Salkantay Trek - Atemberaubend
Wir sind durch Peru auf eigene Faust gereist und haben spannende Abenteuer, große Anstrengungen und einzigartige Natur erlebt. Das volle Erlebnispaket gibt es in unserem Artikel “Peru auf eigene Faust”. Wer erstmal nur spezielle Themen nachlesen möchte, für den sind diese Einzelartikel bestimmt.
Salkantay Trek, auf geht’s zum Humantay Lake
Hätte ich etwas weiter hinten gesessen und wäre ihr Freund nicht so schnell gewesen mit der Tüte, hätte sie mir auf die Füße gekotzt. Nicht schon wieder, denke ich.
Wir sind auf den finalen Metern der Busfahrt, bevor wir gleich auf dem Salkantay Trek losmarschieren. Beim Ausstieg: Chaos! Jeder versucht sich richtig anzuziehen, nicht zu warm und nicht zu kalt. Ich entledige mich noch meiner langen Unterhose, auf dem Klo. Das führt zum Stau. Die wartenden Chicas sind unwirsch.
Unsere Truppe besteht aus vier anderen Deutschen, zwei Typen aus Uruguay, einer Spanierin, zwei Taiwan-Frauen, zwei Amerikanerinnen und dem Pärchen auch aus Spanien, von dem die Frau über akutes Unwohlsein klagt. Unser guia heißt „Big Willy“, ist Quechuan, also indigen und Nachfahre der Inka, klein, etwas dunkelhäutig und zu 100 Prozent authentisch. Wir sind „Willy’s Team“, vorerst, bis wir einen besseren Namen finden.
Es geht los. Wir sind in Mollepata, auf 2.900 Metern Höhe, das ist eher niedrig, wir sind inzwischen andere Höhen gewöhnt, aber die werden noch kommen, wir wollen auf 4.650 Metern den Salkantay Pass überqueren. Die ersten Schritte sind dennoch nicht einfach, ziemlich steil und zügig legen wir los. Ich muss ganz schön pumpen. Was machen die anderen? Wie geht es ihnen? Alle verhalten sich normal, nur die Frau aus Spanien sieht blass aus. Dafür leuchtet die Natur.
Weiter über Challacancha gelangen wir im Laufe des Vormittags, mal steiler, mal weniger steil, mal moderat, mal herausfordernd mit kurzen Unterbrechungen und Erklärungen von Willy nach Soraypampa auf 3.900 Metern ins Basislager für den heutigen Tag.
Es gibt Mittagessen, Quinoa-Suppe und anschließend Reis, Gemüse und für die Carnivoren Hühnchen-Teile. Es schmeckt. Als Getränk wird Munia-Tee serviert. Die Küchenarbeit wird vom Chefkoch mit zwei Helfern erledigt, die mit uns mitreisen. Zum Team gehört auch noch der Horseman, der mit seinen Pferden unser Gepäck transportiert, nicht mehr als fünf Kilo pro Person, der Rest muss auf dem eigenen Rücken getragen werden. Die Pferde können auch gegen einen kräftigen Geldbeitrag Personen den Berg hinauf bringen, wenn es sein muss.
Uns geht es gut; die lange Vorbereitungen über insgesamt sieben Tage auf anspruchsvoller Höhe zahlen sich aus. Auch der absolute Verzicht auf Alkohol hilft. Wir haben wahrscheinlich vieles richtig gemacht. So ist es nicht bei allen Teilnehmern. Das Pärchen aus Spanien wird nach Cusco zurückkehren, weil es der Frau sehr schlecht geht und eine der beiden Taiwan-Frauen hat ernsthafte Probleme mit dem Magen und muss von ihrer Begleitung gestützt werden.
Wir beziehen nach dem Mittagessen unsere kleinen zeltähnlichen Metall-Holz-Strohdach-Hütten. Klein, gemütlich und praktikabel.
Sie sind halbkreisförmig angeordnet und in Richtung des Aufstiegs zum Humantay Lake offen. An dieser Seite liegen auch die Versorgungshütten, ein kleines Geschäft und sanitären Anlagen, die ordentlich und sauber sind.
Am frühen Nachmittag steigen wir zum See hinauf. Das ist die erste wirkliche Herausforderung. Die dünne Luft und der steile Aufstieg sind der Hammer. Mein Puls ist bei 140 und die Atemfrequenz bei drei bis vier Atemzügen pro Sekunde. Der Schweiß rinnt mir den Rücken runter und mein Blick ist leicht getrübt. Ist das Schwindel? Nein, eher eine Folge der Hyperventilation, glaube ich. Ich weiß es aber nicht. Egal, ich will da hoch. Die Anzahl der Gehpausen nimmt zu und jedes neue Aufraffen und Weiterlaufen wird zur Qual.
Nach anderthalb Stunden sind wir oben, auf 4.250 Metern. Auch Thomas musste kräftig pusten. Der Ausblick belohnt alle Strapazen. Die Lagune liegt wie hingemalt und irgendwie unwirklich vor uns. Überwältigend!
Es wird langsam dunkel, wir müssen runter.
Der Abstieg ist zwar im Vergleich zum Aufstieg harmlos, aber nicht minder herausfordernd. Die Wanderstöcke helfen. Nur nicht stolpern, immer Schritt für Schritt, pasito, pasito.
Nach dem Abendessen, das ansprechend hergerichtet auch für mich als Vegetarier vieles bietet, geht es gegen 20:00 Uhr in die geliehenen Thermoschlafsäcke. Es soll die kälteste Nacht des Treks werden, bis minus zwei Grad. Ein letzter Blick auf die Berge.
Dann Tür zu. Ich ziehe alles an, was geht, auch Handschuhe und Mütze. Den Schlafsack ziehe ich bis über den Kopf zu, so dass nur noch ein kleines Atemfenster bleibt. Ich zittere mich warm und versuche durch Anspannung und Entspannung zur Ruhe zu kommen. „OM“, auch Meditation soll mir helfen. Nicht so einfach. Mir ist kalt und die Müdigkeit will nicht kommen. Nach einigen Stunden schlafe ich dann doch noch ein.
Salkantay Trek 2. Tag, der atemberaubende Pass
Der 5 Uhr Coca-Tee-Lieferant klopft an die Zelttür und beendet eine windfrostige Nacht, die insbesondere für kaltfüßige Frauen nicht entspannend war. Martin und ich haben es relativ gewärmt in unserem Thermo-Schlafsäcken überstanden.
Beim ungeheizten, schnellen, spartanischen Frühstück, eingemummelt in unsere Trekking-Klamotten, wird der nächste Ausfall bei den Teilnehmern bekannt. Zwei Frauen aus Taiwan haben hier bei knapp 4.000 Höhenmeter Beschwerden und wollen nicht aus ihrem Nachtlager. Gegen 6:30 Uhr geht es für die anderen los und es wird schnell warm. Nicht von den Außentemperaturen, sondern der Salkantay Trek hat gleich zu Beginn einen anständigen Anstieg, der anschließend unter dem gletscherschneebedeckten 6.271 Metern hohen Salkantay-Berg in eine Ebene übergeht.
In der dünnen Luft atme ich hechelnd und mein Herz rast. Was soll das erst auf dem Anstieg zum 4.629 Metern hohen Pass werden, den unser Guide als "Gringos Death" bezeichnet hat? Den Tagesrucksack habe ich auf dem Rücken, das sonstige Gepäck bis 5 Kg wird zum Glück von Pferden und Mulis zum nächsten Camp getragen. Die armen Tiere müssen aber auch die Touris tragen, die die Anstrengung nicht schaffen. So kommen die beiden Taiwan-Ladies auf den Rücken von Mulis an uns vorbei. Nicht als Reiterinnen, sondern als gebeugte Elendshäufchen. Denen geht's echt schlecht. Etwas begehrlich schaue ich dennoch dem Schlaffitransport hinterher.
Ich straffe mich, auf geht's zum letzten Anstiegauf dem Salkantay Trek. Gringo Death kann mich mal. Das Pferd der Schande will ich nicht besteigen und es den vielen jungen Bergsteigern zeigen. Martin und ich sind hier mit Abstand die ältesten Passbezwinger.
Schon der Beginn des Zickzackkurses macht mir klar, was hier den Gringo hinraffen kann. Dünne Luft und steiler Geröllanstieg. Ich puste und pumpe und komme nur Zentimeter weiter. Martin hat wohl auch zu tun. Er rammt seine Gehstöcke in den Boden, als ob er den Berg wegsprengen will und schnauft wie ein Walross. „Luft ausstoßen, damit du wieder gut einatmen kannst", seine Erklärung. Scheint zu wirken, er kommt vorwärts und auch die Frauen kämpfen sich langsam aber stetig in die Höhe. Bei mir ist der Tank leer. Eine Maschine würde jetzt einfach stehen bleiben und ich am liebsten auch. Eigentlich glaube ich nicht mehr daran, aber irgendwie finde ich doch noch nicht mehr vorhandene Kräfte und schlage Gringos Death ein Schnippchen.
Beim Abklatschen und Gruppenfoto mit den Super-Hikern unter dem Passgipfelschild geht es mir schon wieder etwas besser.
Danach wird es feierlich. Mit unserem Guide danken wir den Bergen, dass sie uns, auch mich, bis zu diesem Punkt gelassen haben. Wir bilden einen Kreis, drei Coca-Blätter werden unter einen flachen Stein gelegt und unter einem Gebet in Quechua, der Sprache der indigenen Bevölkerung, türmen wir einen Steinhaufen auf. Eine dichte Wolke, die alles in dicken Nebel gehüllt hat, verzieht sich und ein Sonnenstrahl leuchtet uns an. Der Spanierin aus unserer Gruppe laufen die Tränen über die Wangen und auch mir steigt Feuchtigkeit in die Pupillen. Matcha Mama, Mutter Erde, wir fühlen sie mit der abfallenden Anstrengung ganz nah. Erleuchtet geht es nun 1.700 Höhenmeter runter. Das fordert zwar nicht so sehr die Kondition, bietet aber einen Muskelstresstest.
Endlich, kurz vor Sonnenuntergang treffen wir im Basiscamp ein. Waden, Füße und Knie brennen. Die primitive Holzbretterunterkunft mit Wellblechdach interessiert nicht besonders, da alle Körperteile, einschließlich Kopf nach dem Sandmann lechzen.
Salkantay Trek 3. Tag, durch den Hoch-Urwald
„Easy, a little bit up and down“, aber meistens flach, so unserer Guide Willy und schon rennt er los auf dem Salkantay Trek. Wir sind um 5:30 Uhr wieder mit Coca-Tee geweckt worden und Thema beim Frühstück sind unsere harten Muskelwaden. Insgesamt haben wir 31 Bergkilometer auf den gesäuerten Fasern. Heute stehen weitere 26 Kilometer Salkantay Trek an. Das „little bit up and down“ wird doch eher zu etwas mehr „up“. Willy läuft den Salkantay Trek jede Woche und springt mühelos voraus über kleine Brücken und Flussläufe.
Auf dem Weg rät er uns vom Genuss der Trompetenbaumblüte ab. Guys, die es probiert haben, rannten nackt durch die Straßen und waren 3 Tage im Delirium.
Ein bisschen mehr Droge als den Coca-Tee für die neue Anstrengung wäre vielleicht hilfreich, doch so weit wollen wir es nicht kommen lassen. Vielleicht hilft Martin die Inka-Bemalung aus den Beeren eines Strauches.
Aber auch er stöhnt gelegentlich bei dem Schnelldurchmarsch des Hoch-Urwaldes. Für einen Blick auf Bromelien, Cantutablüten und wilden Lupinen bleibt nur wenig Zeit. Meine Muskeln sind inzwischen richtig sauer.
Zum Lunch legen sich unsere Köche noch einmal richtig in die Pfannen und Töpfe. Es ist unglaublich, was die drei da in den Behelfsküchen zaubern. Quinoasuppe, Reis, gebratene Zucchini, verschiedene Fleischsorten. Alles muss vorher samt Geschirr von Pferden in die Berge geschleppt werden.
Heute verabschieden wir uns von den „Paul Bocuses“ der Anden, denn unsere nächste Übernachtung wird wieder in der Zivilisation sein. Bereits hier gibt es eine Autopiste und so werden wir einige Kilometer zum Miniörtchen Hidroeléctrica transportiert. Ich bin so froh über unsere Wahl des Vier-Tage-Trekkings statt der Fünf-Tage-Tour auf dem Salkantay Trek. Denn bei mir schmerzen sämtliche Beinmuskeln. Mein Berliner Body-Pump hat vielleicht geholfen, aber hier ist zehnmal so viel gefordert. Noch ein Tag? Unvorstellbar. Und wir sind ja noch nicht am Ziel. Von Hidroeléctrica fährt eine Bahn nach Aguas Calientes, der Ausgangsort zum Machu Picchu.
Nehmen wir aber nicht, wir laufen. Und zwar immer an den Schienen entlang. Und jetzt ist mir klar, warum Willy so Tempo gemacht hat. Es sind etliche Kilometer und wir erreichen mit wackligen Beinen erst zur Dämmerung den Zielort am Berghang. Ich scherze: „Unser Hotel ist bestimmt das ganz oben“. Es ist das vorletzte!
Die warme Dusche wandelt mein Alpaka-Äußeres, einschließlich Geruch, wieder in ein menschliches Wesen, das allerdings etwas behindert läuft. Die freudigste Nachricht gibt es zum Abendessen. Wir können den Bus zum Machu Picchu nehmen und müssen nicht eine Stunde Treppenstufen hinauf laufen. Meine Waden flüstern: „Hätten wir auch nicht mitgemacht!“
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