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Berliner Tafel – Hilf helfen

Berliner Tafel – Hilf helfen

„Aus dem Weg“ brüllt es. Kurz bevor der Palettenwagen mich laut tösend überrollt, rette ich mich mit einem Hasensprung zur Seite. Ich blicke dem Gemüse-Schnelltransport gerade noch hinterher, als hinter mir ein „Mff“ ertönt. Vorwurfsvoll bremst ein Gabelstapler mit Orangen- und Mandarinenkisten. Um 7:30 Uhr ist die Lebensmittelverteilung bei der Berliner Tafel auf dem Großmarkt Beusselstraße in Vollbetrieb. Um nicht unter Blumenkohl und Kürbis begraben zu werden, verziehe ich mich zwischen die geparkten Transporter auf den Hof.

Dort treffe ich meinen Namensvetter Thomas, mit dem ich zum ehrenamtlichen Hilfseinsatz bei der Tafel Berlin verabredet bin. Thomas spendet regelmäßig einen halben Arbeitstag pro Woche der Hilfseinrichtung, indem er Lebensmittel von Supermärkten abholt und Waren zu Unterkünften von Hilfsbedürftigen liefert. Er war früher bei der Polizei und ist jetzt, wie wir von grad60.com, im Freizeitstatus. Er wird heute mein Anleiter sein. “Bärenführer”, nennt man das bei der Polizei. Mit ihm zusammen wage ich mich wieder in die Halle, denn wir müssen Waren für unsere Lieferung zusammenstellen. Wir suchen Obstkisten mit Äpfeln, Bananen, Mandarinen und Gemüseboxen mit Blumenkohl, Avocados und Champignons zusammen.

Ich staune über die Qualität. Klar, das meiste ist reif und kann nicht mehr lange gelagert werden. Aber es ist im tadellosen Zustand. Ich hätte keinerlei Bedenken, mich selbst daran zu bedienen. Dazu packen wir Kisten mit Brot vom Vortag, sowie H-Milch und Jogurt nah am Mindesthaltbarkeitsdatum zusammen. Dieses Datum heißt übrigens, dass bis dahin die typischen Eigenschaften von Geschmack und Geruch sowie der Nährstoffgehalt mit Sicherheit erhalten bleiben. Und es heißt nicht: Verfallsdatum erreicht. Es darf weiterhin verzehrt werden, ohne Gefahr. Wir sind nur einer Gefahr ständig ausgesetzt: Von einem der rasenden Transportexperten über den Haufen gefahren zu werden. Irgendwie stehen wir denen immer im Weg. Wir haben aber Glück, unsere Hacken bleiben heil und wir beladen unseren Transporter ohne Schaden zu nehmen. Gearbeitet wird an allen Ecken, es wuselt nur so. Neben uns Ehrenamtlichen regeln hier Langzeitarbeitslose aus verschiedenen sozialen Maßnahmen professionell die Warenverteilung.

Unsere Tour sieht acht Lebensmittel-Abholungen und drei -Lieferungen vor. Es geht nach Neukölln und die morgentliche Stautobahn bietet ausreichend Muße, meinen “Bärenführer” zum Ehrenamt auszufragen. „Mir geht es gut und der Job bietet mir die Möglichkeit, etwas an die Gesellschaft zurückzugeben! Ich kann den halben Tag entbehren. Dazu bekomme ich interessante Gespräche mit meinen Tour-Partnerinnen und -Partnern geboten. Die Zeit bei der Tafel zeigt mir auch jedes Mal, dass es viele im Leben sehr schwer haben. Und wenn wir die Waren in den Heimen abliefern, blicke ich in freundliche und dankbare Gesichter. Das ist ein guter Lohn!“

Thomas ruckelt mit unserem Sprinter die Auffahrt zu einer Discounterkette hoch: „Jetzt kommt dein Job!“ Etwas unsicher betrete ich den Supermarkt: „Guten Morgen, ich bin von der Berliner Tafel! Haben Sie etwas für uns?“ Die Kassiererin mustert mich kurz, sieht mein übergezogenes grünes T-Shirt der Tafel und beordert mich zum Warenlager, wo eine Mitarbeiterin für mich das Rolltor hochzischen lässt. Drei Kisten mit Kartoffeln, Rosenkohl und reifen Kaki-Früchten warten auf ihre Abholung. Der Rosenkohl hat seine besten Zeiten hinter sich. Gut geschält dürfte es aber noch gehen. Thomas fährt zur Laderampe. Wir laden ein.

Im nächsten Supermarkt auf unserer Tour fühle ich mich schon wissender, werde aber mit einem „Heute nichts da!“ enttäuscht. Es ist eigenartig: Ich fühle mich schon als Teil der Berliner Tafel und spüre den Ehrgeiz, das Beste für den Verein herauszuholen. Zu meiner Freude läuft es im nächsten Discounter besser. Mehrere Paletten astreiner Avocados, roter Paprikaschoten, Blumenkohlköpfe und Champignons stehen bereit. Eigentlich unfassbar, was hier entsorgt wird. Denn würde es nicht die Berliner Tafel abholen, kämen die Lebensmittel in den Müll. Offensichtlich nur, weil frischere Ware angeliefert wurde oder die Packung leicht beschädigt ist.

Wir erreichen die erste Auslieferungsstation. Schon beim Einparken sammeln sich einige Bewohner vor der Unterkunft. Ich will mit drei gestapelten Kisten los, aber mein Bärenführer bremst mich: „Lass mal, die Bewohner bringen das selber rein“. So reichen wir die Kisten nur aus dem Transporter heraus und sehen, wie sich die Bewohner freudig aus den abgestellten Paletten bedienen. Mir scheint es etwas unorganisiert, aber es wird auch klar, wie groß der Bedarf ist.

Etwas anders ist die Situation in einem weiteren Wohnheim in Neukölln. Der Koch begrüßt uns und freut sich über die Champignons. Aber auch Koriander, Paprika und Gelierzucker begeistern ihn. Er hat für mich etwas Zeit und berichtet über die Kochherausforderung in dieser Unterkunft. Er bereitet Essen für bis zu 70 Personen zu und mehrere Bewohner helfen regelmäßig in der Küche mit. Er erzählt ganz begeistert von der Herausforderung, aus den gelieferten Waren etwas Gutes zuzubereiten. „Andere Köche in Restaurants bestellen, was sie brauchen. Ich muss sehen, was kommt und mir dann etwas einfallen lassen! Mit dem Gelierzucker kochen wir Marmeladen, gerade zu Weihnachten doch sehr schön“.

Kurz nach Mittag sind wir wieder zurück an der Basis der Tafel Berlin auf dem Großmarkt Beusselstraße. Wir liefern unsere Supermarkt-Beute in einer anderen großen Lagerhalle ab. Dort dreht eine Sortiererin jede einzelne Weintraube um. Die Guten ins Schälchen, die Schlechten in die Tonne. Aber auch die sind nicht verloren: „Die kommen zu den Prinzessinnengärten und werden Kompost!“

Unsere Discounter-Abholung ist genaugenommen nur eine kleine Erbse im Eintopf. Bei insgesamt rund 1.000 Lebensmittelgeschäften läppert es sich aber auch zusammen. Die richtig großen Fuhren kommen aber direkt vom Fruchtmarkt. Meist sehr gute Qualität, nur manchmal krumm. Und das nehmen die zahlenden Verbraucher krumm. So landen durch die Berliner Tafel die Gurken in Bananenform auf dem Tisch von Bedürftigen und nicht im Müll. Nur selten ist etwas direkt für die Tonne wie diese Orangen.

Im Büro erfahre ich von Sarah, der Chef-Einteilerin für die Ehrenamtlichen, weitere Details: Die Berliner Tafel ist ein eingetragener Verein und finanziert sich von Beiträgen der 2.000 Mitglieder und Spenden von 1,-- bis 10.000,-- Euro, denn der Verein erhält keine öffentlichen Gelder. Dazu unterstützt eine große Anzahl von Sponsoren den Verein. Von 18 Fahrzeugen, über tausende Klappkisten bis hin zur Bereitstellung des Webhosting-Pakets reicht die Liste der Unterstützer. „Wir haben 2.700 Ehrenamtliche in unseren Listen. Das hört sich viel an, aber manche finden nur einmal im Jahr Zeit. Deswegen suchen wir weitere Helferinnen und Helfer.“ Neben solchen Jobs wie von uns beiden Thomasse, werden auch Ehrenamtliche für die Sortierung der Lebensmittel gesucht. Das Motto unseres Blogs ist ja: „Jetzt haben wir Zeit für uns!“, aber wie wäre es mit: „Jetzt spenden wir etwas Zeit für die Tafel!“? Wem das möglich ist, der findet weitere Infos auf der Seite vom Berlin Tafel e.V.

Zum Abschluss bekomme ich noch ein frisch gekochtes Mittagessen „aufs Haus“: Hänchengeschnetzeltes mit Spätzle. Die Garnierung ist ein gutes Gefühl. Nämlich das gute Gefühl, etwas Sinnvolles für die Gesellschaft getan zu haben. Kann ich ausdrücklich empfehlen!

Habt ihr auch ein Ehrenamt? Wir würden gerne dafür werben! Schickt doch einfach eine E-Mail an info@grad60.com oder nehmt Kontakt über unsere Social Media Kanäle auf. Wir freuen uns!

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