Schwerin entdecken und erleben - Ein Gastbeitrag
Zusammen mit Klaus, unseren fleißigen Städtereisenden, erkunden wir heute die kleinste Landeshauptstadt Deutschlands, Schwerin.
Ein Stadtrundgang durch Schwerin
Ich beginne den Stadtrundgang durch Schwerin am Hauptbahnhof und werde sie nach familienfreundlichen und abwechslungsreichen vier Kilometern am Schloss beenden. Für eine Stadt, die weniger als 100.000 Einwohner zählt, kann man das Empfangsgebäude des Bahnhofs, das in den Jahren 1889–1890 errichtet wurde, schon als repräsentativ bezeichnen.
Und so wundere ich mich nicht, als ich ein kleines Schild entdecke, das mir erklärt, dass der Bahnhof 2008 die Auszeichnung „Bahnhof des Jahres“ in der Kategorie „Städte unter 100.000 Einwohner“ von der Allianz „pro Schiene“ bekommen hat.
Zu DDR-Zeiten gab es von Schwerin eine direkte Non-Stopp-Zugverbindung zur Hauptstadt der DDR (Bahnhof Berlin-Lichtenberg). Der Städte-Express Ex 131/136 „Petermännchen" erreichte die sagenhafte Reisegeschwindigkeit von 98 km/h und war damals der schnellste Zug seiner Art.
Der Bahnhofsvorplatz erhielt den Namen „Grunthalplatz“ und bezieht sich auf ein tragisches Ereignis. Hier wurde kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs Marianne Grunthal, die auf die Nachricht von Hitlers Tod eine erleichterte Äußerung tätigte, von SS-Wachmannschaften an einem Laternenmast gehenkt. Was für eine grausame Tat.
Der Brunnen „Rettung aus Seenot“ des Künstlers Hugo Berwald steht mitten auf dem Platz und wurde 1911 gestaltet. Die nackten Figuren des Schweriner Künstlers sorgten jedoch direkt nach ihrer Aufstellung für einen Aufschrei in der Öffentlichkeit und einen Skandal im seinerzeit konservativen Schwerin. Der Brunnen, der zeigt, wie ein kräftiger Mann eine nackte junge Frau aus den Wellen der See rettet, stand ursprünglich auf dem Marktplatz. Bei der Enthüllung des Brunnens soll die Stifterin Emma Mühlenbruch, Kommerzialrätin und Witwe eines Zigarrenhändlers, wegen der „sittenlosen“ Darstellung der nackten Figuren angeblich in Ohnmacht gefallen sein. Nackte in der Residenzstadt? Das war für die aufgebrachten Gemüter zu viel. Schnell wurde ein Vorschlag unterbreitet, man möge den Figuren Badehosen anziehen. Das Vorhaben wurde jedoch nicht umgesetzt. Dafür zog der Brunnen (ohne Badehose) um, auf diesen Platz, wo er nun seit 1929 steht.
Ich folge auf meinem Stadtrundgang durch Schwerin nun dem Hinweisschild Richtung Marienplatz und spaziere die Wismarsche Straße entlang, bis ich rechts in die Moritz-Wiggers-Straße einbiegen kann. Ein paar Meter weiter stehe ich vor der Paulskirche, die als Musterexemplar einer neugotischen Kirche des 19. Jahrhunderts gilt. Sie steckt bis ins Detail voller protestantischer Symbolik. Denn im Gegensatz zu vielen anderen neugotischen Kirchen ist in der Paulskirche die Ausstattung erhalten geblieben.
Zurück auf der Wismarsche Straße, biege ich in die Arsenalstraße ein und stehe nach wenigen Metern an der Alexandrinenstraße vor dem „Arsenal“. Dieses prächtige Gebäude ließ 1840 Großherzog Paul Friedrich bauen. Es wurde im Stil der Tudorgotik und der florentinischen Palastarchitektur errichtet und diente neben den Unterkünften für die Soldaten als Zeughaus für Geschütze, Fahrzeuge, Waffen und andere Ausrüstung sowie Bekleidung für das Militär. Außerdem kamen die Hauptwache, die Arrestanstalt, der Stab und das Militärgericht unter. Heute haben hier mecklenburgische Staatsdiener das Sagen. Seit 2005 regiert das Innenministerium des Landes Mecklenburg-Vorpommern hinter den dicken Mauern.
Ich muss mich nur umdrehen und schon stehe ich am Pfaffenteich, Schwerins „kleiner Binnenalster“. Der See wurde wahrscheinlich schon im 12. Jahrhundert durch einen Damm in einer moorigen Senke künstlich angelegt, um Wasser für den Betrieb einer Mühle zu stauen. Außerdem diente er einst Pfarrern und Bischöfen der nahe gelegenen Domgemeinde zum Bewässern ihrer Gärten. Sie waren auch Namensgeber des im Volksmund entstandenen Namens „Pfaffenteich“.
Mein weiterer Weg führt mich in die Mecklenburgstraße, in der ich nach knapp 60 Metern vor dem ehemaligen Hauptpostamt Schwerin stehe, das heute ein Baudenkmal ist. Das Marmor-Denkmal vor dem Gebäude wurde 1898 von Bildhauer Wilhelm Wandschneider geschaffen, zum Gedenken an Heinrich von Stephan, dem Gründer des Weltpostvereins.
Nach ca. 100 Metern schlendere ich links in die Schmiedestraße, der ich noch weitere 70 Meter folge. Bevor ich nochmals links in die Bischofstraße einbiege, habe ich noch eine Entdeckung am Eckhaus (EDEKA) gemacht. 1900 übernahm hier Rudolph Karstadt, der Gründer der Warenhauskette, von seinem Bruder ein Geschäftshaus und eröffnete eine weitere Filiale, nachdem er in Wismar sein erstes von knapp 90 Warenhäusern in ganz Deutschland eröffnet hatte.
Karstadt lebte in Schwerin in einer Villa, an der ich später auf dem Spaziergang noch vorbeigekommen werde. Vorher möchte ich noch dem Schweriner Dom einen Besuch abstatten. Gehe aber erst auf der Bischhofstraße links am Dom vorbei, denn hinter den Mauern steht im Schatten einiger Bäume ein Löwendenkmal. Es ist die Nachbildung des Braunschweiger Löwen, der in mehreren Städten anzutreffen ist. Welfen-Herzog Heinrich der Löwe war seit 1142 Herzog von Sachsen und seit 1156 auch von Bayern. Seine Residenzstadt wurde aber nach seiner Heirat mit Mathilde Plantagenet 1168 die Stadt Braunschweig im heutigen Niedersachsen.1160 hat Heinrich die Stadt Schwerin und, was allgemein nicht so bekannt sein dürfte, bereits zwei Jahre vorher die Stadt München gegründet!
Der Dom, mit seiner gotischen Basilika in Backsteinbauweise und großem dreischiffigen Querhaus, Chorumgang und Kapellenkranz, besitzt eine lange Baugeschichte, denn er ist das älteste Gebäude der Stadt Schwerin. Das Bauwerk gehört zu den größten Kirchen der Backsteingotik in Norddeutschland. Der neugotische Westturm ist mit 117,5 Metern der höchste Kirchturm Ostdeutschlands.
Der Dom ist täglich geöffnet und ich habe mir die Mühe gemacht, den Turm über 220 Stufen auf einer schmalen Wendeltreppe gegen eine kleine Gebühr zu besteigen, um den sehenswerten Blick über die Stadt und Schweriner Seenlandschaft zu genießen.
Zurück auf dem Kopfsteinpflaster stehe ich gleich um die Ecke auf dem Marktplatz. Vor dem Säulengebäude (das einmal eine Markthalle war) steht ein viereckiges Denkmal, das anlässlich der Tausend-Jahr-Feier Mecklenburgs und des 800. Todestages des Stadtgründers Heinrich des Löwen 1995 von Bildhauer Peter Lenk aufgestellt wurde. Der Künstler, der für seine ironischen Provokationen bekannt ist, hatte bereits im Vorfeld der Gestaltung für reichlich Gesprächsstoff und Streit in der Bevölkerung gesorgt, weil viele Schweriner*innen die Darstellung als obszön empfanden.
Über den grinsenden Löwen kann man ja noch schmunzeln, doch die Darstellung des Pferdes über Totenköpfe sind dann doch grenzwertig. Dabei gehören sie zur Geschichte Heinrichs des Löwen.
Nach so viel geschichtlichen Details widme ich mich auf meinem Stadtrundgang durch Schwerin dann wieder den wunderschönen Bauten, denn es geht in der Schusterstraße weiter, bevor ich auf die Schlossstraße stoße. Auf dem Weg dorthin schaue ich rechts und links in die Enge Straße und mache hier weitere kleine Entdeckungen.
An der Schlossstraße spaziere ich ca. 60 Meter nach links weiter und stehe vor einem wunderschönen Gebäude, in dem die Polizeistation Schwerin-Mitte ihr Revier hat.
Ich habe zwar kein schlechtes Gewissen, doch allzu lange halte ich mich nicht an der Polizeistation auf. Man weiß ja nie… Also versuchte ich ein paar Schritte weiter der amtierenden Ministerpräsidentin „guten Tag“ zu sagen. Ich war nicht angemeldet, also keine Chance für einen Besuch in der Staatskanzlei.
Das klassizistische Gebäude steht auf historischem Boden, denn etwa 1236 befand sich an dieser Stelle ein Franziskanerkloster, das nach der Reformation in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts weitgehend abgetragen wurde.
In Laufrichtung ist schon das Schloss von Schwerin zu sehen, ich möchte aber die Schlossinsel über einen anderen Weg aufsuchen.
Dazu gehe neben der Staatskanzlei durch einen Torbogen, der eine Verbindung zum Ministerium für Energie herstellt und von den Schwerinern ironisch „Beamtenlaufbahn“ getauft wurde.
Ich bin nun auf der Graf-Schack-Allee und gehe auf der rechten Straßenseite ca. 100 Meter weiter, um dann vor der Karstadt-Villa (Nummer 7) zu stehen.
Nachdem ich wieder die Straßenseite gewechselt habe, spaziere ich auf der Seepromenade weiter, mit Blick auf den Burgsee und das Schloss.
Das Areal um das Schloss einschließlich des Burgsees und des Westufers des Schweriner Sees wurde unter dem Motto: „Sieben Gärten mittendrin“ in die Bundesgartenschau integriert, die 2009 mehr als 1,86 Mill. Besucher aus aller Welt in die Landeshauptstadt lockte.
Am Ende des Promenadenweges treffe ich eine ältere Dame, die hier seit 2010 auf der Mauer sitzt und den Passanten Tulpen anbietet. Bertha Klingberg wird von den Schwerinern liebevoll die „Blumenfrau“ genannt.
Sie hatte nach der Wende im Jahr 1990 im Alter von 91 Jahren 17.000 Unterschriften für die Ernennung ihrer geliebten Stadt zur Landeshauptstadt Mecklenburg-Vorpommerns gesammelt und aufgrund dieser Leistung 1993 als erste und bisher einzige den Ehrenring der Landeshauptstadt Schwerin erhalten. 2002 wurde sie zur Ehrenbürgerin Schwerins ernannt. Drei Jahre später starb Bertha Klingberg in einem Pflegeheim im Alter von 107 Jahren. Das Denkmal und der Bertha-Klingberg-Platz, auf den ich einbiege, soll an die rührige Dame erinnern.
Am „Kreuzgang“ vorbei überquere ich eine kleine Brücke, um in den Schlossgarten zu kommen.
Über verschlungene Wege erreiche ich das Denkmal von Großherzog Friedrich Franz II., der Mecklenburg-Schwerin zwischen 1842 und 1883 regierte. Nachdem er 1883 an den Folgen einer Lungenentzündung verstorben war, fasste man bei Hofe den Entschluss, dem Großherzog ein monumentales Denkmal zu setzen. Die Sockelfiguren sollen die Herrschertugenden von Friedrich Franz „Stärke“, „Gerechtigkeit“, „Weisheit“ und „Glaube“ symbolisieren.
Vom Reiterdenkmal sind es nur ein paar Schritte, um auf die Schlossinsel zu gelangen. Für eine Schlossbesichtigung sollte man sich ein wenig Zeit nehmen.
Anschließend sollte man durch den Burggarten wandeln.
Und schließlich könnte man einen Augenblick am See verweilen. Die ursprüngliche Gestaltungsidee, einen fließenden Übergang zwischen Schlossgebäude, Gartenlandschaft und dem Schweriner See zu schaffen, ist nach einer aufwendigen Rekonstruktion gelungen.
Überall entstanden kleine Kunstwerke aus Treppen, Terrassen, Wasserspielen und Skulpturen.
Und es gibt eine begehbare Grotte, die an die Tradition römischer Villen- und Terrassengärten der italienischen Renaissance anknüpft.
Um das Schloss und den See ranken sich mehr als 500 mystische Sagen und Geschichten, so auch die von „Petermännchen“, dem Schlossgeist. In den riesigen Kellergewölben, auf den Dachböden und Gängen des Schweriner Schlosses hat das sagenumwobene Petermännchen, ein kleiner und gutmütiger, aber finster dreinblickender Kobold und Hausgeist, sein Zuhause. Das Petermännchen zeigte sich den Menschen in verschiedenen Gestalten. Manchmal erschien es als alter Mann mit runzeligem Gesicht, dessen wallender Bart bis zur Brust reichte, und sein langer schwarzer Rock mit engen Ärmeln ging bis zu den Füßen. Ein anderes Mal erschien es als mittelalterlicher Reitersmann mit flottem Schnurrbart. Meist ging es im grauen Gewande umher; gab es Krieg, so war es mit einem roten Kleid angetan; starb jemand der Herzogsfamilie, so sah man es kohlrabenschwarz gekleidet.
Selbst Wallenstein, seinerzeit Graf von Schwerin, war der Sage nach dem Hausgeist nicht gewachsen. Als Wallenstein das Schloss Schwerin als Wohnsitz nehmen wollte, soll die Spukgestalt den Kriegsfürsten derart belästigt haben, dass dieser sich lieber auf Schloss Güstrow niederließ.
Nach der Umrundung des Schlosses komme ich zur Schlossbrücke und dem Eingang zum Landtag von Mecklenburg-Vorpommern.
Schon Slawenfürst Niklot hatte hier bis 1150 seine Hauptburg. Er gilt als der Stammvater der mecklenburgischen Herzöge und Großherzöge. Das monumentale Reiterstandbild über dem Hauptportal soll an den Fürsten erinnern.
Die prägendste Bauphase erlebte das Schloss im Zuge des historischen Um- und Neubaus von 1843 bis 1857. Bis 1918 war sie Residenz der mecklenburgischen Herzöge. Danach ging das Schloss in Staatsbesitz über. Nach der Wiedervereinigung 1990 nahm der Landtag von Mecklenburg-Vorpommern seinen Sitz im Schloss ein. Neben dem Plenarsaal, in dem die öffentlichen Debatten und Abstimmungen des Landtages stattfinden, befinden sich im Schloss auch die Büros der Abgeordneten sowie die Beratungsräume der Fachausschüsse und der Fraktionen.
Wer also selbst diese und weitere Details und Geschichten über Schwerin auf einem Stadtrundgang erleben und entdecken möchte, kann auch die App von lialo.com oder diesen Link https://lialo.tours/6wr2 für sein Smartphone nutzen, um gleich selbst auf einen Stadtrundgang durch Schwerin zu gehen.