Havelradweg, ein Stück zum Glück
Ich will mal was verraten. Für nächstes Jahr plane ich eine Radfernreise, die mich bis Portugal führen soll. Sozusagen mein Jakobsweg, denn ich will die Strecke alleine bewältigen. Es wird aber kein „Ich bin dann mal weg“, denn ich will euch virtuell dabei haben und von meinen Freuden und Leiden hier auf Grad 60.com berichten.
Dass ich so etwas nicht völlig ungeübt angehe, ist klar. So bin ich los, um auf dem Havelradweg von Brandenburg bis Wittenberge dem Hinterteil eine kleine Ahnung zu geben, was da vor ihm steht.
Vom Start am Regionalbahnhof Brandenburg liegen 135 km vor mir, die mich zunächst über asphaltierte Waldwege mit Blick auf den Plauener See und die Havel führen. Hier habe ich Spaß. Das Wetter ist gut, genau wie meine Stimmung. Leider führt die Route etwas später aber weg vom Wasser und die Radwege neben der Landstraße sind nicht so ruhig, wie ich mir das wünschen würde.
Noch ein gutes Stück vor Havelberg bekomme ich Appetit auf ein Eis. Aber weit und breit ist kein Café zu sehen. So rolle ich zügig weiter vor mich hin und freue mich über 20 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit. Meinen Kopf bekomme ich aber nicht wirklich frei. Die Gedanken kreisen um Kilometer, Autoverkehr und Eisbecher!
Und siehe da, ich werde erhört! Ein Plakat zeigt ein Café und kündigt leckere Eissorten am unteren Hafen von Havelberg an. Nach 90 Kilometern ist der Zuckerspiegel gesunken und meine Lust auf Eis wird zu Gier. Obwohl meine Tour vor Havelberg abzweigt, treibt mich Walnuss-Krokant in Richtung unterer Hafen.
Mit einem lauten Knall platzt meine Vorfreude auf Vanille, Nuss und Erdbeer; der Laden hat Ruhetag. Mit Frust geht‘s zurück auf die Strecke. Nach drei Kilometern öffnet sich ein traumhafter, autofreier Weg zwischen Havel und Elbe. Oh, das ist die Entschädigung. Nur aus dem Augenwinkel sehe ich ein Schild: Umleitung. Bremsen, zurück, Frust! Wegen dringender Deicharbeiten ist der Weg gesperrt!
Jetzt bin ich richtig bockig mit einem „ist mir doch egal“ fahre ich weiter auf diesem Spitzen-Radweg und ignoriere kurzerhand das Schild. Ein Blick auf die Karte zeigt mir: wenn du hier nicht durchkommst, musst du zehn Kilometer zurück, und das nach 100 Kilometern Radstrecke. Ein Sackgassenschild trägt nicht zu meiner Beruhigung bei. Der Eisbecher ist aus meinem Kopf verdrängt. In der Ferne sehe ich Lastwagen und Bagger. Straße gesperrt. Oh Sch…
Ich bugsiere mein Rad vorbei und erwarte mit eingezogenem Genick den Bauarbeiter-Ruf: „Ey hier geht's nicht weiter.“ Aber nichts passiert. Der Weg ist wieder frei, die Brücke ist nicht abgerissen. Ich bin durch - Yes!
Wenigstens das hat geklappt und mir einen traumhaften Weg spendiert! Die Deichstrecke an der Elbe in der langsam tiefer stehenden Sonne bringt mich zum Jubeln und nur noch im Hinterkopf klingelt das Eismann-Glöckchen leise vor sich hin. Mit leicht murrendem Hinterteil genieße ich die restlichen Kilometer bis Wittenberge. Auf der Rückfahrt mit dem Regionalexpress nach Berlin sinniere ich, dass der Test für meine Ferntour gut verlaufen ist. 2,5% der Gesamtstrecke hätte ich damit schon mal geschafft. Na ja...
Übrigens, einen Eisbecher habe ich in Wittenberge noch bekommen.