Autonom durch Tegel
„Den braucht hier keiner“, schnauft der ältere Mann mit seinem tragbaren Sauerstoffgerät, als er sich in den Sitz fallen lässt. Der BVG-Busbegleiter schaut verdutzt und antwortet freundlich: „Scheint für Sie jetzt doch ganz nützlich!“
„Ich fahr‘ nur Ausnahmsweise, ansonsten kenne ich hier keinen, der den gut findet!“ setzt der Tütenatmer noch einen drauf. Jetzt hat er den Ehrgeiz des BVG-Mitarbeiters erregt: „Wir können ja mal eine Umfrage starten, hier fahren viele mit, die sind begeistert!“ Und wie gerufen steigt ein Fan in den Kleinbus ein. „Der Bus ist so toll, ich könnte ihn küssen!“
Martin und ich schauen uns an. War eine gute Idee, sich mal diesen autonom fahrenden Bus der BVG in Tegel anzuschauen. Selten gibt es so viele Gespräche zwischen den Gästen des Sechssitzers und dazu einen Busbegleiter, der geduldig die Fragen der Neugierigen beantwortet.
Die Linie „See-Meile“ ist mit ihren vier Haltestellen und 600 Meter Streckenlänge die kürzeste Buslinie Berlins. Sie startet am U-Bahnhof Alt-Tegel und führt zur Greenwichpromenade. Die Fahrt ist kostenlos. Das sind aber nicht die wirklichen Besonderheiten.
Das putzige Gefährt mit den kleinen Rädern und dem hohen Aufbau hat kein Lenkrad. Es befördert die Fahrgäste auf den sechs Sitzen ohne einen Fahrer völlig autonom. Jedenfalls in der Theorie. Schon bei unserer ersten Fahrt zeigen sich die Tücken. Ein Auto auf der Strecke ist nicht richtig eingeparkt. Es ragt ein klein wenig in den Fahrweg und bringt unseren Robbi zum Stehen. Der Busbegleiter muss eingreifen und aktiviert seine Fernbedienung.
Wie ein Fernlenk-Spielzeug fährt der Minibus auf Joystick-Befehl ein paar Meter rückwärts und dann im Bogen um sein Hindernis. Wieder auf seiner Spur übernimmt die Automatik und beschleunigt auf die maximale Geschwindigkeit von 15 km/h.
„Bei jedem Hindernis wartet der Bus, bis es weg ist!“ Bei geparkten Autos kann das dauern und daher wird unser Erklär-BVG-Begleiter zum Kondukteur. „Es ist ja ein Test, der noch bis Jahresende dauern soll! Ich bin gespannt, was passiert, wenn die schlauen Krähen auf der Straße herausgefunden haben, dass der Bus vor ihnen anhält…“
Der gelbe Zwerg scheint ohnehin etwas schreckhaft zu sein. Überholende Fahrzeuge sind ihm nicht geheuer. Auch wenn die Überholer mit genügend Abstand wieder einscheren, bremst unser kleiner Freund vorsorglich ab. „Ein vor den Sensor fliegendes Herbstblatt führt auch schon mal zur Vollbremsung!“
Interessant und spannend finden Martin und ich. Trotz aller Schwächen eine interessante Technik und ein Versuchsschritt in die Zukunft. Wir dürfen, solange die Plätze ausreichen, mehrere Runden mitfahren und können dabei beobachten, wie das Büslein Zweite-Reihe-Parker aufscheucht. Stoisch hält es auf die Verkehrsrowdys zu und stoppt kurz dahinter, um auf freie Fahrt zu warten. Wirkt! Schneller als beim Ordnungsamt fährt der Falschparker wieder weg.
„Den braucht hier keiner“, scheint nicht ganz zu stimmen. Die nicht repräsentative, spontane Umfrage führt zu 99% Zustimmung bis Begeisterung für das Fahrzeug und auch wir hatten unseren Spaß.
Übrigens, bis zur planmäßigen Betriebspause um 11 Uhr hatten es die Krähen noch nicht gescheckt.
Der Verkehrsclub Deutschland e.V. (VCD) interessiert sich als alternativer Verkehrsclub ebenfalls für den Autonomen Bus und hat in seinem Leitfaden ein Foto von uns übernommen. Wer sich mehr für dieses Thema interessiert, der kann doch mal hier hineinschauen.
Inzwischen hat auch Sven gefallen an unserer Geschichte über den autonomen BVG-Bus von Tegel gefunden und in seinem Blog https://berlin.abklappern.com/seemeile erwähnt.
Am Anfang des Artikels steht “Werbung unbeauftragt”, das heißt, dass dieser Artikel ohne Beeinflussung und Bezahlung geschrieben wurde. Warum der Vermerk trotzdem dort steht, erfahrt ihr auf unserer Seite “Transparenz”
