Jakobsweg – Camino Francés – Erfahrungsbericht
Tausende von Pilgern erreichen jedes Jahr nach fast 800 Kilometer Santiago de Compostela. Ich will das auch. Zweifel habe ich. Aber warum soll ich das nicht schaffen? Ich mache mich in Saint-Jean-Pied-de-Port auf die Socken. Es ist nicht leicht. Körperlich komme ich das eine oder andere Mal an meine Grenzen. Auch mental gehe ich manchmal auf dem Zahnfleisch. Meine „Sangre, Sudor y Lágrimas“ schreibe ich mir jeden Tag von der Seele. Ich brauche das. Nach sieben Wochen bin ich endlich da und stehe vor der Kathedrale. Ich bin überwältigt, begeistert, euphorisch und doch auch ernüchtert. Warum das so ist, könnt ihr in meinen täglichen Berichten nachlesen. Vorher gebe ich euch aber Tipps und Hinweise, wie ihr euren Camino Francés am besten bewältigen könnt:
1. Was nehme ich mit?
Zwei Dinge können einem den Camino so richtig vermiesen: falsche Schuhe und ein zu schwerer Rucksack. Die Wahl der Schuhe fällt mir recht leicht. Ich nehme meine Laufschuhe, die quasi Trailrunner sind, und fühle mich damit auf der sichereren Seite, denn für den Jakobsweg braucht es keine schweren Bergschuhe. Die Füllmasse des Tornisters will dagegen genaustens überlegt sein.
Gesunder, intuitiver Menschenverstand wird oft überschätzt; meistens ist er nur eine jahrelang erworbene Ansammlung von (Vor-)Urteilen. Allein darauf zu vertrauen, wäre fahrlässig. Also besser recherchieren. Die wichtigste Aussage, die ich gefunden habe, ist: „Packe deinen Rucksack gemäß deinen Vorstellungen und reduziere dann auf die Hälfte!“ Hier ist das Ergebnis:
Es genügen zwei Garnituren Beinkleider, eine zum Wandern, die andere für den Abend, eine mit abnehmbaren Beinen als Shorts, dazu drei T-Shirts (keine Baumwolle!) und falls es doch mal etwas kühler ist, ein leichter Pullover, außerdem drei Paar Wandersocken und dreimal Unterwäsche.
Eine leichte Kombijacke als Wetterschutz, ein Schlauchschal als Kälte- und Sonnenschutz und ggf. zum Abdecken eines Kopfkissens sind anzuraten, dazu eine Mütze gegen die Sonne mit Nackenschutz, Sonnenbrille und Handschuhe.
Zum Schlafen empfehle ich einen dünnen Seidenschlafsack, falls das Bettzeug mal nicht so überzeugend ausfällt, und ggf. eine leichte Stoffhose (wer’s braucht), dazu Ohrstöpsel und Schlafmaske und ein Paar Flipflops für die Dusche und generell nach dem Wandern.
Als Kosmetikartikel nehme ich mit: ein kleines Mikrofaserhandtuch, Seife für Körper (und Haare) und zum Kleiderwaschen, Zahnpasta (Probiertubengröße) und Zahnbürste, feuchte Tücher (Waschersatz unterwegs, Toilettenpapier), Taschentücher, Deo, Rasierer, Gesichtscreme, kleiner Kulturbeutel, Wäscheklammern und kurze Leine, wasserdichte Beutel für Wäsche, Smartphone, Dokumente, Zipbeutel (z.B. für die Sicherheitskontrolle).
In die Reiseapotheke (kleine Tasche) kommen Pflaster verschiedener Größen einschließlich Blasenpflaster und Leukoplast (zum Abtapen von Blasen und auch als Klebeband verwendbar), eine flexible Bandage, kleine Desinfektionstücher, Schmerzmittel, Aspirin Komplex, Nasenspray, Salben gegen Herpes, bei Prellungen, Zerrungen, schmerzenden Knien und offenen Wunden, Balsam zum Einreiben der Füße, Sonnenschutzcreme (auch für die Lippen).
Zu den Dokumenten gehören der Pass (plus Kopie, falls kein Personalausweis mitgeführt wird), Pilgerausweis, Nachweis einer Reisekrankenversicherung, Geldkarten (auch etwas Bargeld), Geldbörse, Wanderführer, zum Beispiel „Jakobsweg Spanien“ des Verlags „KOMPASS“, Notizbuch, Stift. Und die „Buen Camino“ App installieren.
Als Technik sollten Smartphone (kein Fotoapparat!), Selfistick, Powerbank mit Solarpanel, Ladegerät, Kabel, Mehrfachstecker, E-Reader, Kopfhörer und Stirnlampe mit in den Rucksack.
Die Versorgung unterwegs wird durch eine Literflasche mit Wasser, einen Trinkbeutel, Elektrolytpulver, Magnesiumdirektgranulat sowie Powersnacks gewährleistet.
Für das Mitführen der wichtigsten Sachen (Pass, Geldbörse, Smartphone) nach dem Wandern auf dem Weg ins Restaurant oder in die Stadt nehme ich eine mittelgroße Bauchtasche mit. Der Rucksack hat 40 Liter und wiegt 7,8 Kilogramm (zuzüglich Wasser).
2. Sollte ich vorher trainieren?
Ja, aber moderat. Ein Marathonläufer übt auch keine 42 Kilometer. Ich habe zwei bis drei Mal pro Woche anfangs kürzere und nach und nach längere Strecken erwandert, am Schluss maximal 20 Kilometer. Das Ganze hat sich über einen Zeitraum von drei Monaten erstreckt; danach fühlte ich mich gut vorbereitet!
3. Wie viele Kilometer schaffe ich pro Tag?
Im Schnitt läuft ein Pilger mit durchschnittlicher Kondition ca. 20 km pro Tag; das wären bei rund 800 Kilometern 40 Tage. Untrainierten empfehle ich mit kurzen Strecken bis maximal zehn Kilometern pro Tag anzufangen und sich nach und nach zu steigern. Die üblichen 34 Etappen sind zwischen 21 und 32 Kilometer lang; legt man hier keine Pausen ein, ist der Camino Francés in 34 Tagen zu schaffen. Ich habe vier längere Pausen von jeweils drei Tagen eingeschoben, einige Etappen verkürzt und war knapp sieben Wochen unterwegs.
4. Wo finde ich ein Bett zum Schlafen?
Der Hardcore-Pilger übernachtet immer in den Herbergen, die ihre Betten nach dem Prinzip „Wer zuerst kommt, schläft zuerst!“ vergeben. Da gibt es nur gemischte Schlafsäle mit bis zu 20 Betten, meistens als Doppelstockversion. Und das bedeutet, spätestens um 14:00 Uhr am Zielort anzukommen, um noch eine Schlafgelegenheit zu ergattern. Im Umkehrschluss heißt dies aber auch, bei einer 30 Kilometerstrecke noch vor 06:30 Uhr abzumarschieren. Das war nicht mein Ding, ich wollte ohne Stress reisen. Ich habe bis auf zweimal immer in Pensionen oder Hotels übernachtet, die ich vorher über Booking.com, Expedia.de oder mittels persönlicher Kontaktaufnahme gebucht hatte. Aber Vorsicht, oftmals war kurzfristig alles ausgebucht. Ich bin schließlich dazu übergegangen, drei bis vier Tage im Voraus ein Zimmer zu reservieren. Die „Buen Camino“ App ist auch beim Finden einer passenden Unterkunft sehr hilfreich.
5. Wie viel Geld brauche ich und wie läuft die Bezahlung?
Die Betten in den Schlafsälen kosten 12 bis 25 Euro, die Zimmer in den Pensionen oder Hotels 45 bis 90 Euro. Ein Pilgermenü ist für 15 Euro zu bekommen. Ein übliches Abendessen mit einem Bier oder Glas Wein ist für 20 Euro zu haben. Der Mittagssnack mit Café con leche (1,75 Euro) und einem Stück Kuchen (2,50 Euro) kostet in der Regel weniger als fünf Euro. Ich habe im Durchschnitt 100 Euro pro Tag ausgegeben; das ist relativ viel. Es ist eine Frage des Komforts, wie viel Geld der Camino kostet. Bargeld habe ich ab und zu aus reiner Bequemlichkeit verwendet; ich hatte anfangs 300 Euro mit und habe während der Zeit noch einmal 150 Euro abgehoben. Grundsätzlich ist eine Bezahlung mit der Girocard fast ausnahmslos möglich. Die Buchungsplattformen verlangen immer eine Kreditkarte.
6. Brauche ich unbedingt einen Pilgerpass?
Nein, aber der Pilgerpass (La Credencial) gilt als offizieller Ausweis des Pilgers. In den öffentlichen und kirchlichen Herbergen ist er Pflicht. Deine Ankunft in den verschiedenen Orten wird dir mittels eines Stempels bestätigt; du bekommst ihn fast überall: Unterkünfte, Kirchen, Bars, Ämter. Diese „Sellos“ zu sammeln, hat mir viel Spaß gemacht und sie im Nachhinein zu betrachten, ist eine tolle Erinnerung. Möchtest du bei Ankunft in Santiago de Compostela die Pilgerurkunde erhalten, dann benötigst du den Pilgerausweis samt Stempeln als Nachweis. Du kannst ihn online bei jakobsweg.de bestellen oder dir im Pilgerbüro deines Startpunkts besorgen.
7. Wie orientiere ich mich?
Die gelben Pfeile und Muscheln kann keiner übersehen, wirklich nicht. Im Übrigen sind so viele Pilger unterwegs, dass ich mich oftmals einfach habe treiben lassen. Mit den Apps „Buen Camino“ und „Camino Pilgrim“ ist eine Orientierung gut möglich. Außerdem habe ich noch Google Maps und Komoot benutzt.
8. Was ist die größte Herausforderung?
Die Selbstüberschätzung und der Stolz. Das Nicht-auf-den-Körper-hören zwingt einige zum Aufgeben. Und zu stolz zu sein, um eine Pause einzulegen, ist Dummheit. Viel Wert habe ich auf die therapeutische und prophylaktische Behandlung meiner Füße und Beine gelegt. Vaseline für die Zehen, Blasenpflaster auf gereizte Stellen, schmerzstillende Creme für die Waden und nachts das eine oder andere Mal eine Aspirin Plus gegen das Aua in den Beinen.
9. Wird mich der Camino verändern?
Vielleicht. Ich habe die Etappen relativ kurzfristig geplant und ansonsten die Freiheit genossen, zu tun und zu lassen, was ich will. Rund sieben Wochen lang habe ich mich treiben lassen. Nicht zu einer bestimmten Zeit an einem gewissen Ort sein zu müssen, ist cool. Unterwegs war ich spontan und aus dem Herzen heraus inspiriert. Geschichten und Lebenserfahrungen anderer zu erfahren, ist immer spannend; auf dem Camino ist es aber doch noch anders als sonst, die Storys leben von ihrer unmittelbaren, aktuellen Bedeutung. Das will ich nicht missen. Und mit wenig auszukommen, sich zu minimalisieren, ist eine wichtige Erfahrung. Alles reduziert sich auf Versorgen, Entsorgen, Schlafen. Ich rate aber auch jedem: Gehe nicht mit zu hohen Erwartungen los, du könntest enttäuscht werden. Auf jeden Fall ist es eine große körperliche und mentale Herausforderung.
Anreise nach Saint-Jean-Pied-de-Port - Erfahrungsbericht Jakobsweg Camino Francés
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Roncesvalles /Aurizberri / Zubiri / Pamplona / Obanos / Estella / Los Arcos / Viana / Navarrete / Hormilla / Santo Domingo de la Calzada / Quintanilla del Monte / Villambistia / Monasterio de Rodilla / Burgos / Tardajos / Castrojeriz / Boadilla del Camino / Carrión de los Condes / Calzadilla de la Cueza / Sahagún / El Burgo Ranero / Puente Villarente / León / Pause León / Oncina de la Valdoncina / Santibañez de Valdeiglesias / El Ganso / El Acebo de San Miguel / Ponferrada / Villafranca del Bierzo / Vega de Valcarce / Fonfría / Samos / Sarria / Portomarín / O Hospital / Palas de Rei / Melide / Arzúa / O Pedrouzo / Santiago de Compostela / Resümee
Los geht´s:
Biarritz Flughafen 13:25 Uhr, die Frisur sitzt und das Ambiente ist exotisch! So kann’s weitergehen!
Ich bin aufgekratzt und etwas müde. Der Abschied von meiner Frau war schmerzlich und die Nacht kurz. 3:30 Uhr Aufstehen, 5:00 Uhr Flughafen, 6:30 Uhr Abflug. Zwischenstopp in Paris und nun mit dem Zug in die Pyrenäen. Und wo ist jetzt der Bahnhof? Mal sehen, Google wird mich schon leiten. 38 Minuten zu Fuß (natürlich) und schon bin da.
Nach dem Fußmarsch geht es mir gleich besser. Es ist einigermaßen warm, 17 Grad und die Sonne scheint. Hunger hätte ich jetzt mal. Es gibt ein kleines Café mit Schinken-Käse-Baguettes, Tartelettes mit Fleisch und Cookies. Als Vegetarier bleiben da nur die Kekse. Dazu einen Americano. Beides hervorragend. Nebenbei lade ich das Handy mit der Powerbank auf und schreibe für unseren Blog.
Gleich kommt der Zug und ein Gewitter. Es ist auch hier typisch April. Eben noch Sonne und warm und dann kalt und nass. Das wird noch richtig spaßig.
16:51 Uhr, der Zug ist pünktlich. Einmal umsteigen in Bayonne. Ankunft 18:18 Uhr Bahnhof Saint-Jean-Pied-de-Port. Bis ich das einigermaßen fehlerfrei aussprechen konnte, hat es etwas gedauert und es fällt mir immer noch schwer. Bis zur Unterkunft „La Coquille Napoleon“ sind es 1,9 Kilometer, rund 35 Minuten. Vorher will ich aber noch die bestellten Wanderstöcke im Sportshop abholen.
Und den Pilgerpass abstempeln lassen. Liegt alles dicht beieinander in der Rue de Citadelle.
Es ist 19:00 Uhr, ich habe alles. Nun mal los, bis 20:00 Uhr muss ich spätestens eingecheckt haben, im 10-Bettenschlafsaal der Napoleon Muschel. Gemischt, die Frauen tun mir jetzt schon leid.
Mir geht es gut, mein Bett ist oben, der Raum ist klein, alle Betten belegt, sechs Frauen, vier Männer.
Ich sortiere meine Sachen. Es ist chaotisch. Das Einpacken war irgendwie leichter. Aber wird schon. Ich freue und fürchte mich vor morgen.
Regenkampf nach Roncesvalles - Erfahrungsbericht Jakobsweg Camino Francés
Das in der Dunkelheit zuckende Licht einer Stirnlampe lässt mich endgültig nicht mehr schlafen, es ist noch nicht mal halb sechs. Ich schaue mich um. Zwei Betten sind schon komplett leer. Die frühen Pilgervögel sind schon unterwegs, nicht zu glauben. Ich stehe auf. Draußen wird das Frühstück vorbereitet. Cool.
Am Frühstückstisch wird Englisch gesprochen. Es sitzen da ein Pärchen aus den USA und eines aus England, dazu zwei Asiaten und ich. Vor dem ersten Croissant-Stich beten alle, jeder leise für sich. Ich senke meinen Kopf ebenfalls. Schließlich entwickelt sich eine lockere Runde. Alle reden und essen. Es gibt außer der französischen Backware noch Butter, Marmelade, Kaffee und Orangensaft. Das ist für sechs Euro völlig okay. Gegen acht Uhr mache ich mich auf den Weg. Die Sonne scheint, es regnet gar nicht wie angekündigt. Seltsam. Aber, besser so. Also: Auf geht’s, Pilger und Pilgerinnen!
Wie erwartet, bin ich auf dem Camino nicht allein. Es ist mehr so eine Völkerwanderung. Es heißt bald links halten. Die Steigung ist moderat. Ich fühle mich wunderbar. Ich passiere Gite Antton und Huntto nach fünf Kilometern. Hier wollte ich das erste Mal rasten. Ich fühle mich zu gut. Aber ja, ich weiß, dass die Ausdauersportler selten an der Strecke scheitern, sondern am Tempo. Es gibt einen Aussichtspunkt, so viel Zeit muss sein.
Es folgt der schwerste Aufstieg dieser Etappe. Nach Orisson sind es 300 Höhenmeter auf 2,5 Kilometer Strecke. Die Stöcke bewähren sich, so wie damals beim Salkantaytrek. Zwei Mal Stockeinsatz, einatmen, dann wieder zwei Mal die Stöcke in den Boden rammen, ausatmen. Und kurze Schritte. Ich komme gut voran.
Nach anderthalb Stunden bin ich beim Restaurant „Refuge Auberge Orisson“, Pause nach 7,5 Km. Gönne ich mir und kaufe etwas. Babylonische Sprachverwirrung: Ich möchte Café au Lei und baskischen Bienenstich, werde auf Englisch gefragt, ob ich auch Zucker zum Kaffee will und bedanke mich mit „No, gracias“!
Nach 30 Minuten will ich weiter. Der Himmel bezieht sich. Ich sichere mich und den Rucksack gegen Regen. Es kommen Serpentinen, insgesamt sind es jetzt zehn Kilometer bis Croix Thibaut. Noch hält sich der Himmel. Der Wind bläst die Wolken weg.
Der Wettergott pustet wie verrückt. Aber am Ende reicht es nicht mehr. Es beginnt zu plattern, vom Feinsten. Da der Wind nicht nachgelassen hat, kommt das Wasser nicht von oben, sondern schräg von vorn. Da hilft meine Ausrüstung nur bedingt. Die Hose gibt der Imprägnierung zum Trotz recht schnell auf. Und es ist kalt. Saukalt. Ab Hüfte abwärts stehe ich quasi im frostigen Wasser. Bald fühle ich meine Beine nicht mehr richtig. Ich versuche es mit Rückwärtsgehen. Dadurch löst sich der nasse Stoff von der Haut. Das hilft etwas. Außerdem schlage ich mit den flachen Händen auf die Oberschenkel. Die Waden sind fast normal, die Füße auch. Es wird immer schlimmer. Ich sende ein Stoßgebet zum Allmächtigen. Als ich mich wieder einmal aus dem Rückwärtsgang umdrehe, sehe ich ein kleines Fitzelchen blauen Himmel.
Der Regen hört auf. Ich erreiche ein Waldstück und bin auf jeden Fall besser geschützt als auf dem freien Feld. Das sieht urig aus. Wie ein Hexenwald.
Aber bald ändert sich die Struktur des Pfades. Der Weg wird zu einer einzigen Pampe. Nach einigen Dutzend Schritten ist es mir egal, wo ich hintrete. Es wäre nur schön, wenn der Schuh nicht steckenbleibt. Konditionell bin ich topp drauf. Die Probewanderungen waren nicht umsonst. Ich mache eine Pause und wringe meine Handschuhe aus.
Kaum bin ich wieder auf freiem Feld, gießt es von neuem in Strömen. Ein Niederschlag im wahrsten Sinne des Wortes. Ich erreiche Alto de Lepoeder nach zwei Stunden und 20 Kilometern gesamt. Nach links führt ein Abzweig von der Straße runter. Gekennzeichnet als Camino mit der gelben Muschel. Wiese und Schlamm. Meine Vorsicht hilft nicht. Beim zweiten Wegrutschen liege ich auf dem Rücken. Eine Rolle seitwärts und ich stehe wieder, nichts passiert, außer Dreck. Der Weg geht in einen Wald über, wird aber nicht besser. Ganz langsam und mit Bedacht schleiche ich vorwärts. Wenigstens hat der Regen aufgehört. Schließlich ein Schild: 1,3 Km bis Roncesvalles! Meine Unterkunft mit heißer Dusche wartet schon. Es ist fast 17:00 Uhr. Ich bin da, saudreckig und pitschnass, aber glücklich.
24,3 Kilometer liegen hinter mir. Ich habe zwar deutliche Schmerzen in den Beinen, bin aber nicht bewegungsunfähig. Ein Schlafsaal mit reduzierten Möglichkeiten in vielerlei Hinsicht wäre heute übrigens nicht für mich in Frage gekommen. Mein Gesamtzustand lässt das nicht zu. Wirklich nicht.
Kurztrip nach Aurizberri - Erfahrungsbericht Jakobsweg Camino Francés
Ich lasse die Herde der Peregrinos ziehen. Erstaunlich viele Radfahrer sind dabei. Wir haben sechs Grad, sehr frisch. Aber die Sonne scheint.
Die Kilometerangabe täuscht, die gilt für Autofahrer. Ich habe „nur“ noch 703 Kilometer vor mir. Die Nacht war gut, Bett und Ausstattung hervorragend, Abendessen und Frühstück solide, „La Posada“ ist zu empfehlen. Heute wird die Strecke deutlich kürzer ausfallen, nur knapp sieben Kilometer. Ich möchte wissen, was mein Körper zu den Anstrengungen von gestern sagt.
Der linke Hacken drückt etwas. Das war gestern schon so. Aber bei dem Horrorwetter hatte ich das glatt vergessen. Heute Morgen war deshalb eine Sonderbehandlung mit einer speziellen Blasenvorsorgecreme angesagt. Ich versuche, den linken Fuß sorgfältig aufzusetzen. Wird schon, nur nicht Bange machen lassen. Der Weg ist eben und trocken, trotzdem setze ich die Stöcke ein. Irgendwie bin ich schon entsprechend konditioniert. Es tut mir gut. Der Buchenwald um mich herum ist anheimelnd. Ab und zu gehen rechts Pfade ab. Die sehen vielleicht aus! Ich bin dankbar, dass diese Schneisen nicht mein Camino sind.
30 Minuten später, es ist halb zehn, habe ich den Wald verlassen und laufe durch Felder, Wiesen und Auen. Ich freue mich einfach nur tierisch über das Wetter. Der Herrscher über Blitz und Donner hat aber auch einiges gut zu machen.
Es ist aber nicht so, dass mir Wasser und Schlamm erspart bleiben. Der Weg ist noch gekennzeichnet durch den gestrigen Regen. Ab und zu kreuzt sogar ein ausgewachsener Bach meinen Pfad. Gut, dass hier kleine Steinbrücken über das Wasser führen. Sonst wäre es schwierig.
Meine Stimmung wird immer besser. So sollte der Camino sein. Einige Pilgernachzügler überholen mich. Zusätzlich zum „Buen Camino“ streckt mir jemand die gefalteten Hände als Gruß entgegen. Na klar. Der Camino ist ein christliches Ereignis. Ich nicke leicht mit dem Kopf und murmele „Gracias“. An einem interessant aussehenden Brunnen könnte ich Wasser auffüllen, muss ich heute aber nicht. Der Weg ist ja kurz.
Der Name Iturrizar könnte auf die baskische Wohltäterin aus Bilbao hinweisen, die im 19. Jahrhundert lebte und im Baskenland sehr verehrt wird. Ich gehe weiter. Es ist halb zwölf und ich bin schon da, in Aurizberri. Das ging schnell. Meine Unterkunft heute ist das Rural Basque Irati in der Straße San Bartolome. Ich stehe vor der Hausnummer und wundere mich.
Das ist die Hausnummer 62, ohne Zweifel. Ich schaue in der Reservierung nach. Aha! Wer Zahlen lesen kann, ist klar im Vorteil. Es ist die Nummer 82. Da die Zahlen in dieser Richtung kleiner werden, heißt es kehrt, marsch, ein Stück zurück. Und siehe da, ich habe es gefunden.
Obwohl ich viel zu früh da bin, bekomme ich den Schlüssel. Auch diese freundliche Dame spricht mich auf Englisch an. Das will ich aber nicht. Außerdem kann ich inzwischen besser Spanisch als Englisch. Sofort wechselt sie und freut sich offensichtlich, dass ein Tourist bereit ist, die heimische Sprache zu sprechen.
16 Kilometer nach Zubiri - Erfahrungsbericht Jakobsweg Camino Francés
Käseomelette, eine in Öl geröstete Weißbrotscheibe, zwei Scheiben Käse, Croissant, frischgepresster Orangensaft mit Kiwi- und Bananenstücken sowie Café con leche, da kann ich nicht meckern, ganz im Gegenteil. Das Frühstück gibt mir Schwung. Das ist auch notwendig. Sechs Grad, neblig und es tröpfelt so vor sich hin. Ich verabschiede mich von der überaus freundlichen Rezeptionistin. Pilar hat 25 Jahre lang im Posada, meiner gestrigen Unterkunft, gearbeitet. Aber hier ist sie glücklicher, sagt sie.
Es ist neun Uhr, ich will losgehen. Nach dem Anziehen der Handschuhe merke ich: die Stöcker fehlen. Noch einmal zurück ins Zimmer. Dann aber. Nach der Richtung brauche ich mich nicht umzuschauen. Ich muss mich nur einreihen in die Schlange der Pilger. Es geht zunächst bergauf, obwohl es nach Zubiri grundsätzlich nach unten geht. Je nach Leistungsfähigkeit zieht sich das Volk auseinander. Ich kann locker an einigen vorbeimarschieren.
Meinen linken Hacken habe ich heute gleich mit einem Blasenpflaster präpariert, damit da gar nichts anbrennt. Ich merke auch nichts. Kurz vor Biskaretta-Gerendiain muss ich einen Bach überqueren. Die Brücke besteht aus Betonpfosten, die das Queren erleichtern sollen. Na, schauen wir mal.
Im angekündigten Örtchen gibt es einen Shop, speziell für Pilger. Ich habe alles und brauche nichts. Es interessieren mich aber einige ältere Gebäude, die ich mir mal genauer ansehe. Teilweise sehr zerfallen. Obwohl … einmal richtig durchfegen und die sind wie neu.
Auf dem Weg nach Lintzoain komme ich an einem Gedenkstein für verstorbene Pilger vorbei. Von weitem sieht das wie ein Haufen für Riesenameisen aus. Ich bleibe stehen und gehe für einen Augenblick in mich. Dann lege ich auch einen Stein dazu.
Ich bin im Flow. Gibt es eigentlich auch einen Wanderer-High wie so ein Runners-High? Keine Ahnung. Ich merke von den widrigen Wetterbedingungen jedenfalls nichts mehr. Sie sind mir egal. Was hier übrigens für Typen rumlaufen, ist schon spannend. Eine Frau überholt mich zügig und trägt nur ein kurzärmliges T-Shirt und Shorts. Und ich? Shirt, Fleece-Pullover, Regenjacke! Der Mann mit dem Regenschirm ist aber auch Klasse.
Der Wald ist voller abartig schöner Kunstwerke. Was die Natur so formt, ist überwältigend. Ich bin tief berührt und kann mich gar nicht satt sehen. Immer wieder bleibe ich stehen. Dieser mit Moos überzogene Baum sieht doch wie ein offenstehender, schreiender Mund aus, oder?
Am Rastplatz bei Erro steht ein Foodtruck. Ich trinke einen Café con leche und esse ein Sandwich mit Käse. Der Truck an sich ist nicht so spannend, aber ein Korb, der davor steht. Er nennt sich „Korb der Wunder“ und man soll seine Unterwäsche da lassen, damit die Magie funktioniert. Ich sehe vor allen Dingen Büstenhalter. Welche Magie?
Ich lasse nichts da, natürlich nicht. Das Wenige, was ich an Kleidung dabeihabe, brauche ich auch. Die letzten vier Kilometer sind angesagt, zwölf der heutigen 16 habe ich somit geschafft. Und es ist noch nicht mal Highnoon. Irre!
Körperlich bin ich gut drauf, geistig auch. Der Weg aber nicht. Er ist felsig, uneben, steil und einfach schlecht. Gut, dass es nicht mehr regnet. Ich will nicht wissen, wie man hier runterkommen will, wenn es glatt ist. Das sagen sich die Radfahrer bestimmt auch. Obwohl die schon so genug Schwierigkeiten haben; da braucht es gar nicht zu regnen.
Es sind noch einmal Konzentration und Trittsicherheit gefragt. Keinen Sturz bitte in Sichtweite des Ziels. Ich schaffe es unverletzt bis zur mittelalterlichen Brücke von Zubiri.
Und wie ich hier noch ein Bett bekommen habe, das erzähle ich euch morgen.
Sonnenweg nach Pamplona - Erfahrungsbericht Jakobsweg Camino Francés
Gestern Abend war es noch richtig lustig. In der Albergue Suseia saßen beim Essen ein Pärchen aus Down Under, ein Mexikaner, sieben US-Amerikaner und ich zusammen. Tischsprache war natürlich Englisch. Ich habe höchstens die Hälfte verstanden. Aber das tat der Stimmung keinen Abbruch. Sara kredenzte uns ein fünf Gänge-Menü vom Allerbesten. Dazu Rotwein aus der Region und herrlich frisches Baguette.
Soweit, so gut. Aber eine Unterkunft hier in Zubiri zu finden, war überhaupt nicht selbstverständlich. Booking.com hatte gleich signalisiert: „Vergiss es, nichts mehr frei!“ Bei Google Maps sind ja grundsätzlich alle Unterkünfte verzeichnet. Und so habe ich sie alle kontaktiert. Auf die ersten drei Mails gab’s schnelle Antwort: negativ. Die Telefonate waren ähnlich erfolglos: Entweder ging keiner ran oder der Anrufbeantworter textete mich zu, ohne Rückruf natürlich. Auf die nächsten drei Mails wurde gar nicht reagiert. Und dann passierte es. Die gar nicht verflixte siebente Mail wurde von Sara beantwortet, die schrieb, dass etwas frei wäre und ich sollte mich auf der Website anmelden. Im Handumdrehen erledigt, ich war glücklich. Sara schrieb, sie hätte meine Reservierung (!) vervollständigt und alles wäre schön. Denkste! In den späten Abendstunden schrieb Sara erneut: „Du hast aber Glück, es hat gerade jemand abgesagt, du hast das Zimmer!“ Hä?? Merke: Reservierung ist nicht gleich Buchung, nicht wahr!
Heute erwartet mich ein sonniger Tag. Es sind zwar frische sechs Grad, es sollen aber 19 werden. Neun Uhr, ich gehe los und bin wie immer ziemlich dick angezogen. Über die Arga-Brücke von Zubiri, der Wunderkräfte gegen die Tollwut zugeschrieben werden, gehe ich zum Camino zurück, den ich gestern hier verlassen habe. Der Stadtname ist übrigens baskisch und bedeutet „Ort an der Brücke“.
Hinter der Brücke rechts hoch und am Feld entlang. Eigentlich sollte es hier deutlich trockener sein, so wie oben auf der Straße. Und warum jetzt doch nicht? Das Universum gibt mir keine Antwort und schickt mir stattdessen diese wacklig aussehende Überquerung.
Gemeistert, weiter geht´s. Rechts von mir türmen sich Abraumhalden eines Magnesit-Werkes in die Höhe. Hässlich steht das Teil unübersehbar in der Gegend herumt. Nicht schön. Etwas später sehe ich links einen Bauernhof mit zwei hübschen Pferden davor. Na, die wollen doch bestimmt ein Selfie mit mir machen. Der Schimmel spielt mit, der Braune verpfeift sich.
Meine Beine sind okay, auch jetzt, wo es wieder bergauf geht. Es ist absurd. Wir sind auf rund 500 Meter und Pamplona liegt auf 460 Meter. Da muss es doch nicht ständig hoch und runter gehen. Und runter heißt manchmal: Abenteuer! So zum Beispiel diese reizende Holzbohlentreppe. Ich fasse es nicht.
Ohne Blessuren erreiche ich den Grund. Der Weg ist jetzt fest und steinig und mündet in einen schmalen Wald, der auf beiden Seiten von saftigen Wiesen begleitet wird. Es ist kitschig, ich weiß.
Es ist ruhig. Ich bin allein. Alle Pilger scheinen schon weg zu sein. Ich höre einen Hahn krähen und Vogelgezwitscher. Dazu das Tik-Tok meiner Wanderstöcke. Na, wo bleibt der Flow? Zu früh, sagt mein Kopf. In Gedanken versunken übersehe ich fast den giftgrünen Salamander. Er freut sich wie ich über die Sonne.
Es ist Mittag und Zeit für eine Pause. Vom Frühstück habe ich mir etwas mitgenommen, das ich vertilge. Ich ziehe meine dicken Sachen aus. Wir haben nunmehr 14 Grad im Schatten, das sind in der Sonne bestimmt um die 20.
Zehn Kilometer habe ich von den rund 24 bis zu meinem Hotel in Pamplona geschafft. Hinter mir liegen unter anderem die Dörfer Larrasoaña und Zurain. Vor mir gibt es keine Ortschaften mehr, nur Straße und Natur. Für meinen Geschmack zu viel Verkehr, eindeutig. An einer Stelle unterquere ich die Landstraße. Der Tunnel sieht cool aus. Und eine Frau vor mir ist das I-Tüpfelchen im Gegenlicht des Ausgangs. Danke!
Es geht auf Kilometer 17 zu und ich merke meine linke Wade. Die hatte schon heute Morgen aufgemuckt. Sie bekam Dehnung und Massage. Ich trete behutsamer auf. Aber was solls! Auf den Körper hören, ist richtig. Aber den Malessen zu viel Raum geben, ist falsch. Einfach weitergehen. Schritt für Schritt. Der Pfad führt jetzt zwischen den Wiesen auf und ab und lässt fantastische Blicke ins Tal und auch noch weiter zu.
So langsam reicht´s, ich bin ziemlich fertig. Es sind 20 Grad. Vor allen Dingen deswegen. Ich bin kurz vor Pamplona, im Ort Arre. Kilometer 19. Vor mir liegt wieder eine mittelalterliche Brücke. Ich gehe rüber. Dahinter gibt es ein Wehr, das man von der Brücke gut sehen kann und ordentlich etwas hermacht.
Von nun gehen alle Vororte von Pamplona ineinander über. Nur noch Stadtstraßen. Das macht die Sache nicht leichter. Ich kann nicht mehr und mache Pause. Zehn Minuten, 20 Minuten. Ich muss aufstehen! Und ich muss weitergehen. Gefühlte Stunden später sehe ich in Rufweite das Franzosentor. Das ist nicht mehr viel. Weiter! Meine Stöcker sehen mit Sicherheit albern aus, aber sie helfen. Ich bin durch das Tor und drehe mich um. Wow, was für ein Anblick!
In Pamplona muss ich noch abwechselnd dreimal rechts und dreimal links gehen, dann bin ich an meinem Hotel und checke ein.
Ich verabschiede mich nun für zwei bis drei Tage. Ich muss mich erholen. Unbedingt. Hasta pronto!
Erholt nach Obanos - Erfahrungsbericht Jakobsweg Camino Francés
Die drei Tage in Pamplona waren sehr erholsam. Ich habe mich auch ein wenig umgeschaut in der überschaubar kleinen Altstadt und versucht, beim Fotografieren den etwas anderen Blick anzuwenden. Übrigens sind mir das Jagen der Stiere und das Töten zuwider!
Bei meiner Tour gab es bisher mehr Regen als Sonne. Auch heute. Aber Regen macht manchmal Dinge besonders sehenswert, die bei schönem Wetter belanglos wären.
Auch dieses Gebäude, bewacht von einem Polizisten, der für´s Foto extra beiseite geht, macht im Regen eine gute Figur. Es ist übrigens das Rathaus, wie mir der Ordnungshüter verrät.
Absurde Situation. Vor der Catedral de Santa María la Real spielt ein Typ auf einem Dudelsack schottische Volkslieder und ein deutscher Pilger (ich) steht im ach so sonnigen Spanien schon wieder im Regen. Ich gebe ihm ein Trinkgeld, er will aber trotzdem nicht auf´s Foto. Sein gutes Recht. Also fotografiere ich die Kirche. Am besten gefallen mir die mächtigen Säulen am Haupteingang.
Und falls jemand noch wissen will, wie man „Buen Camino“ in anderen Sprachen dieser Welt sagt, hier bitte nachlesen:
Es ist wie immer neun Uhr. Nur noch 665 Kilometer, geht ja. Das Wetter ist gut, sieben Grad und Sonnenschein. Ich verlasse auf Schusters Rappen Pamplona und passiere Cizur Menor. Heute sollen es gut 22 Kilometer werden mit der Herausforderung des Anstieges auf den Alto del Perdón (765 m). Das Wandern scheint mal wieder so eine Massenveranstaltung zu werden; eigentlich könnten wir uns alle an den Händen fassen. Macht aber keiner. Vor dem Dorf Zariquiegui gibt es Wasser, eine Toilette, Steinbänke und eine reizvolle Aussicht.
Das Foto hat Juan aus Kolumbien gemacht, der inzwischen in Madrid lebt und mit seiner Frau den Camino Francés macht. Sie sind genauso begeistert wie ich. Ich ziehe weiter. Am Wegesrand faszinieren mich ein ums andere Mal die von Pilgerhand geformten Steinkunstwerke. Wenn ich hier auch nur den kleinsten Kiesel noch draufmachenden würde, wäre alles perdu. Ich kann mich beherrschen. Aber gerade so.
Die Route verläuft nun merklich bergauf. Elf Kilometer sind geschafft. Es geht gut voran. Auch heute. Der Aufstieg ist weniger schlimm als gedacht. Vor mir liegt nun schon die Passhöhe des Alto de Perdón. Es ist der Berg der Läuterung. Ich fühle mich umfassend geläutert, da wird sich bei mir nichts verändern. Aber ein Foto mit dem Pilgermonument ist Pflicht.
Dieses Kunstwerk soll Pilger aus verschiedenen Jahrhunderten darstellen. Gut gelungen, finde ich. Eigentlich will ich hier Pause machen, aber der Wind bläst dermaßen unangenehm über die Bergkuppe, dass mir ein Picknick unter diesen Umständen kein Spaß macht. Ich werfe noch einen Blick auf das Mahnmal zu Ehren der Toten, die nach einem gescheiterten Coup auf das Franco-Regime hingerichtet wurden. Es sieht ein wenig wie Stonehenge in klein aus.
Von nun an geht´s bergab und zwar recht heftig. Bis jetzt war der heutige Camino mehr so pillepalle, aber rund 1,3 Kilometer nur Geröll und grobe Steinstufen, das ist eine echte Herausforderung. Was hat sich die Natur nur dabei gedacht? Etwas komfortabler könnte es doch sein, bitteschön.
Von weitem sehe ich einen großen Steinbruch, dort liegt Tiebas auf dem aragonischen Pilgerweg, der sich mit dem navarrischen, auf dem ich gerade wandere, in Orbanos vereint. Kurz vor Uterga mache ich Pause. Eine kleine Bank bietet mir ein gutes Plätzchen. 17 Kilometer liegen hinter mir, es ist zwei Uhr, immer noch nicht besonders warm, aber sonnig. Mir geht´s supergut.
Ich unterquere eine Landstraße und laufe parallel, aber glücklicherweise doch ein ganzes Stück vom Verkehr entfernt, durch wellenförmige Landschaften. Und plötzlich stellt sich mir ein Grashüpfer hübscher Größe in den Weg und bittet um ein Foto. Kann er haben.
Hinter Muruzábal sind es nur noch zwei Kilometer bis zum Ziel. Ganz leichten Schritts gehe ich auf Obanos zu. Die Glocke schlägt vier Uhr, ich bin da, im Casa Raichu. Ich checke ein. Duschen und relaxen ist jetzt angesagt.
Überraschung in Estella - Erfahrungsbericht Jakobsweg Camino Francés
Kai aus Magdeburg ist ein angenehmer Gesprächspartner beim Frühstück. Er ist Wanderer aus Passion, dem auch 35 Kilometer am Stück nichts ausmachen. Wir plauschen intensiv und lassen uns das Frühstück schmecken. Gegen halb neun verabschieden wir uns mit einem „Buen Camino“.
Die Kirchenglocke schlägt zweimal, es ist halb zehn, ich bin unterwegs, 25 Kilometer liegen vor mir. Das Wetter hat neun Grad, regnerisch, ich habe wieder alles an. Los geht´s. Der erste Ort ist die Puente de la Reina. Was für ein Name, die Brücke der Königin!
Über die Brücke gelange ich entlang des Rio Arga auf einen Schotterweg, der mich nach Mañeru führen soll. Besonders viele andere Pilger sind nicht mit mir unterwegs; die sind wohl schon alle weg. Stört mich aber überhaupt nicht, im Gegenteil.
Es ist einigermaßen rutschig. Ich trete vorsichtig auf, einen erneuten Sturz wie auf dem Weg nach Roncevalles möchte ich vermeiden. Schließlich bin ich unten. Der Pfad wird zur Sandstraße. Links von mir beginnen nun Felder mit Raps und davor Weinstöcke.
Das ist wieder so hübsch anzusehen, dass es ausgesprochen kitschig wirkt. Der Regen hat aufgehört. Kräftig schreite ich aus. Die nächste Stadt liegt vor mir. In Cirauqui laufe ich durch die steilen Gassen und erfreue mich an den alten Häusern.
Kaum habe ich die verwinkelte Altstadt verlassen, treffe ich auf eine mehr als 2.000 Jahre alte Römerstraße, die auf eine kaum zehn Jahre alte Landstraße trifft. Welcher Zustand ist besser? Na?
Begleitet von hügeligen Wein- und Olivenplantagen gehe ich den Berg hinab; diesmal trocken ohne Rutschgefahr. Kaum zwei Kilometer weiter winkt der ideale Rastplatz für mich: das Paradies.
Es ist ein Ort von Pilgern für Pilger. Es gibt Obst, Brot, Olivenöl, Wasser und Sitzplätze. Bezahlt wird nur als Spende. Der Stand sieht aber zugegebenermaßen ziemlich wacklig aus.
Kaum habe ich abgeschnallt, kommt Victoria aus dem Hain runter und fragt mich nach meinem Begehr. Auch sie ist wieder begeistert, dass ich lieber Spanisch als Englisch reden will. Sie erklärt mir das ganze System der Kooperative und ist total übersprudelnd. Ich verstehe nicht unbedingt alles; sie spricht etwas zu schnell.
Es ist schon kurz vor zwei und ich habe noch 13 Kilometer vor mir. Doch es hetzt mich ja niemand. Das ist das Schöne, wenn man nicht spätestens um vier in den Herbergen sein muss, um noch ein Bett zu bekommen. Denn ich habe vorgebucht! Vor Lorca wandere ich auf einem mit grünen Zweigen übertunnelten Weg und freue mich einfach nur, hier sein zu dürfen.
Schließlich bin ich da. Am Ortseingang von Estella gibt es die Iglesia del Santo Sepulcro. Ich wähle sie aus, um die Bewältigung der 25 Kilometer innerlich, mit Stolz geschwelter Brust, zu zeigen.
Ich suche den Weg zu meiner über booking com gebuchten Unterkunft. Das sind noch einmal anderthalb Kilometer mehr. Ich gehe auf dem Zahnfleisch. Und dann passiert das Unfassbare. Erstens öffnet keiner auf mein Klingeln an der Tür. Und zweitens sagt der Typ in der Bar, die zur Pension gehört, dass er keine Buchung vorliegen hat. Ich bin platt, im doppelten Sinne. Nicht nur platt, ich bin entsetzt. Es ist halb sechs, da gibt es woanders nichts mehr! Der Typ stellt mir zur Beruhigung ein Bier vor die Nase. Immerhin, nette Geste.
Zur Entschuldigung des Typen muss ich sagen, dass er genauso sauer ist wie ich. Er wettert auf booking com, was das Zeug hält. Er telefoniert wie ein Weltmeister. Immer wieder und wieder. Und er findet eine Lösung. Zwei Straßen weiter komme ich circa eine Stunde später in einer anderen Pension unter. Noch mal Glück gehabt.
Es wird warm nach Los Arcos - Erfahrungsbericht Jakobsweg Camino Francés
Der Weg biegt nach links in den Wald ab. Geradeaus wäre einfacher, kürzer und langweiliger, heißt es. Und der Waldpfad ist der klassische Camino. Na denn, ab nach links.
Ich bin seit ungefähr einer Stunde auf dem Trail. Elf Grad, bewölkt, kein Regen. Von den gut 24 Kilometern des Tages habe ich schon fünf geschafft. Das getauschte Hotelzimmer war recht gut, nur sehr hell, da mein Fenster genau in Höhe der Straßenlaterne war. Aber mit der Schlafmaske ging es.
Im Wald gibt es immer noch riesige Pfützen; Schlamm und Moder lassen mich irgendwie nicht los.
Obwohl ich im Wald bin, wird es wärmer. Und ich durstiger. Da hilft es doch ungemein, wenn rechts in deinem Gesichtsfeld ein Schlauch bammelt, der ständig ruft: „Trink mich, trink mich!“
Es ist Wasser aus der Leitung mit einem Tütchen Elektrolyte-Pulver. Schmeckt. Ich wandere so vor mich hin und meditiere. Der Camino verläuft hier rund zwei Kilometer durch den Wald und öffnet sich dann plötzlich zu einer Lichtung mit Talblick. Der Blick ist wolkenverhangen und nicht sehr spektakulär. Aber der Aussichtspunkt an sich ist Klasse.
Normalerweise würde das ja unter illegale Müllentsorgung fallen, aber in diesem Fall finde ich die Idee einfach brillant. Der Wald hinter mir verschwindet gänzlich und macht bunten Wiesen Platz. Das duftet sehr intensiv und sieht auch sehr fein aus. Lauter Blüten in weiß, gelb, violett und rot säumen den Wegesrand.
Ich erreiche Luquin. Eine Pause wäre jetzt nicht das Schlechteste. Ich habe Durst und Hunger. Es ist kurz vor zwölf. In einer Straße mit meinen Namen stehen Stühle vor einer geschlossenen Herberge. Die Glocken der Basilca de la Virgen rufen die Gläubigen zum Gebet und scheinen mich aufzufordern, mich niederzulassen.
Ich lasse mir viel Zeit. Wie schon einmal erwähnt, scheitert der Ausdauersportler nicht an der Strecke, sondern am Tempo. Nach 30 Minuten schnalle ich alles wieder an. Neben dem Fleece-Pullover, der schon lange im Rucksack ist, kommt jetzt auch die Jacke dazu. Es ist zu warm. Schneckengleich mache ich mich wieder auf den Weg.
Und es wird noch wärmer, 21 Grad. Damit hat das Wetter den Wohlfühlbereich für Wanderer eindeutig verlassen. Mir fällt auf, dass die Markierungen, also die gelben Muscheln, seltener werden. Und der Weg wächst immer mehr zu. Ist das noch der Camino?
Ich zweifle und zwar stark. Doch, siehe da, nach rund 500 Metern endet dieser Pfad auf einem breiten Schotterweg. Ich schaue auf der Karte nach und lese, dass dies so eine Art Nebencamino war. Es gibt hier offensichtlich mehrere Wege, die aber alle richtig sind. Interessant. Auf der linken Seite begleitet mich nun ein Feld mit Weinstöcken. Die exakte Anordnung hat einen geradezu hypnotischen Effekt.
Fast drei Uhr, bis Los Arcos sind es noch fünf Kilometer. Die Sonne schafft mich. Eine weitere Unterbrechung wäre vortrefflich. Vor mir laufen zwei Frauen, die offensichtlich die gleiche Idee haben. Ein Rastplatz mit mehreren Steinbänken bietet sich an. Es ist nur noch eine frei. Die eine Dame stellt ihren Rucksack an die rechte Seite der Bank und setzt sich links daneben, also quasi fast in die Mitte. Das andere Fräulein macht das Gleiche links. Haben die ´ne Macke? Und wo soll ich sitzen? Na wartet! Ich umrunde die Bank, sie hat keine Lehne, und stelle meinen Rucksack von hinten links neben mir und die Stöcke rechts neben mir und lass mich auf das kleine, noch freie Stückchen Bank fallen. Beide schenken mir jetzt ihre volle Aufmerksamkeit. Ich lächle, texte sie auf Spanisch zu und hole meinen letzten Schokoriegel aus dem Vorratsbeutel.
Letztlich geht alles friedlich aus. Wir smalltalken auf Englisch. Die rechte ist aus Dänemark, die Linke aus Holland. Zum Abschied bekomme ich sogar noch ein Stück Schokolade. „Adiós, Chicas“, töne ich und marschiere weiter.
Mein Körper spielt gut mit. Die Anstrengungen von gestern sind nicht besonders zu merken. Ich erreiche das Ortsschild von Los Arcos. Gleich links gibt es einen kleinen Bauernhof mit Hühnern, Gänsen, Hunden, Katzen und Ziegen.
Nun muss ich noch zu meinem Hotel, das außerhalb der Stadt liegt. Es sind nochmals fast zwei Kilometer extra. Na, man gönnt sich ja sonst nichts. Ich gehe durch die ganze City und passiere wieder ein Ortsschild, diesmal das Ende. Gegen vier Uhr bin ich aber dann doch da, checke ein und bin auf dem Zimmer. Geschafft!War ja auch nicht bei booking com gebucht.
Auf und Ab nach Viana - Erfahrungsbericht Jakobsweg Camino Francés
Sieben Kilometer liegen hinter mir, es ist halb zehn, Zeit für eine Pause. In Sansol gibt es einen kleinen Laden, dem ich eine Tasse Kaffee und ein Croissant abkaufe. Im Gegensatz zu gestern Abend, als mir die Bedienung auf meine spanischen Bestellungen immer englische Antworten gab, ist hier die Konversation in der Landessprache einwandfrei, auch wenn ich mal mit den Händen nachhelfen muss.
30 Minuten später schnalle ich wieder an und gehe los. Eine Mietze, die mich an unsere Katze Ilea zu Hause erinnert, schickt mir noch ein „Adiós“ hinterher. Wie süß!
Kurioserweise liegt der nächste Ort nur 800 Meter entfernt, aber bergab. Von hier oben kann man gut einen Turm von Torres del Río erkennen.
Wer runter geht, muss auch wieder hoch. Die Gassen sind steil. In der Mitte der Stadt steht eine kleine Kirche. Ich schaue hinein. An einem Tischchen sitzt Carmen und sieht mich erwartungsvoll an. Der Eintritt kostet einen Euro. Na gut, denke ich mir. Dafür ist es aber sehr dunkel hier drin. Doch das ändert sich, als Carmen das Geld in der Kasse versenkt hat, sie schaltet Licht an. Ich bitte sie um ein Foto von mir. Und gerade als die Kamera klick machen will, überkommt mich das Gefühl, das Knie beugen zu wollen. Es passt irgendwie.
Diese Kirche, Iglesia de Santa Sepulcro, heißt so, weil sie Anfang des 13. Jahrhunderts den Rittern des Heiligen Grabes gehört haben soll, daher der Name. Man lernt ja nie aus, schon gar nicht, wenn man eine Reise tut. Ich verabschiede mich von Carmen und verlasse die Stadt.
Rund eine Stunde später und fünf Kilometer weiter, passiere ich wieder einmal eine Gedenkstätte für verstorbene Pilger. Das sind erstaunlich viele. In diesem Fall gilt das Gedenken Joseph Lastort, 18. Januar 2022, und seiner Frau Rita, 30. Juni 2022. Das ist noch nicht lange her.
Es berührt mich. Ich habe vor, gesund und unbeschadet wieder zu Hause anzukommen. Also, immer schön aufmerksam sein, nicht wahr? An einem Rastplatz hinter einer Weinplantage ruhe ich mich aus und esse den Apfel, den ich in dem kleinen Shop in Sansol gekauft habe.
Beim Start heute Morgen war es elf Grad warm, jetzt ist es kälter, nur noch neun Grad. Außerdem weht ein gewisses Lüftchen. Mir ist kalt, ich ziehe den Fleecepullover wieder an. Ab geht´s, Endspurt. Bis zum Tagesziel Viana sind es noch 3,8 Kilometer, sagt ein Schild. Und es geht nochmals ziemlich steil bergauf. Ich wende wieder die bewährte rhythmische Stocktechnik mit synchronisierter Atemfrequenz an: Einatmen, Tik-Tok, Ausatmen, Tik-Tok. Funktioniert. Ich bin schneller oben als gedacht. Und hier steht als Belohnung eine Rarität aus alter Zeit, die Reste einer Schutzhütte für Pilger.
Der Rest ist öde, es geht an der Landstraße entlang. Und der Fußgängerbereich ist nicht besonders breit, nicht ungefährlich. Eine dreiviertel Stunde später bin ich in Viana und freue mich richtig albern.
Mein Hotel ist das Palacio de Pujadas, etwas Gehobenes. Ich denke, das habe ich mir verdient. Die Buchung war erfolgreich (!), ich habe sie direkt beim Hotel vorgenommen. Mein Zimmer ist super, das ganze Ambiente in diesem alten Haus ist grandios. Ich freue mich auf heute Abend, wenn ich hier ein Menü bestellen werde.
Langeweile nach Navarrete - Erfahrungsbericht Jakobsweg Camino Francés
Gestern Abend bei herrlichstem Sonnenschein war ich noch bei den Ruinen der Iglesia de San Pedro. Von dort oben hatte ich einen fantastischen Blick ins Tal und auf die Berge.
Und der Park ist auch geradezu fürstlich angelegt und mit den Ruinen kombiniert. Dieser kleine Ort scheint ein Geheimtipp zu sein.
Mit dem nächsten Etappenziel weiche ich von der traditionellen Einteilung ab. Aus zwei Strecken, die zusammen mehr als 60 Kilometer ausmachen, habe ich drei kürzere gemacht! Gestern waren es 20 und heute sollen es 22 werden. Ich schlendere durch die Gassen, denke nochmal an das ausgezeichnete Hotel. Diese alten Häuser sind beeindruckend und wenn man darin auch noch übernachten kann, perfekt! Überhaupt hat mir Viana sehr gut gefallen. Ich nähere mich der Stadtgrenze. In einem Fenster werde ich nett mit einem Pilgerzeichen verabschiedet.
Es sind neun Grad und der Himmel ist bedeckt. Nach einer Stunde muss ich feststellen, dass der Weg nach Logroño langweilig ist. Das Interessanteste ist ein von Pilgern kunstvoll geformter Pfeil aus Steinen. Wenn man genau hinschaut, sieht man, dass Rosa auch schon da war.
Aber ich muss doch nur Schritt für Schritt machen, wie immer, mehr ist nicht notwendig. Aber es nervt. Nichts passiert. Meine Stimmung sinkt. Besonders die letzten drei Kilometer bis zum Río Ebro sind erbärmlich öde. Endlich bin ich in Logroño. Bevor ich Pause mache, gehe ich in die Concatedral de Santa María de la Redonda, deren Ursprünge auf den hier langgehenden Jakobsweg zurückzuführen sind. Vielleicht hebt das meine Laune.
Eine fast 20 Meter hohes Mittelschiff, das ist gigantisch. Viele Pilger gehen durch die Reihen. Ich setzte mich für einen Augenblick. Schließlich verlasse ich das imposante Bauwerk und suche mir einen Platz im Café Picasso am Plaza San Bartolomé und mache Pause. Es ist elf Uhr, zehn Kilometer liegen hinter mir, noch zwölf vor mir. Ich versuche mich in Autosuggestion. Es hilft ein wenig. Nach einer halben Stunde raffe ich mich auf und gehe weiter. Den Camino im Gewirr dieser ziemlich großen Stadt zu finden, ist gar nicht so einfach. Aber sehr ansprechend gestaltet sind die Zeichen.
An der Stadtgrenze führt der Camino durch einen prächtig angelegten Park. Und ich höre jede Menge Vögel zwitschern. Na geht doch, liebes Universum.
Nach dem Park folgt so eine Art Jogging- und Skaterstrecke, die mit rötlichem Sand bedeckt ist. Rechts daneben gibt es eine Betonweg. Beide sind nicht besonders gut zum Wandern geeignet. Aber bald folgt wieder mehr grün. Es ist der Parque de la Grajera y la Barranca. Außer Grill- und Rastplätzen gibt es auch einen See und Enten.
Ich gehe über eine Brücke und sehe einen Typen, der die Fische füttert, denke ich.
Aber nein. Der Typ filmt die Fische, die denken, er wird sie gleich füttern. Wir kommen ins Gespräch. Joachim kommt aus der Gegend von Frankfurt am Main und ist mit seiner Ausrüstung autark. Er hat Zelt, Isomatte, Schlafsack dabei und erzählt, dass er schon einmal richtig eingeregnet ist. Sonst schläft er aber auch in aus Stein gebauten Unterkünften. Er zieht allein weiter, ich mache meine letzte Pause vor Navarrete.
Gut 20 Kilometer sind geschafft, das Ziel ist nicht mehr weit. Mental geht es mir wieder besser und körperlich sind kaum unerwünschte Dinge zu spüren. Es ist immer noch nicht besonders warm, zwölf Grad sind es. Bei meinen Recherchen zum Camino habe ich übrigens nirgendwo gelesen, dass im April und Mai das Wetter hier in Navarra derartig unbeständig und schlecht ist.
Camino-Umweg nach Hormilla - Erfahrungsbericht Jakobsweg Camino Francés
Im Frühstücksraum ist nicht viel los. Außer mir sitzen da noch ein älteres Pärchen und zwei junge Frauen, wobei eine von den beiden nur ein kurzärmliges T-Shirt und Shorts trägt. Es ist kalt. Nicht nur draußen, es sind acht Grad, auch hier drinnen herrschen keine tropischen Temperaturen. Na vielleicht kommt sie aus Grönland oder so, da laufen sie ja ab null Grad immer so rum, habe ich gehört. Ich beende mein Frühstück, gehe auf´s Zimmer, mache mich fertig und bin gegen neun wieder auf dem Camino.
Ich folge den Wegmarkierungen, die mich entlang der Altstadt zur Landstraße hinausführen. Nach ungefähr 500 Metern komme ich an der Kirche Ermita de Santa María de Jesús vorbei, deren kleiner Glockenturm malerisch zwischen den beschnittenen Bäumen hervorschaut.
Kurz vor Ventosa treffe ich Joachim von gestern wieder. Ich freue mich, er sich offensichtlich auch.
Wir beginnen sofort loszuquatschen. Er erzählt mir die abenteuerlichsten Sachen. So hatte er sich in den Pyrenäen im Nebel verlaufen und war erst nachts um zwei Uhr in Roncevalles angekommen. Durch glückliche Umstände bekam er dann doch ein Zimmer. Wir reden und reden und schwups liegen zwölf Kilometer hinter uns. Zeit für eine Mittagspause.
Nach einer halben Stunde schnallen wir wieder an und gehen los. Als ich wie gewohnt kräftig die Wanderstöcke in den Boden knalle, liegt plötzlich der untere Teil des rechten Stockes am Boden. Der nun nutzlose Griff baumelt an meiner Hand. „Ist wohl durchgebrochen“, kommentiert Joachim trocken. Da hat er verdammt noch mal recht. Wir verabschieden uns, da die Reparatur dauern wird. Joachim versichert mir noch, dass er ein Video von uns beiden veröffentlichen wird, hier ist es: https://youtu.be/oiVSJQfH0tw. Ich fummle und schiebe das abgebrochene Rohr oben einfach tiefer in die Aufnahme und siehe da, es hält. Trotzdem starte ich etwas vorsichtiger. Aber nichts knirscht, nichts bricht. Also weiter im Takt und egal was passiert, einfach nicht mit dem Laufen aufhören.
Fünf Kilometer vor Nájera muss ich den Camino verlassen, da ich in diesem Ort kein freies Bett mehr bekommen habe. Das liegt auch an der Tatsache, dass er End- und Anfangspunkt der traditionellen Etappen ist. Bis zum Ausweichdorf Hormilla sind es jetzt noch 5,7 Kilometer. Ich laufe auf der Landstraße. Die Autos brausen ziemlich schnell an mir vorbei. Auf einer Brücke vibriert der Boden dermaßen stark, wenn die LKW´s drüberwegdonnern, dass ich mich ernsthaft frage, was ich hier eigentlich mache.
Ich hätte nämlich auch durch Nájera gehen können und erst danach in Richtung Hormilla. Aber das wäre ein deutlich längerer Umweg gewesen. An einer Werkstattausfahrt reduziere ich mein Outfit weiter. Es ist warm geworden, 19 Grad und die Sonne scheint. Ein Mann fragt mich, ob ich Wasser oder etwas zu essen brauche. Ich muss wohl so aussehen. Das Wasser nehme ich dankend an. Ich frage ihn noch, ob es erlaubt ist, hier auf der Straße zu laufen. Er meint, klar, kein Problem. Na dann. Ich schnalle wieder an, noch drei Kilometer.
Es ist ein Vorgeschmack auf noch kommende Touren unter wärmeren Bedingungen. Da bin ich mir sicher. Es zieht sich. Endlich biege ich in Hormilla ein und schaue auf Google Maps nach, wo meine Unterkunft liegt. Ist ja klar, die steilste Gasse dieses Ortes ist mein Weg zum Ziel. Schließlich bin ich da.
Auf Klingeln und Klopfen öffnet niemand. Nicht schon wieder, denke ich. Ich rufe die angegebene Telefonnummer an. Nach wenigen Sekunden geht jemand ran. Ich solle fünf Minuten warten, dann sei er da. Schön, dann warten wir mal. Er kommt tatsächlich ziemlich schnell und gibt mir den Haustürschlüssel. Dieses Teil stammt mit Sicherheit von einem Burgverlies und nicht von einem Hostel.
Aber das Zimmer ist einwandfrei, das Bad sauber und ordentlich und der Vermieter nett. Mehr will ich auch nicht.
Im Sonnenschein nach Santo Domingo de la Calzada - Erfahrungsbericht Jakobsweg Camino Francés
Vor dem Abmarsch kommt die Pflege. Mit Fußwohl werden alle Teile des Fußes geschmeidig gehalten. Vaseline bekommen beide großen Zehen richtig fett aufgetragen, damit die erst gar nicht auf dumme Gedanken kommen. Bepanthol ist für eventuell doch schon stark gereizte Stellen. Mit Cifandol massiere ich die Waden, das ist ein leichtes Schmerzgel, vorsorglich. Und der linke Hacken darf sich über ein Blasenpflaster freuen, auch prophylaktisch. Der Sonnenschutz ist dann noch für´s Gesicht. Fertig.
Ich trete vor die Tür, acht Grad, Sonnenschein, kein Wind, ich habe wieder alles an, mir ist kalt. Aber es sieht hervorragend aus, hier draußen, mit der Sonne zwischen den Wänden der Gasse.
Da ich etwas vom Camino wegen mangelnder Zimmerangebote abgekommen bin, führt mich der Weg zunächst zurück auf den rechten Pfad über das Örtchen Azofra. Hier gibt es leckeren Café con Leche und einen Sello, einen Stempel, in meinen Credencial, meinen Pilgerpass. Der Wirt sagt, ich soll selbst stempeln. Sí, claro.
Ich lasse es wieder langsam angehen. Außerdem ist mir inzwischen zu warm. Ich ziehe alles bis auf das Shirt aus. Das Thermometer ist zwar nur auf zehn Grad angestiegen, aber die Sonne knallt bei blauem Himmel volle Kanne auf den Schädel. Und da ich schon mal an dieser Santiago-Säule bin, mache ich gleich mal Pause.
Bei sonnigem Wetter ist die Natur einfach um das Vielfache so schön. Die grünen Blätter an dem Weinstöcken sehen doch herzallerliebst aus, oder? Und das alles vor den blauen Bergen der Sierra Rioja Alta. Zum Niederknien.
Auf den nächsten vier Kilometern lege ich ungefähr 150 Höhenmeter zurück. Das ist nicht so viel, aber es geht ständig bergauf. Ich muss mich ziemlich anstrengen. Die Weinplantagen werden nun überwiegend von Getreidefeldern abgelöst. Auch nicht schlecht.
Der Stern brennt mir noch ein Loch in die Mütze. Meine Herren! Dabei ist das noch gar nicht besonders warm. Keine 14 Grad. Ich schwitze wie Sau.
Ich nähere mich der Mittagspause, es ist knapp vor zwölf. Ein Rastplatz unter Bäumen mit Bänken und Wasserstelle fordert mich mit Vehemenz auf anzuhalten. Gerne doch. Als ich fast fertig bin, frage ich die Dame links neben mir, ob sie mich fotografieren kann. Georgina aus Italien kommt meiner Bitte offensichtlich gerne nach.
Ich bedanke mich artig und lobe die gelungene Ausführung. „Na bei so einem schönen Mann, das ist einfach“, säuselt sie auf Spanisch. Äh, also, ich bin verwirrt, flirtet die mit mir? Sie ist bestimmt deutlich über siebzig. Ich gebe das Kompliment aber gerne zurück. Georgina packt ihren Rucksack und verschwindet. „Buen Camino“, höre ich sie flüstern. Sachen gibt es! Es sind noch zwölf Kilometer; ich mache mich auch auf die Socken.
Gut zwei Kilometer vor Santo Domingo de la Calzada ist die Stadt bereits gut zu erkennen. Der Weg verläuft jetzt durch das vorgelagerte Industriegebiet; es ist wenig ansehnlich. Aber es hilft nichts, da muss ich dran vorbei. Endlich bin ich da, es ist kurz nach drei. Der imposante Turm der Kathedrale zieht sofort meinen Blick auf sich.
Bevor ich mein Apartment aufsuche, gehe ich in die Kirche, um sie mir genauer anzusehen. Für Pilger kostet es nur fünf statt neun Euro Eintritt und ich kann meinen Rucksack und die Stöcke in einen Schrank packen. Drinnen fühle ich mich unmittelbar erschlagen von der unglaublichen Architektur des Gotteshauses.
Seht euch doch mal diese Decke an. Es ist nicht zu fassen, wie man so etwas bauen kann. Und das vor so langer Zeit. Unglaublich.
Ich könnte hier noch stundenlang weiter schwärmen und Fotos ohne Ende präsentieren. Die Kirche und die angrenzenden Räume sind voller Altäre, Figuren, Schmuck, Bilder, Gottesdienstutensilien. Aber ich belasse es bei einem letzten Detail eines steinernen Sarkophags.
Nach gut einer Stunde bin ich wieder draußen und laufe zu meinem Apartment. Es ist quasi eine Ferienwohnung mit Komplettausstattung. Brauche ich zwar nicht, es gab aber nichts Anderes mehr.
Hungrig nach Quintanilla del Monte - Erfahrungsbericht Jakobsweg Camino Francés
Wo finde ich eine Unterkunft? Es wird immer schwieriger. Heute muss ich schon wieder vom Camino Francés abweichen. Quintanilla del Monte liegt etwa 1,3 Kilometer nördlich des Weges. Aber ich nehme es mit Humor, es hilft ja nichts. Es ist wie fast immer neun Uhr, ich verlasse die Ferienwohnung. Es sind schon elf Grad, es sollen noch 26 werden und der Himmel schaut leicht angebläut durch die beschnittenen Äste der hier häufig vorkommenden ahornblättrigen Platane mit den weißen Stämmen.
Ich gehe Richtung Camino und passiere ein Kunstwerk, bei dem ich mich schon gestern Abend gefragt habe, was will es mir sagen? Es ist bizarr, aber es hat was, oder?
Es dauert nicht lang und ich muss meinen Fleecepullover und die Jacke ausziehen. Und da ich schon mal gestoppt habe, werfe ich gleich mal einen Blick in die Gegend und stelle fest, dass die Kombination schwarzes Kreuz, blauer Himmel, Bank und noch kaum belaubter Baum sehr nett arrangiert ist.
Ich hatte kein Frühstück heute Morgen, weil es nichts gab. Das merke ich jetzt. Mir ist etwas flau. Es ist fast elf. Wäre ausgesprochen reizend, wenn ich etwas zu Happern fände. Und siehe da, in Grañon steht ein Imbisswagen. Ich stelle mich an. Ein Asiate bestellt ein Bier, ein Anderer hat eine Hose als Sonnenschutz für den Nacken unter der Mütze und ein weiterer Mann diskutiert mit der Bedienung, ich weiß nicht vorüber und ich warte. Doch dann habe ich mein spätes Frühstück und bin glücklich.
Nach der Nahrungsaufnahme sitze ich noch lange, recht komfortabel und in luftiger Atmosphäre, unter den Bäumen und suche auf dem Handy nach Unterkünften. Ohne Erfolg. Es ist zwölf und ich muss weiter. Ich habe heute nur 17 Kilometer vor mir, das ist eigentlich ein Klacks, aber die Wärme macht aus der einfachen Wanderung eine Herausforderung. Ich überschreite die Provinzgrenze von La Rioja nach Castilla y Léon. Wäre da nicht dieses riesige Schild, ich hätte es natürlich nicht bemerkt.
Es sind jetzt nur noch sieben Kilometer, aber es ist irgendwie sehr belastend. Ich schleppe mich so dahin. Ich trinke viel, aber trotzdem fühle ich mich nicht so gut.
In Redecilla del Camino mache ich Halt und schaue mir dieses Pilgerdenkmal genauer an. Ich will mich etwas ablenken. Ich finde, dass hat der Künstler gut hinbekommen. Und es ist noch ziemlich neu, aus dem Jahr 2022.
Vor mir liegt nun die andere Strecke, die vom Camino wegführt. Dieser Umweg ist nicht wirklich ein Problem, würde er nicht wieder auf der Landstraße lang gehen.
Bei Villamayor del Río führt mein Weg von der Landstraße weg hinauf in das kleine Dorf, in der meine Unterkunft liegt. Das ist nicht mehr weit. Es ist halb vier. Und mir geht es besser. Auch weil das Ziel vor der Nase liegt. Ich biege um die letzte Kurve und stehe vor einem mächtigen Glockenturm. Da kann das Dorf noch so klein sein, für eine Kirche geben sie alles. Sieht aber auch cool aus, das Teil, muss ich schon sagen.
Ding-Dong ist nicht, die Tür hat nur einen Klopfer. Ich klopfe also und warte. Das war ein harter Tag. Unerwartet, hätte ich nicht gedacht. Aber meine Herberge sieht Klasse aus. Wieder ein schönes altes Haus. Ich bin glücklich. Auch weil mir geöffnet wird.
Trödelig nach Villambistia - Erfahrungsbericht Jakobsweg Camino Francés
Gestern beim Abendessen saß ich an einem Vierertisch. Mir zur Linken ein fast achtzigjähriger Exilkubaner, der seit Jahrzehnten sein Geld als Psychologe in Florida verdient, mir gegenüber ein mittelalter Franzose, der in Paris lebt, und zur Rechten die recht betagte Mutter des Franzosen aus Lyon. Die Unterhaltung wurde überwiegend in Englisch geführt, wobei der Franzose seiner Mutter immer übersetzen musste. Mir fielen oftmals Worte auf Englisch nicht ein, ich sprach dann mit dem Kubaner Spanisch, worauf der auf Englisch antwortete, damit der Franzose es verstehen und seiner Mutter übersetzen konnte. Claro? Es war lustig, sehr spaßig, total witzig! Ich muss immer noch den Kopf schütteln! Wackelnden Hauptes gehe ich jetzt los. Es erwartet mich nur eine kurze Etappe von 14 Kilometern! Wir haben schon 15 Grad, es ist halb zehn. Ich bin lockerer angezogen als sonst!
Die Señora hat mir beim Abschied einen anderen Weg gezeigt, als ich gegangen wäre. Ich soll hinter den Häusern an der Wiese entlang bis zum nächsten Hügel gehen und dann rechts. Ich zweifle etwas und bin leicht verwirrt. Ich muss ja zum Camino zurück, den ich gestern verlassen habe. Die losen Enden der verschiedenen Möglichkeiten bammeln von meinem geistigen Auge. Google Maps muss her. Der virtuelle Helfer zeigt deutlich nach rechts durch die Felder. Ich schaue hoch und versuche in der Ferne etwas Bekanntes von gestern zu entdecken. Wird schon stimmen. Na dann, ab geht´s.
Alles richtig gemacht, ich bin wieder auf dem Camino Francés und spät dran und deshalb fast allein. Omm… Omm… ich versuche in den meditativen Fluss zu gelangen. Die Autos auf der nicht weit entfernten Landstraße stören etwas. Aber das ist nicht so wild. Viel schlimmer sind die eigenen Gedanken. Ständig rasen sie wie verrückt durch den Schädel. Es gelingt mir nur schwer, eine innere Ruhe zu finden. Ich richte den Blick nach unten auf den Sandweg. Omm… Omm…
Jetzt bin ich so gut drin, dass ich fast diese sehr ansprechend aussehend Pausenmöglichkeit übersehen hätte. Ein Restaurant mit wehenden Fahnen und einigem Schnickschnack, unter anderem einen Pool. Aber alles ordentlich hergerichtet. Gefällt mir. Sieht gut aus.
Ich bin zwar erst rund eine Stunde unterwegs, aber wie mein Bruder sagen würde: „Heute machen wir mal einen ruhigen Tag!“ Richtig so. Ich bestelle Café con leche, bekomme schon mal einen Stempel des Dorfes Belorado, das vor mir liegt, und mache es mir bequem.
Trödeli und trödelum, ich habe alle Zeit der Welt. Aber es ist inzwischen halb zwölf und irgendwann sollte ich auch weitergehen. Ich erhebe mich mühsam. Nicht dass mir etwas weh tun, nein. Aber so lange rumzusitzen, schadet der Beweglichkeit. Ich schlendere durch den Ort und bewundere die interessant gemachten Markierungen zwischen den Steinen.
Auch die Kirche hier in Belorado ist sehenswert. Immer getreu dem Motto: Ist das Dorf auch noch so klein, ein Gotteshaus muss sein. Ja, warum denn auch nicht.
Ich passiere eine Wegmarkierung. 554, 6 Kilometer noch bis Santiago de Compostela. Das heißt, ich habe schon rund 230 geschafft. Na, da bin ich doch mal stolz auf mich.
Ich knalle die Stöcke wieder in den hart getrockneten Sandweg. Der hat so komische kleine Hügel. Das ist bei Regen bestimmt alles Moder und Schlamm. Plötzlich höre ich von rechts: „Hola, hombre, qué tal?“ Ein recht alt aussehender Mann, der gerade aufgehört hat seinen kleinen Acker zu pflügen, schaut mich erwartungsvoll an. Ich stoppe.
Er stellt sich mir vor. Bernabé Honoré de Galacia, glaube ich verstanden zu haben. Klingt mehr Französisch als Spanisch. Ich sage ihm auch meinen Namen und wir reden einen kurzen Augenblick. Ich spüre es wieder: die Menschen freuen sich, wenn man sich Mühe gibt, ihre Sprache zu sprechen. „Buen Camino, amigo“, gibt er mir noch mit auf den Weg. Das sind Augenblicke, die glücklich machen. Ich bin kurz vor dem Ziel. Meine Unterkunft heißt „Haus der Wünsche“. Es ist wohl mehr ein Haus der wilden Feste. Die Wirtin sagt mir, dass sie gestern ihren 40. Geburtstag gefeiert hat. So sieht es hier auch aus. Egal. Ich beglückwünsche sie nachträglich. Zur Begrüßung gibt es ein Bier auf´s Haus. Nicht schlecht.
Ich habe ein Bett in einem Dreier-Zimmer, noch sind die anderen frei. Hoffentlich bleibt das so. Es ist aber erst kurz nach drei. Die Gefahr, dass noch andere kommen, ist folglich nicht so klein.
Abseits vom Camino nach Monasterio de Rodilla - Erfahrungsbericht Jakobsweg Camino Francés
Da bin ich die Nacht doch tatsächlich in meinem Zimmer alleine geblieben. Das ist ja wirklich eine Ausnahme, wie ich an dem allgemeinen Bettenmangel merke: Heute wird es ein aufregender Sonntagsspaß. Anstatt von Villambistia nach San Juan de Ortega zu pilgern, muss ich einen Umweg über Monasterio de Rodilla machen. Denn genau dort gab es das einzige noch freie Bett im Umkreis von 30 Kilometern. Ich habe alles versucht, auch mit der „Buen Camino“ App. Die ist beim Suchen und Finden von Unterkünften grundsätzlich sehr hilfreich, aber wenn alle bedauernd verneinen, muss man nach weiter weg ausweichen.
Ich habe 24 Kilometer vor mir, ohne Camino-Markierungen am Wegesrand. Das macht mir ein bisschen Sorge. Es ist halb neun und der blaue Himmel täuscht über die Temperatur, es sind nur zehn Grad. Trotzdem wähle ich heute mal gleich das kurzärmlige T-Shirt.
Man sieht es mir vielleicht an, dass ich etwas unsicher bin. Egal, was muss, das muss. Das Tik-Tok der Stöcke beruhigt mich. Einfach einen Schritt nach dem anderen. Ganz einfach. Für vier Kilometer bleibe ich noch auf dem Camino, dann geht es hinter der Ruine der Eremita de San Felices rechts ab.
Nach der Legende soll in dieser Steinhütte der Gründer der Stadt Burgos begraben sein. Wieder etwas gelernt. Ich entferne mich vom Camino. Das seltsame Gefühl ist wieder da. „Selbst gewähltes Schicksal“, flüstert mir das Universum ins Ohr. Stimmt nur bedingt. Eine richtige Wahl hatte ich nicht. Der Weg begrüßt mich aber mit viel Grün rechts und links und führt dann auch noch durch ein kleines Wäldchen. Die innere Ruhe kehrt zurück.
Die Kilometer purzeln nur so vor sich hin. Ich bin schon bei acht. Der Sandweg mündet nun auf eine geteerte Straße. Das läuft sich zwar nicht so gut und ist auch nicht ganz ungefährlich, bietet aber die Chance im Notfall eher Hilfe zu bekommen.
Vor mir liegt das Dorf Villanasur Río de Oca. Ich gehe links. Auf der rechten Seite kommt mir ein Mann entgegen, der mich seltsam ansieht. Auf Spanisch sagt er: „Der Camino liegt aber weit hinter dir, du bist falsch.“ Ich erkläre ihm die näheren Umstände meiner Laufrichtung. Er nickt und wir kommen ins Gespräch. Schließlich verabschiede ich mich von Julian, der sich wohl über den unerwarteten Plausch am Sonntagvormittag gefreut hat.
Mittlerweile ist es elf Uhr, ich habe zehn Kilometer geschafft. Es ist Zeit für eine Pause. Da bietet sich doch ein Platz mit diesem Namen geradezu an.
Mental bin ich wieder vollständig im Reinen mit mir, körperlich gibt es keine Beschwerden. Was will ich mehr? Nichts, außer vielleicht einen Schluck Wasser aus dem Brunnen.
Kaum bin ich wieder auf dem Trail, quatscht mich schon wieder jemand an. Es ist Jaime auf einem Fahrrad aus dem nächsten Örtchen. Das gleiche Spiel: Er zweifelt meine gewählte Route an und ich erkläre.
Nach 15 Kilometern muss ich nach links ins Feld. Es geht bergauf. Die Sonne brennt. Wir haben 20 Grad. Das wird noch lustig. Da bin ich sicher. Es ist eine halbe Stunde vergangen, ich stehe an einer Gabelung. Google Maps kennt die nicht. Gehe ich nun nach rechts oder links?
Da es links bergab geht und rechts nicht, teste ich zunächst den ebenen rechten Weg, ob der blaue Orientierungspfeil auf der Route bleibt. Nein, macht er nicht. Ich wähle also den linken. Einige Meter weiter ist klar, ich bin richtig. Ich komme an die Nationalstraße 1, die recht stark befahren ist, auch am Sonntag. Google will mich doch ernsthaft wieder auf den Asphalt schicken. Mache ich nicht mit. Ich weigere mich. Was zeigt denn Komoot an? Danach soll ich links abgehend durch die Felder laufen. Könnte ich machen. Bedeutet aber rund drei Kilometer mehr. Mache ich trotzdem.
Das zieht sich mächtig. Ich suche eine Abkürzung. Wieder ein Blick auf die Karte. An der nächsten Einmündung würde mich Komoot nach links schicken, nach rechts ginge es über die Nationalstraße, über die Bahngleise und über die Autobahn in eine kleine Ansiedlung. Okay, ich wähle diese Variante. Am ersten Kreisverkehr, den ich überqueren müsste, mache ich eine Pause in so einer Art Regenschutzhäuschen, aber ohne Bank. Ich sitze auf dem Boden. Es gibt Schlimmeres.
Ich suche die Schokoriegel. Erst als ich den ganzen Rucksack ausgeräumt habe, finde ich sie in der Außentasche. Schön blöd. Das ist jetzt mehr so Trinkschokolade, schmeckt dennoch richtig gut. Die Länge der Strecke und die Wärme nehmen mich doch ganz schön mit, stelle ich fest. Und das ganze Rumgelaschte durch die Felder hat entfernungstechnisch gar nichts gebracht. Vor dem Schritt auf die Landstraße waren es noch knapp acht Kilometer und jetzt sind es noch sieben. Na toll. Ich rappele mich hoch, quere die diversen Infrastrukturwege und gelange in das Dorf Quintanavides. Eine Kneipe ruft: „Komm doch rein, hier gibt es leckere Sachen!“ Ich lass mich nicht lange bitten. Fast alle Tische sind besetzt. Und alle Köpfe drehen sich zu mir um. Pilger kommen hier wohl nicht so oft rein. Ich trinke Café con leche und lausche den Gesprächen der Sonntagsgäste.
Beim Abschied rufen alle wie im Chor: „Buen Camino!“ Sind die nett hier, irre! Draußen knallt sofort der Stern wieder auf meine Mütze. Es reicht so langsam. Aber, es nützt ja nichts. Also, Rhythmus aufnehmen. Und einige Schritte weiter sehe ich auch wieder ein vertrautes Caminoschild. Das muss eine der Nebenrouten sein. Interessant. Es sind noch drei Kilometer. Dann ist es halb vier, ich bin da. Durch die Umwege sind es fast 30 Kilometer geworden und das merke ich. Ich bin total alle. Richtig alle.
Einsam nach Burgos - Erfahrungsbericht Jakobsweg Camino Francés
Google Maps will mich wieder als Auto verkleidet auf die stark befahrende Landstraße schicken. Ein wenig einfallslos sind die aber doch. Deshalb entscheide ich mich für Madame Komoot, obwohl die mich gestern einigermaßen enttäuscht hat. Ich überquere die Straße, stehe im Grünen und bin überrascht. Der Camino ist wieder da!
Ich denke nochmals darüber nach, wieso der Ort eigentlich „Kloster des Knies“ heißt. Wahrscheinlich haben die damals an den Berg gedacht, auf dem das Monasterio lag. Der heißt nämlich „Anhöhe des Knies“. Mit ein bisschen Fantasie kann ich mir ein Knie vorstellen, auf dem die Ruinen des ehemaligen Klosters stehen.
In meiner Unterkunft gab es kein Frühstück, ich bin also wieder ohne los. Im ersten Laden im Ort kaufe ich mir Kekse und einen Apfel für die Mittagspause. Frühstück gibt es hier aber auch nicht. Egal, wird schon. Ich bin guter Dinge und schreite kräftig aus. Es sollen 28 Kilometer werden, trödeln wäre da unangebracht. Doch, als ich die Kirche Ermita de Nuestra Señora del Valle passiere, muss ich anhalten. Die liegt so anmutig in einer Gartenlandschaft, dass ich einen Augenblick verweile.
„Hoch, du fauler Sack!“, motiviere ich mich und wandere weiter. Es geht ziemlich steil bergan. Oben komme ich auf einem sehr kargen Hügel heraus, über den kräftig der Wind fegt. Unangenehm.
Ein gewisses Gefühl der Einsamkeit macht sich breit. Kein Mensch, kein Tier, kein nichts. Diese Route ist fordernd, nicht nur körperlich. Der Wind pfeift wie verrückt. Ich überlege, ob ich den Pullover anziehen soll. Meine Laune sinkt. Da freue ich mich doch riesig, als ich plötzlich wieder ein Caminozeichen sehe. Ich dachte schon, ich hätte die Tour verlassen. Aber es ist nicht der Francés, das ist klar. Der liegt weit weg von hier.
Es geht ständig ein Stück hoch und dann wieder runter und wieder hoch. Nach einer Weile weichen die kargen Wiesen und Sandhügel einem Waldstück. Ich trete ein und bin sofort gefangen von der Atmosphäre. Bäume können so cool aussehen.
Mein Magen hängt mir irgendwo in den Kniekehlen. Ein Café, ein Restaurant oder ein Hotel wären nicht schlecht. Ich schaue auf die Karte. Nicht allzu weit weg ist die Autobahn. Ich würde auch auf einer Tankstelle etwas essen, wäre mir egal. Ich steige aus den Höhen hinab. Und tatsächlich, es gibt ein Motel mit Restauration. Meine Rettung!
Es schmeckt. Das Omelett ist ziemlich groß, der Kaffee kräftig und die Bedienung nett. Ein Trucker erkennt mich als Pilger und wir quatschen. Doch ich darf nicht so lange verweilen, es ist schon fast elf. Die Anhöhe muss wieder bestiegen werden. Der Wind bläst immer noch kräftig. Das scheint hier oft so zu sein, denn nicht umsonst stehen dutzende Windräder in der Gegend rum. Was die für ein Krach machen, wenn man direkt darunter steht.
Irgendwann lasse ich den Windpark hinter mir und komme wieder in einen Wald. Nach rund dreißig Minuten sind die Bäume Geschichte und ich bin erneut zwischen den Feldern. Madame Komoot schickt mich nun nach links auf einen Weg, der gerade keiner mehr ist. Hier werden neue Gasleitungen verlegt. Und wie soll ich das jetzt machen? Häh?
Ich taste mich vorsichtig am Rand entlang und kann dann seitlich ausweichen. Die Überraschungen nehmen kein Ende. Aber dafür kann Komoot nun wirklich nichts. Einige Ecken weiter sind die Wege wieder normal. Ein Schild erregt meine Aufmerksamkeit.
Das ist der „Camino de los Romanos“. Diese Straße verläuft vom Gipfel von La Brújula bis zur verlassenen Granja de la Mijaradas in Richtung der Stadt Hurones. Ich laufe also auf einer mehr als 2.000 Jahre alten Straße, wie schon einmal vor ein paar Tagen. Das ist spannend. Meine Stimmung hat sich wieder deutlich aufgehellt und ich komme gut voran. Ich nähere mich den 50 % der heutigen Etappe, also 14 Kilometern. Doch plötzlich muss ich stark in die Bremsen treten. Vor mir liegt etwas, das ist keine Pfütze mehr, sondern ein Binnensee.
Glücklicherweise sind hier schon einmal andere entlang gegangen. Es gibt einen Umweg durchs Gras, niedergetreten und einigermaßen passierbar. Ich bin immer noch völlig allein und spreche ab und zu mit mir selbst. So habe ich zum Beispiel mit mir abgesprochen, dass ich eine Pause mache, wenn die Reststrecke unter zehn Kilometer gefallen ist. Bei 10,7 steht eine Bank aus Stein. Na gut, sage ich mir, mit dieser kleinen Ungenauigkeit kann ich leben.
„Sein oder nicht sein, das ist hier die Frage“, sage ich zu meinem Apfel. Ich spiele Hamlet. Rumblödeln hilft bei Einsamkeit. Nach wie vor, außer mir kein Mensch oder Tier in der Gegend. Die Pause dauert bis kurz nach zwei. Ich ziehe weiter. Um vier erreiche ich die Vororte von Burgos. Meine Beine schmerzen, der Wind weht immer noch heftig und alles geht mir auf den Geist. Ich muss mich setzen.
Ein Blick auf die Karte zeigt mir, dass die Adresse meines Hotels von der Innenstadt von Burgos noch einmal rund zwei Kilometer entfernt ist. Die Entfernungsangabe bei Komoot bezieht sich auf das Zentrum. Ich muss also die Strecke zum Hotel dazuzählen. Lästig und demotivierend. Ich sitze und leide. Es hilft mir aber keiner. Das kann nur ich selbst. Also hoch. Ich schlappe durch die Straßen und sehe ein altes Gebäude zwischen den vielen neuen Häusern. Es ist eine Polizeiwache!
Ich denke ein wenig an meinen alten Job bei der Polizei und lasse meine Gedanken schweifen. Das hilft. Kurz vor der Straße mit meinem Hotel treffe ich noch auf diese beiden Musikanten. Auch sie helfen ein wenig.
Am Ende ist alles gut. Gegen fünf checke ich ein und bin glücklich. Gut 30 Kilometer liegen hinter mir. Und das zwei Tage hintereinander. Alle Achtung! Ich bin auch ein wenig stolz.
Ich mache jetzt für zwei oder drei Tage Pause. Hasta luego.
Kurze Strecke nach Tardajos - Erfahrungsbericht Jakobsweg Camino Francés
Ich will nicht wieder weg aus Burgos. So eine schöne Stadt. Gestern bin ich noch einmal durch die Straßen geschlendert und habe alles auf mich wirken lassen. Es ist einfach herrlich, unter den Bäumen auf dem Paseo de la Audiencia entlang des Río Arlanzón zu gehen.
Natürlich besuche ich die Kathedrale. Oberhalb der Plaza de Santa Maria ist der Anblick besonders beeindruckend.
Das Außergewöhnliche dieser Kirche ist, dass es keinen großen und im Ganzen erfassbaren Innenraum gibt, sondern dass alles in verschiedene Kapellen unterteilt ist. Gleich zu Anfang gehe ich in die „Capella de la Visitación“. Sie stammt aus dem Jahr 1440.
Insgesamt gibt es 19 Kapellen und Kostbarkeiten, wohin das Auge auch blickt. So viele Details, die man überhaupt nicht erfassen kann. Das ist in der Kathedrale überall so. Wer hier Inventur machen muss, hat den Kopf voll. Ich bleibe mehr als eine Stunde in diesem Gebäude, das beredtes Zeugnis menschlicher Kreativität ist, in jeder Hinsicht. Zum Schluss genieße ich noch das Kunstwerk der goldenen Treppe: „Escalera Dorada“. Sie gleicht interessanter Weise den Höhenunterschied von acht Metern zwischen äußerem Straßenniveau und dem Kirchenboden an dieser Seite der Kathedrale aus.
Zurück im Park neben dem Río Arlanzón bewundere ich den kleinen Tempel der Musik, in dem sonntags Bands spielen und drumherum sich Paare zum Tanz einfinden. Ich schließe die Augen und höre die Musik und sehe das Gewusel der Leute. Mir gefällt diese Vorstellung sehr. Das muss ich mit meiner Frau mal nachholen. Unbedingt.
Ich verabschiede mich aus Burgos mit dem Bild von „El Cid Campeador“, dem Helden und idealen Kavalier des spanischen Mittelalters. Das scheint ein geiler Typ gewesen zu sein. Mit dem könnte ich mich identifizieren, wirklich!
„Vorn spielt die Musik“, hat der Lehrer immer gesagt und vorn heißt für mich: Wandern auf dem Camino Francés. Die drei Tage Burgos waren erfrischend, doch jetzt ist wieder Kilometer fressen angesagt. Doch ich beginne behutsam, auch weil ich von den offiziellen Etappen abweichen will. Daher werden es nur zehn mal 1.000 Meter oder ungefähr 14.000 Schritte.
Es ist kalt. Nachts waren es drei Grad, jetzt sind es sechs. Der Frühling flirtet mehr mit dem Winter als mit dem Sommer. Nach drei Kilometern bin ich wieder auf dem Camino Francés. Und es sind nur noch gut 500 Kilometer bis zum Ziel. Das ist doch wohl zu schaffen, oder?
Die Strecke ist öde. Der Camino schlängelt sich unter der Bahntrasse, über die Autobahn, unter der Landstraße und wieder unter der Autobahn durch. Langsam reicht´s aber mit den Straßen. Eine letzte liegt vor mir. Sie ist gesperrt von Typen der Firma „Shimano“, die diverse Fahrradkomponenten herstellt. Ich frage, ob ich passieren darf. Ja, aber ich solle mich beeilen. Gleich kämen die Radfahrer. Spannend. Ich warte und schieße dann ein Foto vom Rennfahrerpulk. Das ist cool.
Ein Stück weiter überquere ich den Río Arlanzón, der auch durch Burgos fließt. Der führt ganz schön viel Wasser. Kein Wunder, es regnet ja auch dauernd.
Hinter der nächsten Biegung bin ich auch schon in Tardajos. Diese Stadt liegt am Fuße des Hügels, auf der einst das römische Feldlager Deobrigula lag. Eine super gut gemachte Wandmalerei verweist auf den historischen Zusammenhang.
Nach 300 weiteren Metern bin ich bei der Unterkunft „La Fábrica“. Sie steht wie ein riesiger Steinklotz mitten auf der Wiese. Alles sieht sehr rustikal aus. Aber nicht schlecht, eher gemütlich.
Der Empfang ist herzlich, die Buchung hat funktioniert, nur mein Zimmer ist noch nicht fertig. Das ist ja auch logisch, es ist erst halb eins. Über den Schmerz des Wartens hilft ein Cerveza sehr gut drüber weg. Ich teste mal das mit Limón. Schmeckt.
Lange Etappe nach Castrojeriz - Erfahrungsbericht Jakobsweg Camino Francés
Heute wird es wieder eine lange Etappe, rund 32 Kilometer am Stück. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass ich weiterhin von den offiziellen Einteilungen des Camino abweichen will. Es ist neun Uhr. Ich wollte eigentlich früher los, aber es gab erst ab viertel nach acht Frühstück.
Es ist kalt, fünf Grad. Der Himmel ist bedeckt, kein Regen, kein Wind. Meine Unterkunft liegt ein paar Hundert Meter unterhalb des Camino. Diesen Umweg zurück spare ich mir und kürze über einige Feldwege ab. Ich bin wieder auf dem Camino und im Dorf Rabe de las Calzadas. Die Sonne kommt hervor. Und zwar nur, damit ich die Kirche des Ortes in voller Pracht genießen kann. Glaube ich.
Vor mir liegt die Art von Schotterweg, die ich schon oft beschritten habe. Ein alter Bekannter also. Ich versuche in den Tritt zu kommen. Nach einer halben Stunde etwa nähere ich mich einer Frau, die sich mehr dahinschleppt, als dass sie geht. Der linke Fuß knickt bei jedem Schritt ein wenig nach innen, sie humpelt. Und ihr Rucksack ist gigantisch. Ihr Kopftuch trägt sie in der Hand, obwohl es kalt ist. Ich überhole sie und entbiete den Caminogruß. Ihre Antwort ist kaum zu hören. Ich drehe meinen Kopf zu ihr. Sie lächelt. Tapfere Frau. Ich konzentriere mich wieder auf den Schotterweg. Es geht jetzt bergab und wenn ich da stolpere, hilft nur noch die Textilbremse.
Ich bin in Hornillos del Camino. Ein hübsches Örtchen. Hinter mir liegen elf Kilometer, es ist halb zwölf. Mitten im Dorf gibt es ein recht großes Pilgercafé. Hier eine Pause zu machen, wäre grundsätzlich keine schlechte Idee. Es sind mir aber zu viele Pilger da. Wenn die alle von Burgos aus losgelaufen sind, dann haben sie jetzt 20 Kilometer auf dem Tacho, da verstehe ich den Pausenwunsch natürlich. Ich will nicht. Am Ortsausgang passiere ich eine Herberge mit total süß gemachter Fassade. Das gefällt mir.
Der Schotterweg ist weiterhin mein Begleiter. Rechts, links, etwas hoch, etwas runter, sanft schlängelt er sich durch das Tal. An einem Pilgergedenkstein halte ich kurz an und bitte auch für mich um einen weiterhin guten Camino.
Mittlerweile ist es kurz nach eins. Mein Magen knurrt, die Beine schmerzen. Eine Pause wäre jetzt nicht schlecht. Da kommt so ein Orientierungsstein gerade recht. Ich schnalle ab.
Die Sonne bleibt mal etwas länger zwischen den Wolken präsent. Sie wärmt mich beim Essen. Meine Mahlzeit ist nicht schlecht. Es sind die Reste vom Frühstück, zwei Schokoriegel und der Hamlet-Apfel.
Das Aufstehen nach einer Pause ist echt der Horror. Und bis ich wieder in Gang komme, das dauert. Der Himmel rechts vom Weg wird immer dunkler und links sieht es auch nicht besser aus. Der erste fette Tropfen trifft meine linke Hand. Dieses Wetter macht mich noch fertig. Aus dem Tropfen wird ein richtiger Dauerregen. Nach 20 Minuten klebt die nasse Hose wieder am Oberschenkel, die Jacke ist auch fast durch und meine Finger eiskalt. Ja, ich weiß, ich hätte den Regenponcho über- und die Handschuhe anziehen sollen. Habe ich aber nicht. Aus Faulheit und in der Hoffnung, dass es schon nicht so schlimm kommen wird. Aber das Wetter ist ja wechselhaft. Nach einer Stunde scheint wieder die Sonne, ich trockne langsam und vor mir liegt Hontanas.
Hier wollte ich eigentlich eine Unterkunft buchen. Hätte das geklappt, wäre ich mit meinem Tagewerk fertig. Ich lehne mich kurz mal an eine Mauer, um durchzuatmen und denke darüber nach.
Es geht aber weiter. 22 Kilometer liegen hinter mir, noch zehn vor mir. Es ist halb drei. Das Wetter ist jetzt durchgehend sonnig, aber frisch, nur zwölf Grad. Die Wege sind schmaler, dafür aber mit mehr Blumen geschmückt.
Endlich, endlich liegt Castrojeriz vor mir. Auf der rechten Seite der markante Turm der Kirche und links die Burg auf dem Berg. Blauer Himmel, weiße Wolken und die Sonne lacht. Die letzten Meter werden mir versüßt.
Bevor ich in der Herberge verschwinde, möchte ich noch in die Kirche. Morgen früh werde ich das nicht schaffen.
Es gibt eine Ausstellung mit verschiedenen Kunstwerken und Erklärungen zur Geschichte. Es kostet deshalb eine Euro Eintritt. Zahle ich gerne. Ich schaue mich in Ruhe um und bleibe ein paar Minuten vor dem prächtigen Altar stehen.
Eiskalt ist das hier drinnen. Ich mache, dass ich wieder nach draußen komme. Dort ist es warm, denn es scheint immer noch die Sonne. Ja, das gibt es auch mal. Ich freue mich, gehe rüber ins Hostel, checke ein und gehe auf´s Zimmer. Es ist fünf Uhr.
Über den Berg nach Boadilla del Camino - Erfahrungsbericht Jakobsweg Camino Francés
Es dauert fast eine halbe Stunde bis ich aus Castrojeriz raus bin. Die Stadt liegt wie ein Donut um den Berg mit der Burgruine herum. Das Erste, was ich dann sehe, sind ein paar Schuhe auf einem Orientierungsstein. Ich frage mich jedesmal, ob die ehemaligen Besitzer aufgegeben oder sich neue Schuhe gekauft oder diese einfach nur vergessen haben.
Es ist kalt, was sonst. Ich habe wieder alles an. Nur keine Handschuhe. Warum eigentlich nicht? Ich bin drauf und dran, sie aus dem Rucksack zu holen, da bricht die Sonne durch. Das betrachte ich mal als kleine Entscheidungshilfe. Am rechten Wegesrand leuchtet farbenbunter, wie man es sich kaum vorstellen kann, eine Blumenwiese.
Nördlich von mir sehe ich ein Gebirge, dessen kleiner Kamm vor unser aller Nase den Camino kreuzt. Was will ich damit sagen? Es geht bergauf und zwar stramm. Ich wende meine koordinierte Schritt-, Stock-, Atemtechnik an. Das Wichtigste dabei ist, keine Sauerstoffschuld zuzulassen. Und ich ziehe es durch, bis ich oben bin. Das dauert aber, bestimmt 20 Minuten. Am rechten Mützenrand seilt sich langsam ein Schweißtropfen ab. Egal. Wer anhält verliert. Endlich bin ich oben. Sieht gut aus.
Wer hochgeht, muss irgendwann auch wieder runter. Zunächst wandle ich auf dem Hochplateau rund eine halbe Stunde, bis der Weg wieder abwärtsführt. Bei dem Anblick fallen mir die ersten Worte der Serie „Raumschiff Enterprise“ ein: „Unendliche Weiten…“
Ich muss immer wieder die kleinen Kunstwerke aus Steinen bewundern, die man so am Wegesrand entdecken kann. So eines mit einem Bogen aus kleinen Steinen habe ich bisher noch nicht gesehen.
Die Stecke ist heute überschaubar, nur 20 Kilometer. Es ist fast zwölf, die Hälfte habe ich geschafft, warum also keine Pause machen?
Wieder loszulaufen, ist immer eine Qual. Aber es geht. Überhaupt spüre ich die Anstrengungen von gestern kaum. Ich glaube, ich bin inzwischen gut „eingelaufen“. Ich komme zur Ermita de San Nicolás. Von außen rein optisch eine Kirche, ist sie doch eine Mischung aus Herberge und kleinem Restaurant. Es handelt sich um eine alte Stiftung des Malteserordens. Sie liegt einladend direkt am Pilgerweg und scheint sehr beliebt zu sein.
Ich bin nicht hungrig und gehe weiter. Als ich mich mal umdrehe, fährt mir der Schreck in die Glieder. Die Sonne wärmt mich zwar gerade richtig nett, aber wenn diese bösen Wolken mich einholen, na dann gute Nacht, Marie!
Hole ich jetzt den Regenponcho aus dem Rucksack oder nicht? Immer die gleiche Leier. Ich kann mich nicht entscheiden. Ich lasse es, passiere die Puente Fitero und bewundere stattdessen das unglaublich grüne Wasser des Río Pisuerga.
Kurz vor dem Ort Itero de la Vega gibt es eine lustige Wandmalerei. Ich stelle mich zum Vergleich daneben. Na, wer sieht besser aus?
Immer geradeaus geht es nun bis zum Pass des Otero Largo. Die Steigung ist sanft. Das dunkle Wolkengebilde hat mich inzwischen links überholt. Ich laufe aber noch in der Sonne, kein Regen. Ich schicke ein Stoßgebet an den heiligen Jakob. Und tatsächlich, ich bin am Zielort eingetroffen und nicht nass geworden. Hurra!
Im Ort suche ich nun meine Unterkunft. Eine echte Pilgerherberge mit Zehnbettenschlafsaal. Es ist kurz vor vier. Die Besitzer sind Holländer. Die Kommunikation findet auf Deutsch statt. Es sieht alles sehr ordentlich aus. Ich bin zufrieden. Mal sehen, wie die Nacht wird. Ich rechne mit Allem, auch mit dem Schlimmsten. Was das sein könnte? Keine Ahnung!
Carrión de los Condes - Erfahrungsbericht Jakobsweg Camino Francés
Die Münsteraner Schnepfe hat nun endlich alle wachgehustet, dann kann ich ja auch aufstehen. Wird auch Zeit, bald gibt´s Frühstück. Die Nacht war gut. Der Engländer hat ein wenig schwer geatmet und die Braut aus Münster hat sich in den Schlaf geröchelt. Ob ich geschnarcht habe, weiß ich nicht. Es hat mich jedenfalls niemand angestoßen oder mit Socken beworfen. Gestern beim Abendessen hat sich mal wieder gezeigt, wie international der Camino ist. Eine Frau aus Down Under, eine aus Kanada, eine Holländerin, eine Deutsche, ein Südkoreaner, ein Pärchen aus Great Britain und ich, wir saßen zusammen am Tisch. Nur acht, zwei Betten blieben frei.
Ich bin unterwegs. Der Camino Francés führt mich entlang des Canals de Castilla, auf dem ich für zwei Euro auch mit einem Kahn nach Frómista, dem nächsten Ort, fahren könnte. Mach ich aber nicht, ich will wandern.
Mich überholt der Engländer von gestern Abend, allein ohne Frau. Seltsam, denke ich. Wo ist die denn? Mr. und Mrs. Smith, Geheimdienst, im Auftrag seiner Majestät? Was für ein Blödsinn mir beim Marschieren so durch den Kopf rauscht, nicht zu fassen. Aber komisch ist das, oder? Egal. Der Weg am Kanal endet nach rund anderthalb Kilometern an einer Schleuse, die ich mittels einer kleinen Metallbrücke quere. Die Konstruktion sieht interessant aus.
Eigentlich ist das keine Schleuse, sondern es sind mehrere kleine Treppen. Das Prinzip verstehe ich nicht, muss ich auch nicht. Im schon erwähnten Frómista sehe ich den Engländer in einen Laden gehen. Aha, der ist schon mal vorneweg gegangen, damit Madam nicht warten muss. Also keine gescheiterte Paartherapie, sondern nur eine Nettigkeit. Als er rauskommt, frage ich ihn, wo denn seine Frau sei. Er antwortet mir, dass sie Fahrrad fährt und er wandert. Das ist ja ein Ding. Ich bin baff. Der Engländer wartet. Auf seine Frau? Wahrscheinlich. Ich überlege, ob ich etwas aus dem Laden brauche. Nein, eigentlich nicht. Aber einmal kurz hinsetzen wäre nicht schlecht. Eine alte Steintreppe lädt mich ein. Und da die Ab- und Anschnallerei des Rucksacks nervt, behalte ich ihn einfach an.
Bevor ich über eine Brücke auf den Weg entlang der Straße einbiege, läuft mir noch eine unglaublich hübsche Katze über den Weg.
Ich bin jetzt auf der Senda, der Pilgerautobahn. Dieses Wort bedeutet Pfad, aber auch metaphorisch gesehen, eine bestimmte Richtung im Leben zu wählen. Das passt bei dem Camino natürlich sehr gut. Das Regenwetter in der Nacht hat Spuren hinterlassen. Die Pfützen sind zwischen den Markierungen immer genau in der Mitte, lästig.
Ich komme an einem Pilgerzeichen vorbei, das ich noch nicht gesehen habe. Mal anders und ziemlich aufwändig gemacht.
Die Senda wird mich nun bis ins Ziel führen. 15 Kilometer von 27 sind schon geschafft. Es ist kurz nach zwölf, die Kälte von heute Morgen ist weg. Wir haben 14 Grad, ich mache Pause und ziehe mich um. Zum Weitermarsch nehme ich noch ein Fischerman`s Friend, um frisch zu bleiben. Diese Dose hat auch schon einiges hinter sich. Ich kann euch sagen, einiges!
Die Pilgerautobahn ist vor allen Dingen eines: sehr, sehr langweilig. Dabei eine meditative Essenz zu erkennen, gelingt mir nicht. Meine Stimmung sinkt. Die Kilometerangaben am Straßenrand sind auch nicht gerade förderlich. Irgendwie sind 1.000 Meter heute mehr als sonst. Meine Motivation trägt gerade nur noch ein Hauch von nichts. Ich schleppe mich so dahin und merke, dass mein Gesicht verkrampft. Es fühlt sich an wie zur Faust geballt.
Ich passiere Kilometer fünf. Das ist eine gute Zahl, um Spielchen zu treiben. Bei vier trinke ich etwas, bei drei laufe ich rückwärts, bei zwei hopse ich auf einem Bein und bei eins bin ich fast da. Nee, nicht wirklich, außer das Trinken, das mache ich. Schließlich komme ich doch noch an, selbstverständlich.
Halbzeit! Calzadilla de la Cueza - Erfahrungsbericht Jakobsweg Camino Francés
Ich habe mir mal wieder ein richtig komfortables Hotelzimmer gegönnt. Es gibt sogar einen Pool.
Aber, als ich den mir so anschaue, drängt es mich, in den grauen spanischen Morgenhimmel zu brüllen: „Es ist kalt und es regnet dauernd, was soll ich damit?“ Nun ja, vielleicht scheint hier ja auch mal die Sonne und es ist so richtig warm. Allein, mir fehlt die Vorstellungskraft. Ich ziehe los, später als sonst, es ist kalt, sechs Grad. Doch, im Gegensatz zu gestern Nachmittag, ist meine Stimmung prächtig.
An der ersten Ecke hinter meinem Hotel treffe ich auf einen Typen, den ich schon einige Male unterwegs gesehen habe. Jetzt kann ich versuchen ihn anzusprechen. Ich beginne mit Spanisch, er antwortet auf Englisch und letztlich stellen wir fest, dass wir beide Deutsche sind. Ich frage ihn, was ihn dazu bewegt, den Camino zu machen. „Für meine Frau Martina, die letztes Jahr verstorben ist“, antwortet er mit leiser Stimme, kaum moduliert. Ich höre seine Trauer. „Wir wollten den Camino zusammen machen, dann wurde sie krank, ich habe sie noch gepflegt, bis sie starb.“ Ich weiß nicht, was ich sagen soll und schweige. Er hat einen Einkaufsrolli dabei, auf dem das Bild seiner Frau montiert ist. Er heißt Mark. „Das war ihr Wagen und hier in der Tasche habe ich ein paar Sachen von ihr. Ich weiß nicht, ob ich den Camino schaffe, aber ich will es versuchen. Für Martina.“
Ich bekunde mein Mitgefühl, wünsche noch einen „Buen Camino“ und gehe des Weges. Da sind doch meine Malessen von gestern einfach nur Jammern auf hohem Niveau. Ich gehe über die Brücke, treffe den Engländer von gestern wieder, ohne seine Frau, und bleibe von dem Monasterio De San Zoilo stehen. Das ist heutzutage ein Museum, Hotel und Café, früher ein Kloster. Was für ein beeindruckendes Tor.
Ich spule zunächst rund fünf Kilometer auf einer Landstraße ab, bis ich auf einen Kiesweg nach links abbiegen kann. Das ist die Vía Aquitania, wieder eine ehemalige Römerstraße.
Die Sonne kommt durch und damit das alte Problem: mir wird warm, zu warm. Doch sobald sich eine Wolke vor den Stern schiebt, wird es wieder kalt. Also, alles anbehalten. Der nächtliche Regen hat auch hier deutliche Spuren hinterlassen. Dauernd muss ich den Pfützen ausweichen.
Wenn sie dann so richtig scheint und das gleißende Licht auf die vielen Blumen am Wegesrand fällt, kann ich mich gar nicht sattsehen. Alle paar Schritte bleibe ich stehen und bewundere die Blüten.
Die Strecke führt ereignislos geradeaus, ohne Steigung, ohne Gefälle. Insgesamt sind es heute nur 17 Kilometer, die meisten davon habe ich schon hinter mir. In südlicher Richtung fällt mir ein Baum als Solitär mitten auf dem Feld auf. Der könnte auch irgendwo in der Savanne stehen. In Afrika oder in den USA.
Vor mir läuft ein kleiner Hund, ohne Leine und daneben eine Frau mit einem Einkaufsrolli. Zweimal an einem Tag so ein seltenes Gefährt auf dem Camino Francés, das ist eigenartig. Auf dem Rücken trägt sie einen Hundekorb als Rucksack mit Fenster. Beim nächsten Rastplatz spreche ich sie an. Sie heißt Margarita und ihr Hund Luna. Beide stammen aus Kolumbien und machen den Camino nur so aus lauter Freude an der Sache.
Wir quatschen noch ne Weile, dann gehe ich weiter. In wenigen hundert Metern Entfernung sehe ich eine Markierung, die mir Tränen in die Augen treibt. Ich habe quasi die Hälfte geschafft. Hurra!
Bis zum Tagesziel ist es nicht mehr weit, noch rund zwei Kilometer. In nördlicher Richtung sehe ich die blauen “Montes de León“. Das ist die Bergkette, die in der Provinz Palencia liegt. Sie ist ziemlich weit weg. Aber die Wolkenformation ist ganz nah und mächtig und gewaltig und das sind keine Regenwolken.
Nein, heute bin ich trocken geblieben. Ich sehe jetzt den Turm, der zum Friedhof von Calzadilla gehört. Gleich bin ich da. Das war eine „Caminata facíl“ oder auch auf gut Deutsch ein „Easy Walking“. Hasta mañana.
Schmerzen auf dem Weg nach Sahagún - Erfahrungsbericht Jakobsweg Camino Francés
Das Schönste am Nachmittag ist, frisch geduscht ein Bier zu trinken und zu entspannen. Vor der Entspannung kommt aber die Suche nach einer Unterkunft. So auch gestern. Ich plane jetzt immer zwei oder drei Nächte im Voraus, sicher ist sicher. Ich verschicke drei WhatsApp Nachfragen und eine Mail und warte.
Ich fasse zusammen: Zwei Mal keine Reaktion, eine Absage und eine Antwort, die nicht zu meiner Frage passt: „Die Rezeption schließt um sechs und das Hotel um zehn.“ Häh? Auf nochmalige Nachfrage: „Bestätige uns deine Reservierung 15 Stunden vor Ankunft oder rufe uns an. Buen Camino!“ Ich interpretiere, dass ich damit ein Zimmer reserviert habe und dies rechtzeitig vorher bestätigen soll. Richtig?
Ich bin on Tour. Überflüssig zu erwähnen, dass es kalt ist und der Himmel wolkenverhangen. Aus dem Ort raus laufe ich ein Stück auf der Landstraße lang und biege dann nach links auf einen Sandweg. Schon nach wenigen Metern auf dem Camino Francés freue ich mich, dass der Starkregen des Nächtens nicht alles unter Wasser gesetzt hat, sondern nur diesen kleinen Pfützenteich für mich bereithält. Ich bin etwas ratlos. Wo ist bitte der Fährmann, den ich frei nach Chris de Burgh nicht bezahlen soll, bevor ich sicher drüben bin?
Es kommt keiner. Ich taste mich am Rand lang. Langsam. Das ist nicht ganz ungefährlich. Weich und rutschig ist eine fatale Kombination. Ein Sturz wäre echt das Letzte, was ich gerade gebrauchen könnte, mit Rucksack vor allen Dingen. Ich will nicht als Schlamm catchender Pilger in die Geschichte eingehen. Ein Fuß vor den anderen, Schrittchen für Schrittchen. Irgendwann habe ich das rettende Ufer erreicht. Weiter geht´s. Der Weg trocknet, die Pfützen werden weniger. Ich komme voran. Heute sollen es 20 Kilometer werden. Ich lasse es ruhig angehen. Der linke Hacken schmerzt etwas. Seit heute Morgen. Trotz besonderer Behandlung. Ich muss mich um ihn kümmern. Nach rund 7.000 Schritten bin ich in Ledigos. Die Sonne kommt durch und präsentiert den kleinen verschlafenen Ort sehr ansprechend.
Ich stoppe an einer Bar, kaufe mir einen Café con leche und ziehe den Schuh aus. Während der letzten Meter hatte sich auch noch die linke Wade gemeldet und die Achillessehne wollte auch mitreden. Ich massiere, dehne, massiere, dehne. Viel mehr kann ich nicht machen. Anschnallen und weiter.
Ich passiere Terradillos de los Templarios. Ein vielversprechender Name, aber nur eine Herberge in einem Sechzigerjahre-Zweckbau. Manchmal passen Name und Realität eben nicht zusammen. Bei Moratinos bietet der Camino zwei Möglichkeit. Entweder über die Felder oder neben der Landstraße. Kurioserweise ist der Weg neben der Straße mehrfach mit gelben Kreuzen versehen. „Hier auf keinen Fall lang gehen!“, scheinen mir die Symbole sagen zu wollen. Na, dann erst recht. Es dauert nicht lange und ich glaube zu verstehen, warum der Wanderer diesen Pfad besser nicht wählen sollte. Alle paar Hundert Meter gibt es kleine Holzbrücken und die sind mehr schlecht als recht passierbar. Die Bohlen sind angefault oder fehlen. Egal, zurück gehe ich nicht. Also vorsichtig die Belastbarkeit testen.
Aber ich werde belohnt. Der Pfad ist derart mit blühendem Ginster bewachsen, dass mir der Geruch fast den Atem raubt. Irre. Und er wird immer enger.
Schließlich komme ich an einen Rastplatz, der so leer ist wie die ganze Strecke. Ein riesiger runder Tisch aus Beton lädt mich zur Pause ein. Machen wir. Ich sitze und komme mir vor wie ein Ritter der Tafelrunde, der auf seine Kumpels wartet, die noch schnell das Bier holen.
Der abenteuerliche Weg hat mich die Schmerzen an linker Wade und Hacken vergessen lassen. Ich horche in mich rein. Die sind nicht mehr da. Ablenkung hilft. Der weitere Weg ist auch viel weniger gefährlich. Rund fünf Kilometer weiter komme ich an ein Pilgerzeichen, das das Ende des Camino durch die Provinz Palencia anzeigt. Überall auf dem Denkmal liegen Steine, Schuhe, Muscheln, Armbänder, Zettel, Bilder und anderer Krimskrams. Obwohl das wohl das falsche Wort ist. Für denjenigen, der hier ein Zeichen setzen wollte, war der Gegenstand bestimmt wichtig.
Hinter der nächsten Kurve kann ich schon Sahagún sehen. Früher hätte ich gesagt: „Mann, so weit noch!“ Heute sage ich: „Da ist es ja schon!“ So verändern sich die Relationen von Entfernungen. An der Ermita de La Virgen del Puente, kurz vor meinem Zielort, komme ich an zwei Statuen vorbei, die sich gegenüberstehen.
Es sind der leonische König Alfons VIII. und Bernard De Sedirac, Abt des Klosters St. Benedikt. Hier befindet sich der offizielle, geographische Mittelpunkt des Camino Francés zwischen dem Startpunkt Saint Jean Pied de Port und dem Ziel Santiago de Compostela. Jetzt ist es amtlich, ich habe genau die Hälfte geschafft. Bevor ich mich nun bis morgen verabschiede, möchte ich mich bei allen bedanken, die mich so sehr unterstützen und mir Mut und Kraft geben. Ich überreiche euch hiermit symbolisch diese schöne Blüte einer Diestel.
Danke, danke, danke. Hasta luego!
Mit Verschleiß nach El Burgo Ranero - Erfahrungsbericht Jakobsweg Camino Francés
Rechts hinten im Schädel puckert ein kleiner Schmerz. Ich hätte gestern den zweiten Licor de Café weglassen sollen. Aber Carmellita in dem kleinen Hostel an der Kirche war so nett, da konnte ich nicht anders. Bei ihr habe ich Bandnudeln mit Pesto gegessen. Die waren sehr gut. Nahrungsaufnahme ist für Vegetarier auf dem Camino schwierig und eintönig: Salat, Suppe, Pommes, Pizza, Tortilla, Bocadillos, Nudeln. Das Frühstück ist mit Rührei, Brot, Butter, Käse, Marmelade, Orangensaft vertreten. Ist doch ne Menge, oder? Ja, schon. Grundsätzlich achte ich auf reichlich Kohlenhydrate, Eiweiß und Vitamine. Hauptgerichte bestehen immer aus Fleisch oder Fisch. Ich werd´s überleben, es gibt Schlimmeres, zum Beispiel Kopfschmerzen. Mit denen im Gepäck trete ich aus dem Hotel auf die Straße, es hat geregnet, was sonst. Ich schaue mich ein letztes Mal um. Sahagún ist jetzt nicht so der Renner. Aber das kleine Schild ist hübsch.
An einer Schule steht in mannsgroßen Buchstaben geschrieben: „Ich werde weiterhin an ein glückliches Ende glauben!“ Das unterschreibe ich sofort, ich glaube auch daran. Im Hotel war beim Frühstück übrigens wieder der Engländer, mit seiner Frau. Und ein Pärchen, das mir deshalb schon einige Male aufgefallen ist, weil er einen sehr langen weißen Bart hat und sie deutlich jünger als er aussieht. Apropos. Ich muss doch mal schauen, ob es nicht auch außerhalb von Sevilla einen Barbier gibt, dem ich meinen Bart anvertrauen kann, gell? Ich komme an eine entscheidende Weggabelung. Die Camino-Etappe Nummer 20 teilt sich in A und B auf.
Sollte ich den falschen Weg wählen, dann gibt es vielleicht eine Unterkunft mit Bett heute Abend für mich, nur ich bin weit davon entfernt, auf der falschen Route. Und das will ich nicht. Die Buchung war schon schwierig genug, wenn sie überhaupt geklappt hat. Die Buen Camino App versichert mir glaubhaft, dass die Variante A die richtige ist. Ich marschiere los. Die Kopfschmerzen haben zum Glück den anderen Weg genommen und auch sonst: Keine Schmerzen, alles läuft rund. So sollte es bleiben. Nach acht der heutigen 18 Kilometer mache ich Pause und schaue mir noch einmal die Strecke an.
Die Sonne kommt durch, aber durch den Wind bleibt es kalt. Die Gegend hat sich irgendwie etwas verändert. Es sind keine Felder mehr um mich rum, sondern eine Landschaft, die wie die Lüneburger Heide aussieht. Jedenfalls ein bisschen.
Ich versuche in die mentale Routine zu kommen. Neuerdings benutze ich einen Märchenreim, den bestimmt alle kennen: „Ach wie gut, dass niemand weiß, dass ich Rumpelstilzchen heiß!“ Funktioniert, probiert´s mal aus! Nach dem zehnten Mal versuche ich, den Spruch in die Weiten der Synapsen wegwabbern zu lassen und mich nur noch auf das Tik-Tok der Wanderstöcke zu konzentrieren. Wieso eigentlich Tik-Tok? Die haben doch Gummifüße! Richtig, aber jetzt nicht mehr. Abgerubbelt.
Der Camino hat immer wieder ausgefallene Wegzeichen zu bieten. Aber was dieses fette Rohr bedeuten soll, ist mir ein Rätsel.
Ist das ein Kunstwerk? Oder hat es eine praktische Funktion? Es lässt sich jedenfalls gut mit Stickern bekleben. Die Strecke ist heute nicht besonders stark frequentiert. Sahagún liegt ja so mittendrin in einer Etappe, da werden die meisten Pilger schon vorbei sein. Ist mir recht. Dreitausend Meter weiter passiere ich einen Gedenkstein für einen verstorbenen Pilger. Schon wieder. Die gibt es wirklich oft. Diesmal wird an Manfred erinnert.
Ob die an seinem Todestag hierherkommen? Wohl eher nicht. Es sei denn, die leben hier in der Gegend. Könnte ja sein. Ich nähere mich dem Tagesziel. Noch zwei Kilometer und ich weiß, ob der WhatsApp-Talk erfolgreich war. Es ist jetzt richtig warm. Aber kurz vor meiner Ankunft ziehe ich nichts mehr aus. Und dann stehe ich vor der Herberge.
Ich bin sogar der Erste auf dem Zettel von Miguel. Mein Zimmer ist super und ich glücklich. Nicht immer gleich schwarz sehen. Ich schließe die Tür und setze den Rucksack ab. Das Allererste, was ich dann immer mache, ist Schuhe ausziehen. Und schon wieder hat ein Strumpf den Kampf mit den Elementen verloren.
Ich brauche unbedingt neue Socken, sonst habe ich bald keine mehr. Nun ist vor dem Vergnügen Arbeit angesagt. Bilder auswählen und Text schreiben. Dann duschen, Essen gehen und mich ein wenig in der Gegend umschauen. Und was mache ich abends noch so? Im Bett lese ich meistens noch etwas im sehr guten Wanderführer des Kompass-Verlages von Robert Schwänz, um mich auf den nächsten Tag vorzubereiten.
Danach verfolge ich die Abenteuer des „Don Quijote de la Mancha“ auf dem E-Reader. Ich habe mir diesen Klassiker der Weltliteratur ausgesucht, weil er in Spanien spielt, ich ihn noch nicht gelesen habe und er mit über 1100 Seiten vielleicht bis zum Ende meines Caminos reicht. Gegen 22:00 Uhr schließe ich meistens Licht und Augen. Buenas Noches.
Gut gelaunt nach Puente Villarente - Erfahrungsbericht Jakobsweg Camino Francés
Die Gegend hier kann auch gutes Wetter, kaum zu glauben. Ich blinzle durch die Jalousie und grinse. Ich freue mich. Ich juble. Die Sonne scheint, bei vier Grad, nachts waren es nur zwei. Sind eigentlich Eisblumen am Fenster? Nein. Das Frühstück lasse ich ausfallen. Erstens müsste ich rund 500 Meter auf dem Camino zurückgehen, ganz schlecht. Zweitens bin ich noch satt von gestern, das war reichlich. Drittens will ich sofort raus in die Sonne! Bevor ich vor die Tür trete, setze ich mich noch einmal auf´s Bett, nehme meinen Schutzengel in die Hand und bitte um einen angenehmen, unfallfreien, glücklichen Tag. Das mache ich immer.
Den hat mir meine Frau zum Abschied auf dem Flughafen in die Hand gedrückt. Bisher hat er geholfen. Am Teich vor dem Ortsausgang schaue ich zurück. Dieser kleine Ort ist sicherlich nichts Besonderes, aber er war nett zu mir. Gutes Zimmer, gutes Bier, gutes Essen.
Auf dem Camino ist ganz schön was los. Ich erkenne einige Bekannte wieder. Solange ich keine größere Pause einlege, treffe ich oft dieselben Leute. Mark ist da mit den Sachen seiner verstorbenen Frau und der Engländer ohne Frau und der Mann mit dem langen Bart. Alle laufen vor mir. Witzig. Ich überhole rechts und links und rufe ständig: „Buen Camino!“ Meine Stimmung ist prächtig. Ich habe ein hohes Tempo drauf. 13 Kilometer sind es bis zum nächsten Ort und bis zum Frühstück, was wohl eher ein Mittagsmahl sein wird. Zweieinhalb Stunden später bin ich fast da. Am Ortseingang von Reliegos steht eine sympathisch aussehende Herberge mit Café. Hier werde ich essen. Es ist halb zwölf. Gute Zeit.
Ein französisches Omelett mit Salat und Brot, dazu Café con Leche, das ist meine Mahlzeit. Das reicht mir auch. 30 Minuten später bin ich wieder unterwegs. Es läuft. Ich habe von der Gesamtstrecke genau die Hälfte hinter mich gebracht: 12,5 Kilometer. Bis zum nächsten Ort, Mansilla de las Mulas, sind es ungefähr 7.000 Schritte, die machen mir keine Angst. Sonst nicht und heute schon gar nicht. Schnell bin ich da. In der Dorfmitte schaut mich ein Gesicht dermaßen freundlich an, dass ich unbedingt anhalten und eine Pause machen muss.
Ich besorge mir einen Café und bekomme ein Stück Kuchen umsonst dazu. Wahrscheinlich, weil ich mit der Bedienung so freundlich Spanisch gesprochen habe. Ich frage sie auch nach der Skulptur. Die hat ihr Vater gemacht und für das Gesicht war ihre Tante das Modell. Sieht Klasse aus. Zwanzig Minuten später gehe ich wieder raus. Die Sonne brennt. Ich habe Jacke und Pullover ausgezogen. Es sind 14 Grad. Auf dem Marktplatz gibt es eine Pilgerdarstellung, die sich für einen Plausch anbietet. Doch die Frau schweigt und schaut weg.
Der Ort gefällt mir sehr gut. Viele Cafés, Kneipen, Bars, Restaurants und immer wieder Skulpturen. Auch sehr moderne, wie diese Darstellung der Camino-Muschel.
Ich muss jetzt über die Brücke, damit verlasse ich diese hübsche, kleine, sehr gemütlich wirkende Stadt. Ich drehe mich nochmals um und hadere mit dem Schicksal. Ich würde gerne bleiben. Aber hier gab es kein Zimmer. Warum wohl? Weil´s hier so nett ist.
Hinter der Brücke gibt es ein kleines Waldstück. Bäume faszinieren mich immer. Auch diesmal. Wie gerade die in einer Reihe stehen. Das ist sicherlich ein künstlich angelegter Wald. Egal.
Der Schotter knirscht unter meinen Füßen, die mir heute keinerlei Schwierigkeiten machen. Ich lobe sie. Der Weg ist nicht so langweilig wie befürchtet, da es ja immer an der Straße langgeht.
Im Gegensatz zu gestern sind heute rechts und links nur Felder zu sehen. Teilweise schon mit viel Grün, teilweise aber auch noch brach liegend. Dazwischen erkenne ich die Bewässerungsanlagen. Interessant gemacht.
Der Weg zieht sich jetzt doch ein wenig. Aber immer, wenn ich diese überbordend blühende Pflanzen am Wegesrand sehe, bin ich hin und weg. Die pflegt keiner, die hegt keiner, die sind einfach da und so schön.
Ich bin immer noch super gut drauf. Glück ist ja eine Momentsache. Es kommt, bleibt einen Augenblick und ist wieder weg. Ich muss es festhalten. Geht nicht, ich weiß. Aber so ein wenig vielleicht? Ich springe und fühle mich glücklich.
Diese Albernheiten kann ich mir erlauben, da schaut keiner blöd. Warum? Weil keiner da ist. Ich habe reichlich getrödelt und alle überholen lassen. Außerdem müssen wahrscheinlich viele bis León. Das sind zwölf Kilometer mehr als ich heute gehen muss. Ich biege in die Zielgerade ein. Rechts von mir liegt die namensgebende Brücke des Ortes, sie führt über den Fluss Porma.
Sie stammt aus dem zwölften Jahrhundert und hatte ursprünglich 17 und jetzt 20 Bögen. Sie ist fast 200 Meter lang. Beeindruckend. Kurz dahinter liegt mein Hotel. Ich bin da. Was für ein schöner Tag.
León - Erfahrungsbericht Jakobsweg Camino Francés
„Ve a la izquierda!“ Der radrennfahrende Pilger holt mich schlagartig aus dem ersten Versuch in der Flow zu kommen. Auf der Landstraße gehe ich natürlich links, aber auf einem Sandweg? Na gut, dann marschiere ich halt links. Ist mir egal. Es ist schon elf und es wird warm. Ich muss den Pullover ausziehen.
Der Camino ist gut frequentiert. Vor mir läuft eine Frau, die ihre Stöcke jeweils mit spitzen Fingern am oberen Ende der Griffe hält. Es sieht aus, als ob sie Nudeln aus einer Suppe fischen will. Ich kann das gar nicht mitansehen. Ich hole sie ein und bleibe auf ihrer Höhe, damit sie sehen kann, wie ich die Stäbe halte. Nämlich von unten durch die Schlaufen greifend, diese fixierend und dadurch den Druck nach unten ausübend. Sie zeigt keine Reaktion. Ich entbiete den Pilgergruß und ziehe von dannen. Wer bin ich denn, dass ich Andere belehren dürfte. Zwanzig Minuten später erreiche ich Arcahueja. Hier gibt es einen Rastplatz, der architektonisch sehr aufwändig gestaltet ist.
Für eine Pause ist es für mich zu früh. Ich bin noch nicht lange unterwegs und das Frühstück war reichhaltig. Aber ich schaue mir diesen tempelartigen Bau in Ruhe an. Die Frau mit den Essstäbchen zieht vorbei. Der muss ich Vorsprung lassen, sonst breche ich zusammen. Gegenüber hängt ein Straßenschild, das verdeutlich, hier bin ich richtig, auf dem Camino. Gut so.
Was mir übrigens immer wieder auffällt ist, dass bei allen, aber auch wirklich allen Camino-Hinweisschilder der autonomen Region Castilla y León, das Wort Castilla geschwärzt ist.
Das scheint ein nie wirklich gelöster Konflikt zu sein. Soll es geben. Nicht nur hier. Ich nähere mich dem Ziel und streife durch die Vorstadt von León. Das ist eher unangenehm als schön. Industriegegend. Doch bald habe ich das Viertel hinter mir und stoppe an einer Kirche, um mir die Störche in den Nestern anzusehen.
Wenig später bin ich an der berühmten Brücke „Puente Castro“. Der Löwe schaut demonstrativ weg. Und ich darf nicht über die Brücke. Sie ist für Fußgänger gesperrt, weil sie zu schmal ist.
Es gibt einen gut ausgeschilderten Umweg über eine Fußgängerbrücke. Ich schwitze, wir haben 18 Grad. Höchstwert! Ein leichtes Lüftchen hilft. Und Springbrunnen.
Die Taube trinkt an dem Wasserspender für Menschen. Stört mich nicht. Mein Wasservorrat im Rucksack ist noch reichlich. Kurz vor der Straße, in dem mein Hotel sein soll, quere ich den Plaza Santo Domingo, an dem diese ungewöhnliche Skulptur steht.
Sie heißt „La Negrilla“ und ist von Amaneció González. Die Bedeutung dieses Wortes ist uneindeutig. Eigentlich ist es die Verkleinerungsform von „Negra“, was schwarz heißt. Hier soll sie wohl auf die afrikanische, die schwarze Kultur hinweisen. Interessant. Ich muss noch zehn Minuten bis zu meinem Hotel laufen und bin etwas unruhig. Der Preis war sehr günstig, aber es liegt im Zentrum und müsste eigentlich viel teurer sein. Ich passiere den Plaza de la Inmaculada. Auch dieser Platz ist unglaublich schön gestaltet. León gefällt mir jetzt schon riesig.
Noch zwei Straßen. Meine Unruhe nimmt zu. Frei nach den Eagles könnte das Hotel Himmel oder Hölle bedeuten. Nicht dass ich zu einem Gefangenen werde, weil ich das Biest nicht töten kann. Ich bin da. Von außen sieht es ziemlich normal aus.
Die Rezeptionistin bietet mir keinen rosafarbenen Champagner auf Eis an, sondern will nur meinen Pass. Alles scheint gut zu sein. Ich atme auf. Meine Kammer hat die Nummer 411. Ich nehme den Fahrstuhl und stehe vor den Türen mit der Nummer 410 links und 412 rechts. Müsste dazwischen nicht die 411 sein?
Meine spärlichen Nackenhaare stehen steil aufwärts. Also doch „Hotel California“? Da fällt mir ein, dass die Dame unten am Empfang sagte, mein Zimmer läge ganz hinten rechts. Ich drehe mich in diese Richtung und schaue in einen sehr langen Gang. Ahhh… Da will ich nicht hin!
Wider Erwarten ist mein Zimmer völlig ungefährlich. Ich packe aus und stelle fest, dass mein erster Pilgerpass voll ist. Gut, dass ich mir schon einen zweiten besorgt habe.
Ich werde hier in León zwei oder drei Tage bleiben, mich ausruhen und die Stadt genießen. Wir sehen uns. Hasta luego!
Pause in León - Erfahrungsbericht Jakobsweg Camino Francés
Im wunderbaren Waschsalon treffe ich Albrecht aus Nova Friburgo, Brasilien, fast 81Jahre alt. Da ich schon ein alter Waschbär mit entsprechender Erfahrung bin, helfe ich ein wenig bei der Bedienung der Maschinen. Nicht nur ihm, auch zwei Kanadierinnen. Albrecht meint, ich könnte das hier öfter machen und mir etwas Geld für den Camino dazuverdienen. Wir verkürzen uns die Wartezeit mit Quatschen. Albrecht kommt eigentlich aus Stuttgart, lebt aber in Brasilien und wollte den Camino schon letztes Jahr machen, nur sein Ischias hatte etwas dagegen. „Nova Friburgo liegt übrigens nicht weit weg von Rio de Janeiro, es wurde von Einwanderern aus der Schweiz gegründet. Es waren übrigens die ersten Stadtgründer, die nicht aus Portugal stammten“, erzählt er mir. Wir tauschen uns intensiv über unseren bisherigen Camino aus und stellen fest, dass wir eine ähnliche Strategie haben, mit den Herausforderungen umzugehen. Schließlich ist die Wäsche fertig und es heißt: „Adiós, nos vemos!“
León ist genauso eine wunderbare Stadt wie Burgos oder Pamplona. Die Stimmung in den Gassen, besonders abends, ist unvergleichlich hinreißend. Ich hole mir einfach ein Bier, geselle mich zu den Leuten und höre zu. Manchmal kommt es auch zu Smalltalks, alles sehr locker. Und manchmal stehe ich einfach nur da und staune und freue mich.
Während meines Aufenthalts schaue ich mir natürlich einiges an, vor allen Dingen Kirchen, davon gibt es halt so viele. Sehr beeindruckt mich die Basilika San Isidoro. Das an sich schon sehr lange Kirchenschiff wird nach hinten noch einmal vergrößert durch ein Gruft ähnliche, geschickt ausgeleuchtete Nische. Ich stehe ganz hinten und frage mich, ob die Kirche an Sonntagen wirklich voll ist.
Die Krönung aller Kirchen hier in León ist aber zweifelsohne die Kathedrale. Wie sie so im Abendlicht stolz ihre Türme in die Höhe reckt und allen sagen will: „Hier stehe ich und zwar für immer, so wahr mir Gott helfe!“ Das ist Ehrfurcht einflößend.
In der Pizzeria direkt gegenüber versuche ich einen Platz zu bekommen. Schwierig, das wollen viele. Schließlich sitze ich an einem einzelnen Tisch gleich am Eingang. Hinter mir lärmt eine größere Gruppe, die ständig Zulauf hat. Es ist eng. An meinen Rücken setzt sich eine große blonde Frau, die schnell merkt, dass sie ihren Aktionsradius nicht erweitern kann, da unsere Stühle dicht an dicht stehen. Alle sprechen Englisch. Ich lege mir eine längere, drastisch formulierte Erklärung der Situation auf Spanisch zurecht und warte nur darauf, dass sie mich anspricht. Sollten jetzt noch ihre langen Haare, die sie ständig nach hinten wirft, meine Glatze befruchten wollen, dann … Aber der Ober hat ein Einsehen, verfrachtet die Bagage an einen frei gewordenen Tisch weiter weg. Meine Pizza kommt.
Ich bin wieder draußen und ein wenig enttäuscht, dass ich meine Tirade in der Landessprache nicht anbringen konnte. Es ist Samstagabend. Es gibt einen Umzug. Kostümierte Kinder, Frauen und Mönche ziehen zu den Klängen eines Dudelsacks durch die Gassen. Alles für die Touristen, ist mir klar. Doch hübsch anzusehen sind sie alle, nicht nur die Mädels.
Im Park „El Cid“ kann ich an der ungemein ausdrucksstark gemachten Skulptur einer Hand nicht vorbeigehen, ohne sie zu fotografieren. Und ich käme im Leben nicht darauf, was sie bedeuten soll, wenn ich nicht den Text auf der Münze lesen könnte und recherchieren würde. Da steht, dass die Hygiene des Viehs die Gesundheit des Volkes bedingt. Die Skulptur ist eine Spende der Tierärztekammer von León anlässlich ihres 115-jährigen Bestehens. Spannend.
Hinter den prächtigen Leuchten, die auch im Park „El Cid“ stehen, sehe ich ein Gebäude, das mich an eine Burg erinnert, die große Berühmtheit erlangt hat. Na, woran denke ich bei dem spitzen Türmchen?
Richtig, an Harry Potter und die Zaubereischule Hogwarts. Es ist aber ein Museum, das vom hochverehrten spanischen Künstler Gaudi entworfen wurde. Vor dem Standesamt, was ich nur weiß, weil ich dort ein Hochzeitspaar beobachtet habe, steigt ein Löwe aus einem Schacht der Kanalisation heraus. Er steht auf der Plaza de San Marcelo und die Skulptur heißt folgerichtig: „El León de la Alcantarilla“.
Morgen geht´s weiter. Dann bin ich wieder auf dem Camino. Aber heute sitze ich noch einmal auf der Plaza San Isidoro, genieße die Sonne und Café con leche. Ich fühle mich gut.
Kurzer Weg nach Oncina de la Valdoncina - Erfahrungsbericht Jakobsweg Camino Francés
Unweit meines Hotels führt der Camino Francés über den Plaza de San Marcos. Hier gibt es das fünf Sterne Hotel Parador de León. Früher ein Krankenhaus, erbaut im 16. Jahrhundert an einer Stelle, wo es vorher schon ein Pilgerhospital gab. Es ist kurz nach halb elf.
Ich quere den Río Bernesga und verharre einen Augenblick. Die letzten drei Tage waren so entspannend und doch auch so anregend, dass mir der Abschied wieder ausgesprochen schwer fällt. León ist eine Reise wert; vielleicht komme ich ja mal wieder. Aber jetzt heißt es „Buen Camino“!
Ich komme irgendwie nicht raus aus der Stadt. Schon fünf Kilometer abgespult, ich bin im Ort Trobajo del Camino und immer noch in einem der Vororte. Heftiger Verkehr links neben mir auf der Hauptstraße macht die Sache nicht leichter. Und es geht ständig leicht bergauf. Heute muss ich zwar nicht weit, das wollte ich nicht und es ließ sich auch wegen der Zimmerbuchungen nicht anders realisieren, aber es stresst mich. Da kommt doch ein Café sehr recht.
Ich schaue mir noch einmal die Route und das Profil an. Es werden nur gut zwölf Kilometer mit leichten Steigungen. Eigentlich keine Hürde. Aber das Wetter ist mir fast zu angenehm. Wir haben 17 Grad im Schatten, das sind in der Sonne locker über 30! Die letzten Tage waren Sommer pur. Das habe ich mir auch verdient. Gefroren habe ich genug. Und wie sich von Regen durchnässte Kleidung auf der Haut anfühlt, kann ich sehr gut beschreiben. Brauche ich nicht mehr. Weiter geht´s. Endlich bin ich raus aus der urbanen Umgebung. An der Fuente el Cañin stoppe ich kurz.
Ich bin nun im Tal Virgen del Camino angelangt. Hier finde ich zwei Alternativen für den Jakobsweg. Eine nördliche, die später durch Valverde de la Virgen und San Miguel del Camino führt und die Südroute, die über Fresno del Camino nach Oncina de la Valdoncina geht. Da will ich hin. Ich grüße den schmiedeeisern Peregrino und marschiere weiter. Auf der Südroute, claro! Kurze Zeit später fordern mich an einem kleinen Teich etliche Frösche lauthals zum Stoppen auf. Gerne. Ich schaue und blicke. Na, wo seid ihr denn? Ich sehe euch nicht! So unsichtbar und doch so laut.
Die Strecke wird deutlich ruhiger, kaum noch Autos. Ich bin jetzt gut vier Wochen unterwegs, habe rund 480 Kilometer zurückgelegt und werde noch gut 300 bewältigen müssen. Im Augenblick wandere ich auf der offiziellen Etappe 22 von 34 bis Santiago de Compostela. Ich habe die zurückliegende Strecke in 25 Abschnitte unterteilt und drei Mal längere Pausen gemacht. Das werde ich auch weiterhin so handhaben. Körperlich geht es mir erstaunlich gut, mental meistens. Es gibt langweilige Phasen und vieles wiederholt sich. Aber der Kontakt zu meiner Familie, das Schreiben und das Feedback der Follower unserer Website, der ritualisierte Abmarsch und der Glaube an meinen Schutzengel helfen. Jetzt auch. Ich schlappe so vor mich hin, als ich zum x-ten Male einen Gedenkort eines verstorbenen Pilgers passiere.
Das ist nicht besonders spektakulär gemacht und doch rührt es mich. Mit nur ein wenig Selbstreflexion wird jedem, der hier unterwegs ist, klar, das könnte auch ihn treffen. Sofort und endgültig. Ich gehe weiter und grüble. Das tut nicht gut. Auf keinen Fall. Hoch den Kopf und in die Sonne geblinzelt. Positiv denken. Ich bin nach wie vor auf einer Landstraße, die jetzt über Ferngleise führt. Dahinter liegt ein Dorf. Ich schreite kräftig voran und verpasse beinahe meine Unterkunft. Es ist kurz vor halb zwei. Ich war ziemlich schnell und bin zu früh; das Zimmer ist noch nicht fertig. Kein Problem. Ich bekomme einen Café con leche und setze mich auf den Rand eines Brunnens. Das gefällt mir hier. Die Anlage ist sehr ansprechend gestaltet.
Während ich warte, spiele ich Dolmetscher für eine Hongkong-Chinesin, die außer Chinesisch nur Englisch kann. Die Señora am Empfang kommt aus Bolivien und kann nur Spanisch. Ich bin begeistert, dass ich helfen kann. Dann ist mein Zimmer fertig.
Santibañez de Valdeiglesias - Erfahrungsbericht Jakobsweg Camino Francés
Ich habe ja schon in vielen Unterkünften auf dem Camino Francés übernachtet; sie waren mal besser, mal schlechter. Aber dieses Hostal „Domus Oncinae“ ist so ziemlich das Beste, was ich bisher auf dieser Pilgertour genießen durfte. Die gelungene Kombination aus alt und neu, das gediegene Ambiente und die liebevollen Details, wie zum Beispiel das gestickte Logo auf den Handtüchern, machen eine Wohlfühlatmosphäre aus.
Ich ziehe mich ja zum Abendessen immer um. Es ist zwar nicht der Smoking, aber die zweite, saubere Wandergarnitur. Und das ist absolut angemessen. Ich komme aus meinem Zimmer runter und kann es kaum glauben, wie dezent, elegant und fein abgestimmt mich der Speisesaal empfängt.
Es gibt ein vegetarisches Menü vom Feinsten. Alle Details aufzuzählen, würde den Rahmen sprengen. Nur so viel: Es ist das Beste, was ich bisher gegessen habe, mit Abstand.
Heute, am nächsten Morgen trete ich vor´s Haus und sehe die Pilgerscharen vorbeiziehen. Es ist kurz vor neun. Wenn die aus León kommen, müssen sie vor sechs Uhr losmarschiert sein, im Dunkeln. Das sind die Stresstypen, die in den Herbergen ohne Reservierung noch ein Bett bekommen wollen. Das ist nicht mein Ding, werde ich nie machen. Die Gruppen ziehen sich auseinander. Ich reihe mich ein. Die Luft ist kühl, nur sieben Grad. Aber die Sonne wärmt. Blauer Himmel, keine Wolke.
Meine Stimmung ist top, ich bin gut drauf. Das sollte ich auch, denn es warten mindestens 28 Kilometer auf mich. Um mich rum gibt die Natur wieder alles. Ich bin auf einem Plateau mit Büschen und Heidekraut. Und natürlich ist da dieser rote Mohn. Der Anblick haut mich jedes Mal fast um.
Ich habe mir vorgenommen, die erste Pause erst bei Kilometer 14 zu machen. Am Anfang bin ich immer noch voll im Saft, da halte ich länger durch. Am Ende brauche ich dann mehr Pausen. In Villar de Mazarife halte ich kurz an, um mit einer Pilgerfigur etwas rumzualbern.
Die Strecke ist jetzt ziemlich unangenehm geworden und langweilig. Der Weg führt an der Straße entlang. Die sieht aus wie eine Landebahn für Düsenjets. Das Ende ist nicht zu sehen. Sehr motivierend, ehrlich!
Etwas Witziges gibt es aber. Von der rechten Seite der Straße, aus dem Wassergraben, vernehme ich immer wieder eigenartige Tierlaute. Es ist wie Zwitschern und Glucksen, wie Schlürfen und Rülpsen. Manchmal denke ich, es könnte ein nörgelnder Chihuahua sein oder eine Ente mit Keuchhusten. Absolut seltsam. Ich muss sehen, was das ist.
Diesmal sehe ich sie, die Frösche. Also, quaken tun die nicht. Das ist alles andere als Quaken. Die kommen mir vor wie Papageien, die andere nachmachen wollen. Ihr seid mir schon lustige Typen. Das verkürzt mir die Zeit bis zur Pause. Es ist halb eins, 14 Kilometer sind geschafft und eine Bank vor einem Gehöft lädt mich zum Hinsetzen ein. Ich stoppe. Als Erstes muss ich zwei Steine aus dem linken Schuh kippen. Wie die da immer reinkommen, ist mir echt ein Rätsel.
Das sind übrigens die neuen Socken. Schick, nicht wahr? Und voll funktionsfähig, große Klasse. 20 Minuten später bin ich wieder auf der Straße. Es nervt. Da hilft auch keine Meditation mehr. Doch auch die längste Straße endet irgendwann. Ich bin in Villavante und laufe über einen Platz, den eine weitere Pilgerfigur schmückt. Ich finde, dass ich ihr recht ähnlich sehe. Nur mein Pilgerstab ist etwas mickrig.
Eine Ecke weiter erregt eine ganz andere Konstruktion meine Aufmerksamkeit. Ob die alle freiwillig abgegeben worden sind?
Ab Kilometer 20 wird es oftmals etwas schwieriger, so auch heute. Ich bin beim 23. von wahrscheinlich doch eher 30, da der Camino durch alle Dörfer führt und daher länger als die direkte Strecke ist. Und meine Beine schmerzen. Außerdem ist es heiß. 24 Grad im Schatten. Ich bin in Hospital de Òrbigo mit der längsten und wahrscheinlich auch schönsten Brücke des Camino. Vor der Brücke ist die Straße festlich geschmückt. Was feiern die wohl hier?
Ich laufe über die Brücke. Sie ist wirklich beeindruckend. Allerdings ist das unebene Pflaster nichts für meine schmerzende Füße.
Der Stern glüht mir noch die Mütze durch. Mein Wasser geht auch zur Neige. Die Wege sind staubig. Kein Schatten. Ich leide.
Noch vier Kilometer, das Thermometer steigt auf 26 Grad im Schatten. Das können locker 40 Grad in der Sonne sein. Ich bin in Villares de Òrbigo, den letzten Ort vor meinem Ziel. Ich schwitze. Ich gehe in eine offen stehende Herberge und frage nach etwas Wasser. Eine Frau sagt, dass es auf dem Marktplatz eine Quelle gibt. Ich wanke hinaus. Der Weg ist nicht weit. Ich trinke zuerst, dann mache ich meine Mütze nass und dann meinen Kopf.
Inzwischen ist es fast fünf Uhr. Das hat ganz schön gedauert. Ich war aber auch langsam auf den letzten Kilometern. Ich biege in Santibañez de Valdeiglesias ein. Noch 600 Meter bis zu meiner Unterkunft. Ich schleiche. Noch einmal links rum. Ich bin da und ziemlich fertig mit der Welt. Die Hitze hat mich geschafft.
In der Sonne nach El Ganso - Erfahrungsbericht Jakobsweg Camino Francés
Wir haben uns zu fünft am Abendbrottisch zusammengefunden. Mir gegenüber sitzt Karina aus der Dominikanischen Republik, die aber in den USA lebt. Rechts neben mir Martin aus Lüneburg. Daneben Pit und seine Frau, deren Name ich nicht verstanden habe. Die beiden sind Holländer, leben aber in Neuseeland. Die generelle Sprache ist Englisch, was alle verstehen. Aber die Frau von Pit ist offensichtlich fast taub, ihr Mann übersetzt gelegentlich mit Gebärdensprache. Wenn ich ein Wort auf Englisch nicht weiß, frage ich Karina auf Spanisch. Wenn Martin ein Wort nicht einfällt, fragt er mich auf Deutsch. Das macht Spaß und ist kurzweilig. Das rustikale, aber schmackhafte Essen ist dabei fast egal.
Ich schaue mich noch einmal um, bevor ich Abschied nehme. Eine sehr praktisch eingerichtete Unterkunft in einer alten Scheune, mit ziemlich neuem Interieur. Alles ordentlich und sauber. Es hat mir gut gefallen.
Der Tag wird eine ähnliche Herausforderung wie gestern: 28 Kilometer bei erwarteten 26 Grad. Noch ist die Luft kühl auf der Haut. Ich befürchte, dass sich das bald heftigst ändern wird. Oh wie schön waren doch ein bedeckter Himmel und nicht mehr als zwölf Grad. Nur nicht mosern, sonst gibt es von Petrus was auf die Mütze. Das Wetter ist toll, wirklich! Ich schaue zurück und bedanke mich artig bei Frau Sonne.
Ich versuche in den Tritt zu kommen. Es gelingt mir nicht so richtig. Plötzlich tönt es von links hinten: „You are from German, right? And you look like Darth Vader!“ Ich zucke etwas zusammen und denke: Häh? Ich schaue auf meinen Schatten. Wo er recht hat er recht.
Darios aus Tuscon Arizona textet mich sofort auf die typisch lockere amerikanische Art zu. Es entwickelt sich ein angeregter Smalltalk. Seine Story ist tragisch, anrührend und doch auch ein wenig absurd. Seine Frau hat sich vor zwei Wochen auf dem Camino den rechten Knöchel gebrochen, musste operiert werden und begleitet ihn seitdem im Rollstuhl. Sie fährt mit dem Bus und ist immer schon da, wenn er ankommt. Nach dem Motto: „Hi Darling, und wie war dein Tag?“ Kann man sich nicht ausdenken, passiert aber. Darios ist schneller als ich und verschwindet bald hinter der nächsten Biegung. Cooler Typ. Seine Frau auch. Der Tag gestern geht mir nochmals durch den Kopf. Ich werde meine Strategie heute ändern. Ich mache gleich mehr Pausen. Und schon ist die Gelegenheit da.
Das ist kein Verkaufsstand, sondern das „Casa de los Dios“. Ein ehemaliger Pilger bietet auf einem runden Tisch alles, was man sich so an passender Camino-Verpflegung vorstellen kann, auf Spendenbasis an. Die Einrichtung ist Sperrmüll, mehr oder weniger. Aber nicht ohne Charme.
Es gibt sogar eine Gitarre und ein Pilger greift schon in die Saiten. Wenn jetzt noch jemand anfängt zu singen, wird es endgültig surreal. Macht aber keiner, ich auch nicht. Ich genieße die Pause in diesem ungewöhnlichen Ambiente und mache mich nach einer halben Stunde wieder auf die Socken, auf die neuen. Kurze Zeit später führt die Straße auf Astorga zu. Es geht bergab. Vorher pausiere ich kurz und setze mich auf die Stufen eines Kreuzdenkmals.
Natürlich muss ich in Astorga die Kathedrale besuchen. Wenn man aber auf der Durchreise ist, so wie ich, müssen solche Besichtigungen eher kurz ausfallen. Aber es ist zum wiederholten Male auf diesem Camino ein ungewöhnliches Bauwerk, das ich mir ansehen möchte.
Es gäbe eine Führung mit Audioguide oder in Fleisch und Blut oder ohne beides. Ich wähle ohne, bezahle als Pilger weniger, muss meinen Rucksack nebst Stöcken in einem Schließfach verstauen und betrete die Kirche. Auch hier gibt es keinen großen Innenraum, den man mit einem Blick erfassen könnte, sondern viele kleinere Bereiche. Im Chorgestühl fesselt mich der Anblick eines riesigen Pultes in der Mitte, auf dem vier sehr große Litanei-Bücher stehen. Und warum sind die so groß? Damit die Mönche von ihren Sitzen aus den Text und die Noten erkennen können; ist doch klar, oder?
Ich schaue nach oben, mache ein Foto und verlasse die Kirche. Als ich mir später das Geknipste anschaue, verstehe ich nicht wirklich, was ich da fotografiert habe. War da ein Spiegel? Ich habe keine Ahnung. Irgendwie unheimlich.
Astorga liegt inzwischen ziemlich weit hinter mir. Ich habe Kilometer 15 passiert. Der Stern glüht, der Weg ist steinig. Es staubt.
Ich bin heute besser versorgt mit Flüssigkeiten. Rund drei Liter sind im Rucksack. Das merke ich aber auch, die Schulterriemen sind deutlich zu spüren. Trotz des guten Vorrats nutze ich sich bietende Gelegenheiten zum Erfrischen.
Nach diesem Dorf kommt nur noch ein anderes, dann werde ich in El Ganso sein. Die Kilometer purzeln zügig unter mir weg. Nur noch knapp neun warten auf mich. Ich passiere eine Entfernungsangabe bis Santiago de Compostela, die deutlich macht, dass ich Zweidrittel der Gesamtstrecke geschafft habe. Ich freue mich.
Es fällt mir heute leichter als gestern, stelle ich fest. Es ist nicht langweilig, ich bin gut abgelenkt, das hilft. Die Psyche macht viel aus. Und mit dem Stolz des Erreichten geht alles noch mal so leicht. Ich nähere mich einer älteren Frau, die sich ziemlich quält. Ich habe sie schon einmal überholt. Dann war aber meine Pause länger als ihre, deshalb ist sie wieder vor mir. Ich hole sie ein und wir kommen ins Gespräch. Sie heißt Syntia und kommt aus den Staaten. Ihr Ziel ist Santa Catalina de Somoza, unmittelbar vor El Ganso. Es ist zwar nicht mehr weit, aber sie hat zu kämpfen. Verstehe ich. So ging´s mir gestern. Schließlich sind wir da. Ich glaube, ich habe ihr ein wenig über die Ziellinie geholfen. Und für mich war es interessant und auch unterstützend. Wir verabschieden uns mit einem „Buen Camino“.
Noch viermal 1.000 Meter oder ungefähr 5.600 Schritte. Klingt das nach viel oder wenig? Kommt darauf an, würde ich sagen. Unter einem Baum, der ein wenig Schatten wirft, mache ich Pause. Und für ein Selfie tue ich mal so, als wenn mir das alles gar nichts ausmachen würde.
Vor dem Weitergehen tränke ich meine Mütze nochmals mit Wasser. Ist die schön kalt! Wow! Mit neuer Kraft gehe ich den Rest der Strecke an. Es ist wie immer kurz vor dem Ziel alles wie aus Gummi. Unglaublich zäh. Dann ist es kurz nach vier und ich bin da, denke ich.
Ich gehe rein. Im Vorraum sitzen Pilger um einen Tisch herum, essen und trinken und begrüßen mich freundlich. Eine Art Empfangstresen sehe ich nicht. Ich gehe nach hinten durch. Ein offener Hof. Ein anderer Pilger sitzt auf einem Stuhl und liest. Ich frage ihn nach der Möglichkeit, sich irgendwie als Ankommender zu erkennen zu geben. Er kann mir nicht helfen. Ich zweifle und denke an mein Erlebnis in Estella zurück. Es öffnet sich eine Tür und ein Typ erklärt mir relativ unfreundlich, dass ich hier falsch wäre, wenn ich etwas gebucht hätte. Dies sei eine Herberge mit Anstehen. Und im Übrigen wären alle Betten belegt. „Aber…“, setzt er an. Ich schlucke. „Aber meine Schwester führt eine kleine Pension, die meinst du bestimmt, die ist eine Ecke weiter, rechts um. Buen Camino!“ Er dreht sich um und schließt die Tür hinter sich. Das geht auch netter, ehrlich. Ich gehe wieder durch den Vorraum und murmle: „Ich bin hier falsch.“ Ich höre allgemeines Bedauern. Nach 28 Kilometern und einer Nachricht dieser Art wiegt so ein Rucksack doppelt so viel. Doch, hinter der Ecke wartet das Happy End. Die Buchung stimmt. Die Schwester erwartet mich schon. Ich beziehe mein Zimmer und atme erleichtert auf.
Steiniger Weg nach El Acebo de San Miguel - Erfahrungsbericht Jakobsweg Camino Francés
Gestern lief es besser als vorgestern und warum? Weil ich den alten, aber wahren Spruch der Ausdauersportler beherzigt habe: Man scheitert nicht an der Strecke, sondern am Tempo. Deshalb mache ich bereits nach drei Kilometern Pause. Ich bin in Rabanal de Camino und genieße meinen ersten Café con leche.
Das Wetter ist konstant gut, es sind 16 Grad, blauer Himmel, ein kleines Lüftchen weht. Der Tag verlangt von mir heute nur gut 24 Kilometer, aber andauernden Aufstieg bis 1.400 Meter Höhe. Kurz vor den Tagesziel soll es dann wieder 200 Meter bergab gehen. Ich breche auf und gelange nach kurzer Zeit auf steiniges, unebenes Gelände.
Der Weg bleibt so und ist schön steil. Ich bin gezwungen, meine rhythmische Stock- und Atemtechnik anzuwenden. Der Schweiß läuft mir schon recht früh am Tage in den Nacken. Aber mein T-Shirt fängt das alles auf. Das ist atmungsaktiv, aus Merinowolle, das stellt bei Hitze keine blöden Fragen. Gegen halb eins bin ich in Foncebadón und mache Pause. Es gibt Apfelstreuselkuchen, lecker. Ich lasse mir Zeit. Der Ort ist der Endpunkt der 24. Etappe. Alle, die hier rumlaufen, haben ihr Tageswerk schon vollbracht. Ich nicht. Als ich wieder losziehe, folgen mir ungläubige Blicke. Ich kann ihre Gedanken hören: „Wo will der denn hin?“ Na weiter, ihr Schlaffis. Kaum raus aus dem Ort, komme ich in ein Waldstück. Der Pfad ist deshalb an einigen Stellen nicht völlig trocken und bietet überraschende und schon fast vergessende Schlammbegegnungen.
Es gelingt mir, unfallfrei den Waldweg zu meistern. Ich lasse ihn hinter mir und bin jetzt in so einer Art Heidelandschaft. Die Höhenmeter machen mir jetzt keine Schwierigkeiten mehr, aber die steinigen Schotterwege dafür umso mehr. Kleiner Schotter lässt sich besser bewandern, birgt aber die Gefahr des Wegrutschens. Größerer Schotter ist gefährlicher für die Knöchelgelenke. Der hier ist mal so oder so.
Zwei Kilometer von Manjarin stoppe ich bei dem berühmten Cruz de Ferro. Der Ursprung dieses Kreuzes ist nicht eindeutig; einige Historiker behaupten, der Platz sei schon zur Römerzeit ein besonderer gewesen. Er ist Ort des Gedenkens an verstorbene Pilger, dient aber auch als Deponie diverser Erinnerungsstücke.
Das Gebüsch wird dichter und die Landschaft immer ansprechender. In der Ferne sehe ich Berge, auf denen sogar Schnee liegt. Welche sind das wohl? Ich schaue nach und lese, dass es die Montes de León sind und dass es wahrscheinlich der Teleno ist, auf dem man jetzt vielleicht sogar Skifahren könnte.
Der Pfad windet sich durch die Sträucher. Zum Teil komme ich kaum noch durch. Und dazu der unebene Boden. Das ich kein Spaß. Ich quere die Landstraße. Plötzlich höre ich lautes Rufen, nein eher Schreien und Kuhglocken. Ein Bauer dirigiert mit kräftiger Stimme seine Kuhherde. Jetzt fällt mir auch der Draht links neben mir auf, der offensichtlich Strom führt. Aber, ob sich die Kuh davon abhalten lassen würde, mich mit ihren kräftigen Hörner aufzuspießen, sollte ich ihrem Feindbild entsprechen, glaube ich eher nicht.
Der erste Schwung Kühe ist weitergezogen, ich komme auch gut voran. Ein wenig höher sehe ich eine Viehtränke, die von einer Quelle gespeist wird. Der Zugang ist durch eine Lücke im Zaun möglich. Ich schaue mich um, ob es vielleicht versprengte Kuhnachzügler gibt. Scheint nicht so. Ich nutze die Gelegenheit zum Erfrischen.
Es gibt keinen Schotter mehr, sondern einen recht normal wirkenden Sandweg. Aber die Quelle von eben scheint auch noch andere Wege zu nehmen. Sie hat den Pfad unter Wasser gesetzt, zum Teil jedenfalls. Irgendein Witzbold wollte wohl eine Brücke bauen. Er ist aber nicht fertig geworden. Ich versuche rüberzukommen.
Ich bin ja ein geübter Schlammgeher. So gelingt es mir ohne zu stürzen, diese kleine Pfütze zu überwinden. Ich muss jetzt ungefähr 17 Kilometer bewältigt haben. Mir geht es recht gut. Die Strecke ist fast eben. Die Sträucher weichen etwas zurück und geben den Blick auf die Berge frei. Andere Kühe sind so nett und vervollständigen das Panorama.
Der Weg führt bergab. Nur Steine, große Steine, keine kleinen mehr. Ich muss bei jedem Schritt überlegen, ob ich rechts gehe oder links oder besser in der Mitte. Das nervt und ist auch nicht ungefährlich. Ein falscher Schritt und die Bänder sind gerissen oder der Knöchel ist gebrochen.
Parallel läuft die Landstraße in die gleiche Richtung. Ich überlege, darauf auszuweichen und den Camino zu verlassen. Ich mache es. Die Strecke ist zwar etwas weiter, aber ich kann auf dem Asphalt ganz normal laufen, ohne Schwierigkeiten. Noch zwei Kilometer, es ist fast vier Uhr. Ich schaue auf die Karte im Handy. Noch 800 Meter, das glaube ich nicht. Ich bin immer noch auf der Landstraße und ich sehe kein Dorf. Es kommt eine Kurve und dahinter sehe ich Häuser. Meine Unterkunft ist gleich am Dorfeingang. Ich bin da.
Ab und Auf nach Ponferrada - Erfahrungsbericht Jakobsweg Camino Francés
Ich treffe Dr. Radhule Weiniger aus Santa Barbara, California, USA. Sie sitzt bei mir mit am Tisch. Ich bin nicht in meinem kleinen Hostal, sondern esse zusammen mit Dutzenden anderer Pilgern zu Abend in einer anderen Unterkunft. Ich staune mal wieder über die Internationalität des Camino. Links neben mir Australier, rechts neben mir der Sohn von Radhule, Josh. Er ist Allgemeinmediziner. Und daneben sitzt eine Kanadierin und eine Frau aus Holland. Außerdem ist noch ein Kroate mit am Tisch, der aber schon lange in Berlin lebt. Radhule ist Deutsche, kann ganz gut Spanisch und ist super nett. Grundsätzlich wird wieder Englisch am Tisch gesprochen. Aber mit Frau Doktor aus den Staaten spreche ich mal Deutsch, Spanisch oder Englisch. An einem anderen Tisch im Saal sitzt übrigens Darios und ihm gegenüber seine Frau im Rollstuhl. Die Geschichte von gestern stimmte also. Habe ich auch nie angezweifelt. Wir begrüßen uns herzlich. Gegen 21:00 Uhr trete ich vor die riesige Herberge, die knapp außerhalb des Ortes liegt. Die Sonne nähert sich dem Horizont. Sie hat genug geleistet für heute; so wie ich auch.
Ich muss mich heute weiter aus der Höhe abseilen. Ich bin noch auf rund 1.200 Meter und mein Ziel liegt auf 500. Das ist jetzt nicht viel, wirklich nicht. Aber zu Fuß und mit Geröll unter den Schuhen ist das immer eine Herausforderung. Es werden rund 16 Kilometer. Das Frühstück ist inklusive, doch erst um neun wird serviert. Deshalb bin ich spät dran, das macht aber nichts. Es ist angenehm frisch.
Als ich losgehe, treffen in dem malerischen Ort El Acebo de San Miguel jede Menge Pilger ein, die auch frühstücken wollen. Wenn die aus Foncebadón kommen, sind sie deutlich vor Sonnenaufgang abmarschiert. Eine Frau hat noch ihre Stirnlampe auf dem Kopf. Irre. Der Weg raus führt zunächst auf der Landstraße entlang und biegt dann nach links ins Grüne ein. Noch ist alles moderat. Es ist ein Sandweg, rechts und links Büsche. In Riego de Ambrós steht gleich am Ortseingang ein sehenswertes altes Haus. Ich bin mir nicht sicher, ob da noch jemand wohnt. Eher nicht.
Der ganze Ort hat viele solcher Häuser, die aber bewohnbarer aussehen. Es gibt auch eine kleine Kapelle. Sie heißt Iglesia de San María Magdalena. Ich gehe rein und verweile einen Augenblick.
Hier in Riego de Ambrós gab es schon im 12. Jahrhundert ein Pilgerhospiz. Inzwischen steht auf dem Grundstück eine Herberge. Es ist total schön hier. Alle Gassen, die in Richtung Süden führen, zeigen einen fantastischen Blick auf die Berge.
Hinter dem Ort wird es heftig. Schotter und Geröll. Ich stolpere, kann mich aber fangen. Das war wohl ein „Hallo Wach“ meines Schutzengels, der mich vor Nachlässigkeit warnt. Jeder Schritt will überlegt sein. Zuerst wählt das Auge den Stein aus, dann berührt ihn der Fuß und der Stock stabilisiert den Schritt. Das passiert alles innerhalb einer Sekunde oder weniger. Nicht nur körperlich herausfordernd, auch mental. Es ermüdet mich. Aber es hört nicht auf. Ich arbeite mich jetzt schon mindestens eine Stunde den Berg runter. Das ist alpines Kraxeln. Endlich wechselt das Profil des Weges. Nur diese ausgewaschenen Rinnen sind nicht besser. Überhaupt nicht.
Es sind wirklich alle Schikanen dabei. Auch die Hänge sind steil und die Täler tief. Es ist mein schwierigster Abstieg. Und es ist gefährlich. Ich gebe zu, dass meine Trailrunner an ihre Grenzen stoßen. Hier wären kompakte Wanderschuhe besser. Irgendwann bin ich aus dem Gröbsten raus. An der Landstraße steht eine Entfernungsmarkierung. Daran komme ich nicht ohne Foto vorbei.
Der Weg wird besser und damit leichter zu begehen. Ich bin kurz vor Molinaseca. In der Ferne sehe ich schon die Pfarrkirche. Der Weg führt nun am Ufer des Río Meruelo entlang. Ich bin auf der römischen Brücke und schaue mich um.
Hinter der Brücke gibt es ein Café. Ich werde Pause machen. Und wer sitzt da schon und erholt sich? Radhule und ihr Sohn Josh. Es gibt ein großes Hallo und die Aufforderung mich zu setzen. Mache ich, na klar. Die beiden unterhalten sich mit einer jungen Frau am Nachbartisch. Sie stammt aus Berlin, heißt Yola Jordans und arbeitet beim Radiosender FluxFM. Wegen Josh, der zwar eine deutsche Mutter hat, aber kein Deutsch kann, reden wir Englisch. Die Situation ist cool und inspirierend, sodass ich gar nicht weitergehen will. Das sind Sachen, die machen den Camino aus. So wie gestern Abend auch. Irgendwann aber bricht Yola auf und ich verabschiede mich etwas später. Der Weg aus der Innenstadt raus führt rund zwei Kilometer auf der Straße entlang. Immer schön leicht bergauf. Das hätte mir mal jemand sagen können, dann hätte ich mich moralisch, geistig, seelisch darauf vorbereitet.
Es ist heißt und kein Schatten in Sicht. Wasser habe ich genug. Und leicht bergauf ist besser als steil bergab auf Geröll. Es geht, ich fühle mich nicht schlecht. Noch fünf Kilometer. Ich komme von Südosten auf Ponferrada zu. Ich überquere den Río Boeza und nähere mich dem Zentrum. Es grüßt mich die Burg mit ihren lustigen Türmchen.
Durch eine Innenstadt zu laufen, ist angenehmer als durch die Vorstädte. Hier kann ich schon einmal schauen, wo mich ein Restaurant anlacht, oder ob es einen Waschsalon gibt. Ich schlängle mich durch die Gassen. Mein Hotel ist jetzt nicht mehr weit. Gleich bin ich da.
Villafranca del Bierzo - Erfahrungsbericht Jakobsweg Camino Francés
Nach einer Riesenpizza „Cuatro Queso“ und zwei „Copa de Vino tinto“ schleiche ich gestern so in Gedanken versunken durch das antike Viertel von Ponferrada. Ich will ins Hotel und ins Bett. Gesenkten Hauptes weiche ich dem flanierenden Volk aus, als ich mich plötzlich fürchterlich erschrecke. Ein Typ mit spitzem Hut stellt sich mir in den Weg.
Der sieht echt gruselig aus. Es ist die Templerritter-Statue, die neben dem Castillo steht. Ich finde die absolut unheimlich. Hoffentlich träume ich jetzt nicht schlecht.
Ich habe gut geschlafen. Mein Hotel steht quasi direkt neben dem Camino Francés, ich bin also gleich auf der richtigen Strecke. Der Weg raus aus der Stadt ist einigermaßen ätzend, weil er direkt an der Straße entlangführt. Das ändert sich auch später nicht. Die letzten beiden Tage habe ich mich eher wie eine Bergziege gefühlt, die runter ins Dorf will. Heute komme ich mir vor wie ein Asphalttiger, der nicht wirklich weiß, wohin er will. Ich brauche eine Pause. Oh, wie schön sieht diese kleine Herberge mit Bar in Camponaraya aus. Da gehe ich rein, bestelle Café con… na, womit?, bekomme noch ein Stück Kuchen dazu und einen Stempel für meinen Pilgerpass.
Wenige Hundert Meter weiter passiere ich eine Skulptur, die meine Neugierde weckt. Sie muss etwas mit Wein zu tun haben. Ein Mann und eine Frau greifen nach Trauben und hängen irgendwie an dem Stein fest. Sie sieht sehr ungewöhnlich aus. Die Frage ist: „Was will uns der Künstler damit sagen?“
Eine Bronzetafel erklärt den Hintergrund. Es soll eine Ehrung und eine Erinnerung an die Gründer der Kooperative von Bierzo sein. Es ist eine Bodega der Familie Guerra. Aha! Ich gehe weiter und durchwandere für einen kurzen Moment ein Stück Wald.
Das ist angenehm. Die Sonne kann mir hier nicht so auf den Schädel brennen. Wir haben 25 Grad, blauen Himmel, keine Wolke. Leider währt der Schutz nur kurz. Aber ich bin nicht mehr auf Asphalt. Sandweg ist jetzt angesagt. Und Weinreben, rechts und links, soweit das Auge reicht. Weingegend halt, die Kooperative pflanzt hier an. Auch mal wieder ganz nett.
Kilometer 15 ist erreicht. Vor dem Ort Cacabelos gibt es einen Rastplatz. Gerne. Der Steintisch links ist besetzt. Aber in der Mitte gibt es eine überdachte, sehr bunte, mit vielen Schriftzeichen versehende Wand mit einer Bank davor. Eine sehr bunte Katze sitzt darauf. Ich schnalle ab, die Katze verpfeift sich. Ich esse meinen Apfel und zwei Schokoriegel. Ich finde, ich passe rein optisch ganz gut zu der Wand, oder?
Die Katze kommt zurück. Das Rascheln mit dem Schokopapier hat sie angelockt. Ich gebe ihr ein Stück. Will sie nicht. Die will Fleisch, mit Sicherheit. „Liebe bunte Katze, das tut mir leid, ich bin Vegetarier, ich habe nichts, was dir schmecken könnte.“ Sie guckt mich zweifelnd an.
Cacabelos ist sehr alt. Es gibt Funde aus der Steinzeit, heißt es. Die Häuser sehen auch sehr alt aus. Ich bin beeindruckt. Und es gibt offensichtlich urige Kneipen. In dieser „Cervecería“ würde ich gern mal versacken.
Ich kann selten an einer Kirche vorbeigehen, ohne einmal reinzuschauen. So auch bei der Iglesia de Nuestra Señora de la Plaza. Sie ist schlicht und nicht überladen. Das gefällt mir. Der Altar und auch einige Nischen sind sehr gut ausgeleuchtet. Hier hat jemand sein Handwerk verstanden, mit Licht besondere Effekte zu erzeugen.
Die Orte Pieros und Valtuille de Arriba haben zwar lustige Namen, sind aber sonst belanglos. Noch rund drei Kilometer von insgesamt 24, dann bin ich am Ziel. Der Weg ist wieder aus Sand und Schotter. Die Landstraße habe ich endgültig hinter mir gelassen. Es geht hoch und runter durch die Weinberge. Mitten zwischen den Reben steht ein Schild mit einer Taxireklame. Von wegen: „Falls du keinen Bock mehr aufs Wandern hast, ruf mich an. Ich nehme auch dein Fahrrad mit.“ Witzig.
Gleich bin ich da. Ich laufe an Villen und gut aussehenden Unterkünften vorbei. Der Ort scheint Kohle zu haben. An einer weißgetünchten Wand eines Hauses muss ich die Kraft der Natur bewundern. Eine rote Mohnblume wächst so einfach aus der Mauer heraus. Toll!
Zehn Minuten später bin ich am Ziel. Die Buchung hat funktioniert, der Empfang ist freundlich. Allerdings ist mein Zimmer im zweiten Stock, ohne Fahrstuhl. Macht aber fast gar nichts.
Bummeltour nach Vega de Valcarce - Erfahrungsbericht Jakobsweg Camino Francés
Man kann beim Bier viel falsch machen. Hier am Plaza Mayor in Villafranca de Bierzo macht der Kellner alles richtig. Das liegt vielleicht auch am Namen. Das Bier kommt auf Zuruf und zwar zügig, es hat die richtige Menge Schaum und ist eiskalt. Mehr brauche ich nicht für ein bisschen Glück nach einer anstrengenden Tour.
Und die Pizza hat auch Klasse. Es ist mal keine „Cuatro Queso“, sondern eine „Vegetariana“, auch mit viel Käse, aber dazu große Zwiebeln und reichlich Knoblauch. Das ist der zweite Teil meines kleinen Glücks.
Bevor ich losziehe, schaue ich noch einmal aus meinem Fenster. Ein netter Ausblick. Gut, das Dach könnte mal neu gedeckt oder die Dachbegrünung ordentlich zu Ende geführt werden, aber sonst alles top.
Es ist schon spät am Morgen, halb zehn. Die das Grauen des Morgens liebenden Hektiker sind alle weg. Es sind nur noch die entspannten Langschläfer da, so wie ich. Am Ortsausgang setze ich mich noch einmal zum Pilgervater, der alle persönlich verabschiedet.
Ich bin wieder auf der Straße unterwegs. Zwar geschützt durch eine Betonmauer, aber trotzdem nicht wirklich schön.
Es werden heute nur rund 16 Kilometer, die kann ich mir gut einteilen. Ich werde viele Pausen machen. Denn sollte ich zu früh am Hotel sein, ist das Zimmer eventuell noch nicht fertig. Kurz vor Pereje ergibt sich gleich mal die Gelegenheit dazu. Ein Urnenfriedhof, der nicht besonders gepflegt aussieht, reizt mich. Leider ist das Tor verschlossen. Ich würde zu gern mal nach den Inschriften schauen.
Ich bin weg von der Straße und gehe durch das Dorf. Ein paar Hundert Meter weiter verweile ich an einem alten Haus, das in jedem Märchen eine wundervolle Rolle spielen könnte. Soll ich mal klopfen?
Ich trödle so vor mich hin und denke, dass es doch schön wäre, wenn ich mal zu dem Fluss ans Ufer runtergehen könnte, der die ganze Zeit neben mir rumgurgelt. Und siehe da, ein Weg. Ich gehe runter, vorsichtig natürlich.
Das ist der flüssige Namensgeber für meinen Zielort heute: Río Valcarce. Und gleich nebenan ist ein Rastplatz. Na, das klappt ja vortrefflich. Ich muss so ungefähr sieben Kilometer geschafft haben. Da darf ich doch eine längere Unterbrechung einschieben. Nicht wahr?
Das nennt man übrigens Apfelkuchen. Habe ich beides vom Frühstückstisch mitgenommen. War inklusive. Es schmeckt. Nach einer halben Stunde mache ich mich wieder auf den Weg. Es ist erneut der geschützte Seitenstreifen neben der Landstraße. Rechts und links begleiten mich jetzt zunehmend felsige Strukturen. Insofern ist es nicht so übel, dass ich da nicht hochklettern muss, sondern auf der Straße wandle.
Fünf Kilometer weiter und ich weiß endlich mal wieder, wie weit ich es denn noch bis Santiago der Compostela habe.
Liegt mir eigentlich Pilgern im Blut? Keine Ahnung. Aber schon meine Mutter ist gepilgert, als sie Anfang 20 war, sie ist jetzt 91. Ihr Ziel damals war Rom, von Berlin aus. Mit dem Zug ein Stück, dann getrampt und schließlich zu Fuß, so gelangte sie ans Ziel. Mir gefällt mein Camino Francés jedenfalls sehr gut. Und bald bin ich da und alles ist vorbei. Das stimmt mich etwas wehmütig. Für heute bin ich auch am Ziel. Eingecheckt und Schuhe ausgezogen. Und in den Sessel gesetzt.
Unter meinem Balkon fließt der Fluss, der mich schon den ganzen Tag begleitet hat. Er wird mich sicherlich sanft in den Schlaf murmeln. Ich entspanne und bereite mich auf Morgen vor. Die Tour wird hart, richtig schwer. Hammermäßig.
Steil hoch nach Fonfría - Erfahrungsbericht Jakobsweg Camino Francés
Schwarz bedeutet steile, schwere, lange Wege. Und die letzte schwarze Etappe vor Santiago de Compostela liegt vor mir. Ich habe sie geteilt. Damit wäre sie nur 13 Kilometer lang. Da aber am Endpunkt dieser Strecke nichts frei und auch weit dahinter nichts zu buchen war, musste ich zwölf weitere Kilometer von der nächsten roten Route dazu nehmen. Das sind dann 25, mein Tagespensum.
Ich spiele mal den frühen Vogel und bin kurz nach sieben auf der Piste. Ohne Frühstück. Es ist kalt. Ich gehe mit Pullover los. Die Handschuhe wären doch ganz gut gewesen, muss ich feststellen.
Der Sonne quält sich auch aus dem Bett. Und siehe da, der Morgen ist gar nicht grau, sondern herrlich frisch und strahlend.
Die Bauern sind schon am ackern. Ich überlege kurz, ob ich mit aufsteigen soll. Nur für ein kleines Stückchen.
In Las Herrerías gibt es eine Herberge, die hungrige Pilger mit Essen versorgt. Die haben sogar Müsli. Das gibt Kraft. Brauche ich auch. Denn kurz hinter diesem Dorf geht es gleich zur Sache, nämlich steil bergauf.
Es ist so steil, dass es ohne Serpentinen nicht zu machen wäre. Sie schlängeln sich durch den Wald nach oben. Die Achillessehnen sind aufs Äußerste gespannt. Dauernd rutsche ich weg. Die Frequenz der Atem-Stock-Technik ist auf der höchsten Stufe. Jeder Schritt ein Atemzug. Ich schwitze. Es sind 250 Höhenmeter auf drei Kilometer. Nicht nach oben schauen, nur auf den Weg. Es ist nicht wichtig, wie weit es noch ist. Wichtig ist der nächste Schritt. Es tropft, es ist mein Schweiß. Endlich bin ich oben, im Dorf La Faba. Auf 917 Metern.
Eine Frau aus dem esoterisch angehauchten Pausenshop grüßt freundlich. Ich flüstere zurück: „Buenos Días!“ Der Pullover muss aus. Das Shirt darunter ist nass. Ich stelle mich in die Sonne zum Trocknen. Im Schatten ist es zu kühl. Das war also der erste Teil des steilen Aufstiegs. Der zweite folgt sogleich. Sobald ich einigermaßen trocken bin. Es dauert. Aber Zeit spielt keine Rolle. Ich bin sehr früh dran. Schließlich schnalle ich den Rucksack wieder an und gehe weiter. Nach La Laguna sind es weitere drei Kilometer mit nicht ganz 250 Höhenmetern. Die Sonne brennt inzwischen ganz schön. Ich pausiere und drehe mich um. Das hat sich schon einmal gelohnt. Was für eine wunderschöne Landschaft.
Weiter geht´s. Automatisch setze ich einen Fuß vor den anderen und ein Gedanke ist völlig klar: Du musst den Stier bei den Hörnern packen, Martin.
Du nimmst jetzt alle Kraft zusammen, baust dich vor dem Stier auf, greifst das Gehörn und lässt nicht mehr los. Kraftvoll wirfst du ihn um, dann bist du oben.
Ich weiß nicht genau, wie ich das Rindvieh umgehauen habe, aber ich bin oben. Ein irrer Ausblick. Das sieht so toll aus. Und mit dem Erfolg des Aufstiegs noch viel besser. Neben mir steht Eugenio aus dem Baskenland. Ich bin kurz hinter ihm hochgekommen. Wir strahlen uns gegenseitig an.
Die nun folgende Strecke führt weiter bergauf, aber moderat. Nach einem Kilometer passiere ich die Grenze nach Galizien.
Bis O Cebreiro ist es jetzt nicht mehr weit, noch anderthalb Kilometer. Von weitem höre ich einen Dudelsack. Die Galicier betrachten die Kelten als ihre Vorfahren. Daher gibt es deren Spuren in der Kultur und bei der Musik. Mit einer Geldspende belohne ich die Mühe des Mannes, mit einem Sack Musik zu machen.
Auf dem kleinen Platz vor den Restaurants und Souvenirshops ist reichlich was los. Es sind nicht nur Pilger da, es werden auch jede Menge Touristen mit Bussen hier hochgekarrt. Ich stärke mich nicht mit Krake und Kartoffeln, sondern esse ein Stück Kuchen und trinke einen Café americano. Heute mal keine Milch. Schwarzer Kaffee schmeckt mir besser bei einem gehaltvollen Stück Torte.
Ich befinde mich in 1.250 Meter Höhe. Das ist nicht viel. Der Platz in der Sonne ist auch sehr angenehm, aber es geht ein leichter Wind. Ich ziehe den Pullover wieder an. Viele Pilger bleiben jetzt hier in den Herbergen. Ich hingegen muss noch weiter. Ich will aber nicht. Es sitzt sich so schön an der Hauswand. Aber was muss, das muss. Der Camino ruft. Gut eine Stunde habe ich vertrödelt. Es ist aber erst kurz vor zwölf. Der Vorteil des Frühaufstehers. Der Weg geht nun immer schön bergauf und bergab. Und gar nicht mal so ohne kräftige Steigungen. Gut, dass ich das vorher nicht realisiert habe. Ich hätte sonst gar keine Ruhe zur ausgiebigen Pause gehabt. Ich komme an eine Quelle und stille meinen Durst.
Ich durchquere diverse Dörfer. Mal bin ich ein Stück weiter weg von der Straße und mal wieder direkt daneben. Und „Le soleil brille“ „die Sonne brüllt“, wie wir früher beim Skifahren in der französischen Schweiz gesagt haben. Und zwar mit aller Macht. 26 Grad und ich bin immer noch nicht da. Wie immer zieht sich der Rest wie Kaugummi. Doch, oh Wunder, plötzlich stehe ich vor meinem Hostal „Casa de Lucas“. Sieht nett aus.
Mit Schmerzen nach Samos - Erfahrungsbericht Jakobsweg Camino Francés
Meine Motivation schläft noch. Sie ist nicht mit mir zusammen aufgestanden. Ich schleppe mich so dahin. Ich habe keine Lust. Zu nichts. Schritt für Schritt. Mehr muss ich ja nicht machen. Im kleinen Dörfchen Fillobal steht neben der Herberge ein kräftig aussehender Typ, der mich zu sich winkt. Ich solle nicht so griesgrämig aus der Wäsche schauen, meint her. „Gib mir mal dein Hand, Kleiner. Fühlst du die Kraft?“
Die hammerharte Aufstiegstour von gestern hat Spuren hinterlassen. Ich fühle mich körperlich und geistig nicht auf der Höhe. Es liegen 19 Kilometer vor mir, die abgelaufen sein wollen. Dafür brauche ich eine gewisse Fitness. Im Kopf und in den Beinen. Ich bin von der Straße weg. Es geht durch den Wald. Immer schön wellenförmig.
Es nervt und mir ist langweilig. Und ich denke an das Ende meines Camino Francés. Es macht mich depressiv. In Ramil bleibe ich vor einem Baum stehen. Es ist eine Kastanie. Sie soll mehr als 800 Jahre alt sein.
Der Stamm sieht komisch aus, fast wie ein Gesicht. Das heitert mich etwas auf. Ich bin spät los, deshalb ist es jetzt schon fast zwölf Uhr. Zeit für eine Pause. Hinter der nächsten Ecke liegt Triacastela. Eine Bank für Pilger fordert mich zum Sitzen auf. Na gut. Und bitte lächeln!
Sitzen ist irgendwie eine halbwegs gute Idee. Die nächste Herberge ist nur zwanzig Meter weiter. Ich hole mir einen Café con leche und einen Stempel. Ein Rucksacktransporter hält direkt vor meiner Nase.
Das sind die ganz entspannten Pilger, die nur mit einem Rucksäckchen durch die Gegend laufen. Ich habe nicht nur Rucksäcke gesehen, sondern auch richtig große Koffer, die von Unterkunft zu Unterkunft gefahren werden. Für wenig Geld, ungefähr zehn Euro pro Fahrt. Sollen sie. Der Ort Triacastela gefällt mir gut. Meine Stimmung bessert sich. Ich schaue mich in Ruhe um. Dieses alte Haus ist zu verkaufen. Da könnte man doch etwas daraus machen. Muss ich mal zu Hause besprechen.
Ich grinse in mich hinein. Das ist bestimmt ein Schnäppchen. Am Ortsende muss ich mich entscheiden. Es gibt zwei Wege. Rechts oder links? Der Unterschied beträgt immerhin sieben Kilometer.
Aber die Entscheidung ist schon vor längerer Zeit gefallen. Die Buchung im Ort Samos zwingt mich, den linken Weg einschlagen. Es geht an der Straße lang. Alle paar hundert Meter wird der Sandweg durch eine Art Holzbrücke ersetzt. Wahrscheinlich, damit man nicht in den Río Oribio fällt.
Nach drei Kilometern geht es weg von der Straße. Am Ortseingangsschild von San Christobal de Real fließt der Río Oribio über ein kleines Wehr und bildet ein Teich, der zum Baden einlädt. Ich überlege. Eine Badehose bräuchte ich bestimmt nicht. Hier ist sonst keiner.
Warm genug ist es, gut 20 Grad. Mache ich aber doch nicht. Ich gehe weiter. Der Pfad ist nicht gut und nicht wirklich schlecht. Kies und Schotter. Mal geht es ein wenig steil bergauf, mal bergab. Meine rechte Wade schmerzt und der linken Hacken ist auch nicht völlig befriedet. Überhaupt, seit einiger Zeit meldet sich täglich ein anderes Körperteil und beschwert sich. Das reicht mir jetzt langsam. Diese Rumnörgeleien gehen mir auf den Zünder. Reißt euch gefälligst am Riemen. „Nur zusammen sind wir stark. Antreten und Klappe halten!“, schreie ich meine Wut in den Wald. Da geht mit mir die halbmilitärische Grundausbildung bei der Polizei durch. Aber es hilft. Geistig bin ich wieder fast fit. Zu meinem Ausbruch passen die seltsamen toten Baumreste, die links am Wegesrand stehen. Dieser hier scheint mich auszulachen.
Ich wandere an einem Friedhof vorbei. Die haben große Grabstellen, richtige kleine Häuser, alles aus Stein. Das muss doch teuer sein. Für ihren Glauben geben die hier alles, denke ich.
Kilometer 13 ist erledigt. Meine Körperteile sind verstummt. Bis auf die rechte Wade, die ist hartnäckig. Muss ich heute Abend besonders behandeln. Etwas weiter schauen mich hübsche, braune, sehr große Kühe an. Die Erwachsenen haben alle Hörner. Es gibt einen Elektrozaun. Ein Glück. Und am Rande eines Bauernhofes marschiert eine Henne mit ihren Küken auf der Straße lang. Wo wollen die denn hin?
Ich ziehe das rechte Bein nach. Ich kann nicht mehr richtig auftreten. Ich brauche eine Pause und gebe dem Universum den Auftrag, spätestens vier Kilometer vor dem Ziel einen Rastplatz aufzutun. Bei Distanz 3,8 stehen am Straßenrand Betontische und Bänke. Mit der kleinen Abweichung kann ich leben. Danke!
Zu meiner Aufheiterung durchquere ich kurz vor dem Ziel einen Ort, der zum Teil meinen Namen in der Verkleinerungsform trägt.
Mental ist wieder alles super. Körperlich nicht. Ich überquere den Río Sarria. Er führt an dem berühmten Kloster San Xulián de Samos vorbei. Es ist ein aktives Benediktinerkloster und wurde im sechsten Jahrhundert gegründet. Ein Besuch würde sich lohnen. Ich werde aber keine Zeit haben. Schade.
Die rechte Wade ist kurz davor, endgültig den Geist aufzugeben. Durchhalten! Nur noch 100 Meter, dann bin ich da. Ich checke ein, gehe aufs Zimmer und packe die Beine hoch.
Nach der Erstversorgung, Duschen und Sachen auspacken gehe ich an die Bar und bestelle ein „Cañion”. Das ist ein großes Bier vom Fass. Es ist perfekt! Und das Glas ist aus dem Eisfach! Besser geht es nicht!
Sarria - Erfahrungsbericht Jakobsweg Camino Francés
Die Wade hatte jetzt 16 Stunden zum Ausruhen. Das muss reichen. Sie schmerzt auch nicht mehr. Jedenfalls nicht auf dem Weg zum Frühstück. Die entscheidende Frage ist nun, laufe ich mit oder ohne Verband?
Ich gehe ohne. Ein schwaches Ziehen ist da. Aber in diesen leichten Schmerz will ich reinlaufen. Das geht besser ohne Verband, denke ich mir. Der Weg führt zunächst an der Straße entlang. Es ist spät, halb zehn. Ich habe mir Zeit gelassen. Die Tour ist heute 13 Kilometer kurz. Ich fühle mich gut. Ein kräftiges „Buen Camino“ lässt mich rumfahren. In den letzten Tagen war dieser Gruß seltener zu hören. Hat sich irgendwie abgenutzt, habe ich den Eindruck.
Ein mittelaltes Pärchen geht mit kräftigem Stockeinsatz an mir vorbei. Beide nicken freundlich. Ich auch. Das ist ein netter Anfang. Links von mir lärmt der Río Sarria. Er wird mich bis in die gleichnamige Stadt begleiten. Am Ufer stehen einige Bäume, die sich gegen das Wasser behauptet haben. Das gelingt nicht jedem. Oft sehe ich die gefallenen Riesen im Wasser liegen. Diese hier stehen schon gefährlich schief. Aber sie sehen richtig attraktiv aus. Der Moosbewuchs ist wie ein Make-up.
Es stehen auch Häuser am Fluss. Meistens sind es sehr alte. Bei diesem hier bin ich mir nicht sicher, ob da noch jemand wohnt. Auf jeden Fall haben sie immer fließendes Wasser im Keller. Für umsonst.
Ich laufe jetzt durch den Wald. Es ist die Fortsetzung von gestern. Steile, rutschige, enge Pfade, die hohe Trittsicherheit verlangen. Immer hübsch wellenförmig, hoch und runter, nur den Wanderer nicht mit flachen Strecken verwöhnen. Der Wald wird immer dunkler. Das ist fast ein wenig gruselig. Frei nach Schiller: „Durch diese hohle Gasse muss er kommen!“
Aber am Ende ist Licht. Ich bin wieder zwischen den Wiesen. Vor mir laufen zwei Asiatinnen, die kleine silberfarbene Sonnenschirme am Schultergurt ihrer Rucksäcke befestigt haben. Sie schweben über ihren Köpfen wie große Heiligenscheine. Würde ja zum Camino passen. Ich will sie überholen. Die vordere fragt mich plötzlich auf Englisch, woher ich denn sei. Ich antworte: „Germany!“ Darauf die andere: „We are from Arizona!“ Ich stutze. So sehen sie aber nicht aus. Bevor ich dem weiter auf den Grund gehen kann, stoppen wir alle. Wir sind in Perros, vor einem Haus mit Dattelpalme. Wir sind uns einig, dass dieser Anblick außergewöhnlich ist. Hier im Nirgendwo. Wir staunen.
Ich nehme das Gespräch wieder auf und frage, woher denn ihre Familien ursprünglich stammen: „China, Japan, Vietnam, Korea?“ Die eine der beiden antwortet ziemlich schnippisch: „We are from Arizona, not from somewhere else!“ Dabei wackelt ihr Heiligenschein gefährlich. Oh, da habe ich wohl einen wunden Punkt angesprochen. Wollte ich natürlich nicht. Ich entbiete den Pilgergruß und ziehe von dannen. Fast elf Kilometer sind geschafft. Aguiada und O Carballal liegen hinter mir. Ich bin in der Stadt. Kurz vor meinem Apartment muss ich die berühmte Pilgertreppe hoch. Die Wade hat bisher alles mitgemacht. Da sollte sie doch eine letzte Anstrengung nicht aus der Fassung bringen. Oder?
Nein, alles gut. Ich stehe vor der Hausnummer Rúa Maior 29. Das Haus ist verschlossen, niemand macht auf. Ich wähle die Telefonnummer auf dem Schild.
Telefonisch werde ich durch den weiteren Anmeldeprozess geleitet, auf Spanisch. Mit Code öffnet sich ein Kästchen, darin ist ein Schlüssel. Ich öffne die Tür. Ich soll weiter durchgehen. An der Treppe vorbei. Wirklich? Ich glaube es nicht.
Sämtliche schlechten Erfahrungen der jüngsten Vergangenheit schießen mir durch den Kopf. Das kann nicht sein. Doch, sagt der Typ am Telefon, ich soll an der Ausstellung des Museums vorbeigehen. Ausstellung, Museum? Häh? Doch, das sei richtig. Dann komme ein Innenhof. Ich werde schon sehen. Tatsächlich. Ich trete aus der Tür und schaue auf ein neues Gebäude, im hellen Sonnenlicht. Nicht zu fassen.
Treppe hoch, Zimmer Nummer drei, Code eingeben und schon bin ich da. Sachen gibt´s.
Ach, fast hätte ich vergessen, es euch zu sagen: Ich mache zwei oder drei Tage Pause. Die Wade hat darauf bestanden!
Fit nach Portomarín - Erfahrungsbericht Jakobsweg Camino Francés
Der gute Geist meines Appartements verabschiedet mich gebührend. Ich grüße zurück.
Halbwegs wadenfit trete ich durch die Tür. In der Gasse gibt es einige Geschäfte und Restaurants. Bei Matias habe ich eine gute Pizza gegessen. Als Adíos nehme ich den Hinweis mit, dass es nur noch 111 Kilometer bis Santiago de Compostela sind. Gracias amigo. Heute werde ich davon 24 abspulen.
Im Gegenlicht wirkt der Glockenturm der Iglesia de San Salvador wie ein Scherenschnitt. Am Kreuz sagen sich Fuchs und Hahn gute Nacht. Die Kirche ist leider verschlossen. Ich hätte aber auch keine Zeit für einen Besuch.
Gestern war ich noch bei einer anderen Kirche, ein paar Ecken entfernt. Es ist die Capilla de San Lazaro. Sehr interessant finde ich die Kombination mit dem Wandbild dahinter.
Der Camino Francés will mich rechts hoch führen. Mache ich nicht. Durch meine Spaziergänge weiß ich, dass der Weg nur zu einem unspektakulären Aussichtspunkt führt und dann wieder steil bergab geht. Ich wandere weiter geradeaus und passiere den Turm der mittelalterlichen Festung Sarria, der „Torre del Batallón“ genannt wird.
Von rechts kommt der Camino auf mich zu. Ich bin wieder drauf und erreiche die Brücke der Härte, „Ponte de Áspera“, die alle Pilger auf der Etappe 28 nach Portomarín überqueren müssen.
Der Name lässt Spekulationen aller Art zu. Am wahrscheinlichsten ist wohl der Wink mit dem Zaunpfahl für alle Pilger: „Es wird eine harte Tour!“ Ich schaue mich noch einmal um und bewundere zum x-ten Mal eine kleine Steinkonstruktion, die dem Gesetz der Schwerkraft zu widersprechen scheint.
An Bahngleisen entlang geht der Pfad schließlich Richtung Wald. Ein Stück bergauf und ich bin mitten zwischen saftigen Wiesen. Ich werde überholt. Weiter voraus sehe ich weitere Steigungen. „Na abwarten, Amigos, das ist nicht ohne“, denke ich so für mich. Und richtig. Kaum geht´s hoch, stehen sie hüstelnd am Rand. Die kommen mir vor wie die Hamburger Ameisen, frei nach Ringelnatz. „Noch könnt ihr umkehren. Die Brücke heißt nicht umsonst so“, denke ich, wieder nur für mich. Ich gebe keine Ratschläge. Meine Kondition ist top, ich ziehe den Berganstieg durch. Ich bin oben. Plötzlich wird der Pfad zum Bach. Aber fleißige Helfer haben linksseitig eine kleine Wanderhilfe gebaut. Gut gemacht, danke.
Das Wetter ändert sich, wie vorausgesagt. Es zieht zu. Der Regen soll um 11:35 Uhr kommen. In der Ferne dominiert der Nebel. Das kann ja heiter werden. Aber ich bin vorbereitet.
Ich klappere die Dörfer Barbadelo, Rente, A Serra ab. Wenig los. Nur diese Rosen finde ich sehr ansprechend. Die stehen mir doch, oder?
Das Wetter hält. Ich schaue auf die Wetter-Apps. Bei der einen ist die Wahrscheinlichkeit von 75 % auf 35 % gesunken und bei der anderen scheint das Regengebiet eine andere Richtung nehmen zu wollen. Soll mir recht sein. Auf der heutigen Tour gibt es deutlich mehr freilaufende Hunde als sonst. Zwischen den Wiesen waren es drei Hirtenhunde, dann zwei Boxer am Waldrand, am Bauernhof ein Schäferhund und jetzt eine Dogge. Aber die haben alle keine Interesse an Pilgerfleisch. Da freue ich mich doch. Ich passiere einen Friedhof. Ähnlich wie bei den Kirchen kann ich nicht einfach vorbeigehen. Gedenkstätten für Tote darf man nicht romantisch nennen oder stylisch? Nee, wahrscheinlich nicht. Der sieht aber so aus, finde ich.
Kurz hinter Mirallos ist es endlich soweit. Ein Highlight des heutigen Tages. Ehrfurchtsvoll nähere ich mich der Entfernungsangabe bis Santiago de Compostela. Da stehen Zahlen mit einer Eins vorne und zwei Nullen vor und drei hinter dem Komma. Ich freue mich. So richtig.
Kilometer 18 ist absolviert, es könnte langsam mal eine Pausenmöglichkeit kommen. Der Auftrag ans Universum ist raus. Ich habe vier mal tausend Meter vor Zieleinlauf eingegeben. Passt. Bei 4.200 erwarten mich ein Café americano und ein Stück Kuchen. Ihr glaubt nicht, dass das funktioniert? Ich schon. Und Glaube versetzt bekanntlich Berge.
Vor mir liegt Portomarin. Der Río Miño wird hier zu einem See aufgestaut. Das alte Dorf liegt deshalb unter Wasser. Ich quere die Brücke. Zur neuen Stadt hoch führt eine prächtige Treppe. Nach so einer langen Tour eine letzte große Anstrengung.
Auch in der Stadt geht es noch einmal bergauf. Es folgt eine links-rechts-Kombination, dann stehe ich vor meinem Hotel mit dem tollen Namen „Villa Jardín“. Geschafft. Ohne Regen. Geht doch.
Gemächlich nach O Hospital - Erfahrungsbericht Jakobsweg Camino Francés
Theoretisch könnte ich diese alte Fußgängerbrücke nutzen, um aus Portomarín raus- und auf den Camino Francés raufzukommen. Praktisch scheitert es an der Zugangsmöglichkeit auf der nördlichen Uferseite. Alles ist total zugewachsen. Keine Chance.
Dann eben über die Autobrücke. Der Camino teilt sich dann. Links auf der Straße entlang oder rechts rein in den Wald. Ich bin pro Grün.
Ich habe gerade heute wieder von Leuten gehört, die täglich mehr als 40 Kilometer laufen, mit Kopflampe starten und sich spätestens um 14:00 Uhr bei den Herbergen anstellen. Was für ein Stress. Da bin ich doch völlig anders gepolt. Ich bin erst um zehn losgelaufen und habe die Etappe bis Palas de Reí in der Mitte geteilt. Es sollen somit nur zwölf Kilometer werden. Und ich habe Zeit, mich mal bei den Bäumen zu bedanken, die jede Sekunde ihres Lebens versuchen, unser Klima nicht kippen zu lassen.
Albern? Ja, vielleicht. Aber es fühlt sich richtig an. Langsam und bedächtig gehe ich weiter. Das Wetter hat wieder die alten, schlechten Eigenschaften angenommen. Es herrscht mit 13 Grad, leichtem Wind und bedecktem Himmel zwar ein angenehmes Wanderambiente, ist aber fürs Gemüt eher schlecht. Außerdem ist der Pullover nicht winddicht. Ich überlege ernsthaft, die Jacke anzuziehen. Ich bin zu faul. Ein bisschen frieren wird mir schon nicht schaden. Ich bummle weiter. Es folgen die Orte Toxibó und Gonzar. Lustige Namen. In Castromaior würde ich mir gerne die Iglesia de Santa Maria ansehen. Aber es macht niemand auf.
Im Mittelalter waren die Kirchen für die Pilger immer eine Möglichkeit Hilfe zu bekommen. Auf ihren entbehrungsreichen, oft monatelangen Reisen waren sie überall Gefahren ausgesetzt: Wetterwechseln, Wolfsrudeln, Hunger, Durst, ungenießbaren Quellen, Krankheiten, Überanstrengung oder Irrwegen im Gebirge. Wie komfortabel haben wir das doch heutzutage. Da wird eine Blase am Fuß schon zur Katastrophe. Ich nähere mich der Burg von Castromaior. Sie liegt auf einer Anhöhe, so wie es sich für ein Kastell auch gehört. Ich kraxle hoch.
Diese Festung stammt vermutlich aus der Eisenzeit und wurde mit den ersten römischen Eroberungsfeldzügen aufgegeben. Ich schaue sie mir mal genauer an. Die Mauern wurden ohne Mörtel gebaut. Nur durch geschicktes Anpassen der richtigen Steine mussten die Wände halten. Interessant.
Hier oben zieht es mächtig. Ich sehe zu, dass ich runterkomme. Ein wenig Vorsicht ist geboten. Das ist kein offizieller Pfad. Ein paar große Schritte und ich bin wieder auf dem Camino. Der Weg ist ansonsten angenehm zu laufen. Glatter Sandboden, kaum Steine.
Obwohl ich bald da sein werde, setze ich mich kurz mal hin. In einem bestimmt mal richtig schicken Wartehäuschen ist Platz für mich. Gemütlich sieht anders aus. Ich weiß.
Nach wenigen Minuten gehe ich weiter. Hat mir nicht so gefallen, die Sitzgelegenheit. Der Weg führt jetzt ein Stück an der Straße entlang und wechselt dann wieder in den Wald. Hier ist es etwas windgeschützt. Das Gepustete der Kameraden von Zeus Gnaden ist lästig und kalt. Nur die kurze Strecke bis zur Unterkunft in O Hospital hält mich davon ab, schlechte Laune zu bekommen. Grimmig knalle ich die Stöcke in den Boden. Und dann bin ich da, in meiner Hundepension.
Nee, es gibt hier keine Hunde. Nur eine sehr nette Anna María, die meinen Pass und mein Geld will. Dafür bekomme ich einen Stempel in den Credencial und den Schlüssel für das Zimmer Nummer drei.
Schnell nach Palas de Rei - Erfahrungsbericht Jakobsweg Camino Francés
Neun Grad ist für einen Tag nahe am kalendarischen Sommer echt zu wenig! Und dazu weht noch ein frischer Wind. Ich gehe trotzdem ohne Jacke los. Ich will mich nicht den Zwängen des Wetters beugen. Nein! Immerhin gibt es Sonne zwischen den Wolkengebirgen. Der Weg ist zunächst sehr angenehm. Ich habe 14 Kilometer vor mir. Nicht viel. Das ist leicht.
Doch kaum lobe ich den Pfad unter mir, ändert er schlagartig sein Profil. Das hatten wir schon ein paar Mal. Knöchelbruch und Sehnenriss, das ist hier die Gefahr. Grobe Steine, große Lücken und bergab. Schöne Kombination. Sieht auf dem Foto harmlos aus.
Das ist glücklicherweise nur ein kurzes Intermezzo, höchstens 300 Meter. Dann kommt eine hübsche Allee. Als Wiedergutmachung sozusagen.
In Ventas de Narón bleibe ich kurz vor einem Haus stehen, das als Ensemble „Rosen, Bach und altes Haus“ ganz hervorragend in jedes Bilderbuch über den Camino Francés passt.
Es reiht sich Dorf an Dorf mit entsprechenden Möglichkeiten des Pausierens: Essen fassen und Trinken. Für mich kein Thema, ich bin gerade erst losgegangen. Aber die Frühaufsteher aus Portomarín haben jetzt dreieinhalb Stunden und 15 Kilometer hinter sich. Die lassen sich nieder. Zu Recht. Ich passiere die Ansiedlung Lestedo und stoppe an ihrem Friedhof. Na klar. Ich kann nicht anders.
Diese Grabstätten sind aufwändige Gesamtkunstwerke. Ich staune jedes Mal. Einst für viel Geld errichtet, dienen sie mehreren Generationen einer Familie als letzten Ort des Friedens und der Ruhe. Interessanterweise ist der Weg zur Kapelle mit alten Grabsteinen gepflastert. Dieser ist von 1937.
Ich gehe zügig weiter. Die Sonne wärmt jetzt. Es gibt drei Schritte, um dem Hitzestau zu entgehen. Zuerst Reißverschluss oben am Kragen des Pullovers öffnen. Dann Ärmel hochkrempeln. Und schließlich ausziehen. Ich komme nur bis Stufe zwei und bin schon da. An meinem Hotel. 14 Kilometer in drei Stunden ist nicht schlecht. „Zz“ wie wir früher sagten: „Ziemlich zügig“. Es ist erst zehn nach zwölf. Mein Zimmer ist natürlich noch nicht fertig. Ich lasse meinen Rucksack da und gehe in die Stadt. An der Kirche Iglesia Parroquial de San Tirso müssen alle Pilger vorbei. Ich auch.
Die Stadt heißt übersetzt Königspalast. Obwohl nachweislich niemals ein König hier residiert hat. Vielleicht war der Wunsch ja Vater des Gedankens bei der Namensfindung. Wer weiß. Ich trete in die Kirche ein, die aus dem letzten Drittel des 12. Jahrhunderts stammt. Allerdings hat nur die Fassade ihre ursprüngliche Konstruktion beibehalten. Innen ist sie schlicht ausgestattet. Das gefällt mir sehr gut. Ich setzte mich einen Augenblick und denke nach. Über die restliche Zeit auf dem Camino.
Es ist kurz nach zwei. Ich gehe zum Hotel zurück. Ich schwimme gegen den Strom der Pilger, die alle noch ein Bett ergattern wollen. Die tun mir echt leid. Ich checke ein und mache mich auf dem Zimmer gleich ans Schreiben.
Warum so eilig? Der Grund ist einfach: Hunger! Im Hotel selbst kann ich nämlich nicht zu Abend essen; es ist alles reserviert. In der Nähe gibt es aber ein Restaurant. Bis um vier Uhr bieten sie dort alles an, danach bis um sechs nur noch Pizza, dann ist zu. Pizza ist okay, esse ich fast immer.
Stimmungswandel nach Melide - Erfahrungsbericht Jakobsweg Camino Francés
Ich sitze jetzt schon 20 Minuten auf dem Bett. Ich habe meinen Schutzengel in der Hand und kann mich nicht aufraffen. Die tägliche Routine geht mir auf den Senkel. Es fühlt sich an, wie zur Arbeit gehen zu müssen. Das ist schlecht. Es wird Zeit, dass ich ankomme. In Santiago de Compostela. Ich gehe los. Zehn Grad, bedeckter Himmel, kein Wind. Auf dem Marktplatz von Palas de Rei verabschiedet mich eine Pilgerfigur, die ein wenig so aussieht, wie ich mich gerade fühle.
Die Kilometerangaben sind ab sofort kleiner als 60, das ist ein Ansporn. Die Wege sind gut und flach. Noch. Ich schreite kräftig aus. Anstrengung hilft gegen Frust.
Mein Magen knurrt und ich fühle eine leichte Schwäche. Das Frühstück habe ich ausfallen lassen. Ich kann das Zeug nicht mehr sehen, geschweige denn essen. Ich will dunkles Brot! Gibt es aber nicht, nirgendwo. Ich mache in O Cotón a Taberna Halt. Von gestern habe ich noch Pizza übrig. Die war riesig, ungefähr einen halben Quadratmeter groß. Ich sitze vor einem „Hórreo Gallego“. Das ist ein traditioneller Getreidespeicher hier in Galizien. Die stehen immer auf Pfeilern, um das Getreide vor Feuchtigkeit und Nagetieren zu schützen.
Die Etappe von Sarria nach Santiago de Compostela ist ja der 100 Kilometerabschnitt, den die Pilger unbedingt absolvieren müssen, um die begehrte Urkunde zu bekommen. Entsprechend voll ist es. Und jeder, der an mir vorbeigeht, grüßt mich. Ich kann nur nicken, denn mit vollem Mund spricht man nicht. Ich komme mir ziemlich blöd vor. Aber ich kann es nicht ändern. Nach einer viertel Stunde ziehe ich weiter. Es wird steiler, anhaltend. Mal weniger mal mehr. Es sind viele Untrainierte unterwegs. An einer besonders steilen Stelle überhole ich eine recht junge Frau, die sehr laut keucht. Ich denke mir, wenn die jetzt nicht einen Stopp einlegt, salutiert bald ihr Kollaps. Sie hält an, stützt die Arme auf den Knien ab und beugt sich tief nach vorn. Na hoffentlich geht das gut. Aber sie ist nicht allein. Andere helfen ihr. Ich gehe weiter und erreiche bald eine flache Strecke. Meine Atemfrequenz sinkt. Auch ich musste mich ganz schön anstrengen. Hätte ich nicht gedacht.
Die Zeit vergeht nun recht schnell. Ich bin schon in Casanova. Das ist nicht der Heimatort des berühmten Frauenhelden, sondern heißt einfach nur „Neues Haus“. Auch die Etappe 32 habe ich in zwei Teile geschnitten. Heute muss ich 16 Kilometer bewältigen und morgen 15. Niedliche Kleinigkeiten. Ich verlasse den Wald. Unter mir liegt fester Asphalt. Es folgt O Leboreiro und etwas später bin ich an dieser wunderhübschen Brücke, die über den Río Furelos führt.
Jaime kommt aus dem Dorf Furelos und sitzt auf einer Steinmauer am Ende der Brücke. Er ist mir sofort sympathisch, natürlich auch, weil er Gitarre spielt.
Wir quatschen ein wenig, dann wünsche ich ihm noch viel Erfolg und gehe weiter. Meine Stimmung war sowieso schon auf einem aufsteigenden Ast. Jetzt ist der Ast ein fetter Baum. An der Ecke gibt es auch eine Kirche. Es ist die Iglesia de San Juan der Furelos. Ich muss da rein.
Stille umgibt mich, ich bin ganz bei mir selbst. Ich denke nach. Nicht nur über den Camino. Auch über das Leben allgemein und den Sinn des Daseins. Eines ist mir aber schon immer klar gewesen: Das Leben ist zu kurz, um zu leben und es auch noch zu verstehen. Wie heute Morgen, kann ich mich kaum aus der Situation lösen. Das Aufstehen schmerzt. Als ich draußen bin, fühle ich mich so gut wie schon lange nicht mehr. Ich könnte tanzen. Mache ich einfach. Ist mir egal, was die Leute denken.
Mit guter Laune sieht man auch plötzlich wieder Sachen, an denen man sonst vielleicht mit gesenktem Kopf vorbeimarschiert wäre. So zum Beispiel diese Taxiwerbung mit einem gelben New Yorker „Checker Cab". Wie stylisch, cool!
Ich bin in Melide und suche meine Unterkunft, die „Pension Esquina“ heißt, weil sie wahrscheinlich an einer Ecke liegt. Und schon bin ich da.
Nee, das war nur ein Scherz. Ich muss noch zwei Ecken weiter. Aber dann. Ich werde in einer Eckkneipe vom Wirt sehr freundlich begrüßt. Nach den Passformalitäten führt er mich noch einmal um die Ecke. Im zweiten Stock ist mein Zimmer. Hervorragend. Schuhe aus und auf dem süßen kleinen Eckbalkon Platz genommen. Das Hotel macht seinem Namen wirklich alle Ehre. Herrlich.
Brückenstau vor Arzúa - Erfahrungsbericht Jakobsweg Camino Francés
Das ist nicht ein Seitenarm des Amazonas. Das ist der Río Catasol. Er sieht aber aus, als ob er irgendwo im Dschungel liegen würde. Das haben die gut hinbekommen, hier am Camino. Eine solche Attraktion nur für die Pilger. Ich bin sehr angetan von der Performance.
Ich bin im Eukalyptuswald westlich von Melide. Um mich herum dutzende andere Pilger. Über den Fluss führt ein Weg, kunstvoll aus großen Steinen angelegt. Alle, die rüber gehen, wollen dabei fotografiert werden. Claro. Das dauert. Ich stelle mich wie an der Supermarktkasse in die Reihe. Endlich darf ich auch. Klick!
Diese Aktion führt bei einigen Leuten zu Unmut. Die wollen sich nicht anstellen, die wollen einfach nur weiter. Verstehe ich. „Aber, aber, nur keine Hektik“, würde ich ihnen gerne zurufen. Doch die haben vielleicht dringende Termine. In ihren Herbergen. Bestimmt. Zu mir selbst sage ich: „Weiter geht´s! Auf, auf, Caminante! Keine Müdigkeit vorschützen!“ Ich passiere den Kilometerstein mit einer vier an erster Stelle: 49,217 Km. Den würde ich am liebsten als Erinnerung mitnehmen. Noch nicht mal mehr ein halbes Hundert. Hurra!
In Boente de Arriba gibt es eine deutsche Herberge samt Café. Interessant. Würde sich bestimmt lohnen, mal Kontakt aufzunehmen. Aber ich bin spät los, es ist schon fast Mittag und es sind noch zehn mal Tausend Meter bis zum Hotel. Also Stöcke gegriffen und ab geht die Post.
Das Wetter ist heute ziemlich gnädig. Zwar war der Start um halb elf mit gerade mal zehn Grad recht frisch, inzwischen ist aber die Sonne sehr präsent und lässt die Landschaft herrlich leuchten.
Die Wärme zwingt mich kurz anzuhalten und den Pullover auszuziehen. Ich lege wieder meine Sonnenschutzausrüstung an. Das heißt, ich montiere den Nackenschutz an die Mütze. Ich laufe weiter überwiegend auf bewaldeten Wegen. Das ist angenehm. Mir geht es gut, ich bin mit mir im reinen. Bald bin ich in Ribadiso, dann sind es nur noch fünf Kilometer.
Der Ort liegt im Tal. Bergab ist auch bei ebener Strecke nicht immer ein Vergnügen. Zumal ich Arzúa auf der anderen Seite auf dem Berg schon deutlich sehen kann. Das sind 150 Höhenmeter, die völlig überflüssig sind. Eine einfache Fußgängerbrücke, die das Tal überspannt, wäre doch nicht zu viel verlangt, oder? Meine synaptischen Reiter gehen mit mir durch. „Ruhig, Brauner“, flüstere ich. Ich weiß es ja: „Einfach Schritt für Schritt. Auch wenn es steil bergauf geht.“ Die leichte Krise überwinde ich dann doch recht zügig und bin in Arzúa. Im Pflaster auf dem Gehweg entdecke ich die bekannte Concha.
Für laufstarke Pilger hat dieser Ort eine besondere Bedeutung, denn die restlichen 39 Kilometer bis Santiago de Compostela sind durchaus an einem Tag zu bewältigen. Ich mache das nicht. Die nächsten zwei Tage werde ich jeweils knapp 20 Kilometer abwandern und mich damit nicht verausgaben. Auf der Calle de Lugo erinnert mich eine Bierwerbung daran, dass in Kürze ein eiskaltes Estrella Galizia auf mich wartet.
Diese Wandmalerei ist zwar Reklame, aber sie ist ausgesprochen gut gemacht: „Die Sterne des Camino“. Das berührt mich irgendwie. Klingt seltsam? Ja, vielleicht. Aber mit dem Näherkommen des Endes werde ich etwas melancholischer. Mein Hotel Suiza liegt außerhalb von Arzúa. Ich muss also noch ein paar Meterchen weiterschlappen. Die Straßen sind voller Peregrinos, die entweder schon ein Bett haben oder danach suchen. In den Restaurants sitzen auch einige. Ich lächle ihnen freundlich zu. Ab und an entbiete ich ein „Buen Camino“ und lasse langsam die Stadt hinter mir. Meine Gefühlswelt war heute durchweg ausgeglichen. Ich fühle mich gut. So kann es die letzten beiden Tage weitergehen.
Mit Schwäche nach O Pedrouzo - Erfahrungsbericht Jakobsweg Camino Francés
Ich kann euch den Neidanfall nicht ersparen. Es ist das Highlight des gestrigen Nachmittags. Draußen auf der Terrasse. Die Sonne scheint mir ins Gesicht, ist aber mild und nachsichtig. Ich bin megaentspannt, die Arbeit ist getan. Was jetzt kommt, ist nicht mehr schwer. Ich lächle.
Dem aufmerksamen Follower wird aber eine gewisse Ungenauigkeit meiner Voraussage nicht entgangen sein. Richtig! Es ist kein „Estrella Galicia“! Hier steht an der Theke einer der wenigen Zapfhähne der Firma „Cruzcampo“. Ich genieße es trotzdem. Ist auch lecker.
Zehn Uhr, zehn Grad, Nebel, dicker Pullover. Die Handschuhe sind im Angebot. Ich lehne ab. Mein Hotel liegt etwas abseits des Camino. Ich nähere mich von der Seite. Nach einem akademischen Viertel bin ich auf der Linie.
Der feuchte Nebel lässt das Grün noch intensiver erscheinen als sonst. Unwirklich, wie eingefärbt. Ich schreite kräftig aus. Nach einer Stunde bemerke ich ein gewisses Schwächegefühl. Ich glaube, ich habe Hunger, das Frühstück war überschaubar. Ich kehre ein in die Taberna Nova und genieße ein Glas mit Yoghurt, Müsli und Obst. Danach erhole ich mich ein wenig mit Yoga: „Ohmmmm“.
Tatsächlich kann ich nicht lange Faxen machen. Andere wollen dieses Fotomotiv auch nutzen. Die LGBTQ-Szene scheint hier Anhänger zu haben. Sympathisch. Der Hunger ist weg, die Schwäche auch. Der Nebel ist ebenfalls verschwunden, von der Sonne aufgelöst. Deshalb ziehe ich den Pullover aus und mache mich vom Acker.
Es wird langsam so voll, dass ich jetzt mal alle Pilgertypen komprimiert auf einmal bewundern kann. Groß, klein, dick, dünn. Alt, bestimmt weit jenseits der 80 Lenze, jung, kaum im Teenageralter. Mit Komplettausstattung einschließlich Zelt, Schlafsack, Isomatte oder nur mit Alibirucksäckchen.
Und mit Hund. Ein Corgimischling läuft seinem Frauchen immer weit voraus und weiß dann im Gewimmel der Pilger nicht mehr, wo sie ist. Er schnüffelt an jedem Bein und sorgt für einige Aufregung. Schwierig ist es auch für die Radfahrer. Die müssen Slalom fahren. Ich mache gut Strecke und bin um halb eins bei dem Ort Santa Irene. Ein Dudelsackspieler begrüßt hier die Pilger.
16 Kilometer liegen hinter mir. Ich gehe nach links durch den Tunnel, um die Straße nicht oben queren zu müssen. Direkt dahinter gibt es wieder einmal einen Gedenkort für verstorbene Pilger. Was von weitem wie Müll aussieht, ist aber eine Sammlung von unterschiedlichsten Erinnerungsstücken.
Ich habe schon wieder ein Schwächegefühl in der Beinen. Hunger kann das nicht sein. Ich befürchte, das ist die Psyche. Wenn der Geist nicht willig ist, kann der Körper nicht weiter. Das nahe Ende des Camino setzt mir zu. Das hatte ich gestern und vorgestern auch schon. Ich stoppe an einem wunderschönen blauen Hortensienstrauch, fokussiere die Blüten und atme. Tief ein, Pause, tief aus.
Ich versuche mich abzulenken. Am Freitag, wenn ich in Santiago de Compostela ankomme, will ich abends die Pilgermesse besuchen. Normalerweise wird aus diesem Anlass der „Botafumeiro“ durch das gesamte Kirchenschiff geschwenkt. Es ist eines der größten Wahrzeichen der Kathedrale, ein riesiger Weihrauchkessel. Seit letztem Jahr wird aber die Aufhängung restauriert; der Kessel kommt daher nicht zum Einsatz. Die Rückkehr des „Botafumeiro“ ist immer wieder verschoben worden. Der neuste Termin soll der 12. Juli sein. Für mich zu spät. Das Nachdenken über diese verpasste Chance hilft mir. Ich gehe weiter und schaue mir in A Rúa die alten Häuser an. Die faszinieren mich immer. Von einer Tür aus glotzt mich ein Auge an.
„Und nun?“, würde ich am liebsten in die Ruine hineinrufen. „Was willst du mir damit sagen, Universum, was?“, flüstere ich. Ich kann mit den Zeichen meines Schutzengels sonst immer gut umgehen. Jetzt bin ich ratlos. Ich schnalle meinen Rucksack ab und setze mich auf eine Bank. Die Pilgerströme ziehen vorbei. Ich empfinde eine innere Leere. Als hätte ich weder Eingeweide noch ein Herz oder sonst was. Ich bin leer. Ich versuche mich mit dem Handy abzulenken und suche nach dem „Botafumeiro“. Bei Facebook ploppt plötzlich die Information auf, dass der Weihrauchkessel einen Probelauf hatte. Wie mit einem Elektroschock bin ich hellwach. Sollte ich doch noch Glück haben?
Zieleinlauf Santiago de Compostela - Erfahrungsbericht Jakobsweg Camino Francés
Apfel, Kekse, Müsliriegel und Wasser sind ein respektables Frühstück. Ich sitze in meinem Hotelzimmer und warte darauf, dass der Regen nachlässt. Es ist sieben Uhr, die letzten 19 Kilometer meines Camino Francés warten auf mich. Gegen acht werden die Tropfen weniger, ich gehe los. Nach zwei Ecken bin ich auf dem Camino und wieder unter Bäumen. Das ist gut so, der Regen kann mich hier nicht ungestört durchnässen, die Blätter schützen etwas.
Es ist immer noch ein Eukalyptuswald. Gerade als ich mir ein besonders großes Exemplar anschaue, spricht mich jemand von hinten auf Spanisch an. „Dieser Baum gehört nicht hierher. Es ist ein australischer Eukalyptus.“ Erstaunt drehe ich mich um. José aus Valencia lächelt mich freundlich an. Ich hatte befürchtet, dass mich der Schwermut von gestern wieder in seine Fänge nehmen könnte. Stattdessen schickt mir mein Schutzengel einen Gesprächspartner. Das ist magisch.
Die nächsten anderthalb Stunden laufen wir nebeneinander her und reden pausenlos. José ist selbständig, hat eine Computerfirma und läuft gerade seinen zwölften Camino. Als er acht Jahre alt war, ist seine Familie aus der Schweiz eingewandert. Er stammt aus St. Gallen und spricht auch Deutsch. Seine Frau ist Engländerin und zu Hause versuchen sie, sich gegenseitig die jeweilige Fremdsprache beizubringen. Ich merke gar nicht, wie die Zeit vergeht. Es ist ein sehr anregendes Gespräch. José scheint auch Gefallen an unserem Smalltalk zu finden. An der Ermita de San Marcos verabschieden wir uns. Ich gehe in die Kirche.
Diese Kapelle steht auf dem Monte del Gozo, das ist die letzte große Erhebung vor Santiago de Compostela. Vor hier aus kann ich die Kathedrale schon sehen.
Der Name bedeutet „Berg der Freude“, weil man das Ziel schon sehen kann. Ich habe einen Klumpen im Magen. So ein wenig wie Lampenfieber. Aber keine Schwäche in den Beinen. Es ist wärmer geworden. Auch die Sonne scheint sich auf einen freundlichen Empfang für mich vorzubereiten. Der Weg führt durch die Vorstadt hindurch. Wenig erbauend. Es kribbelt in meinen Fingern. Und nicht nur da. Am Parque de Palacio de Congresos steht eine Namenswand des Ortes mit unendlich vielen Aufklebern. Ich habe zwar nichts dabei, um mich zu verewigen, aber ein Foto muss trotzdem sein.
Das zieht sich jetzt. Es sind noch fast vier Kilometer bis zur Kathedrale. Das fühlt sich an wie ein Ankommen auf Raten. Die Aufregung verschwindet. Langsam schmerzen auch meine Füße. Die Stöcke trage ich jetzt. Noch eine Straße, noch eine Ampel. Dieses Wandern durch die Stadt schmälert das Erlebnis. Ich komme mir vor wie bestellt und nicht abgeholt. Inzwischen bin ich immerhin in der Altstadt, noch einen Kilometer bis zum Ziel. Und dann, Treppe runter, durch den Torbogen hindurch, Blick nach links, da ist sie, die Kathedrale. Der Platz ist so voll, dass ich Schwierigkeiten habe, für mich einen geeigneten Ort zum Niederlassen zu finden. Doch jetzt sitze ich und genieße den Augenblick. Ich habe es geschafft.
Zufriedenheit, Ruhe, Durchatmen, Augen schließen. Ich horche in mich hinein. Ist da etwas? Ist etwas anders als sonst? Bin ich gerührt? Ein wenig. Aber der Weg ist das Ziel. Und der war ganz schön hart. Ich rapple mich auf. Die Urkunde wartet nicht ewig auf mich. Im Registrierungsbüro für die Peregrinos ist alles vorbildlich organisiert. Nach 30 Minuten habe ich sie. Und auch einen Nachweis der gelaufenen Kilometer (779).
Für den Heimtransport habe ich mir ein kleine Urkundenrolle gekauft. Im Garten des Büros kommt dann endlich doch sehr viel Stolz auf meine Leistung durch. „Martin, du hast es geschafft“, flüstere ich leise vor mich hin.
Ich werde jetzt die Pilgermesse besuchen. Sie beginnt um halb acht, es ist dreiviertel sieben. Vor der Kirche eine lange Schlange. Ich stelle mich an. Zehn Minuten später bin ich drin. Alle Sitzplätze in den Bänken sind besetzt. An einem Pfeiler finde ich einen schlechten Stehplatz. Wann waren die alle da? Vor Stunden? Unglaublich! Ich schaue mich um. In der Mitte hängt das Weihrauchfass. Sollte es vielleicht heute in Aktion treten?
Die Messe beginnt. Großes Aufgebot, neun Priester und etliche Ministranten. Ich bin ruhig, ganz ruhig und höre zu. Ich schließe die Augen. Alles um mich herum verschwindet. Ich ruhe in mir. Die sonoren Stimmen der Priester haben eine starke meditative Wirkung. Ab und zu öffne ich die Augen. Eine Stunde später ist die Messe zu Ende. Jetzt müssten die Männer erscheinen, wenn das Fass bewegt werden sollte. Und tatsächlich! Das Fass wird gefüllt. Erst die Kohle und dann das Harz. Acht Männer gruppieren sich um die Seile. Und der „Botafumeiro“ bewegt sich. Das ist ein Schauspiel unglaublicher Art.
Das Fass ist auf dem Bild kaum zu erkennen, es ist zu schnell. Mit fast 60 km/h bewegt sich der anderthalb Meter hohe und über 50 Kilo schwere „Botafumeiro“ durch das Kirchenschiff. Was mir vor der Kathedrale am Nachmittag an Rührung gefehlt hat, drückt jetzt mit aller Macht auf meine Tränendrüsen. Ich kann nicht anders, ich weine! Die dramatischen Orgelklänge der riesigen Orgel machen alles nur noch schlimmer. Gut, dass ich Taschentücher dabei habe.
Um mich zu beruhigen, gehe ich einmal durch die ganze Kirche. Sie ist in Kreuzform gebaut und sehr beeindruckend. Die Weihrauchschwaden erzeugen mit den Sonnenstrahlen zusammen fantastische Bilder.
Ich trete nach draußen ins Sonnenlicht und bin wieder bei mir. Amigos, den Gottesdienst mit dem „Botafumeiro“ dürft ihr euch nicht entgehen lassen. Es ist der Hammer, absolut.
Resümee - Erfahrungsbericht Jakobsweg Camino Francés
Meine Schrittlänge beträgt beim Joggen ungefähr 75 cm. Hätte ich die 779 Kilometer rennend bewältigt, wäre ich auf etwas mehr als eine Million Schritte gekommen. Beim Wandern sind die Schritte grundsätzlich kürzer. Das hängt auch mit dem ständigen Bergauf und Bergab zusammen. Mit meinem Fitnesstracker kann ich die Schritte beim Wandern pro Kilometer gut feststellen. Es sind durchschnittliche 1.900, das heißt ungefähr 53 cm. Summa summarum habe ich folglich knapp anderthalb Millionen Schritte gemacht. So sehen meine Schuhe auch aus.
Unterwegs hat meine Kraft immer ausgereicht, sie ist mit der Zeit stärker geworden. Untrainierten rate ich, mit kurzen Strecken anzufangen und sich dann zu steigern. Verletzungen werden nicht ausbleiben. Wenn der Schmerz beim Wandern nach einem gewissen Anstieg gleich bleibt und nicht schlimmer wird, dann ist es auszuhalten. Laufen ist nicht nur eine physische Aktion, sondern wird durch den Kopf beeinflusst. Mentale Kraft hilft, die physische Anstrengung zu ertragen. Meine Blessuren waren leichter Art; wobei mir die rechte Wade am meisten Sorge bereitet hat. Die tägliche Pflege der Füße war mir sehr wichtig. Vorsorge ist der entscheidende Faktor. Ich hatte keine Blasen. Jetzt merke ich aber, dass meine Kraft so ziemlich aufgebraucht ist. Ich fühle mich schlapp. Ich brauche dringend Erholung. Das Hotelzimmer liegt im zweiten Stock, die Treppenstufen strengen mich an. Auch die Wege zum Essen oder in die Kneipe zum Fußballschauen fallen mir nicht leicht. Am liebsten bleibe ich im Augenblick im Zimmer und schaue aus dem Fenster.
Über 2.000 Pilger erreichen täglich Santiago de Compostela. Ihr erstes Ziel ist natürlich die Kathedrale. Nachmittags ist es am vollsten. Überall sitzen und liegen die erschöpfen Pilger auf dem Praza do Obradoiro. Sie tanzen, schreien, lachen, lassen sich feiern oder halten inne, ruhen sich aus und genießen einfach den Anblick der wunderschönen Kathedrale. Diesen Ort umgibt ein Spirit, der ansteckt und staunen lässt. Auch ich war bei meiner Ankunft sehr beeindruckt. Und doch hatte ich mehr von mir erwartet. Mehr Emotionen, mehr Stolz, mehr Action. Vielleicht Tränen? Ich weiß nicht.
Ich bin nun vier Tage hier und kann mich wieder einigermaßen gut bewegen. Jeden Morgen stehe ich in der Eingangstür der Pensión Residencia Universitaria Rey und überlege, was ich machen will. Diese Unterkunft mit dem hochtrabenden Namen liegt sehr zentral mitten in der Altstadt und ist preiswert. Ich habe mir während der gesamten Tour mit zwei Ausnahmen den Luxus eines eigenen Zimmers gegönnt. Das ist ein wesentlicher Preisfaktor des Caminos (45 - 85 Euro). Wer nicht so viel ausgeben will, muss die Schlafsäle nutzen (10 - 25 Euro). Die Bequemlichkeit war mir das Geld wert. Aber Vorsicht, oftmals ist alles ausgebucht. Rechtzeitig vorplanen!
Ich stehe immer noch an der Tür. Einige der Pilger nicken mir zu. Ist es generelle Aufmerksamkeit oder erkennen die mich wieder? Vielleicht wegen meines markanten Bartes, der inzwischen einigermaßen lang ist. Der Barbier von Sevilla glänzte durch Abwesenheit. Ich streiche meinen Bart glatt und gehe los. Santiago de Compostela ist sehr hügelig, ständig muss ich auf und ab laufen. Das macht mir jetzt nichts mehr aus. Auf der Rúa da Acibechería marschiere ich durch die Arkaden.
Ich bewundere die alte Baukunst der Bögen. Unterwegs war mir Architektur immer ein Stopp wert. Diese Leistungen vergangener Epochen sind Achtung gebietend. Mir hat León am besten gefallen, kurz gefolgt von Burgos. Das Kennenlernen neuer Städte ist ein großartiges Erlebnis. Nicht nur zwischen den Feldern und in den Wäldern weitet sich der Horizont, sondern auch in der Urbanität. Jeder Ort hat seine eigene Atmosphäre. Durch die dreitägigen Stopps in den großen Städten hatte ich immer genügend Zeit, um vieles kennenzulernen. Nun ist aber Zeit für einen Café con leche.
Den spanischen Cappuccino habe ich lieben gelernt. Wenn der Milchschaum den Zucker trägt und der Kaffee stark ist, bin ich zufrieden. Die Verpflegung auf dem Camino ist für Vegetarier problematisch. Fast in allen Speisen ist entweder Fleisch oder Fisch drin. Es esse oft Tortilla mit Salat oder Pizza (10 - 15 Euro). Auch jetzt bin ich gerade am Überlegen, was ich zu mir nehmen könnte.
Ich habe einen Laden gefunden, der vegetarische Hamburger anbietet. Ich spreche die Bedienung auf Spanisch an. Er antwortet auf Englisch, ziemlich arrogant, von oben herab. Das passiert sehr oft. Diesmal bin ich richtig sauer. Ich frage ihn auf Spanisch, ob ich Englisch gesprochen hätte. Er schweigt mich an. Ich werde laut. „Natürlich merken sie, dass Spanisch nicht meine Muttersprache ist. Ich finde es aber sehr unhöflich, mir meine Unfähigkeit mit einer englischen Antwort so deutlich zu zeigen“, sage ich ihm mitten ins Gesicht, aus kurzer Distanz, auf Spanisch. Ich warte seine Antwort nicht ab, drehe mich um und verlasse das Restaurant. Ich glaube, er schickt mir noch ein „Hijo de Puta“ hinterher. Was soll´s. Hier zu verweilen, ist mir der Hamburger nicht wert. Ich esse Pizza, vegetarisch, aus der Hand.
Heute soll das Wetter am Ende der Welt gut sein. So richtig mit blauem Himmel und Sonne. Das nutze ich für einen Ausflug. Ich fahre mit dem Bus nach Fisterra, lateinisch finis terrae. Neun Uhr Abfahrt vom Busbahnhof, das Ticket kostet 7,20 Euro. Es dauert nicht lange und die Wolken verschwinden. Nach knapp zweieinhalb Stunden bin ich da. Blauer Himmel, ein paar Wolken, 19 Grad. Das ist ja wie Sommer. Ich freue mich. Alles richtig gemacht. Der Ort selbst ist nett, aber unspektakulär. Interessant ist die Landzungenspitze mit dem Leuchtturm. Da fährt der Bus aber nicht hin. Dreieinhalb Kilometer zu Fuß wären zu absolvieren, sieben hin und zurück. Ich will nicht mehr wandern! Doch was tun? Ich schließe mit mir selbst einen Kompromiss: hin mit dem Taxi, zurück zu Fuß. Der Spaß kostet fünf Euro. Und schon bin ich da.
Der Leuchtturm ist mehr so ein Leuchthaus mit einem Türmchen. Aber er strahlt 57 Kilometer weit. Das ist beachtlich.
Falls im Nebel das Licht nicht mehr zu erkennen ist, gibt es mächtige Hörner, die Lärm machen können. Die sind immerhin noch 46 Kilometer weit zu hören.
Ich will mich gerade auf einen Stein setzen, als ich gebeten werde, eine Gruppe zu fotografieren. Gerne. Kaum bin ich fertig, bittet mich auch ein Pärchen darum. Okay, dann ist aber Schluss, ich flüchte und setze mich etwas abseits hin. Ein letzter Blick Richtung Norden, wo eine hübsche Wolkenformation mir den Abschied schwer macht.
Morgen geht mein Flieger vom Flughafen hier in Santiago de Compostela. Er ist allerdings 16 Kilometer entfernt. Die Strecke könnte ich ja laufen, meinte José zu mir. Nee, mache ich nicht. Wandern ist jetzt erst einmal vorbei. Ich werde den Bus nehmen.
Hat der Camino meine Erwartungen erfüllt? Hat er mich verändert? Ja und nein. Es war schwieriger als ich gedacht hatte. Vor allen Dingen war das Wetter sehr wechselhaft und einfach nur unangenehm, sehr oft. Das hatte ich nicht erwartet. Meine Kondition war ausreichend und wurde besser. Die psychischen Belastungen sollte man nicht unterschätzen. Hier hatte ich einige Male meine Schwierigkeiten. Mal war ich gelangweilt, mal frustriert, mal depressiv, mal lustlos. In diesen Nöten stand mir mein Schutzengel zur Seite. Er hat mir geholfen, immer.
Ich habe interessante Leute kennengelernt; es wären mit häufigeren Übernachtungen in den Herbergen sicherlich mehr gewesen. Spanisch muss man nicht können; die texten einen alle auf Englisch zu. Das hat mich genervt. Und ich bin der gleiche wie vorher. Ob jemand wirklich seine Trauer, Depression, Lebensunlust abarbeiten kann, weiß ich nicht. Kommt darauf an. Ja, vielleicht. Der Camino lehrt auch, dass Planungen wichtig sind, aber auch mal nicht funktionieren können. Und das muss man dann annehmen, einfach so, ohne zu hadern. Und trotz aller Planungen habe ich mich treiben lassen und angenommen, was kam und gehenlassen, was wollte.
Ich verabschiede mich nun nach fast acht Wochen von allen fleißigen Followern meiner Geschichte mit einem ganz herzlichen „Muchas gracias amigos y hasta luego!“ Und natürlich freue ich mich, wenn ihr auch Interesse an den anderen Berichten auf grad60.com findet.