Meck-Pomm! Urlaub an der Ostsee - Ein Gastbeitrag
Meck-Pomm? Klingt erst mal nach Burger mit Pommes…..
Kurz nach Silvester besuchte mich mein Patenkind und erzählte, dass es noch nie Norddeutschland besucht hat. Jetzt reicht Norddeutschland natürlich von der Nordseeküste bis zur Ostseeküste. Wo soll es hingehen? Die Möglichkeiten sind vielfältig und einige Ecken habe ich zumindest schon bereist. (Amrum und Lübeck). Aber in Mecklenburg-Vorpommern war ich noch nie. Und als Süddeutsche hatte ich auch keine so genauen Vorstellungen, wie es dort aussieht. Klar, es ist das Herkunftsland von Angela Merkel, aber sonst?
Meine Reise beginnt mit der Zugfahrt von Karlsruhe nach Berlin und von dort weiter mit dem Auto nach Börgerende-Rethwisch. Was für ein Name! In meinen Gedanken kommt dahinter als nächstes der Nordpol. Bis dato wusste ich nicht, dass ein Dorf mit diesem Namen überhaupt existiert. Börgerende liegt in der Gemeinde Rostock zwischen Heiligendamm und Bad Doberan. Zwei Meter über Normalhöhennull, also gerade mal zwei Meter über dem Meeresspiegel. Für uns aus dem Süden ist das kaum vorstellbar. Schwappt das Wasser bei Flut durch die Straßen? Es ist natürlich dunkel bis wir ankommen und wir sehen kaum etwas. Am nächsten Morgen zeigt sich für uns Börgerende-Rethwisch ist nicht das Ende der Welt. Es gibt die typischen reetgedeckten Häuser, neben neu gebauten Mehrfamilienhäuser für Urlauber. Ich sehe auch noch ein paar unveränderte Gebäude aus der Zeit der DDR. Erkennbar an der tristen braunen Hauswandfarbe. Ich empfinde sie als Zeitzeugen und zusammen ergeben sie ein stimmiges Bild und einen Ort zum Wohlfühlen
Aber wir Bayern wollen mehr von diesem Meck-Pomm sehen. Wir fahren nach Warnemünde. Das Licht ist fantastisch an diesem Tag. Es könnte ein paar Grad wärmer sein, zumindest nach meinem Temperaturempfinden. Doch die Farben und die klare Luft entschädigen für vieles! Das Ostseebad Warnemünde ist ein Ortsteil der Hansestadt Rostock. Hier mündet der Fluss Warnow in die Ostsee. Die Mündung wird von zwei Leuchttürmen begrenzt. Leuchttürme kennen wir natürlich, haben wir aber im Süden nicht. Und, dass Links oder Backboard ein rot/weißer und Steuerbord ein grün/weißer Leuchtturm steht, lernen wir bei einer Hafenrundfahrt. Außerdem erfahren wir, dass Warnemünde Deutschlands bedeutendster Hafen für Kreuzfahrtschiffe ist. Mir fällt auf, dass wir beobachtet werden. Große und kleine Möwen haben uns als Touris geoutet und beobachten uns von verschiedenen Häuserdächern. Diese Fischbrötchen-Geier kenne ich von Sylt und Amrum und ihr erklärtes Ziel, den Touristen die Fischbrötchen abzujagen, werde ich zu vereitelt wissen. Wir essen unsere Fischbrötchen unter einem Vordach, verfolgt von hungrigen Augenpaaren.
Abends gehen wir in die Restaurant & Weinwirtschaft Kosi bei Heiligendamm. Das Restaurant ist klein, aber fein! Als Vorspeise gibt es Ikarimi Lachs auf einem Kartoffel-Lauch-Rösti mit einer Honig-Senf-Kaviar Sauce. Der Geschmack ist ungewöhnlich, aber einfach zum Dahinschmelzen. Anschließend genieße ich Skrei mit Erbsenpüree, Baby Spinat und Nordseekrabben auf Rieslingschaum. Hier vereint sich für mich der Norden mit dem Süden. Allerdings habe ich nicht geprüft, ob der Riesling wirklich aus der Pfalz stammt. Eher unwahrscheinlich, aber es schmeckt hervorragend und ist ganz auf meiner Geschmackslinie.
Am nächsten Tag geht’s nach Ahrenshoop. Auf dem Weg dorthin legen wir eine Kaffeepause bei Karls Erdbeerhof in Rövershagen ein. Schon beim Reinkommen schlägt mir der süßliche Geruch von Erdbeeren entgegen. Doch eigentlich ist Karls Erdbeerhof ein Erlebnispark rund um die Erdbeere. Es gibt Fahrgeschäfte, wie zum Beispiel ein Zug, der oben in der Halle entlangfährt, also über den Besuchern. Und es gibt Essen, Getränke und alle erdenklichen Produkte mit Erdbeeren, aus Erdbeeren oder als gedruckte Erdbeere. Erdbeeren, soweit das Auge reicht. Ein besonderes Highlight ist die größte Ausstellung an Kaffeekannen. Die sind entlang der Wände auf Regalen ausgestellt. Über 55.000 Kannen stehen nach Aussage der Betreiber in den Hallen. Ich habe sie nicht nachgezählt.
Nachdem wir uns mit Kaffee und Erdbeerkuchen gestärkt haben, fahren wir weiter nach Ahrenshoop. Ein kleiner Künstlerort zwischen der Ostsee und dem Bodden. Auf unserer Suche nach Künstlern, beziehungsweise nach deren Ausstellungen, sehe ich ein Schild: Schifferkirche. Was genau ist denn eine Schifferkirche, frage ich mich? Also Abbiegen von der Hauptstraße und dem Schild nach! In einer Seitenstraße sehe ich die Schifferkirche.
Zuerst denke ich an den Rumpf eines gekenterten Schiffs. Doch die Kirche ist spricht mich an: ein schöne Holzkonstruktion mit elegantem Reetdach. Sie hat so was Bodenständiges, Erdendes. Auch innen ist sie ganz schlicht gehalten. Die Holzkonstruktion mit der Idee des Schiffsrumpfes spiegelt sich wider. Für uns Bayern ist das ein ziemliches Kontrastprogramm. Bei uns sind die meisten Kirchen überfrachtet mit Figuren, Bildern und mit viel Gold. All das fehlt hier komplett. Der einzige Schmuck sind vier Segelschiffe, die links und rechts von der Wand hängen. Ich kenne mich überhaupt nicht mit Schiffen aus, aber ich finde sie schön gearbeitet, mit viel Liebe zum Detail.
Bei genauerem Hinsehen stelle ich fest, dass jedes der Schiffe für ein Motto steht: Glaube, Liebe, Hoffnung und Frieden. Der Wunsch steigt in mir auf, dass diese Segelschiffe um die Welt segeln und in diesen unruhigen Zeiten ihre Wortbestimmug überall verbreiten.
Die Suche nach Künstlern im Künstlerdorf geht weiter. Beim Schlendern durch den Ort bemerke ich ein Pferd aus dem Augenwinkel. Ein Pferd? Mein Reiterherz schlägt eine Spur schneller! Bei näherer Betrachtung wird aus dem vermeintlichen Pferd ein Pegasus, der mit seinen Flügeln eine Figur beschützt.
Ein Schild verrät mir, dass die Skulptur von Ingeborg Hunzinger (3. Feb.1915 - 19. Juli 2009) zwischen 1990 und 1997 aus Terzit geschaffen wurde. Für was steht ein Pegasus? Abends im Hotel lese ich mich in die Lebensgeschichte von Ingeborg Hunziger ein. Sie hatte jüdische Wurzeln und musste daher aus Deutschland fliehen, wie so viele in der grausamen Nazi-Zeit. Sie blieb allerdings in Europa, was mich beim Lesen überrascht. In den späten Kriegsjahren kehrte sie sogar zurück nach Deutschland und lebte im Hochschwarzwald. Ihr Leben war geprägt von Kunst und Kultur; Bildhauerei und Töpferei waren ihre Leidenschaften. Leider habe ich nichts Konkretes über diesen Pegasus und den Mann gefunden, auch nicht, wieso die Schaffenszeit sieben Jahre dauerte. Nur so viel: ein Pegasus kann symbolisch für die Künste stehen und diese Aussage kann ich mir vorstellen. Noch etwas Besonderes fällt mir an diesem Tag auf. Bei genauerem Hinsehen greift der Mann nicht nach den Sternen, sondern nach dem Mond.
Sinnbildlich steht „nach dem Mond greifen“ für etwas Unmögliches verwirklichen wollen. Ich finde diesen Gedanken schön. Es ist meine unerwartete Entdeckung in Ahrenshoop: Kraft, seinen Weg weiterzugehen und die Hoffnung nicht aufzugeben!
Wir haben als Bayern neue Einsichten gewonnen: Nein, auch bei zwei Metern über dem Meeresspiegel bekommt man keine nasse Füße, Kirchen ohne überbordenden Schmuck können auch schön sein und Leuchttürme sind Backbord „rot“, oder wie war das nochmal?
_____
Wir danken Monica für diesen Urlaubsbericht. Wenn ihr auch eine Story für uns habt, immer her damit, am besten via Mail an info@grad60.com