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Weltkulturerbe Quedlinburg und die Leichen vom Münzenberg

Weltkulturerbe Quedlinburg und die Leichen vom Münzenberg

Manchmal ist Geldmangel ein Segen! Manchmal sogar für eine ganze Stadt. In den 1960er Jahren sollte die verfallene historische Altstadt von Quedlinburg vollständig abgerissen und durch eine „wunderschöne“ moderne, sozialistische Platte ersetzt werden. Fehlende DDR-Mark machte diese Pläne zunichte. Wie auch den geplanten zentralen Platz. Und so stehe ich hier vor den Münzenberger Musikanten auf dem Markt und denke mit Grausen, wie hier eine Kopie vom Alexanderplatz wirken würde.

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Nach der Wende wurden Gelder locker gemacht. Zum Glück nicht für die Abrisspläne, sondern für die Restaurierung der alten Häuser aus mehreren Jahrhunderten. Seit 1994 ist diese Schmuck-Stadt ein UNESCO- Weltkulturerbe als eines der größten Flächendenkmale in Deutschland. Und selten stimme ich dieser Entscheidung so eindeutig zu wie hier. Jede Ecke in Quedlinburg bietet neue Sichten auf Fachwerk, Historie und „Mittelalter“. Ich erwarte förmlich die Marktfrau mit ihrem Gemüsekorb oder den Gewandschneider mit seinen Stoffballen, wie sie sich an mir vorbeidrängen.

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Heute drängen sich eher Touristen an mir vorbei, die meisten gut im grad60-Alter, die in der verkehrsfreien Innenstadt ein Plätzchen in den vielen Cafés oder Gasthäusern finden. Jede Ecke bietet ein Motiv und nicht nur ich bringe den Chip vom Fotohandy zum Glühen. Der 36-Agfa-Film aus alten Zeiten wäre da schnell zu Ende.

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Wenn schon die Altstadt und das Quedlinburger Schloss für eine mehrtägige Entdeckungstour reichen würde, so finden wir dazu noch eine gar nicht so abgelegene Besonderheit, die sehr gut auch in die Serie unentdeckte Kleinode passen würde: der Münzenberg. Man könnte auch sagen: hier haben einige noch eine Leiche im Keller!  Bis ins 16. Jahrhundert stand hier ein Kloster, das aufgegeben als Steinbruch für eine wilde Ansammlung von Wohnbauten auf dem Berg diente. Eine arme Gegend ohne Wasserversorgung, die erst 1993 an die Kanalisation angeschlossen wurde. Spät im Jahr 1968 wurde bei Erdarbeiten ihr „Geheimnis“ entdeckt. Die Häuser stehen auf alten Gräbern.

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Tatsächlich entdeckte ein Bewohner erst vor wenigen Jahren ein solches Grab bei Erweiterungsarbeiten in seinem Keller. Vielleicht wollte er seinen Weinkeller vergrößern, als der Stein nachgab und ihn die Gebeine aus dem 10. Jahrhundert erschreckten. Das Skelett lag in einem Kopfnischengrab, in denen wohlhabende Personen zur damaligen Zeit beigesetzt wurden. Man legte sie in ein Leichentuch gewickelt in die körpergeformten Steinaushöhlungen mit extra Kopfnische. Daher auch die Bezeichnung.

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In dem Skelett des verstorbenen Mannes fanden Forscher im Bereich des Brustkorbs eine abgebrochene Lanzenspitze. Ich würde mal sagen, zur Bestimmung der Todesursache brauchen wir Professor Boerne nicht unbedingt zu befragen.

Nach diesen schaurig-interessanten Erlebnisse bietet frische Waldluft einen willkommenen Kontrast. Dazu bedarf es nur eines kurzen Fahrweges nach Thale, um sich mit einem Sessellift in die Höhe schaukeln zu lassen.

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Wir fahren hinauf zur Rosstrappe, ein Granitfels in 400m Höhe. Er liegt gegenüber vom Hexentanzplatz. Ja logisch, wir sind im Harz und da sind diese besenreitenden Damen ja allgegenwärtig. Nach dem Skelettgeklapper haben die Hexen heute glücklicherweise ihren freien Tag oder fliegen vielleicht erst später zur Dämmerung in die bizarre Wald- und Felsenlandschaft ein. Ein etwas holpriger Weg bringt uns jedenfalls ungestört zu einem traumhaften Aussichtspunkt mit weiter Sicht auf das Felsental, an dessen Grund die Bode durch ihr schmales Bachbett rauscht.

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Die anschließende Wanderung von 20 Kilometern durch das Bodetal ist anstrengend, aber auch schön, bringt mir aber ein „Musst du es immer übertreiben!“ ein. Naja, was soll ich sagen… Vielleicht hat mich der 1759 in Quedlinburg geborene Johann Christoph Friedrich GutsMuths beflügelt, in dessen Geburtshaus wir in einer Ferienwohnung übernachten. Der Gymnastiklehrer entwickelte neue Formen der Leibesübungen: Wettlaufen, Voltigieren, Springen über einen Graben, Springen über eine Gerte, die nach Belieben erhöht werden kann, Gehen auf dem scharfen Ende eines Brettes, und eben forcierte Märsche.

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Wie auch immer. Die Stadt in der wunderschönen Umgebung des Harzes bietet so viel Interessantes, dass jeder fündig werden kann. Ich kann einen Besuch absolut empfehlen, egal ob nur wenige Tage oder für einen längeren Zeitraum. Langweilig wird es nicht! Und vielleicht habt ihr ja hier auch schon euer Fotohandy zum Glühen gebracht, dann würden wir gerne den Artikel mit euren Lieblingsbildern ergänzen. Wir freuen uns auf Zuschriften an info@grad60.com

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