Neuruppin ist hübsch
Der gerade mal zwanzigjährige Kronprinz flaniert durch das Grün des von ihm angelegten Tempelgartens und ist zufrieden mit der Umsetzung seiner Idee. Vater hat ihn zum Regimentskommandeur mit Sitz in Neuruppin bestimmt. Doch nur exerzieren und kommandieren ist ihm zu langweilig. „Friedrich der Große“, wie er später tituliert wird, noch später im geheimen auch „Der Alte Fritz“, hat auch Sinn für die Schönheit der Natur, geschmückt mit dem einen oder anderen Accessoire. Hübsch drapiert lenken sie meinen Blick. So finde ich die lustig aussehende Statue von Süleyman I. ganz bezaubernd.
Ich tue es ihm nach und streife durch die Wege, über die Wiesen, einen kleinen Hügel hoch und wieder runter und staune. Der „Amalthea-Garten“, wie er in Anlehnung an jene griechische Nymphe auch genannt wird, ist ein nett gestalteter Park, der mir gut gefällt.
In der äußersten nordöstlichen Ecke lockt mich ein Ensemble, was eine leicht unheimliche Atmosphäre erzeugt. Unter dunklem Blätterdach schaut mich aus einer Nische ein Gesicht neugierig an. Darüber gibt es eine Terrasse, auf der sich trefflich speisen ließe. Dort geschützt im Halbdunkeln mit Blick auf die kleine Lichtung, auf der Lustknaben ihre Spielchen treiben könnten, hat der junge Friedrich vielleicht auch seinen Spaß gehabt. Tatsächlich soll es eine stilisierte kleine Bastion darstellen.
Als ich gerade den Garten durch das südwestliche Tor verlassen will, schreit mich ein steinerner Parkwächter an, dass ich gefälligst einen Obolus dalassen soll. Da ich nicht weiß, wie ich der Aufforderung Folge leisten soll, suche ich schnell das Weite.
Nach einigen hundert Metern, einmal rechts, einmal links, gelange ich zur Stadtmauer und horche, was sie mir zu sagen hat.
„Fontane, Fontane“, flüstert sie. Na, klar, nicht umsonst trägt die Stadt den Beinamen „Fontanestadt“. Ich mache mich auf den Weg zum Denkmal, laufe die Franz-Künstler-Straße runter und bin in wenigen Minuten da. Auf einer Bank sitzend, Spazierstock, Mantel und Hut angelehnt, empfängt mich Theodor und nickt mir wohlwollend zu. Gut sieht er aus, stattlich.
Ich stöbere weiter durch die Stadt. Sie wirkt sehr weitläufig, mit großen freien Räumen und Plätzen. Das hängt mit dem verheerenden Stadtbrand von 1787 zusammen, bei dem 80 % der Stadt vernichtet wurden. König Friedrich Wilhelm II. finanzierte den Wiederaufbau Neuruppins aus der Staatsschatulle und ordnete an, dass Neuruppin mit breiten Straßen, zweietagigen Häusern und großen Plätzen wieder aufgebaut werden sollte.
Auf dem Schulplatz entdecke ich außer Fontane auch noch einige Fontänen, die hübsch arrangiert in der Gegend rumplätschern.
Der Straße des Marxisten Karl folgend, gelange ich zum Kirchplatz der Kulturkirche St. Marien. Von dort habe ich einen schönen Blick auf den Kirchturm, der zwischen den Bäumen hervorlugt.
Ich drehe mich einmal um meine eigene Achse und sieh da, ein anderer großer Mann dieser Stadt schaut auf mich herunter. Karl Friedrich Schinkel, am 13. März 1781 in Neuruppin geboren.
Ich lenke nun meine Schritte gen Wasser, hin zum Ruppiner See, an dessen Ufer die wunderbare St. Trinitatis Kirche steht.
Natürlich muss ich da rein. Mit Maske kein Problem. Allerdings sollte ich mich etwas beeilen, gleich beginnt ein Gottesdienst und den will ich nicht stören. Kirchen als Kulturgüter sind immer faszinierend für mich. So auch diese. Besonders beeindruckend finde ich die Kirchenfenster.
Insgesamt ist die Kirche eher schlicht gehalten, nicht überbordend dekoriert. Eine Figur hier, eine andere dort, ein paar Kerzen, Kanzel, Altar, Orgel. Bescheiden und zurückhaltend. Nicht schlecht, gefällt mir gut. Die Glocken läuten und rufen zum Gebet; ich verlasse die heilige Stätte. Am Ufer fällt mir noch eine Skulptur auf, deren Machart mir bekannt vorkommt. Richtig! In Wustrau gibt es dieses Seeschlachtdenkmal vom Künstler Matthias Zágon Hohl-Stein. Auch hier hat er sich verewigt: Der Parzival vom Ruppiner See.
Beim Stadtitaliener gönne ich mir eine Apfelsaftschorle und denke über diesen schönen Tag in einer schönen Stadt nach. Absolut empfehlenswert, dieses Neuruppin.
Es ist nun fast Abend, ich strebe dem motorisierten Heimbringer zu. Ich will gerade einsteigen, da fällt mein Blick auf ein kleines Schaufenster. Es ist doch nicht zu fassen, wozu der gute, alte Fontane alles herhalten muss: Rum und Malt Whisky! Nee, das hat er nicht verdient, wirklich nicht!
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