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Backsteingotik mit Hafenflair - ein Gastbeitrag

Backsteingotik mit Hafenflair - ein Gastbeitrag

Ein Spaziergang durch das historische Wismar mit Klaus Tolkmitt.

Schräg gegenüber vom Bahnhofsausgang (Google-Maps) beginnt die Hundestraße, der ich bis zur nächsten Querstraße folge.

Dort biege ich links in die Straße Hinter dem Chor ein. Nicht zu übersehen ist hier die St.-Nikolai-Kirche. Der monumentale Backsteinbau mit seinem 37 Meter hohen Langhaus ist das vierthöchste Kirchenschiff Deutschlands und wurde als Kirche der Seefahrer und Fischer erbaut.

Nur wenige Meter weiter in Laufrichtung stehe ich auf einer Brücke, die ihren Namen den kleinen lächelnden Schweinchen verdankt, die auf dem Geländer sitzen. Der Künstler Christian Wetzel schuf 1989 die detailgetreuen Skulpturen, die an Zeiten im Mittelalter erinnern, als Schweine und andere Tiere vom Poeler Tor über die „Schweinsbrücke" in die Stadt oder zum Markt getrieben wurden.

Die kleinen Schweinsfiguren nehmen unterschiedliche Körperhaltungen an. Wenn man sie streichelt, wird einem das Glück hold sein, sagt man in Wismar. Ich probiere es aus und warte mal ab.

Die Brücke überspannt den Mühlengraben und die Frische Grube. Die Grube ist einer der ältesten städtischen Wasserläufe Deutschlands, diente als Löschwasser und trieb Mühlenräder an. Gleich hinter der Brücke ist rechts das „Schabbell-Museum", das die Geschichte Wismars von der Hansezeit bis heute anschaulich darstellt.

Im weiteren Verlauf geht es über die ABC-Straße und Altböterstraße bis es rechts in die Straße Hinter dem Rathaus abgeht. Nach 40 Metern gleich wieder links abgebogen und ich stehe auf dem Marktplatz. Der riesige Platz gehört zu den größten Marktplätzen Norddeutschlands und ist mit seinen prächtigen historischen Bauwerken und dem Rathaus auf seiner Nordseite ein beliebter Anlaufpunkt bei Besuchern und Einheimischen.

Ganz besonders dann, wenn hier jährlich am 3. Augustwochenende das Schwedenfest gefeiert wird und vom 1. bis 4. Advent der Weihnachtsmarkt in festlichen Farben mit seinen Ständen lockt. Rund um den Platz stehen historische Giebelhäuser aus unterschiedlichen Epochen. Ein Haus schöner als das andere.

Mit der historischen Altstadt zählt Wismar zu den schönsten Städten im Ostseeraum und wurde mit Stralsund in die Liste der UNESCO-Welterbe Städte aufgenommen, weil sie das Erbe der Hansezeit einzigartig bewahrt haben. Die sorgsam restaurierten Bürgerhäuser gehören zu den am besten erhaltenen mittelalterlichen Stadtkerne Deutschlands. Auf Schritt und Tritt komme ich an kulturhistorischen Bauwerken aus der Blütezeit der Hanse und der über 150jährigen Zugehörigkeit zu Schweden vorbei. „Suche unbedingt nach Nix und Nixe“, wurde mir mit auf den Weg gegeben, „sie stehen auf dem Marktplatz“.

Die kleinen bronzenen Seefabelwesen werden oft übersehen und sind Kopien deren Originale im „Schabbell-Museum“ zu besichtigen sind. „Nix" und „Nixe" sollen kleine Wassergeister sein, die am Fuß der „Wasserkunst" stehen, einem Wahrzeichen von Wismar auf dem Marktplatz. Später wurden die Original-Figuren als obszön empfunden und schließlich abgebaut. Die heutigen Kopien wurden erst 1998 wieder aufgestellt. Ursprünglich befand sich der kleine Brunnen im Inneren der Wasserkunst und ließ ab 1602 mitten in der Stadt das Trinkwasser aus einer Quelle in Metelsdorf (südlich der Stadt) sprudeln. Gegenüber der „Wasserkunst“ steht der „Alte Schwede" mit seiner Backsteinfassade. Das Giebelhaus zählt zu den ältesten Häuser der Stadt.

Während des Dreißigjährigen Krieges 1632 wurde die Stadt durch schwedische Truppen besetzt und 1648 im Westfälischen Frieden Schweden zugesprochen. Die Stadt war durch ihre strategische Lage und ihres verbliebenen Reichtums ein ständiges Streitobjekt der damals skandinavischen Mächte. Erst 1903 wird Wismar wieder an Mecklenburg zurückgegeben und aus den Südschweden wurden wieder Mecklenburger. Nach einem Rundgang über den Platz gehe ich links am Rathaus vorbei durch eine schmale Gasse zur Lübsche Straße und mein Blick fällt auf das große Eckhaus an der Lübsche Straße/Krämerstraße.

Wismar Backsteingotik mit Hafenflair, erstes Kaufhaus von Karstadt

Der viergeschossige Jugendstilbau ist das Stammhaus der Karstadt AG. Rudolph Karstadt eröffnete hier 1881 mit nur einem Angestellten sein erstes Tuch- und Konfektionsgeschäft, bevor seine Warenhauskette Deutschland eroberte. Von der Lübsche Straße gehe ich links in die Johannisstraße hinein und stehe nach weiteren 100 Metern auf dem Vorplatz der Marienkirche, die im 2. Weltkrieg durch einen Luftangriff stark beschädigt wurde. Aus diesem Grund wurde 1960 das Kirchenschiff gesprengt. Nur der Turm blieb erhalten und zeigt wie groß die Kirche einmal gewesen sein muss. Erste Zeugnisse der Kirche lassen sich bis in das Jahr 1260 zurückverfolgen.

Täglich um 12, 17 und 19 Uhr lässt das Uhrwerk im Turm ein Glockenspiel erklingen. Oberhalb der Uhr sind drei Glocken für den Uhrenschlag aufgehängt. Sie wurden 1647 vom schwedischen Kommandanten General Helmuth von Wrangel (ca. 1600-1647) gestiftet. Daher spricht man in Wismar gern auch von der Wrangel-Uhr.

Im Turm gibt es eine ständige Ausstellung „Gebrannte Größe - Wege zur Backsteingotik” und einen 3-D-Animationsfilm über den Bau von St. Marien. Vor dem Eingang zum Turm zeigt eine kleine Ausstellung die Herstellung von Backsteinen, die umfangreich und arbeitsintensiv war. Unter den Steinen sind seltene Exponate und auch Backsteine, die als historisch einzuordnen sind. Ein Stein weist eine markante Zeichnung auf und wurde zufällig an der Außenmauer der Kirche entdeckt. Er spiegelt wider, dass während der Bauzeit ein gewisser Till Eulenspiegel aus Mölln in Wismar zu Besuch war.

Mit dem Schalk im Nacken reiste Eulenspiegel durch die Lande, machte auf die Missstände der damaligen Zeit aufmerksam und hielt den Leuten einen „Spiegel vor´s Gesicht".  Zu seinen bekanntesten Attributen gehörte die Narrenkappe. Heute ist er ein Sinnbild für Spott und Schadenfreude. Ich verlasse den Werkhof, biege rechts ab und gehe über die Negenchören leicht bergab bis zur Lübsche Straße. Dort halte ich mich links und stehe nach 25 Metern vor dem Welt-Erbe-Haus und der Tourist-Information. Im historischen Haus aus der Hansezeit, das selbst Zeuge der bewegten Geschichte Wismars war, lässt sich in einer umfangreichen Ausstellung der Weg der Stadt bis hin zum Weltkulturerbe der UNESCO anschaulich verfolgen. Ein paar Meter weiter schaue ich in die Heiligen-Geist-Kirche hinein und bewundere die kunstvoll bemalte Holzbalkendecke. Die Kirche steht an der Straße Neustadt, der ich folge.

Hinter der Kirchenmauer stehe ich dann rechts am Eingang in den Kirchhof. Mir war bis dato der Torbogen nicht bekannt, der aber von zahlreichen Wismar-Besuchern fotografiert wird. Auf Nachfragen erfahre ich, dass hier das fiktive Polizeirevier aus der Filmserie SOKO Wismar ist. Seit 2004 wird im ZDF die deutsche Kriminalserie bereits ausgestrahlt und ist offenbar sehr beliebt.

Im Kirchhof haben sich aber noch andere spektakuläre Ereignisse abgespielt. Was uns heute selbstverständlich ist, nämlich dass Vampire kein Licht vertragen, geht zurück auf den Film „Nosferatu - Eine Symphonie des Grauens“, der vor über 100 Jahren in Wismar gedreht wurde. Die alte Hansestadt diente als Kulisse für die fiktive Stadt Wisborg. Bei diesem historischen Film wurden ungewöhnlich viele Außenaufnahmen gemacht, was bis dahin nicht üblich war oder machbar schien. So hat Graf Orlok auch in diesem Kirchhof sein Unwesen getrieben.

„Nosferatu“, die erste Vampir-Verfilmung überhaupt, wurde 1922 in Berlin uraufgeführt und bis heute wird das in der Filmbranche weithin anerkannte Werk vom Regisseur Friedrich Wilhelm Murnau als Meilenstein der Filmgeschichte gefeiert. Am Grab von Murnau auf dem Südwestfriedhof in Stahnsdorf bei Berlin habe ich zwar schon gestanden, doch von den Dreharbeiten in Wismar habe ich erst bei meinem Besuch in der Hansestadt erfahren. Dank der Plaketten im Boden findet man inzwischen in der Stadt mehrere Hinweise auf Drehorte von Nosferatu.

Ich gehe auf der Straße Neustadt weiter, biege rechts in die Straße Heide ein und die nächste wieder links in die Speicherstraße. Das Haus Nummer acht soll das Geburtshaus von Seeräuber Klaus Störtebeker sein! Die ganze Geschichte um Klaus Störtebeker, der auch als Claas Störtebeker oder Nikolaus Storzenbecher in den Analen auftaucht, ist eher eine Legende als Wahrheit, denn die Herkunft Störtebekers ist nicht ausreichend bekannt. Es wird auch vermutet, dass er aus der Gegend von Rotenburg (Wümme) bzw. Verden (Aller) in Niedersachsen stammt. Späteren Erzählungen zufolge hat sich der Freibeuterkapitän den Namen Störtebeker (aus dem Niederdeutschen von „Stürz den Becher“) wegen seiner Trinkfestigkeit als Spitznamen verdient. Am Ende der Speicherstraße stoße ich auf die Fischerreihe, gehe links und gleich wieder rechts auf den Ziegenmarkt. An der „Frischen Grube“ überquere ich den Mühlenbach und stehe auf Sichtweite vor dem „Gewölbe“. Das denkmalgeschützte Fachwerkhaus überspannt den kleinen Bach und diente den Vorstehern des Ratskellers als „Prüfstation". Die sogenannten Weinherren prüften hier im 17. und 18. Jahrhundert im Hafen angelieferte Weine auf ihre Qualität, bevor diese weiter ins Rathaus gelangten.

Wismar Backsteingotik mit Hafenflair, altes Haus auf einer Brücke

Ich lasse das Gewölbe links liegen und gehe geradeaus weiter durch die Fußgängerzone Am Lohberg. Hier in den ehemaligen Lagerhallen und Speichern, die farbenprächtig saniert wurden, sind jetzt Cafés, Restaurants und Kneipen eingezogen und bieten den Besuchern ein malerisches Plätzchen in der Nähe des Hafens an.

Am Ende der Straße stehe ich vor dem Wassertor. Es ist das letzte Stadttor der Wehranlage und Stadtmauer. Hier gelangt man, wie auch im Mittelalter, direkt aus der Altstadt in den Hafen.

Mit einem leckeren Fischbrötchen in der Hand schlendere ich an der Kaimauer entlang, vorbei an der „Wissemara", einem Nachbau der Poeler Kogge aus dem 14. Jahrhundert, bis ich auf das Baumhaus mit den Schwedenköpfen stoße. Sie sind ebenfalls Wahrzeichen der Stadt. Diese hier sind allerdings Kopien, die Originale gehören zu den Kostbarkeiten des Stadtgeschichtlichen Museums „Schabbellhaus".

Bereits im Jahre 1672 werden zum ersten Mal die Schwedenköpfe erwähnt. Es sind Herkulesbüsten, die auf Dalben standen. Eine andere Quelle will wissen, dass die Original-Köpfe mit großer Wahrscheinlichkeit Ruderköpfe waren, die zum Heckschmuck eines Schiffes gehörten. Wie es auch sei, ihr verschmitzter Gesichtsausdruck verrät es uns leider auch nicht. Das kleine barocke Baumhaus stammt aus der Mitte des 18. Jahrhunderts und verdankt seinen Namen dem Schlagbaum, der bei Nacht oder drohender Gefahr im Hafen von den sogenannten „Bohmschlütern" (die im Haus wohnten), heruntergelassen wurde. Außerdem zogen sie eine Kette vor die Hafeneinfahrt, um unerlaubten Schiffen das Anlegen im Hafen zu verwehren.

Ich habe eh nicht vor, Wismar mit dem Schiff zu verlassen. Also genieße ich noch ein wenig die maritime Atmosphäre und mache mich dann langsam auf den Rückweg zum Bahnhof.

Am Ende bin ich dann doch erstaunt, was man alles entdecken kann, wenn man mal genauer hinschaut. Es gibt tatsächlich noch einiges mehr zu sehen und zu erleben in Wismar. Darum habe ich bei www.lialo.com gleich eine „Schnitzeljagdtour“ geschrieben und die zusätzlich mit kleinen Aufgaben und Rätseln „gewürzt“.

Wer also auf Spurensuche gehen möchte, braucht nur ein Smartphone und diesen Link: https://www.lialo.com/tour/e6z6 und kann sofort loslegen.

Für Freunde von Dracula oder anderen Gruselgeschichten sei diese Tour empfohlen: Nosferatu to go https://www.lialo.com/tour/1ryy.  Diese multimediale Tour führt zu den Originalschauplätzen des Filmklassikers von 1921.

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Wir danken Klaus für diese interessante Stadtführung; da möchte man doch gleich hin, nicht wahr? Wenn Ihr auch Geschichten für uns habt, immer her damit. Am besten per Mail an info@grad60.com

Meine Pilar Gitarre

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Der nördlichste Süden: Dänemark – ein Gastbeitrag

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