Chill out in Prerow
Der Wind schiebt mich mit ungefähr fünf Knoten den Strand entlang. Ich bin auf dem Rückweg vom Leuchtturm „Darßer Ort“. Es ist Mitte März und reichlich ungemütlich. Warum bin ich hier outdoor mit Regen und Wind unterwegs, statt indoor warm und geborgen daheim am Kaminfeuer zu sitzen? Weil nur drinsitzen langweilig ist und die Natur am besten mit starkem Wind die nervigen Gedanken aus dem Kopf bläst. Und wo bläst der Wind immer? Richtig, an der See!
Ich will ausspannen, entkrampfen, beruhigen, mich auf die Pensionierung vorbereiten, outchillen halt. Und Prerow auf dem Darß erscheint mir nicht ungeeignet. Mit der besten Ehefrau von allen und der studierenden Tochter sind wir bei den Sternenguckern untergekommen. Das ist eine Appartement-Pension, die in den Räumen der 1848 erbauten ehemaligen Seefahrtsschule mit vielen liebevollen Details von Familie Lohmeyer eingerichtet worden ist.
Anders als in den touristisch glattgeschliffenen Orten Ahrenshoop und Zingst sehe ich hier im slawisch geprägten Ostseebad Prerow mit dem Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft drum rum noch viel Ursprüngliches, Unfertiges, Werdendes. Und die Leute sind sehr warmherzig, vor allen Dingen Angela und Ralf, unsere Vermieter. Wir wohnen im gemütlichen Apartment VII im Erdgeschoss. Es verfügt über 66 qm und besteht aus zwei Schlafzimmern und einem Wohnzimmer, in dem ein schöner alter Schreibtisch steht, an den ich mich am liebsten gleich setzen würde, um ein Buch zu lesen.
Angela bereitet täglich für uns ein auch für Veganer verträgliches, sehr leckeres Frühstück zu und ist wie die Mutter der Kompanie in allen Dingen auskunftsfähig. Das gilt auch für Rolf, ihren Ehemann, der sich beim Frühstück artig vorstellt und uns fragt, ob etwas fehle.
Nach dem ersten Strandausflug kurz nach der Ankunft marschieren wir am nächsten Tag durch den Wald und an den Ufern der Flachwasserzone entlang. Ich habe nachgelesen, dass der Brackwasserlebensraum dieses Nationalparks der größte der Welt ist. Wir sind beindruckt. Am Rand des Waldes geht die Landschaft in eine Art Heide über. Die Sonne kommt raus und lockt so wie uns manch wildes Tier an die frische Luft. Auf dem Weg liegt eine kleine, ganz schwarze Variante einer Kreuzotter; mit dieser Farbe erwärmt es sich in der Sonne am besten. Sie lässt sich nicht stören, warum auch, recht hat sie.
Abends bewundern wir die reflektierten Sonnenstrahlen in den Ausgleichsbecken der Deichanlage und gehen ins Haus Linden, um uns dort mit einem veganen Abendmenü verwöhnen zu lassen: Brokkoli-Spinat-Küchlein an frischem Salat, gefolgt von Rote-Beete-Knollen gefüllt mit Süßkartoffeln auf Fenchelgemüse und gedämpften Belugalinsen, abgeschlossen mit einem Schoko-Grießflammerie.
Der nächste Tag beginnt mit sehr viel Regen. Wir bleiben im Haus und relaxen dort. Frau liest Michelle Obamas Autobiografie, Tochter arbeitet fürs Studium und ich übe mich im Spanischen, denn die Südamerikareise ist nicht mehr weit. Zwischendurch schaue ich ab und zu mal hoch und fühle Ruhe und Gelassenheit. Ich sehe in die entspannten Gesichter meiner Familie und denke, so muss das sein. Und dann fallen mir die Augen zu, ich ruhe.
Der Nachmittag ist wieder freundlicher, meine Frau und ich wandern nach Zingst. Der Strand ist toll, der Ort an sich auch, aber er glänzt wie geleckt, ist irgendwie zu perfekt. Die achteinhalb Kilometer von Prerow aus wollen wir nicht zu Fuß zurück, zumal der Himmel wieder schwarz wird, sondern lassen uns von Töchterlein abholen.
Abends sind wir im Fischrestaurant Seeblick, wo ich schon einmal nachmittags ein großes Stück Kuchen verdrückt habe, und essen Vegetarisches mit viel Gemüse. Auch schön. Vor allen Dingen gefällt uns aber der Ausblick. Dieses Restaurant liegt direkt am Strand hinter der Düne am Übergang zur Seebrücke, toll. Und die Einrichtung ist romantisch-gemütlich.
Am letzten Tag meines Chill outs gehe ich frühmorgens joggen, während meine Mädels noch schlafen. Die Sonne ist gerade am Horizont zu sehen und wärmt mich. Als ich auf dem Deich bin, überhole ich einen älteren Mann, der aussieht wie der pensionierte Förster des Ortes. Er hat einen Hund dabei, der nicht zum ehemaligen Beruf passen würde, ein graumelierter Mobs. Niedlich, der Kleine. Ich grüße und bekomme ein ortsübliches, freundliches „Moin, moin“ zurück.
Der Weg von der Deichkrone runter führt durch ein Stück Wald und gabelt sich. Wo lang? Ich versuche aus dem Gedächtnis die Karte aufzurufen. Rechts ging es zum FKK-Strand…, na dann! Nach ein paar Kurven geht es zwischen den Dünen zum Wasser runter. Und ich traue meinen Augen kaum: aus den Fluten steigen zwei Nackedeis, ein mittelaltes Pärchen. Sie streben zügig ihren Sachen zu, die am Fuß der Düne liegen. Man könnte auch sagen, sie rennen. Verständlich. Das Wasser hat höchstens fünf Grad und der Wind bläst trotz Morgensonne am blauen Himmel kräftig. Meine Herren, alle Achtung, ich bin baff, wirklich platt. Auch hier grüße ich und verkneife mir wegen der textillosen Erscheinung weitere anerkennende Äußerungen, die könnten ja missverstanden werden.
Der Strand ist sonst menschenleer, nur eine Möwe lässt sich unmittelbar vor mir nieder. Ich lauf auf sie zu und versuche sie zum Starten zu bewegen. Nichts da, sie rennt einfach nur, immer vor mir her.
Ich jogge am Ufer entlang Richtung Seebrücke, biege dann auf den Strandweg ein, der hinter den Dünen beginnt. Über den Ortskern gelange ich zurück zu unserem Apartment. Ich bin glücklich und entspannt. So soll es sein.
Prerow, du hast mir gut getan. Ich glaube, ich komme wieder oder wie der Spanier sagt: „Creo que vuelvo!“
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