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Grace oder „Der Tag, an dem ich mich verliebte“

Grace oder „Der Tag, an dem ich mich verliebte“

Ein Gastbeitrag von Monica Mählmann:

Ich habe mich verliebt… in Grace!

Wer oder was ist Grace, werdet ihr euch fragen? Ist sie vom Coronavirus befallen und nun verwirrt? 

Die Liebesgeschichte beginnt bereits im Dezember 2019.  Ich reise nach England, um mal wieder ein paar schöne Tage in London zu erleben, mit guter Küche und warmen Bier. Schließlich wird dem Pfälzer - und mir auf jeden Fall - nach diesem Genuss bewusst, warum ich lieber Wein trinke. Nein…, jetzt bin ich unfair!

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Mir hat England schon immer gefallen und ich mag auch das ein oder andere englische Gericht. Frühstück mit weißen Bohnen und roter Sauce auf Toastscheiben schmecken mir. Auch dem „inoffiziellen Nationalgericht“ Fish and Chips kann ich durchaus etwas Positives abgewinnen.  

Aber was hat das mit Grace zu tun? Ich bekomme eine Einladung aufs Land, genauer gesagt, nach Oxfordshire, um einen deutschen Künstler kennenzulernen, der schon viele Jahre in England lebt und arbeitet.

Mit dem Zug starte ich zusammen mit meiner Begleitung vom Kopfbahnhof Paddington Station und fahre eine Stunde Richtung Westen nach Oxfordshire. Bis zu diesem Zeitpunkt kannte ich nur den Paddington Bär, aber nicht die Paddington Station. Die Geschichte des kleinen Bären erwärmt meine kindliche Seele. Der knuddelige Bär reist durch die Welt und erlebt viele Abenteuer, genauso wie es mir gefällt.

Am Bahnhof Oxford holt uns der Künstler Johannes von Stumm persönlich ab. Nach der 30-minütigen Autofahrt sind wir im Atelier des Künstlers in der Nähe des Ortes Wantage. Wantage ist ein kleines, malerisches englisches Städtchen mit 10.000 Einwohner. Ich habe keine Ahnung, was mich erwartet und ich weiß bis dahin nichts über Johannes von Stumm. Ich wollte den Künstler vorab nicht googeln, da ich ihm ohne vorgefasste Meinung und Bilder im Kopf begegnen und mich von seinen Werken überraschen lassen will. Ich denke an den Paddington Bär und sein Lebensmotto: „Things are always happening to me“

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Johannes von Stumm erschafft Skulpturen, die eine besondere Leichtigkeit ausstrahlen. Sie fangen Licht und Luft ein. Etwas in dieser Art habe ich vorher noch nie gesehen. Ich staune: Diese Leichtigkeit zu erschaffen, in einer rauen Umgebung, in der Regen und Grautöne dominieren. Aber gleichzeitig bietet die Landschaft Lichtreflexe und atemberaubende Sonnenuntergänge. In meinen Augen sind es genau diese Kontraste, die Johannes von Stumm in seinen Werken widerspiegeln lässt.

Der Künstler verarbeitet und verbindet Granit, Bronze und Holz, die einzeln für sich an Schwere denken lassen. Aber er kombiniert sie dann mit Glas. Und genau diese Verbindungen der Materialien machen die Leichtigkeit seiner Werke aus. Die Skulpturen erstrahlen in ihrer Gesamtheit in einer schwebende Luftigkeit, die mich fasziniert. Licht ist dabei eine grundlegende Zutat. Es lässt die Figuren hell erstrahlen.

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Seine Werke sind beeindruckend, aber noch mehr beeindruckt mich seine Persönlichkeit. Er zeigt Interesse an seinem Umfeld und den Menschen, die ihm begegnen. Er ist offen für die Gedanken Anderer und hört zu. Vielleicht ist das die Grundlage für seine Schaffenskraft. Ich bin dankbar, dass ich an diesem Tag Johannes von Stumm kennenlernen darf. Ich schätze ihn sehr als hervorragenden Künstler und vor allen Dingen als Mensch.

Später google ich dann doch und erfahre: Johannes von Stumm wurde 1959 in München geboren, hat schon früh als Steinmetz gearbeitet und ein abgeschlossenes Studium als Bildhauer. Bereits ab 1988 hat er sich zusätzlich mit dem Werkstoff Glas auseinandergesetzt und in verschiedenen Kursen auch dieses Handwerk erlernt.

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Seit 1995 lebt er in England. Der Künstler hat sich früh mit den verschiedenen  Materialien beschäftigt und wie man sie vereinen kann. Bis dahin galt das als nicht realisierbar.

Johannes von Stumm ist Mitglied der Royal Society of Sculptors und war deren Präsident von 2009 bis 2012. Seit 1997 ist er ebenfalls Mitglied der Oxford Art Society und seit 2014 bis heute deren Präsident, um nur einige wenige Eckpunkte seines Lebenslauf zu nennen.

Und dann beim Rundgang durch seine Werkstatt sehe ich sie: Grace! Sie leuchtet, sie strahlt, sie zieht mich magisch an!

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Ich bin kein Kunstexperte. Ein Werk spricht mich entweder sofort an oder eben nicht.  Doch „die kleine Grace“ ist für mich die Liebe auf den ersten Blick. Sie steht da zwischen anderen Objekten des Künstlers. Sie ist nicht zu Präsentationszwecken aufgestellt. Sie ist einfach nur anwesend. Zwischen anderen Werken. Und doch habe ich sofort einen Bezug zu ihr. 

Nach zwei Stunden, einem guten Mittagessen und interessanten Gesprächen, ist unser Künstlerbesuch beendet und wie es so mit der Liebe ist… ich kann Grace nicht vergessen. Ich ärgere mich wie bei einem verpassten Date. Warum habe ich bei meinem Besuch nicht mehr über sie in Erfahrung gebracht. Wann hat sie das Licht der Welt erblickt, was waren die Gedanken des Künstlers, als er sie erschaffen hat. Und weil mich die Empfindungen nicht loslassen, frage ich bei ihm noch einmal an. Er antwortet: „Gerne möchte ich die Anmut festhalten, die mir in manchen Frauen begegnet ist; ebenso die Geradlinigkeit und Klarheit, die manchen Frauen zu eigen ist.“ Natürlich war die Entstehung ein Prozess, der verschiedene Figuren hervorgebracht hat und am Ende eben auch die „kleine“ Grace. 

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Und wie in einem Liebesroman darf ich sie wiedersehen. Auf einer Austellung im Saarland. Es ist September und da steht sie! Grace, aus Glas und Bronze auf ihrem Sockel aus Granit. Und ich bin überzeugt: Johannes von Stumm hat sie nicht nur erschaffen, sondern zum Leben erweckt.

Zumindest fühlt es sich für mich so an, denn Grace spricht zu mir, wenn ich sie sehe. Sie strahlt eine Lebendigkeit aus, die ich einer Skulptur aus Bronze, Glas und Granit nie zugetraut hätte.

Ich schaue mir die Ausstellung mit allen ausgestellten Werken an, komme aber von Grace nicht los. Die Galeristin sagt zu mir: „ Wenn sie möchten, gebe ich ihnen Grace mit nach Hause und sie Beide können sehen, ob sie zueinander passen und sich wohlfühlen“…. Jetzt steht Grace erhaben auf ihrem Sockel im Wohnzimmer und wird angestrahlt von der Morgensonne und abends von hinten durch die Abendsonne.

Morgens, beim Aufstehen fällt mein Blick zu Grace und ich sehe ihr Leuchten und Abends gehe ich mit einem Gruß an sie ins Bett. Ich bin verliebt!

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