Banksy - Streetart im Museum
Der lila Affe schaut mich skeptisch an: Du zahlst 20 Euro für die Karte? Eigentlich gibt’s Banksy kostenlos. Banksy ist Streetart-Künstler und nimmt keinen Eintritt für seine Bilder auf der Straße. Er ist, würde ich sagen, ein ganz anderes Kaliber als unsere Straßenkunst von Berlin. Er soll aus Bristol in England stammen, wo er die ersten Wände mit seiner Schablonentechnik besprühte. So wie der „Gorilla in a pink mask“ aus dem Jahr 2002. Aber erst einmal setze ich mich in den nachgebauten britischen Underground-Waggon und beobachte die fallschirmspringende Ratte. Oder beobachtet sie mich?
Die Werke sind nur Nachbildungen, die hier ohne Autorisierung von Banksy gezeigt werden. Denn eigentlich weiß angeblich niemand, wer Banksy ist. Bei meinen Recherchen stoße ich aber auf Hinweise, dass er über ein Vermögen von 40 Millionen Euro verfügen soll. Und das, wo er gegen Kommerz und Vermarktung von Kunst sein soll. So, wie er auf dem Siebdruck „Festival“ die Punks beim Kauf von T-Shirts mit dem Aufdruck „DESTROY CAPITALISM“ lächerlich macht.
So freunde ich mich ganz gut mit dem Gedanken an, dass Banksy nicht auch noch meine 20 Euro auf seinem Konto verbucht. Dabei überlege ich, ob der Ausstellungsaufwand meinen Eintrittspreis rechtfertigt und wie ein hauswandbesprühtes Bild jetzt als Replik auf einer Pappwand wirkt. Doch als mich Charlie Brown mit seinem Kanister spitzbübisch anschaut, zaubert er ein bejahendes Lächeln in mein Gesicht.
Die Ausstellung zeigt schon einigen Aufwand. So hängt eine transparente Acrylglasscheibe des smiley-gesichtigen Soldaten mit Engelsflügeln von der Decke. So etwas hatte Banksy 2003 auch in Berlin im Künstlerhaus Bethanien in Kreuzberg aufgetragen. Als man später den „Wert“ erkannte, wurden 20 darüber gesprühte Farbschichten in feinster Restauratorenarbeit wieder entfernt.
Wieder flackert dieser Widerspruch auf. Streetart, eigentlich eine illegale Guerillakunst, wird wertvoll. Banksys angebliche Ablehnung des Kapitalismus und der Geldgeschäfte des Kunstbetriebs holt ihn ein. Ungewollt – oder geschickte PR-Masche? Die Frage stellt sich bei einem seiner bekanntesten Werke „Mädchen mit Ballon“ in besonderem Maße. Das Graffito befindet sich an mehreren Hauswänden in London, aber es gibt auch ein Gemälde im goldenen Rahmen. Das wurde 2018 im Auktionshaus Sotheby’s für eine Million Euro (sic!) versteigert. Als der Zuschlag erfolgte, setzte sich ein im Rahmen versteckter Schredder in Aktion und zerschnitt das Bild zur Hälfte in schmale Papierstreifen.
Diesen Vorgang der außergewöhnlichen Auktion zeigt in der Ausstellung eine Videoprojektion. Ihr findet sie auch auf YouTube unter folgendem Link: https://www.youtube.com/watch?v=vxkwRNIZgdY
Das Perverse darin ist allerdings, dass das Werk nun mit dem Namen „Love is in the bin“ nicht weniger „Wert“ sein dürfte.
Das Gesamtkonzept der Ausstellung lässt mich mehr nachdenken als ich ursprünglich erwartet habe. Ja, es sind alles Nachbildungen. Aber ist das wichtig? Besteht der Wert daraus, dass es ein Original ist? Oder ist das Abgebildete der Wert an sich? Das zornige Mädchen am Boden hilft mir jedenfalls nicht weiter.
Eine weitere Geschichte würde vielleicht auch der jungen Lady „No Future“ gefallen. Es ist der „Game Changer“, der 2020 plötzlich im Foyer des Southampton General Hospitals mit der Botschaft von Banksy hing: „Danke für alles, was sie tun. Ich hoffe, das erhellt diesen Ort ein wenig, auch wenn es nur schwarz-weiß ist.“ Die Versteigerung der Krankenschwester-Superheldin, diesmal bei Christie’s, blieb ohne Shredder-Aktion und erbrachte 20 Millionen Euro (!), die dem britischen Gesundheitsdienst zu Gute kamen.
Da macht doch Profit wieder Sinn. So ziehe ich an den vielen Geschichten vorbei und staune, wie schnell mein Besucher-Zeitfenster von 90 Minuten verbraucht ist. Ich lächle über den Polizistenhelm, der als Discokugel verfremdet wurde, denke nach über den Spruch „GRAFFITY IS A CRIME“ und suche nach den lustigen Ratten, die einen Toilettenraum in’s Chaos versetzen. Schließlich kann ich nicht widerstehen und muss selber nach dem Herzballon greifen.
Schön war’s. Hat sich gelohnt, gerade auch wegen der vielen Geschichten, die mit den Bildern verbunden sind und den Mythen, die sich um Banksy ranken. Mein Fazit: Es lohnt sich, auf unter 100 zu warten. Und bis es soweit ist, habe ich für euch noch einen kurzen Ausschnitt der Video-Projektion aus einem Ausstellungsraum. Wenn ihr auf das Foto klickt, werdet ihr zu YouTube weitergeleitet.