder Sprüche, die zum Nachdenken anregen.

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Im mittleren Hof stehen Leute in einer langen Warteschlange vor einer offenen Backstube, aus der es anheimelnd nach frisch gebackenem Brot duftet. In der SOFI Bakery definiert der Däne Frederik Bille Brahe das Brotbacken ganz neu. Wer sich die Zeit nimmt und sich in die Schlange einreiht, kann sich überraschen lassen, wie gut frisch gebackenes, handwerklich hergestelltes Brot schmecken kann. Aber auch die süßen Teilchen und Kuchen sind nicht zu verachten.

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Auf die Sophienstraße biegen wir nach links ab; ein paar Meter weiter kommen wir an das ehemalige Handwerkervereinshaus mit seinem mit farbigen Terrakotta-Fliesen verzierten Doppelportal. Im 1904/1905 errichteten Backsteingebäude im Hof der Sophienstraße 18 wurden früher politische Versammlungen abgehalten, heute befinden sich dort die Sophiensäle, eine Spielstätte für modernes Theater, Tanz und Performance.

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Hackesche Höfe

Von der Sophienstraße ist es nur ein Katzensprung zum Seiteneingang des vielbesuchten Gebäudekomplexes der Hackeschen Höfe. Die acht Innenhöfe zwischen der Rosenthaler- und der Sophienstraße lassen in ihren architektonischen Dimensionen das Leben im Berlin des frühen zwanzigsten Jahrhunderts erahnen: In den Vorderhäusern und den ersten Höfen spielte sich das kulturelle und bürgerliche Leben ab, hier gab es Restaurants, Theater und Kneipen und große Wohnungen für das gehobene Bürgertum.

In den weiter hinten gelegenen Gebäuden befanden sich kleine Handwerksbetriebe und die Wohnungen der Bediensteten und Arbeiter. Im letzten Hof waren die Ställe und die Tränke für die Pferde, damals noch das „Haupt-Verkehrsmittel“ für den Transport von Menschen und Waren.

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Heute befinden sich in den Hackeschen Höfen ein Kino, das Chamäleon Berlin und verschiedene Restaurants und Cafés. Der ursprüngliche Charme der Höfe hat leider ein bisschen unter der touristischen Vermarktung gelitten. Deshalb spazieren wir schnell weiter zu unserem nächsten Halt.

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Große Hamburger Straße

Wir verlassen die Hackeschen Höfe durch das Hauptportal in die Oranienburger Straße und machen von dort aus einen kleinen Abstecher in die Große Hamburger Straße, dem ehemaligen Zentrum jüdischen Lebens in Berlin. Hier wurde 1672 der erste jüdische Friedhof der Stadt angelegt, der bis 1827 genutzt wurde. Auf dem benachbarten Grundstück befand sich das im Krieg zerstörte Jüdische Altersheim, das von der Gestapo als Sammellager für die zur Deportation bestimmten Berliner Juden zweckentfremdet worden war. Von hier aus wurden mehr als 55 000 Juden in die Vernichtungslager des Ostens deportiert. Eine Figurengruppe mit einer Gedenktafel erinnern heute an diese Gräueltaten.

copyright Sarah Ewart CC BY-SA 3.0

copyright Sarah Ewart CC BY-SA 3.0

Das Haus mit der Nummer 19 auf der gegenüberliegenden Seite, wurde 1692 erbaut und ist damit eines der ältesten erhaltenen Wohngebäude Berlins. Wenn man Glück hat, ist die Tür zum wunderschön renovierten Hof geöffnet, der ansonsten privat genutzt wird. Der kurze Besuch lohnt sich. Im Hof erwartet einem ein Fachwerkidyll, ehemaliges Außenklo eingeschlossen.

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Im Haus nebenan befindet sich der Hamburger Hof, ein im Jahr 1812 erstmals erwähntes Ensemble von klassizistischen Wohn- und Gewerbegebäuden, das im Laufe der Zeit mehrfach verändert und unterschiedlichen Nutzungen angepasst wurde. Der letzte Umbau Anfang der Nullerjahre ist spektakulär gelungen. Mit einer Stahl- und Aluminium Architektur in historischem Umfeld wird hier gezeigt, wie man alt und neu perfekt kombinieren kann. Leider liegt dieser schöne Hof mit seinen umgebenden Gebäude etwas im Dornröschenschlaf. Ein bisschen mehr Leben und mehr Publikum wären ihm zu gönnen.

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 KunstHof

Auf unserem Weg Richtung Heckmann-Höfe machen wir nur kurz Halt im KunstHof an der Oranienburger Straße 27. Die Gebäudeanlage wurde in den Jahren 1840 bis 1866 im klassizistischen Architekturstil der Schinkel-Zeit erbaut. Über einen schmalen Durchgang kommt man in den Innenhof, der zunächst schmal ist, sich dann aber zu einem größeren Platz mit Baumbestand erweitert.

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Ganz hinten befindet sich die Tadschikische Teestube, wo man ganz traditionell auf Sitzkissen an flachen Tischen Platz nimmt und Tees und russische Spezialitäten genießen kann. Zu DDR-Zeiten schon legendär, ist dieses Juwel in der gastronomischen Landschaft Berlins einen Besuch wert.

Heckmann-Höfe

Wir folgen der hektisch-touristischen Oranienburger Straße weiter Richtung Westen, vorbei an der neuen Synagoge mit ihrer goldenen Kuppel, und finden bei der Hausnummer 37 den schmalen Durchgang zu den Heckmann-Höfen.

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Wir betrachten die im Boden eingelassenen Rinnen, die damals den Kutschen die Einfahrt erleichterten. Mit ihrer interessanten Mischung aus anspruchsvoller Architektur, Kultur und Gastronomie heben sich die Heckmann-Höfe wohltuend vom touristischen Rummel ab. Erbaut im Jahr 1799 wurde das Hofareal bis 1887 durch weitere Bauten ergänzt, u.a. einem Pferdestall und Wagenremisen. 1905 erwarb der Großindustrielle Heckmann die Höfe und gab ihnen ihren heutigen Namen.

Eine Berliner Institution, die Kindheitserinnerungen weckt, befindet sich gleich im ersten Hof: die Bonbonmacherei. Von sauer bis scharf, von Karamell bis Lakritz - hier finden Liebhaber der klebrigen Leckereien ihr Paradies. Man kann bei der Bonbonherstellung live dabei sein, die Produktionszeiten können telefonisch erfragt werden.

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Der ursprünglich für den Holzhandel genutzte mittlere der drei Höfe weitet sich zu einem erstaunlich großzügigen, begrünten und sehr gepflegten Areal, das man so mitten in der Stadt nicht vermuten würde.

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Die 1858 erbaute Remise beherbergt heute ein Restaurant. Für kulturelle Erbauung sorgt das Galli-Theater, das auch Workshops für Erwachsene und Kinder anbietet. Die Heckmann-Höfe sind eine Oase der Ruhe und Entspannung - und immer einen Besuch wert.

Durch den schmalen dritten Hof mit seinen kreativ gestalteten Wohngebäuden schlendern wir Richtung Auguststraße mit ihren Galerien und dem Mitte-typischen Treiben.

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Gegenüber der ehemaligen Jüdischen Mädchenschule (die wunderschön renoviert und unbedingt einen Besuch wert ist) befindet sich das KW Institute für Contemporary Art.

KunstWerke

Zum Abschluss unseres Spaziergangs durch die alten Berliner Höfe gönnen wir uns eine Pause im Hof der KunstWerke. Sie wurden 1991 als Ausstellungsräumlichkeiten für zeitgenössische Kunst in einer alten, verfallenen Margarinefabrik gegründet.

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Die Gebäude wurden restauriert und beherbergen heute mehrere Galerien und Ausstellungsräume sowie das Café Bravo. Die futuristische Architektur des Cafés bietet einen interessanten Kontrast zu den Altbauten rund um den Innenhof. Bei schönem Wetter kann man im begrünten, ruhigen Außenbereich seinen Kaffee genießen und entspannen.

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 Quellen:

Berliner Bezirkslexikon (online) / Website der Jüdischen Gemeinde zu Berlin / Wikipedia / Jens Bisky „Berlin - Biographie einer Stadt“

Wir danken Erika für diesen Erfahrungsbericht über ihre Tour durch die Hinterhöfe von Berlin-Mitte. Wenn ihr Geschichten habt, die wir für euch veröffentlichen sollen, immer her damit. Einfach E-Mail an grad60.com, wir melden uns auf jeden Fall.

Der Artikel ist übrigens - wie alle unsere Beiträge - ohne Beeinflussung oder Bezahlung gefertigt worden. Näheres dazu gibt es auf der Seite Transparenz.

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