Vive l’Alsace - Monica als Sozia durch das Elsass - Ein Gastbeitrag
Es ist Sonntag, das Wetter ist sonnig, warm und lädt zum Motorradfahren ein. Nicht, dass ich einen Motorradführerschein hätte, aber ich habe gute und langjährige Freunde, die nicht nur den Führerschein, sondern auch das passende Motorrad für eine Ausfahrt besitzen.
Um 11:30 Uhr geht es los, Richtung Elsass-Lothringen in Frankreich. Den Freunden und Lesern, denen die Westpfalz noch unbekannt ist, sei gesagt, dass die Grenze zu Frankreich je nach Ausgangspunkt zwischen 15 und 30 Kilometer entfernt liegt. Die Motorradfahrer hier aus der Gegend überqueren gerne die Grenze. Die Straßen in Frankreich sind kurvig, der Asphalt hat Grip und für gutes Essen ist auch gesorgt. Je nachdem, wohin die Straße einen führt, findet der hungrige Motorradfahrer im gesamten Gebiet Elsass/ Lothringen nicht nur den traditionellen Flammkuchen oder Choucroute, Sauerkraut mit gepökeltem und geräuchertem Fleisch und Wurst, sondern auch Sternegastronomie. Das wohl bekannteste ist das „Cheval Blanc“ in Niedersteinbach, in dem unser Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl ein gern gesehener Gast war. Insider nennen es auch liebevoll „Chez Madame Zink“. Dieser Beiname hat sich eingebürgert, um sich von einer weiteren Top-Adresse des „Cheval Blanc“ in Lembach abzugrenzen. Beide Restaurants liefern eine hervorragende Küche.
Bei Liederschiedt passieren wir die Grenze, dann geht es zügig weiter nach Haspelschied und vorbei an den ehemaligen Kasernen von Bitsch. Der Ortsname Bitsch mit „sch“ hat nichts gemein mit dem englischen Wort „bitch“. Auch wenn es bei Englisch sprachigen Touristen oft einen ungläubigen, leicht verstörten Blick hervorruft. Der Ort Bitsch hat eine wechselvolle Geschichte. Er gehörte abwechselnd zu Frankreich oder Deutschland. Heute liegt Bitsch in Lothringen im Departement Moselle und hat 5.000 Einwohner.
Die Zitadelle von Bitsch ist ein sehenswertes Freilichtmuseum. Der Blick über Elsass-Lothringen ist bei sonnigem, klarem Wetter atemberaubend und die unterirdischen Anlagen sind geschichtlich bedeutend mit Bezügen zum deutsch-französischen Krieg 1870/71 und den beiden Weltkriegen. Der empfehlenswerte Audio-Rundgang zeigt die bedrückende Atmosphäre der verschiedenen Kriege. Deutlich zeigt sich Leid, Elend und Kälte. Verstärkt wird das Empfinden von Zerstörung und Tod durch verschiedene Gerüche und Geräusche in den einzelnen Räumen. Es ist gut zu wissen, dass das Fort 1940 endgültig aufgegeben wurde und heute eher als Mahnmal zu verstehen ist.
Weiter geht es nach Sturzelbronn. Hier fällt mir ein Haus besonders auf, da es in meinen Augen deutsche und französische Elemente vereint. Der Stil mit seinen klaren Linien ist in der Gegend typisch für neuere Bauten. Der Kontrast dazu ist die Ansammlung von Gartenzwergen im Vorgarten. Typisch deutsch in Frankreich. Inzwischen sind das zwei Länder in der Europäischen Gemeinschaft, ohne echte Grenze und freundschaftlich miteinander verbunden. Das war nicht immer so. Das Thema Krieg ist hier allgegenwärtig, es hält mich in dieser Umgebung gefangen.
Hier läuft die Maginot-Linie entlang. Sie hat ihren Ursprung in Belgien und reicht runter bis nach Italien. Allerdings wird meistens nur die Grenzlinie zu Deutschland als „Ligne Maginot“ bezeichnet. Tausende von Soldaten starben an dieser Linie aus Bunkern und Geschütztürmen. Das ist zum Glück Geschichte.
Heute kann ich den Blick über die wunderschöne Natur schweifen lassen. Wir cruisen die Landstraßen entlang und rechts und links säumen solitär stehende Bäume unsere Strecke. Wunderschöne und alte Exemplare.
Die Nord-Vogesen sind zusammen mit dem Pfälzer Wald eines der größten zusammenhängenden Naturschutzgebiete Westeuropas mit über 300.000 Hektar. Das Gebiet „Pfälzerwald-Vosges du Nord“ wurde 1998 als erstes grenzüberschreitendes Biosphärenreservat der UNESCO in Europa ausgewiesen. Für mich erfüllt sich hier der Europa-Gedanke und auch das Zusammenwachsen von Deutschland und Frankreich.
Der geschichtliche Hintergrund wird mir an der Gedenkstätte bei Weißenburg so richtig bewusst. Sie befindet sich auf dem Geisberg, eine Anhöhe, die versteckt südöstlich von Weißenburg zwischen der D264 im Westen und der D263 im Osten liegt. Darauf wurde 1960 das deutsche Denkmal „Château du Geisberg“ und das „Monument du Coq“, das französische Hahnendenkmal, aufgestellt. Die berühmteste Schlacht am 4. August 1870 wird auf dem Denkmal festgehalten. Mir gefällt der schlafende, trauernde Löwe. Er hat so was Beruhigendes und gleichzeitig einen majestätischen Ausdruck.
Das „Monument du Coq“ für die gefallenen Franzosen aus verschiedenen Schlachten und Jahrhunderten steht ein Stück weiter den Weg entlang. Ganz oben thront ein Hahn aus Bronze. Er ist in einer für Hähne typischen Drohhaltung dargestellt und blickt in Richtung Deutschland. Ich hoffe nur, dass diese Anspielung auf den Zwist mit Deutschland heute seine Gültigkeit verloren hat.
Das Verhältnis zwischen den Deutschen und den Franzosen war geschichtlich gesehen immer schon schwierig. In meinen Augen verbinden aber gerade die Elsässer beide Nationalitäten in sich. Das spiegelt sich schon in ihrer Sprache. Ein Elsässer und ein Pfälzer verstehen sich gegenseitig, obwohl jeder seinen Dialekt spricht. Hier lebt der europäische Gedanke!
Nach diesen geschichtsträchtigen Plätzen brauchen wir etwas zu trinken und zu essen. Wir fahren zurück über die Grenze und gönnen uns ein Eis. Etwas später, am frühen Abend, genieße ich noch köstliche Schinkennudeln mit Salat.
Motorradfahren als Sozia bedeutet für mich sich treiben zu lassen. Die vorbeiziehende Landschaft mit all seinen Eindrücken lässt die Gedanken fliegen. Ich nehme Geräusche, Gerüche und Farben viel intensiver war als in einem Auto, denn ich bin mittendrin. Auf dem Motorrad sind sie hautnah, sie sind echt, sie sind das Leben! Vive la moto et vive l’Alsace!
Doch letztendlich bestimmt das Vertrauen in den Fahrer, wie entspannt man sich als Sozia fühlt. Er bestimmt das Tempo, die Kurvenlage und ihm muss ich mich anvertrauen.
Für mich war dieser Ausflug genau das Richtige, bevor ich mich dann müde, aber glücklich, auf den Heimweg begebe.
Wir danken Monica für diesen Erfahrungsbericht über ihre Tour durch das Elsass. Wenn ihr Geschichten habt, die wir für euch veröffentlichen sollen, immer her damit. Einfach E-Mail an grad60.com, wir melden uns auf jeden Fall.
Der Artikel ist übrigens - wie alle unsere Beiträge - ohne Beeinflussung oder Bezahlung gefertigt worden. Näheres dazu gibt es auf der Seite Transparenz.