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6-Tage-Rennen Berlin

6-Tage-Rennen Berlin

Am Velodrom kann man locker vorbeilaufen und es vergeblich suchen, zumal wenn es dunkel ist. Dieses Gebäude liegt quasi versteckt im Boden und außen drumherum sieht man nur die Treppenstufen. Aber ich weiß ja, wo ich hinwill: zum Berliner 6-Tage-Rennen oder in Neudeutsch: zu den „The Sixdays“!

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Das Berliner 6-Tage-Rennen feiert vom 23. bis zum 28. Januar seine 109. Auflage. Hier in Berlin im Velodrom treffen sich wieder die besten Fahrer und Fahrerinnen aus der ganzen Welt, um gegeneinander anzutreten. Und meine Tochter mit Freund, der ein begeisterter Radfahrer ist, wollen unbedingt dabei sein. Was liegt da näher als einfach mitzugehen? Nichts, denn ich habe ja Zeit ohne Ende, also bin ich heute Abend hier.

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Ich bin, ganz ehrlich gesagt, nicht einmal ein rudimentär informierter Laie, was den Radsport angeht. Ich sehe gerne die Tour de France, bin bei Olympia auch an den Radfahrern interessiert und lese hier und da mal etwas über die Wahnsinnigen auf ihren Vélocipèdes. Aber sonst: null Peilung! Dennoch, kaum bin ich in der Halle, nimmt mich die Atmosphäre gefangen und ich staune. Diese steil aufragenden, aus sibirischer Fichte gefertigten Holzkurven der 250 Meter langen Radrennbahn sehen beeindruckend aus. Und wie schnell die Fahrer sind! An mir brausen gerade die U 17 – Fahrer vorbei und kämpfen um die Medaillen.

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Eines ist klar. Bei offiziellen Veranstaltungen im Bahnradsport geht es eher ruhig zu. Keine Musik, wenige Zuschauer, no Fun. Ganz anders beim 6-Tage-Rennen. Das hier ist nicht ausschließlich Wettbewerb, das ist auch Party. Es werden an den 6 Tagen insgesamt 50.000 Zuschauer erwartet, die ein Fest mit Musik und Frischgezapftem wollen. Heute steht der Abend unter dem Motto „Hüttengaudi“. Ich hatte kurz überlegt, mein Oktoberfestoutfit anzuziehen, mich aber doch dagegen entschieden. Gute Wahl. Kaum jemand trägt diese oberbayerische Verkleidung. Trotzdem ist viel Schwung in der Hütte, dem Velodrom. Die Stimmung ist dann regelmäßig auf dem Siedepunkt, wenn die Püschel-Chicas der Schultheiss-Brauerei auch noch ihre attraktiven Hüften schwingen und die Beine in die Luft werfen.

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Zwischen den Wettbewerben und der Siegerehrung ist die Musik nicht ausschließlich Schlager orientiert, es gibt auch mal etwas Härteres: AC/DC. Während gerade „TNT“ zu hören ist, muss ich etwas irritiert zur Kenntnis nehmen, dass sich die stahlgraue Helmfrisur links eben mir headbangingmäßig rhythmisch Richtung Tischplatte bewegt. „Auweia, ist die in meinem Alter? Das kann nicht mein Alter sein, sie hat’s bestimmt von ihren Enkeln“, stammele ich vor mich hin, während ich sofort mit meinen Zappeleien aufhöre. Glücklicherweise erlöst uns der Sportpalastwalzer mit dem „Diddel-diddel-diddel-didd - pfff, pfff, pfff, pfff“. Seit 1923 ist der Walzer „Wiener Praterleben" die inoffizielle Hymne. Vor knapp einhundert Jahren wurde das Rennen im Sportpalast in der Potsdamer Straße ausgetragen. Deshalb ist das Lied in Berlin auch als „Sportpalastwalzer" bekannt. Reinhold „Krücke" Habisch, damals großer Fan des Berliner 6-Tage-Rennens, soll der erste gewesen sein, der die Töne zwischen den Walzertakten mitgepfiffen hat. Diese Tradition besteht bis heute. Also: Trillerpfeife raus und mitpfeifen.

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Ein Highlight nicht nur für mich ist das Rennen mit einem Derny-Motorrad als Schrittmacher. Warum? Die knatternde Lautstärke, der Auspuffgestank, das Adrenalin, die Geschicklichkeit der Radfahrer, nicht aus dem Windschatten herauszufahren, das ist aufregend, das gehört ganz einfach dazu. Das erste Derny wurde übrigens 1938 vom ehemaligen Radrennfahrer Roger Derny konstruiert, um auf Teilstrecken des klassischen Radrennens Bordeaux – Paris für Schrittmacherdienste eingesetzt zu werden.

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Auch wenn man auf den Rängen außen besser auf die Piste sehen kann, ist in der Mitte der Kreisbahn immer am meisten los. Und hier kann ich den Fahrern und Fahrerinnen recht nahe sein. In den Boxen machen sie sich auf den Rollentrainern warm, an den Banden geben sie Interviews oder Autogramme und an den Zufahrten zur Rennbahn kann ich direkt in die verschwitzten Gesichter nach den Wettkämpfen sehen.

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Und es gibt die Reparaturboxen für die mindestens 10.000 € teuren Rennräder. Unglaublich elegant und futuristisch aussehende Hightech-Maschinen. Ich staune nur und habe keine Ahnung.

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Zum Schluss stelle ich mich noch einmal direkt an die Holzbahn und versuche in die Gesichter der vorbeifliegenden Sportler zu blicken. Das gelingt mir natürlich kaum. Nur die ausgeschiedenen oder wartenden Fahrer auf der sogenannten „Côte d’Azur“ oder dem „Teppich“ sind langsam genug für meinen neugierigen Blick. Was treibt sie an? Nur persönlicher Ehrgeiz oder Geld, Ruhm, Erfolg, Ansehen, Spaß an der Freude des Sportreibens? Ich weiß es nicht. Ich kann sie nur bewundern, ihnen allen meine Hochachtung aussprechen und anschließend den Heimweg mit dem Gefühl antreten, einen richtig schönen Abend genossen zu haben.

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