Mit der Bahn Berlin-Bansin
Am Vormittag meines 18. Geburtstages legte ich meine Führerscheinprüfung ab, am Nachmittag hatte ich mein Auto. Einen alten Polizei VW-Käfer, für 550 DM ersteigert. Ich liebte das Fahrzeug und war begeisterter Autofahrer. Das ist jetzt 44 Jahre her und meine Begeisterung für’s Autofahren ist vollständig verschwunden. Nicht nur aus Umweltaspekten. Ich finde es einfach lästig und langweilig.
Für ein Wochenende an der Ostsee auf Usedom bot sich daher wie gerufen das Ostseeticket der Deutschen Bahn an. Zwei Personen hin und zurück für 78 Euro. Ein Schnäppchen, denn alleine der Tiefgaragenparkplatz kostet in Bansin pro Nacht 14 Euro. Und die Fahrzeit von vier Stunden ist ebenfalls attraktiv. Auch mit dem Auto braucht man fast dreieinhalb Stunden auf einer totlangweiligen, öden A 11 und anschließenden Landstraßen, auf denen 100%ig vor einem ein Sattelschlepper durch Ortschaften und Kurven schleicht. Tank- und Toilettenpausen noch nicht einmal eingerechnet.
Gemütliches Frühstücken im Zug mit frischen Brötchen vom Bahnhofsbäcker und anschließendes Zeitunglesen. So der Plan. Entspannt würfele ich den Käse, verpacke den Schinken und fülle die Saftschorle ab. Deutlich zu entspannt. Für den Weg zum Südkreuz will ich ein Car-Sharing-Auto nutzen. Das steht ein paar Meter weiter weg als erhofft. Das eigentliche Problem ist aber der Parkplatz am Südkreuz. Die typische Auto-Seuche. Außer in Auffahrten oder im absoluten Halteverbot ist nichts frei. Der scheinbare Zeitvorteil einer Autoanfahrt im Gegensatz zur Anfahrt mit Bus und S-Bahn schwindet.
Als sich endlich eine Lücke auftut, natürlich einige Meter vom Bahnhof entfernt, ist die Abfahrtzeit von Südkreuz sehr viel schneller näher gerückt als berechnet. So viel schneller, dass beim Erreichen des Bahnhofs schon die Zugeinfahrt angesagt wird. Keine Zeit für Brötchenkauf.
Außer Atem finden meine Partnerin und ich freie Sitze mit Tisch im Oberdeck des doppelstöckigen Wagens. Ruhig und bequem durchquert der Regionalexpress Berlin und bietet bald freie Sicht auf die Wälder und Felder der Uckermark. Der Frühstückshunger wird größer. Meine kleine Hoffnung auf einen Bistrowagen wird von der Zugbegleiterin mit einem freundlichen Lächeln jäh zerstört: „Nur ick hab‘ hier Stullen, die brauch ick aber selba!“
Tja, Schuld eigene. Aber schon mein Papa sagte: „In der allergrößten Not schmeckt die Wurst auch ohne Brot!“
Wir wechseln ein paar lockere Worte mit anderen Zuggästen, die von vollgestopften Zügen im Sommer auf dieser Strecke berichten. Heute ist der Zug gut gebucht, aber bei Weitem nicht überfüllt. Von Kinderwagen-Müttern bis grad60-Reisenden ist alles dabei.
Gemütlich, bis eine Handymeldung aufschreckt: Aufgrund der Zugverspätung ist Ihr Anschluss gefährdet. Die Zugbegleiterin beruhigt. Es sind nur wenige Minuten; der Anschlusszug in Züssow wartet. Und so ist es. Einige dutzend Reisende wechseln in Züssow die Bahnsteigseite und besteigen die wartende „Bäderbahn“. Der Zug zuckelt in Wolgast über die Peene und stoppt in Orten, deren Namen ich noch nie gehört habe: Bannemin Mölschow, Stubbenfelde, Neu Pudagla.
Mein Blick in die Landschaft entdeckt Rehe auf Wiesen und Kraniche auf Feldern. Mit der Erderwärmung bleiben ein paar vorwitzige Tiere eher hier, als den beschwerlichen Flug in den Süden zu unternehmen.
Ich genieße das entspannte Reisen. Kein Rasen auf der Autobahn, keine Drängler, keine Lastwagen im Schleich-Überholvorgang. Für Aufregung sorgt nur die Sichtung eines Seeadlers unmittelbar neben den Gleisen, der einen Feldhasen erlegt hat und nun mit seiner schweren Beute zwischen den Fängen kaum aufsteigen kann.
Für mich fängt die Ostseeerholung schon lange vor Erreichen des Kaiserbades an.
Bequem ist natürlich auch der Hotel-Shuttle vom Bahnhof zum Hotel. Manchmal ist ein Fahrzeug doch schön. Die Auswahl von Unterkünften in Bansin ist riesig. Im Winter gibt es tatsächlich ein paar günstige Quartiere. Und wer so viel Glück hat wie ich, der kann im Winter den Strandspaziergang bis Swinemünde in Polen bei herrlicher Februarsonne genießen.
Für Liebhaber der See ist das Wetter aber letztendlich nicht so wichtig. Neu eröffnete Hotels an der Küstenpromenade zeugen davon, dass diese Liebhaber immer zahlreicher werden. Zum Glück fügen sich die Neubauten gut in die Bäderarchitektur ein und bleiben in der allgemeinen Traufhöhe. Egal ob Sommer oder Winter, ob Wochenende und langer Urlaub, hier liegt eine Erholungsoase, nicht weit von Berlin entfernt. Und für mich begann der Urlaub schon mit Besteigen des Zuges.
Übrigens, auch die Rückfahrt hat mit der viel gescholtenen Bahn problemfrei geklappt. Diesmal fuhr ein Intercity von Züssow nach Berlin. Mit Bistrowagen. Brauchten wir aber nicht. Wir hatten rechtzeitig Brötchen geholt.
Liebe grad60-Leser, schreibt uns doch bitte mal an info@grad60.com über eure Erfahrungen mit der Deutschen Bundesbahn. Gut oder schlecht – wie sind eure Erfahrungen?
Am Anfang des Artikels steht “Werbung unbeauftragt”, das heißt, dass dieser Artikel ohne Beeinflussung und Bezahlung geschrieben wurde. Warum der Vermerk trotzdem dort steht, erfahrt ihr auf unserer Seite “Transparenz”.