Faust’n’Roll - Rockmusical
Jetzt mal Hand auf’s Herz. Wer kann mir die Geschichte von Goethes „Faust“ erzählen? Ja, irgendwas mit Gretchen und so. Aber dann ist doch Schluss. Ich habe das kleine gelbe „Reclam“-Heft gehasst und mich im Deutsch-Unterricht irgendwie mit diesen verqueren Sätzen von Goethe durchgemogelt. Und vom Inhalt habe ich mir nicht wirklich was gemerkt. Vielleicht hätte mir „Faust’n’Roll“ geholfen. Das Rocktheater behandelt diese Deutschquälerei und plötzlich geht’s. Ich blättere im Programmheft und staune.
„Faust“ hat uns die Sprüche für’s Leben geliefert. Auch wenn ihr vielleicht sagt: „Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube“, so steht es ja hier geschrieben: „Denn, was man schwarz auf weiß besitzt, kann man getrost nach Hause tragen.“ Ihr glaubt mir nicht so recht und wollt entgegnen: “Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust“, so folgt doch euren Gefühlen: „Gefühl ist alles; Name ist Schall und Rauch.“ Hauptsache nicht: „Aus den Augen, aus dem Sinn!“ Auf jeden Fall wär’s schade, wenn ihr meine Schlaumeierei quittiert mit einem: „Da steh‘ ich nun ich armer Tor, und bin so klug als wie zuvor!“ Und zum Klugscheißen auf einer Party stellt doch mal die Gretchenfrage: Was fragt denn Gretchen den ollen Faust? Die richtige Antwort lautet: „Nun sag, wie hast du's mit der Religion?"
Ich bin überwältigt. Sind mir wirklich alle diese Lebenssprüche damals in der Schule entgangen? Naja, waren ja auch in einem schwer zu lesenden Text versteckt. Und wie soll das jetzt in einem Rocktheater funktionieren? Meine skeptische Spannung steigt. Die Welturaufführung findet in den CCC Filmstudios in Haselhorst statt. Coronabedingt müssen leider zwischen den Stuhlreihen große Abstände gelassen werden. Aber was soll’s, endlich kann das Rock-Musical Faust’n’Roll gezeigt werden, das eigentlich schon Monate vorher starten sollte.
In der Wartezeit werden Ausstellungsstücke im Steampunk präsentiert und Darstellerinnen und Darsteller zeigen viktorianische Kleider mit verzierten Lederapplikationen, verschnörkelten Fernrohren, dezent dampfenden historischen Fotokameras und riesige Uhren mit offenliegenden Messingzahnrädern, so, als ob sie dem Film „In 80 Tagen um die Welt“ entsprungen sind.
Das Rockmusical Faust’n’Roll beginnt
Es rockt los. Die Band spielt die Eigenkompositionen für Faust’n’Roll mit kräftigen Gitarrenriffs und satten Bassklängen live auf der Bühne. Das ist richtig guter Rock und ein guter Einstieg für Goethe, der sinnierend auf einer Couch den Faust, einen alten gebrochenen Mann, auferstehen lässt.
Eine perfekte Musical-Komposition startet und Faust geht den Pakt mit dem Teufel ein. Mephisto, hier in weiblicher Form Mephista, sorgt für einen Zaubertrank, mit dem Faust verjüngt wird, zusammen mit ihr die Welt erlebt und genießt. Mephista verführt mit überheblicher Eleganz, herablassender Verführung und selbstbewusster Gewissheit den armen Tor. Dazu singen die Akteure tonsicher und voller Inbrunst zu den Rockklängen.
Heute ist die Welturaufführung des Musicals Faust’n’Roll, das hier in Berlin nur einmal gezeigt wird und anschließend auf Tournee durch Deutschland reist. Drei Plätze neben mir sitzt Rainer, der jedem stolz verkündet: “Ich finde hier alles klasse, aber ich bin auch voreingenommen. Meine Tochter ist die Hauptdarstellerin Mephista!“ Ich kann nur sagen, recht hat er. Das Stück zieht in allen Punkten in den Bann. Und sein Stolz ist absolut berechtigt. Mephista spielt teuflisch gut und zeigt neben Faust eine perfekte Bühnenpräsenz.
Die Texte stammen zum großen Teil original aus Goethes Tragödie und hören sich nach heutigem Verständnis völlig verquer an. Trotzdem passt es für Faust’n’Roll sehr gut und ich will mal behaupten: Zum ersten Mal habe ich durch die furiose Aufführung des Rock-Musicals die Geschichte verstanden. Sollte vielleicht auf den Stundenplan von Deutsch-Leistungskursen gesetzt werden, wenn denn heute überhaupt noch Goethes Faust zum Lehrprogramm gehört.
Es ist ein rockig-unterhaltsamer Abend und der phrenetische Applaus aus den coronabedingt ausgedünnten Zuschauerreihen zeigt, auch die anderen sind begeistert. Im Anschluss habe ich dann noch die Möglichkeit, der Mephista vom Rocktheater Faust’n’Roll, Jessica Fendler, zwei Fragen zu stellen:
grad60: „Hast du zu „Faust“ jetzt einen anderen Bezug?“
Jessica: „Ich hatte das nicht in der Schule, daher hatte ich gar keinen Bezug. Ich bin ganz unbedarft ‘ran.
grad60: „War es schwer, den Text zu lernen?“
Jessica: „Normalerweise lerne ich ganz schnell die Texte auswendig. Aber tatsächlich, bei dieser Sprache, obwohl es alles in Reim-Form geschrieben ist, ist es sowas von nicht in meinen Mund gelegt, dass ich mir die Karten gelegt habe! Ich konnte mir einige Sachen einfach nicht merken, weil es einfach nicht die natürliche Art ist, heute so etwas zu sagen. Aber irgendwann sitzt es dann (lacht) nach ‘nem Jahr!“
grad60: „In der Tat bewundere ich, wie man so einen Text fehlerfrei vortragen kann. Vielen Dank für die Antworten und den wundervollen Abend bei Faust’n’Roll!“
Meine Kritik zum Rockmusical “Faust’n’Roll: Ein wirklich empfehlenwertes Rock-Theater, das man auch als Rock-Musical Faust, Goethes Faust-Musical oder Faust Rock and Roll Musical bezeichnen kann. Das Rocktheaterstück wurde nach einer Idee von Michael Manthey produziert und die Kompostionen stammen von Jimmy Gee und Martin Constantin. Nähere Informationen und die Tourdaten findet ihr hier auf der Homepage von Faust’n’Roll – Rockmusical.
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