Außergewöhnliche Restaurants Berlin-Brandenburg
Mit dieser neuen Serie starten wir eine Reise durch die Gastroszene von Berlin und Brandenburg. Eine Sammlung von außergewöhnlichen Restaurants. Wir speisen mit euch in Lokalen, die uns handwerklich gekonnte, leckere Gerichte und Menüs servieren. Wenn sie dazu noch ein kreatives und gemütliches Ambiente bieten, dann sind wir hier genau richtig. Und wie immer: eure Tipps und Berichte nehmen wir gerne mit auf.
Bisher erschienen:
aerde restaurant / Forsthaus Strelitz / Goldener Hahn / Amigo Cohen / Speisenkammer Burg-Spreewald / Wilde Klosterküche / Long March Canteen
Und wer noch mehr genießen möchte, wird vielleicht in unserer Serie Morgenpost-Menü fündig. Und wir haben natürlich auch eine Serie für Liebhaber von Süßkram: Beste Cafés in Berlin.
aerde restaurant berlin - Außergewöhnliche Restaurants in Berlin-Brandenburg
„Hi, ich bin der Justus“, begrüßt mich unser Gastgeber vom aerde restaurant mit Handschlag. Damit ist schon mal klar, hier liegt der Focus mehr auf freundliche Nähe, denn auf geschliffene Förmlichkeit. Wir nehmen zu viert Platz an einem Achtertisch. „Ihr könnt euch richtig ausbreiten, wir hatten eine kurzfristige Absage“. In dem kleinen Restaurant mit etwa 22 Plätzen insgesamt sicherlich eine Einbuße.
Zur Auswahl stehen auf einem kleinen Zettel etwa zehn Speisen, die auch als 5-Gänge-Menü in der vegetarischen oder der Fisch/Geflügel-Variante für 80 bzw. 100 Euro gewählt werden können. Zur Einstimmung kommen frisches Sauerteigbrot, fermentiertes Gemüse und eine Koji-Buttermischung auf den Tisch. „Das Brot beziehen wir aus einer handwerklich arbeitenden Bäckerei, aber das eingelegte Gemüse und die Butter sind hausgemacht“. Und das schmecken wir auch. Möhren, Rettich und Fenchel bieten säuerlich-knackig-fest ihr typisches Aroma und werden von der schmelzig-würzigen Butter ausbalanciert. Koji ist übrigens ein Art Schimmelpilz, der insbesondere in der ostasiatischen Küche zur Fermentation von Lebensmitteln genutzt wird.
Der nächste Gang ist schon rein optisch ein Highlight. Ein gegrillter Seitling-Pilz bestreut mit frittierten Blütenknospen auf einer cremigen Petersilien-Essenz. „Die ist mit dem Eigelb vom Onsen-Ei gebunden!“ Onsen-Ei? Das ist ein ganz normales Hühnerei, das über Stunden bei 65°C gegart und so eine besonders cremige Struktur erhält. „Onsen“ ist der Name von heißen Quellen in Japan, wo diese Garmethode entwickelt wurde. Wie auch immer, selten habe ich eine derartig vollmundige Soße ohne Fettlippen genossen, die den saftig-rauchigen Pilz ideal begleitet.
Als nächstes folgt bei mir Wels mit frittiertem Grünkohl, der schon bei leichter Berührung crunchy zerspringt und Knusperaromen zum weichen Fischfleisch bietet. Die Soße benennt Justus als „Garum“, eine alte römische Würze, die aus der Fermentation von Fischen entsteht und hier mit Beurre Blanc abgerundet wurde. Der Wels kann im Geschmack nicht so ganz seine Grundel-Aktivität verheimlichen, harmoniert aber sehr gut mit den leichten Bitternoten des Grünkohls.
Etwas neidisch schaue ich auf die vegetarischen Nachbarteller mit Schwarzwurzel-Gemüse und Haselnuss-Crunch in einer karamelligen Soße. Die Stangen sind saftig-bissfest und bekommen durch die Soße leicht süßliche Anklänge.
Zum Hauptgang habe ich die Wildente gewählt, die im Vergleich zur Hausente einen deutlich geringeren Fettanteil besitzt. „Die ist ja auch viel mehr unterwegs und muss ihr Futter selber suchen!“, beschreibt Justus den Unterschied. Das merke ich dann auch dem Fleisch an: würzig, kräftig und recht fest. Den Rotkohl gibt’s nicht klassisch mit Nelke und so, sondern in Rohkostform; herrlich knackig und frisch.
Und auch hier schaue ich begehrlich auf die Veggie-Variante von Kürbis-Gnocchi mit brauner Butter, karamellisierten Zwiebeln, Fenchel-Kraut und hausgemachtem Ricotta. Ich darf probieren und genieße einen vollmundigen Happs voll Cremigkeit, Sahne und Wohlgefühl.
Vor dem Nachtisch klärt uns Justus weiter auf: „Wir kochen konsequent regional und somit kann es auch keine Schokolade und Kaffee geben.” Das Höchste der Entfernung war mal eine Artischocke aus Frankreich. Aber es geht sehr hervorragend ohne Schokolade: Wie wär’s mit einem fluffigen Törtchen, gefüllt mit Steinpilzcreme? Hört sich eigenartig an? Schmeckt mit den gerösteten Walnüssen und den Butterstreuseln aber überhaupt nicht „pilzig“, sondern vollmundig sahnig.
Und erst recht das Eis mit Karamell-Nuss-Creme. Auch hier hat der Kojipilz seine Edel-Schimmel-Sporen im Spiel. Und das aus gutem Grund. Er spaltet aus dem angesetzten Getreide die Glucose heraus, was für die Süße sorgt und spaltet weitere Aminosäuren ab, die den runden Umami-Geschmack erzeugen. Ein perfekter Abschluss eines Abends in einem außergewöhnlichen Restaurant in Berlin.
Das kleine Restaurant „aerde“ befindet sich in Kreuzberg, Am Lokdepot 6, zwischen Viktoriapark und Park am Gleisdreieck. Von mir wurde es in die Liste von Berlins außergewöhnlichen Restaurants aufgenommen, da dort mit handwerklicher Kunst und Liebe zum Produkt außergewöhnliche Speisen zubereitet werden.
Forsthaus Strelitz - Außergewöhnliche Restaurants in Berlin-Brandenburg
Wie weit darf ich für einen Restaurantbesuch in der Serie „Außergewöhnliche Restaurants Berlin-Brandenburg“ die Landesgrenze überschreiten? Das Forsthaus Strelitz liegt an der B96 zwischen Fürstenberg/Havel und Neustrelitz, 7,4 Kilometer von der Landesgrenze entfernt im benachbarten Bundesland Mecklenburg-Vorpommern. Wem das jetzt zu viel ist, der müsste diesen Artikel überspringen, alle anderen erleben ein außergewöhnliches Restaurant in einem bäuerlich-rustikalen Ambiente.
Ein kühler, früh-herbstlichen Wind weht uns in die Gaststube vom Forsthaus Strelitz. Die Gänsehaut glättet sich augenblicklich durch die Wärme der feuer-knackende Holzscheite im riesigen Kamin-Ofen. Mit Blick auf die rot-gelb züngelnden Flammen dürfen wir an einem knorrigen Holztisch Platz nehmen und können zusätzlich die werkelnden Köche in der offenen Küche beobachten: Pool-Position!
Als Knabber-Start landet ein Leinsamen-Kräcker mit Koriander-Majo auf dem Tisch.
Auf den Knusper-Beginn folgen dicke Scheiben frisches Brot: rösche Kruste, weich-saftig-warme Krume, dazu Butter und Salz und das Gefühl, nach einem harten Tag auf dem Feld am heimeligen Herd zu entspannen. Hier sind wir mehr bei guten Freunden denn in einem gehobenen Restaurant zu Gast.
Wir entscheiden uns für das Menü mit alkoholischer Getränkebegleitung und bekommen als ersten Gang eine Tomatenscheibe mit Wachholder und dazu einen hausgemachten Quittencidre serviert. Die vergorenen Quitten britzeln leicht im Glas und erschrecken den Gaumen mit einer strengen Säure, die sich zum Glück mit der Tomate etwas relativiert. Die Wachholder-Aromen deuten sich nur sehr schwach an. Die Tomate soll seit Ewigkeiten irgendwie eingelegt worden sein, nur, wir schmecken da nichts Außergewöhnliches heraus.
Der folgende Gang schießt aus dem kleinen Zwischentief in volle Höhen: Hecht und Zwiebel bieten Sterneküche. Der Fisch ist in seiner Struktur fest und kompakt und trotzdem zart und saftig, die Zwiebeln bieten Rauch und Süße und die salzige Buttersoße unterstreicht die Komposition mit Würze. Der dazu gereichte Mâcon-Igé, ein Weißwein aus dem Burgund, passt dazu ausgezeichnet.
Nun folgt eine Consommé vom geräucherten Aal. Die Kraftbrühe wird ihrem Namen auch gerecht, würzig und so kräftig, dass wir eine Einlage nicht wirklich vermissen. Als Getränk bekommen wir einen hausgemachten Wermut, der mit seinen Kräuternoten und einer sehr dezenten Süße die Suppen-Aromen unterstreicht.
Rote Bete und weiße Schokolade stehen nun auf dem Programm. Ein Gang, der die Meinung an unserem Tisch spaltet. Die geröstete weiße Schokolade ist mit Blauschimmel-Käse vermählt, was zum Streik von Melanie führt. Ganz zur Freude von Stefan, der mit Genuss zwei Portionen verdrückt. Ich mag zwar die süßliche Schoko-Käse-Creme, bin aber kein großer Bete-Fan und somit nicht neidisch auf die verpasste Doppelportion. Der hausgekelterte Hagebuttenwein schmeckt süß, balanciert die Schoko-Soße dadurch aber hervorragend aus.
Der anschließende Hauptgang ist deutlich weniger experimentell: Damwild mit Kürbis-Püree unter einer Schaumhaube. Alles ist fein abgestimmt, das rosagebratene Fleisch zart und mit seiner Würze passend zum cremigen Kürbis. Der Rotwein dazu ist trocken und saftig, mit etwas mehr Holznoten wäre er vielleicht noch runder.
Zum Abschluss setzt das Menü noch einmal einen Paukenschlag auf den Tisch: Schoko-Mousse. Ja, einfach eine kühle Kakao-Creme! Aber eine sensationelle! Leicht bittere Kakao-Noten schmeicheln sich zusammen mit einer sahnig-cremigen Konsistenz und einer angenehmen Süße an den Gaumen. Und selten habe ich dazu ein so passendes Getränk bekommen wie hier das Schwarzbier, dass wie in einer glücklichen Ehe den Nachtisch ergänzt.
Vom Haus kommt ganz zum Ende noch ein kleines Küchlein auf den Tisch und beschließt einen genüsslich-gemütlichen Abend. Das Menü kostet 85 Euro pro Person, die passenden Getränke dazu noch einmal 60 Euro. Sicherlich kein Schnäppchen, aber durch Originalität und Frische durchaus angemessen. Das Gemüse stammt aus dem Garten hinter dem Haus, sodass die Menüs je nach Erntesaison variieren. Wir haben uns rundum wohlgefühlt und konnten unseren gesättigten, aber nicht überfüllten Bauch gleich nebenan in der Scheune betten. Denn dort hatten wir ein Zimmer gemietet, um nicht den weiten Rückweg nach Berlin antreten zu müssen. Bei uns bekommt das Forsthaus Strelitz eine festen Platz in unserer Serie “Außergewöhnliche Restaurants Berlin - Brandenburg”.
Goldener Hahn Finsterwalde - Außergewöhnliche Restaurants in Berlin-Brandenburg
Die Suche nach außergewöhnlichen Restaurants in Brandenburg treibt uns diesmal ganz in den Süden des Bundeslandes. Statt „Jutn Tach“ gibt’s hier eher ein Sächsisches „Güdn Dooch“ zu hören. Wir sind in Finsterwalde, näher dran an Dresden als an Berlin. Unser Ziel ist der „Goldene Hahn“ in einem typischen Gasthofgebäude in der Bahnhofstraße. Ohne Recherche hätte ich hier eher Kohlroulade und Klopse erwartet.
Am Eingang steht gülden das namensgebende Federvieh und dann begrüßen uns herzlich die Gastgeber.
Wir dürfen uns einen Platz aussuchen, da das Restaurant an diesem Freitagabend nur mäßig besucht ist. Wie wir später von der Wirtin erfahren, soll es keine erkennbare Regel für „voll“ oder „noch vieles frei“ geben. Die Einrichtung ist gediegen-gepflegt mit weiß gedeckten Tischen und Stoffservietten. Zur entspannten Menüauswahl bestellen wir zunächst ein Glas Rieslingsekt: perlig, frisch, fruchtig.
Bei einer Auswahl von drei bis sieben Gängen stelle ich mir immer vier Fragen: Werde ich satt, ist es zu viel, verpasse ich das Beste und welche Speisen darf ich kombinieren? Die letzte Frage ist schnell beantwortet: „Alle!“ Der Rest ist natürlich individuell und nach etwas Überlegung entscheiden wir uns für das Vier-Gang-Menü.
Leinöl-Kräuterquark und Apfel-Zwiebel-Schmalz mit besonders angepriesener Brotauswahl gibt es natürlich dazu. Der Quark schmeckt säuerlich-frisch und das Schmalz geschmeidig cremig. So hat der Magen in seiner Vorfreude schon etwas zu tun. Auch das angelieferte Brot vom Sommelier ist frisch und kernig, obwohl ich mehr ein Fan von lauwarmen Brotscheiben bin.
Ehe es so richtig los geht, kommt ein Gruß aus der Küche. Kein kurzes Hallo, sondern ein aufwändig hergestelltes Amuse-Gueule mit Wachtelei, fluffiger Pastete und Kichererbsen-Bällchen. Whow.
Wie sieht es bei euch aus? Mögt ihr auch so ein bisschen Show in der Menüfolge? Dann ist das Zweierlei vom geräucherten Saibling genau das Richtige. Unter einer „Käseglocke“ wabert dichter Rauch, der beim Abheben den Tisch kurzzeitig vernebelt. Würzige Lagerfeuer-Holznoten kitzeln die Nase und verpassen auch der Salatbeilage eine Rauchnote. Passt aber sehr gut, zumal das Ganze von einer säuerlichen Gribiche, einer kalten Sauce aus Kräutern, Gewürzgurken, Senf, Essig und Öl neutralisiert wird.
Nachdem sich der Rauch verzogen hat, leuchtet ein gelbes Blümchen auf dem hübsch angerichteten Teller auf. Der Fisch ist zart und hat trotz des ganzen Prozedere relativ wenig Rauchnoten, sehr gut! Beim teiggewickelten Saibling ist die Hülle durch die Soße nicht mehr ganz knusprig. Aber die Vorspeise schmeckt und hält dem großartigen optischen Eindruck spielend stand.
Nun folgt ein kleines Stück vom Kaninchen, eingewickelt in Pancetta, also der edlen italienischen Bauchspeckvariante. Das zarte Fleisch bekommt dadurch eine besondere Saftigkeit und Würze. Als Begleitung liegen weißer und grüner Spargel dabei und unser gelbes Blümchen hat es auch auf diesen Teller geschafft. Die Soße mit Erbsen und besonders die etwas säuerliche Hollandaise mit Rhabarber runden das Fleisch in besonderem Maße ab.
Als Hauptgang haben wir uns das Duett vom Lamm ausgewählt und eindeutig die richtige Entscheidung getroffen. Das Fleisch ist rosa gebraten und hat für mich die richtige Konsistenz: zart, aber nicht überweich, wie es gelegentlich bei Sous-vide-Gegartem passieren kann. Melanies Begeisterung tendiert etwas mehr zum zweiten Lammstückchen, das offensichtlich mit der Niedriggarmethode geschmort wurde. Die Bärlauch-Kruste gibt Würze, die Möhrchen runden mit süßlichen Aromen das perfekte Geschmackserlebnis ab.
Kleine Überraschungen sind doch immer eine Freude. Und so werden wir nach dem Hauptgang mit einem Vor-Dessert überrascht. Ein säuerliches Apfelsorbet erfrischt den Gaumen und bereitet hervorragend den Abschluss des Abends vor.
Beim Nachtisch hat sich Melanie für die süße Variante entschieden: Mandel-Küchlein, Milchkaffee-Eis, Nougat-Parfait, Kaffee-Espuma und Haselnusscreme. Eine cremig-schmelzende Sensation. Für mehr als eine kleine Kostprobe ist mein Löffel zu kurz, zumal die schnalzende Genießerin recht aufmerksam über ihre gelungene Wahl wacht.
Aber auch meine Käsevariationen sind ein gelungener würziger Abschluss und bieten mit Birnen-Gelee und Trauben-Chutney noch ausreichend Süße.
Für uns ist es ein gelungener Abend mit freundlich-locker-aufmerksamen Service und wir freuen uns, dass sich hier in knapp zwei Stunden Zugentfernung von Berlin ein außergewöhnliches Restaurant etabliert hat, das mit seiner weltoffenen Neuen Lausitzer Küche wirbt. Die Chefin Iris Schreiber berichtet mir zum Abschluss über die Herausforderungen, hier in Finsterwalde ein hochpreisiges Gourmetrestaurant zu betreiben. Bei 100 Euro für das Vier-Gang-Menü sind keine Walk-In-Gäste zu erwarten, aber inzwischen gibt es Stammgäste aus Dresden und Besucher aus dem weiteren Umland, die etwas besonderes Genießen wollen.
Dazu locken „Schreibers Kulinarische Lesungen“ zu einem Menü mit Buchlesung in das Restaurant. „Entweder ich habe schon einen Text fertig und mein Mann als Küchenchef muss dazu das Menü kreieren oder er ist schneller und ich muss was passendes zum Essen schreiben!“, lacht Iris Schreiber. Mehr erfahrt ihr auf der Homepage von Schreibers Goldenen Hahn oder noch viel besser bei einem Besuch in diesem außergewöhnlichen Restaurant in Brandenburg.
Amigo Cohen Berlin-Mitte - Außergewöhnliche Restaurants in Berlin-Brandenburg
„Do you have a reservation?“ Na klar, haben wir. „I'll show you your place“. Okay, neben einer Reservierung sollte man hier auch englische Sprachkenntnisse haben. Freundlich bringt uns der „Waiter“ zu unserem Platz unter stylischen Deckenlampen und modernem Dekor.
Das „Amigo Cohen“ im AMANO-Hotel am Berliner Hauptbahnhof ist der absolute Gegenentwurf zum „Bristol“ in der Fasanenstraße. Trendy, hip und bei den meisten Gästen sind eher die Eltern oder Großeltern im grad60-Alter. Daher dudelt auch kein „Georg Michael“ im Hintergrund; ein DJ legt Platten auf. Ach nee, Platten gibt’s ja nicht mehr, der DJ regelt recht laute Lounge-Musik auf seinem Media-Mischpult. Der Laden ist weit entfernt von einer ruhigen Speiseoase und doch stellt sich bei unserer Runde schnell eine angeregte Vorfreude auf das Essen ein.
Wie der Name „Amigo Cohen“ vorsichtig andeutet, bietet die Speisekarte eine Fusion von Mexikanischen und Israelischen Gerichten. Zum Einstieg teilen wir fünf uns die Taco-Platte mit acht weichen Tortillas zu 32 €. Spitzenreiter ist nach unserem Geschmack der Fladen mit dem Hähnchenfleisch, Zwiebeln und Sesammus (Tahina), gewürzt mit Chili und Sumach. Und auch die Komposition mit gegrilltem Oktopus, Tomaten, Avocado und Koriander kommt gut an.
Ein schöner Einstieg, dem wir die Vorspeisen folgen lassen. Kleine Portionen vom Oktopus, ein „Israeli Aguachile“, eine Art Ceviche von der Makrele, und ein Rindertataki (dünne Scheiben mariniertes Rindfleisch, scharf angebraten und innen roh), würzig-zart und auch optisch sehr ansprechend.
Ganz besondere Freude bietet die Guacamole-Vorspeise. Mit einer Auswahl von Tomaten, roten Zwiebeln, roter Chilischote und Koriander wird sie frisch am Tisch zubereitet. Wie wählen „einmal alles“ und beobachten, wie unserer Koch die Avocado mit den Zutaten im Mörser zerquetscht.
Neben Wasser genießen wir einen Tempranillo aus Spanien, mild, süffig in angenehmer Temperatur serviert. Als Getränkekrönung erfreut uns der Chef zwischendurch mit einem Tequila aufs Haus. Whow! Das ist kein nur mit Salzlecken und Zitronensaugen erträgliches Rotes-Hütchen-Gesöff. Es ist ein Edel-Getränk vom Feinsten: InCorrupto Añejo. Bernsteinfarben von der Lagerung im Eichenfass entfaltet er im Mund komplexe warm-vanillige Karamellnoten, die entfernt auch an einen Spitzen-Rum erinnern. Eine ausgesprochen großzügige Einladung, denn auf der Karte steht das Gläschen beim Kurs von 22 Euro.
Derartig geflasht wenden wir uns den Hauptgängen zu. Die Hähnchen in grüner Mole sind zart, kommen aber nicht ganz an die würzige Vorspeisenvariante heran. Der gegrillte Oktopus-Arm zeigt dafür auf ganzer Linie, wie zart und lecker dieses Meerestier auf der Oliven-Joghurt-Creme daherkommen kann.
Wir lassen es uns bei unserem ausgiebigen Menü gut gehen. Zum Glück wurde unser ursprüngliches Zeitfenster von zwei Stunden unbegrenzt geöffnet, was wahrscheinlich bei dem sehr gut besuchten Restaurant nicht selbstverständlich ist. Die Köche in der offenen Küche haben auf jeden Fall reichlich zu tun, wie auch die emsige englischsprachige Bedienungscrew. Flink sind sie und so muss kein Gericht lange unter der Wärmelampe warten.
Richtig aufgekratzt freuen wir uns über diesen „In-Laden“. Lecker, trubelig, anregend und unterhaltsam sind unsere spontan gefundenen Attribute. Es ist nicht das intime Tête-à-Tête-Restaurant sondern hier pulsiert „Großstadt-City-Flair“ zwischen Israel und Mexiko. Da kann die Musik auch etwas lauter sein.
Das außergewöhnliche Restaurant in Berlin: Amigo Cohen
Speisenkammer Burg/Spreewald - Außergewöhnliche Restaurants in Berlin-Brandenburg
Hier sagen sich die Spreewaldkähne „Gute Nacht“. Die Speisenkammer liegt am „Stillen Fließ“, eine treffende Lagebeschreibung dieses außergewöhnlichen Restaurants im Gurken- und Leinöl-Land. Erst beim Großziehen der Karte bei Google-Maps zeigt sich der Straßenverlauf zu dieser Gaststätte in sieben Kilometer Entfernung von Burg/Spreewald. Zur Einstimmung führt eine schmale Brücke über das dunkle Wasser, in dem sich überhängenden Bäume in der Abendsonne spiegeln.
Der laue Sommerabend lockt die Gäste in den Außenbereich, an einen der wenigen Terrassentische. Das hier ist kein Massen-Ausflugslokal; ohne Reservierung besteht wohl kaum eine Chance, das monatlich wechselnde Menü der Speisenkammer kennenzulernen. Um Melanie und mich richtig einzustimmen, bestelle ich einen Wermut als Aperitif. „Cinzano oder Martini haben wir nicht, aber etwas ausgezeichnetes von zwei jungen Winzern aus Baden-Württemberg“, berät der gastgebende Kellner und hat absolut recht. Haselnuss- und angenehme Holznoten geben der leichten Weinsüße des Aperitifs das Gerüst. Das fängt gut an!
So bescheiden wie es auf der Karte als „kleine Leckereien“ angekündigt wird, so großartig überrascht die Platte mit sechs verschiedenen Köstlichkeiten. Sensationell ist die Kombination von Garnele und Chorizo mit würzigem Tomatensud. Erstklassiges Surf and Turf im Kleinformat. Daneben ausgezeichnete Dim Sum, was chinesisch „das Herz berühren“ heißt. Genau in der richtigen Konsistenz und Würzigkeit berühren sie zumindest meinen entzückten Gaumen.
Außerdem bietet der Vorspeisenteller ein Tässchen Hummersuppe, Matjes auf Gurke, ein Mini-Teig-Tütchen mit Quark und einen kleinen Würfel Blumenkohl, garniert mit Lachskaviar. Ich habe keine Ahnung, wie dieses Blumenkohl-Kunstwerk hergestellt wurde. Es zergeht cremig-süß auf der Zunge und bekommt durch den Kaviar den salzigen Kontrast. Herrlich!
Als ich mit diesem erstklassigen Auftakt denke, mehr geht nicht, kommt als nächstes der Thunfisch mit buntem Pfeffer, Avocado, Brokkoli und Schafskäse auf den Tisch. Das Fischfilet ist nur minimal an der Außenseite angebraten und präsentiert eine dunkelrote, zarte Meeresfrische, die in ihrer natürlichen Salzigkeit grandios mit dem Pfeffer harmoniert. Erstklassig.
Hier in der Speisenkammer bei Burg hängt die Latte wirklich hoch. So hoch, dass der nächste Gang, Roastbeef mit Pfifferlingen, Bohnen und Kartoffel-Kürbis-Stampf, etwas Mühe hat, nicht zu reißen. Handwerklich einwandfrei zubereitetes Fleisch, zart und mit den Beilagen gut kombiniert, bin ich zufrieden, aber nicht geflasht wie zuvor.
Zum Abschluss wählen wir eine Kombination, einmal Käse, einmal Süßspeise. Bevor der Schlussakkord gesetzt wird, überrascht eine unangekündigte Crème brulée den Gaumen. Perfekt cremig mit crunchigem Zuckerüberzug ist es ein Spitzenprodukt, bevor der reguläre Nachtisch das dreistündige Gourmetfestival beendet. Ein fluffiges Schnittchen aus Zitrone mit Cassis Sorbet, Eischnee und Himbeere auf der einen und ausgewählte Käsestückchen auf der anderen Seite.
Das Menü kostet 78 Euro p.P. Ich habe noch die Weinbegleitung gewählt, die mit 7 Euro pro Gang berechnet wird. Obwohl nur jeweils 0,1l vorgesehen ist, schenkt der achtsame Kellner großzügig nach. Ohnehin merkt man ihm die Freude über die Produkte des Hauses an: exakt erklärt, gut beraten und, wie er es gerne formuliert, mit einer extra Portion Liebe zubereitet. Mehr kann man eigentlich nicht sagen.
Das außergewöhnliche Restaurant in Brandenburg: Speisenkammer Burg Spreewald
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Wilde Klosterküche Neuzelle - Außergewöhnliche Restaurants in Berlin-Brandenburg
Wer einen Kilometer weiter fährt, hat die Oder mit einem freundlichen „Witaj w Polsce“ überquert. Im äußersten Osten der Republik befindet sich unser Tipp „Außergewöhnliche Restaurants Berlin Brandenburg“: Die Wilde Klosterküche in Neuzelle. Und so abgelegen wie das Restaurant liegt, so eingeschränkt sind auch die Öffnungszeiten. Nur am Freitag und am Samstag lässt es sich hier genießen. Wobei „abgelegen“ natürlich nur aus Berliner Sicht zutrifft. Die feine Küche befindet sich lediglich einen Steinwurf vom sehenswerten Kloster Neuzelle entfernt. Darüber hat Martin schon berichtet: „Neuzelle und ein schwarzer Abt“.
Von außen eher unscheinbar, trifft der Gastraum meinen Geschmack. Keine weißen Tischdecken und üppige Glasreihen bestimmen das Bild, sondern eher gepflegter Vintage-Stil mit Filamentlampen an der Decke und Holzparkett am Boden. Perfekt passend zum Thema „Casual Fine Dining“.
Leitthema der Wilden Klosterküche ist: „Mit regionalen Produkten immer orientiert an der Saison“. So stellt sich bei uns der erste Gang als Topinambur – Taube mit Kastanie, Schwarzwurzel und Butter vor. Aber schon vorher erfreut ein hausgebackenes Brot mit gesalzener Butter den wartenden Magen. Die Brotscheiben, innen weich und außen kross, liegen zum Warmhalten auf einem kleinen Tablett mit erhitztem Getreide. Dabei haben sie eigentlich gar keine Chance zu erkalten.
Die Menükarte listet die Zutaten nüchtern aneinandergereiht auf, ohne mit fantasievollen Namen anzugeben. Es gibt kein „Dreierlei von…“, kein „an, auf, über“ und auch kein „Süppchen, Schaum, Espuma!“ Der vierte Gang heißt somit: „Hecht / Brokkoli / Lardo / Holunderblüte“. Und um es gleich einzugestehen, „Lardo“ musste ich auch erst einmal googlen. Es ist ein besonders gereifter, fetter Speck, der ursprünglich aus der Toskana stammt. Hier rundet er den roh marinierten Hecht in vollkommener Art zu einem Hochgenuss ab.
Die Gänge an sich haben eine angenehme Größe und kommen mit dem „Gruß aus der Küche“ und einem „Vordessert“ dann doch gut sättigend daher. Hier dürfte niemand hungrig aufstehen. Der Hauptgang ist in der Regel ein Stück Fleisch von einem regionalen Bauernhof. Bei uns war es ein zartes Stück von der Färse, also einem geschlechtsreifen Rind, das noch nicht gekalbt hat. Auf den ersten Blick erinnert mich das zarte Fleisch in einem Soßenmantel an einen Dominostein. Das Sechs-Gang-Menü kostet 89 Euro, dazu wäre eine Weinbegleitung inclusive Wasser für 49 Euro hinzubuchbar. Ich hatte mich für eine Flasche Rotwein entschieden und war damit sehr glücklich.
Warum hat es die „Wilde Klosterküche“ in unsere Serie „Außergewöhnliche Restaurants in Berlin und Brandenburg“ geschafft? Nun ja! In den Weiten Brandenburgs herrscht viel zu häufig ein Würzfleisch-Schnitzel-Einerlei und außergewöhnliche Restaurants sind eher die Seltenheit. Zu der ausgezeichneten Küche kommt aber noch eine kleine besondere Zutat hinzu. Aus Berlin anreisend mag wohl jede und jeder sein Haupt vor Ort entspannen. Und wer es mal so richtig krachen lassen möchte, der übernachtet im gleichen Haus „Klosterhotel“ in einer der beiden Spa-Suiten. Ein extrem großzügiger Wohn- und Schlafbereich wird getoppt von einer richtig großen, privaten Sauna und einer fast schon pornös zu bezeichnenden, beleuchteten, freistehenden Badewanne. 259 Euro kostet das Scheich-Feeling für eine Nacht. Viel Geld und trotzdem haben wir es auf keinen Fall bereut.
Das außergewöhnliche Restaurant in Brandenburg: Wilde Klosterküche
Long March Canteen - Außergewöhnliche Restaurants in Berlin-Brandenburg
Die „78 süß-sauer“ gibt’s hier nicht, auch keine Wärmeplatten für die „Ente-kross gebraten“ und das Aquarium mit Goldfischen und dem roten Plastikdrachen werdet ihr vergeblich suchen. Dieser „Chinese“ ist wohltuend anders und das merken wir schon direkt hinter der kreuzbergtypisch zugeschmierten, versteckten Eingangstür.
Der Raum ist nüchtern gehalten, die blanken Holztische werden punktuell mit Spotlights erhellt und von der Balkendecke hängen für das Ambiente ein paar Leuchten im Vintage-Stil. Verschieden große Tische bieten auch Sitzplätze für Zehn-Personengruppen. Hinter einem Bambusrollo huschen die Küchenkräfte schemenhaft zwischen Wok und Herd herum. Kein China Chi-Chi weit und breit. Interessante Bilder und ein paar Schriftzüge an der Wand thematisieren Maos Langen Marsch. Aha, daher der Name des Lokals.
Eine erfreuliche Auswahl von Weinen mit einigen offenen Sorten zeigt ein erster Blick in die Speisekarte. Kurze Zeit später perlt ein eiskalter Crémant Rosé im Glas auf unserem Tisch. Ganz nach dem Geschmack unserer Morgenpost-Menü-Gruppe, denn für ein Menü-Treffen von mehreren Genießern ist das Lokal optimal. Die Gänge werden nicht auf dem Teller für eine einzelne Person serviert, sondern kommen auf Platten und Schüsselchen zum Teilen in die Tischmitte.
Und so wetteifern bei den Vorspeisen Thunfisch Sashimi auf Rote Beete mit Wasabi und Sojabohnen, neben Rosa Roastbeef-Streifen mit frischem Koriander, Chili und Soja-Sauce und gedämpfte Aubergine eingelegt in frischem Ingwer und chinesischem Essig um die Gunst der Stäbchen. Bei mehreren Menüs erhöht sich die Auswahl und stellt nur die Herausforderung, rechtzeitig am leckersten Topf zu sein. Denn das hier ist kommunikatives Essen: „Darf ich noch vom Lachs Sashimi mit Avocado?“ „Wer möchte noch Garnelen in Wasabi-Majo?“ „Reich mir doch bitte mal die Edamame mit Meersalz herüber…“ Edamame, das sind übrigens schlichtweg grüne Sojabohnen, die man aus der Hülse zutscht.
Die Schälchen kommen, finden begeisterte Genießer, werden ersetzt von den nächsten Häppchen. Wie wär’s mit Jakobsmuschel auf Seidentofu mit Soja-Sauce und Chili-Öl? Fein abgestimmt trifft das Muschelfleisch auf die weiche Konsistenz des Tofu, gepaart mit einer dezenten Chili-Schärfe. Perfekt! Es folgen verschiedene Dumplings, vegan mit Zucchini, Shitake, Bambus, Karotten und Koriander und anders mit Garnele und Wasserkastanie. Nach zwei vergeblichen Versuchen habe ich die kleinen glitschigen Teigtäschchen fest zwischen meine Stäbchen geklemmt und lasse sie nicht mehr entkommen.
Gut gesättigt folgt zum Schluss dann doch noch eine Hommage an den Chinesen um die Ecke: Gebackene Banane, schmunzelnd „The Real Thing“ genannt, kann sie in einem Eiswasserschälchen auf Verzehrtemperatur gebracht werden.
Es ist ein unterhaltsamer Abend, das Essen ist Thema und Untermalung der Gespräche. Für kommunikative Menschen genau der richtige Laden, in dem gutes Essen seinen Stellenwert hat, aber nicht alles beherrschend ist. Auch hungrige Mägen werden das Lokal nach dem Mehrgänge-Menü glücklich rund verlassen. Für das Gebotene finde ich rund 55 Euro durchaus günstig. Für uns gehört die Long March Canteen auf jeden Fall in die Liste „Außergewöhnliche Restaurants in Berlin und Brandenburg”. Wir sind zufrieden und kommen wieder, versprochen.
Das außergewöhnliche Restaurant in Berlin: Long March Canteen
Am Anfang des Artikels steht “Werbung unbeauftragt”, das heißt, dass dieser Artikel ohne Beeinflussung und Bezahlung geschrieben wurde. Warum der Vermerk trotzdem dort steht, erfahrt ihr auf unserer Seite “Transparenz”.
Kommentar:
Hallo, zu welchem Jahr soll sich der Kommentar "In den Weiten Brandenburgs herrscht viel zu häufig ein Würzfleisch-Schnitzel-Einerlei" beziehen? 2000 vielleicht? In Brandenburg gibt es inzwischen fast in jeder etwas "größere" Stadt Casual Fine Dining mit regionallen Produkten Restaurants- egal ob nur vegetarisch selbst angebaut, spezialisiert auf frischgefangener Fisch, Wild oder eben Fleisch...
grad60:
Vielen Dank für den Kommentar. Wir würden uns sehr über ein paar konkrete Tipps freuen, damit wir die Restaurants testen und sie unseren Leserinnen und Lesern vorstellen können.