Stonehenge in Angermünde
Nicht ganz, aber doch ziemlich gaga, das Ganze. Es nennt sich Hartgesteinsymposium und ist vor allen Dingen auf der Mündeseepromenade zu bewundern. Stein an Stein und alle aus der Eiszeit. Es sind Findlinge.
Erstmalig im Jahre 1997 richtete Angermünde ein internationales Meeting für Bildhauer aus, die aus den Granitsteinen Kunstwerke schaffen sollten. Und das haben sie. Schöne Dinger und imposant. Bei einem der auffälligsten Steine gibt es zwei völlig konträre Ansichten. Von der Seite sehe ich den in sich versunkenen, meditierenden Joda aus der Weltraumsaga „Star Wars“.
Doch von vorn ist es etwas ganz Anderes; etwas mit einer Uhr. Und richtig, wie ich mich vergewissere. Der Titel des Kunstwerkes ist „Verlorene Zeit“; es ist eine Arbeit des Holländers Tom Wagenaar.
Ich schlendere am Mündesee den schönen Tag genießend auf der Promenade entlang und gehe dann den Schloßwall hoch. Aus der Ferne sehe ich schon weitere Granitkunstwerke. Auf dem Platz vor der ehemaligen Mälzerei der Brauerei von Franz Pasche gibt es dieses gesprengte Riesenherz. Es heißt Expansion und ist vom Japaner Yoshimi Hashimoto aus dem Jahr 2008.
Angermünde gefällt mir jetzt schon sehr gut, obwohl ich bisher fast nur Steine und den See gesehen habe. Mein Weg führt mich nun zum weithin sichtbaren Turm der mittelalterliche Stadtpfarrkirche Sankt Marien aus dem 13. Jahrhundert. Sie ist offen, welch ein Glück. Von der Barockorgel, die der Orgelbauer Joachim Wagner in den Jahren 1742 bis 1744 erbaute, erklingen satte Töne. Eine Organistin probt Harmonien und Läufe.
Durch das wunderbare Lichtspiel wirkt die große dreischiffige Hallenkirche leicht und luftig. Ich schreite durch die Gänge und erfreue mich am Ehrfurcht gebietenden Anblick dieser mittelalterlichen Architektur.
Seit 1911 kann man die mehrbahnigen Stifterfenster aus Bleiglas bewundern. Bei genauem Hinsehen stelle ich fest, dass die Scheiben aus vielen kleineren Teilen bestehen. Ich lese nach und erfahre, dass nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges Glaser die zerbrochenen Scheiben der alten Fenster nahmen und daraus neue formten, sogenannte Scherbenfenster. Interessant.
Ich merke gerade, wie kalt es hier drinnen ist. Ich strebe den Ausgang an und wärme mich im herrlichen Frühlingssonnenschein auf. Nachdenklich schaue ich mir noch einmal das große Kirchenschiff an. Es wird schon Vieles erlebt haben, bestimmt nicht nur Gutes. Ein letzter Blick und ich ziehe weiter durch die Gassen von Angermünde.
Als ich an der Fahrradwerkstatt Schäfer vorbeikomme, muss ich ob des lustigen Fahrradständers vor der Tür sofort an Thomas mit seinen tollen Touren denken; in erster Linie an den Barcelona-Trip. Ob er es mit diesem Exemplar auch geschafft hätte?
Leise grinsend und mit beschwingtem Fuß gelange ich nach wenigen Minuten zum Rathaus. Ich drehe mich einmal um die eigene Achse und nehme die Atmosphäre dieses schönen kleinen Örtchens auf. Schließlich bleibe ich mit den Augen an der von Cristian Uhlig 1997 neu gestalteten, begehbaren Brunnenanlage gleich nebenan auf dem Marktplatz hängen. Mit einigen kurzen schnellen Schritten bin ich da und staune. Toll sieht sie aus. Sie besteht aus mehreren Einzelobjekten. Wie ausdruckstark doch die Plastiken sind. Eine Katze, die ihre Mäuse zählt, eine Handwerkerkiste mit einem Zettel, dass die Handwerker in der nahegelegenen Kneipe seien und ein Mann und eine Frau, die sich in origineller Ausstattung und Haltung begegnen, aber voneinander wegschauen.
Und ein Brunnen muss natürlich Wasser haben. Das sprudelt aus einem leckgeschlagenen Kahn, der auch zwei Enten im Käfig zum Markt bringt. Die armen Tiere. Die machen sich aber nichts daraus. Die eine versucht, mich mit einer Wasserfontänen zu treffen. Ich kann gerade noch ausweichen.
Ich laufe die Wasserstraße runter und bin froh, dass ich so einen schönen Tag erwischt habe. Die Sonne spielt mit dem Schatten Einkriegezeck und zaubert wunderbare Zeichen auf Straßen, Bäumen und Häusern.
Nach gut einer Stunde bin ich wieder auf dem Promenadenweg am Mündesee, dem Namensgeber dieser Stadt in der Uckermark. Wie am Anfang meiner Tour liegt er ruhig und friedlich da. Ein leichtes Lüftchen streicht mir über die Wangen. Am Ufer liegt der Rest einer alten Wurzel. Sie lässt mich an das alte Lied „Jetzt fahrn‘ wir über’n See, über‘n See“ denken, das ich vor Corona mit meinen Nachbarn gesungen habe. Lang ist es her; aber das wird wieder, ganz sicher.
Ich beende meinen Rundkurs und gelange ein Stück weiter zu einem Urviech mit Panzer, das sanftmütig vor sich hindösend in der Sonne liegt. Ob es mich vorbeilässt?
Als steinreich kann man Angermünde im wörtlichen Sinne bezeichnen. Wohl kaum eine andere Kleinstadt kann auf einen so großen Fundus an Skulpturen aus Findlingen verweisen. Stonehenge ist es zwar nicht, aber doch sehr beindruckend und unbedingt einen Besuch wert. Bevor ich die Heimreise antrete, bestaune ich ein letztes Mal die 10.000 Jahre alten Relikte und versuche den Nasenkopf, der mir schon am Anfang aufgefallen ist und irgendwie ein bisschen schief liegt, ein Stück anzuheben und geradezurücken. Klappt nicht.
Und übrigens: Dieser Artikel wurde ohne Bezahlung, Vergünstigung oder Beeinflussung geschrieben. Weitere Informationen zu diesem Thema findet ihr auf unserer Seite Transparenz.
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Familie Schäfer:
Hallo, ein toller Artikel über Angermünde und auch ein schönes Foto (von unserem Fahrradständer). Wir freuen uns darüber, dass Ihnen unsere kleine Stadt so gut gefällt. Liebe Grüße aus Angermünde!
grad60.com:
Es hat wirklich Spaß gemacht, durch Ihre kleine und gemütliche Stadt zu schlendern. Vielen Dank für Ihre Nachricht und bleiben Sie gesund!