Neun-Euro-Ausflüge ab Berlin
Na klar, da müssen wir auch einsteigen. Drei Monate lang können wir für jeweils neun Euro mit Bus, Tram und Nahverkehrszug durch die Gegend gondeln und Ausflugsziele entdecken. Das ist doch was. Wir zeigen euch in dieser Serie, was sich lohnt, wie ihr hinkommt und wie voll es ist. Und wer mitfahren möchte, kann uns gerne seine Tipps zeigen. Alles was wir brauchen ist der Neun-Euro-Fahrschein, den es an den Fahrkartenautomaten oder auch online zu kaufen gibt. Er ist jeweils für einen Kalendermonat gültig.
Folgende Ziele haben wir für euch im Programm:
Breddin und Glöwen / Magdeburg / Fürstenwalde / Neuzelle / Beelitz / Wittenberg
Breddin und Glöwen - Neun-Euro-Ausflüge ab Berlin
Who the f… sind Breddin und Glöwen? Kennt ihr nicht? Wir auch nicht! Aber das ist der Plan: Mit dem Neun-Euro-Ticket in die Bahn und dort aussteigen, wo man sich fragt, wer wohnt denn hier. Unser Gastgeber für die Tour ist die ODEG mit ihren gelb-grünen Regionalzügen der Linie RE2. Der Zug ist zur Mittagszeit in der Woche nur mäßig belegt, ein Sitzplatz garantiert. Nach rund einer Stunde Fahrzeit vom Bahnhof Zoo spuckt uns die Bahn in Breddin auf den schmalen Bahnsteig aus.
Wir haben keine Ahnung, was es hier gibt. Wir haben nicht vorab recherchiert und nutzen erstmal auch nicht Google, wir lassen uns überraschen. Über so eine Art von Mikroabenteuer hat Daniel schon mal auf unserem Blog berichtet. Prompt verlassen wir den Bahnhof auf der falschen Seite. Aber was heißt schon „falsch“? Wir laufen ins Grüne und treffen auf eine geschlossene Antik-Scheune und einen privaten Eierverkauf aus der Styropor-Kühlbox. Drei Euro in die Spardose und schon habe ich zehn glückliche Eier im Rucksack.
Wir ändern die Richtung und wechseln auf die andere Seite der Bahnstrecke. Ein ICE donnert vorbei und wirkt hier in der Einsamkeit doppelt so schnell. Keiner der Schnellfahr-Gäste wird jemals eine Ahnung von Breddin bekommen.
Und niemand wird grübelnd vor dem Denkmal M.T.V. Breddin stehen und sich fragen, wer das wohl ist. Wir rätseln: der Namensgeber? Mhhh… der Ort ist doch älter. Erst zu Hause erfahre ich bei meinen Recherchen, dass es unser guter „Turnvater“ Jahn ist. Aber er lebte von 1778 bis 1852. Und was soll das M.T.V.? Ist es der Sportverein von Breddin? Der heißt aber FC Victoria Breddin. Vielleicht erfahren wir es von unseren Leserinnen und Lesern.
Gleich hinter dem Bahnhof passieren wir einen ehemaligen HO. Die Fensterdeko ist wohl neu, aber so wie es aussieht, gibt’s hier weder Halloren Kugeln noch Vita-Cola.
An der Feldsteinkirche erfahren wir auf mehreren Schautafeln mehr über diesen Ort. Es ist eines der größten Dörfer der Prignitz. Wobei „Größe“ aus Berliner Sicht relativ ist: 892 Menschen wohnen hier. Die Kirche stammt aus dem Jahr 1273. Jedenfalls erhielt sie in diesem Jahr die Stiftungsurkunde. Wie immer muss Martin an den Türen rütteln und tatsächlich ist das Gotteshaus nicht verschlossen und gewährt uns einen Blick auf den Altar und die grauen Sitzbänke.
Nicht nur die Kirche, sondern der gesamte Ort strahlt eine angenehme Ruhe aus und unser schneller Schritt zurück zum Bahnhof wirkt nahezu unpassend in dieser Idylle. Aber wir wollen die im Stundentakt fahrende Bahn erreichen, um auch dem nächsten Dorf einen Besuch abzustatten. Es ist Glöwen, das wir nach sieben Minuten Fahrzeit erreichen.
Das Empfangsgebäude von 1846 zeugt von alten und weit bedeutungsvolleren Zeiten. Glöwen war ein wichtiger Umsteigepunkt der Bahnstrecke Berlin – Hamburg. Es ging hier auch nach Genthin, Rostock und Havelberg. Das ist alles Geschichte, die Gleise gibt es nicht mehr und so steht das denkmalgeschützte Gebäude funktionslos an der verbliebenen Bahnstrecke.
Und auch hier laufen wir erst einmal in die ortsabgewandte Richtung, kehren um und finden unseren Tagesspruch an einer Backstein-Giebelwand.
Die brauchen wir auch, denn der Ort ist sehr langgestreckt. Martin singt: “The long and winding road!“ Obwohl, nicht „winding“ sondern schnurgerade zieht sich Glöwen an der recht stark befahrenen Straße entlang. An der Bahnhofstraße 30 fällt uns ein Fachwerkhaus auf, zu dem wir auf einer Tafel erfahren, dass es hier 1930 errichtet wurde. Vorher stand es schon 100 Jahre in Damelack. Warum? Keine Ahnung! Wir konnten es auch bei unseren nachträglichen Recherchen nicht herausfinden. Aber vielleicht helfen uns auch hier unsere Leserinnen und Leser.
Es zieht sich so dahin. Zum Glück treffen wir auf einen geöffneten Supermarkt. Ein „Magnum“ gibt uns neue Kraft.
Nach gut einem Kilometer treffen wir dann doch noch auf den alten Ortskern von Glöwen. Ein Runddorf, gruppiert um die Kirche in der Mitte. Die Infotafel klärt uns auf: Der Bau stammt aus dem Jahr 1877 nachdem die Vorgängerkirche mit ihren 164 Sitzplätzen für die 500 kirchgangfähigen Personen des Ortes zu klein war. Die wachsende Einwohnerzahl hatte den gleichen Grund wie unser Besuch: die Eisenbahnlinie. Auch diesmal rüttelt Martin an der Kirchentür. Ohne Erfolg, es bleibt bei der Außenbesichtigung.
Zeitlich gesehen ist das auch sehr gut. Wir wollen den Zug für die Rückfahrt bekommen und müssen zügig den Kilometer zurücklaufen. Hier in dem verkehrsreichen Glöwen fällt das aber nicht so auf wie in Breddin. Leicht schnaufend stehen wir schließlich rechtzeitig auf dem Bahnsteig und grinsen über beide Backen. Wir haben Glöwen und Breddin gesehen. Ein richtig schönes kleines Abenteuer und eine perfekte Ausflugsidee für uns grad60-Menschen. Runter von der Couch; es gibt noch viel zu entdecken. Oder kennt ihr Pillgram, Oegeln oder Blönsdorf?
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Magdeburg - Neun-Euro-Ausflüge ab Berlin
Der RE1 fährt ein im Bahnhof Zoo und ist richtig voll. Eine Zugfahrt am Sonntagvormittag nach Magdeburg scheint gefragt zu sein. Alle Plätze sind belegt. Nur auf einer Querbank hält ein junger Biertrinker mit seinen Beinen zwei Sitze für uns frei. „Oh, watt, gleich alle beide“, freut er sich über unseren Wunsch, dort Platz zu nehmen und quält sich in eine aufrechte Sitzposition. Na geht doch.
Der RE1 fährt stündlich von Berlin in die Stadt an der Elbe und braucht dafür gut eineinhalb Stunden, also eine passende Zeit für einen Tagesausflug. Mein Dösen unterbricht ein schriller Warnton und anschließend die Durchsage der Zugbegleiterin: „Ein Raucher hat auf der Toilette den Feuermelder ausgelöst, wir müssen kontrollieren, ob es dort brennt!“ Mein biertrinkender junger Freund echauffiert sich: „Hält man es nicht mal ‘ne Stunde ohne Qualmen aus!?“ Und bekommt als Ansage von Gegenüber: „Na Alkohol trinken ist doch auch verboten!“ Antwort: „Dit is mein Frühstück…!“ Alle lachen und tatsächlich sind die zusammengepferchten Fahrgäste durchweg entspannt. Der Raucher hat keinen Schaden hinterlassen und so treffen wir pünktlich in Magdeburg ein, wo ich mir am Roland vor dem Rathaus erst einmal einen Überblick verschaffe.
Der Roland steht schon deutlich länger hier als ich. Jedenfalls einer seiner Vorgänger. Vor 600 Jahren durfte er seinen Platz vor dem Rathaus einnehmen und die städtische Freiheit symbolisieren. Kriege machten aber ihm, wie der Stadt Magdeburg im Ganzen, schwer zu schaffen. Im Dreißigjährigen Krieg zerstört, wurde er 200 Jahre später als Holzfigur wieder erschaffen und fand zum Ende des 2. Weltkriegs ein weiteres Mal sein Ende. Ganz profan: als Brennholz für frierende Menschen. Erst 2005 durfte dann der neu geschaffene Bursche den Platz am Alten Markt überblicken. Auch der Platz wurde im Dreißigjährigen Krieg und dann noch einmal im Januar 1945 zerstört und wieder nach historischem Vorbild aufgebaut.
So ist klar, dass auch der Magdeburger Reiter eine Replik des 1240 erschaffenen Reiterstandbildes ist. In diesem Fall konnte das Original aber gerettet werden und befindet sich jetzt im Kulturhistorischem Museum von Magdeburg.
Otto von Guericke steht als bronzenes Denkmal gleich um die Ecke vom Neuen Markt. Er war nicht nur Bürgermeister der Stadt, sondern der populärwissenschaftliche Ranga Yogeshwar des 17. Jahrhunderts. Er legte zwei Halbkugelschalen aus Kupfer aufeinander und entzog dem entstandenen Hohlraum mit einer Pumpe die Luft. In einer großen Show ließ er links und rechts davon jeweils 15 Pferde einspannen, die es nicht schafften, die Kugelhälften wieder auseinanderzuziehen. Die Kraft des Vakuums war nachgewiesen. Die Halbkugeln sind übrigens zu Füßen des Guericke-Denkmals dargestellt.
Und noch ein weiterer Otto ist für Magdeburg von Bedeutung: Otto der Große. Der römisch-deutsche Kaiser hatte Magdeburg zu seiner Lieblingsstadt auserkoren. Wegen dieser beiden Männer trägt die Landeshauptstadt Sachsen-Anhalts auch den Beinamen „Ottostadt“. Das größte Wahrzeichen von Magdeburg ist die Grabkirche von Otto dem Großen: der Dom zu Magdeburg. Wer heute meint, der Bau des Flughafen BER hätte ewig gedauert, dem sei gesagt, dass der gotische Neubau der Kathedrale von 1209 bis zur Vollendung der Türme im Jahre 1520 über 300 Jahre dauerte.
Noch etwas mehr fasziniert mich ein deutlich jüngeres Gebäude aus dem Fertigstellungsjahr 2005. Es ist die „Grüne Zitadelle“. Entworfen wurde das Wohnhaus von dem Österreichischen Künstler und Architekten Friedensreich Hundertwasser.
Nein, ich bin nicht rosa-blind. Der Name leitet sich aus der Begrünung der gesamten Dachfläche her. Für mich ist es ein Kunstwerk des modernen Hausbaus. Kein Fenster gleicht dem anderen, zwei Innenhöfe laden zum Entdecken ein und verspielte Säulen in bunten Farben versprühen einfach nur Farbenfreude.
Mir gefällt es gut hier in Magdeburg. Ein schönes Ziel für so einen Neun-Euro-Ticket Tagesausflug von Berlin. Die Innenstadt lässt sich gut zu Fuß erobern und wenn es zu anstrengend wird, bietet sich eine Cappuccino-Pause an der Elbe an.
Die Kraft brauche ich auch. Denn auch auf der Rückfahrt mit dem RE1 wird es voll. Obwohl der Zug am Hauptbahnhof Magdeburg einsetzt, heißt es sputen, um einen Sitzplatz zu ergattern.
Es klappt. Ein Sitzplatz ist erobert und so lassen sich die gut 90 Minuten Rückfahrt nach Berlin aushalten. Viele andere Fahrgäste müssen sich mit einer Sitzecke auf der Treppe zum Oberdeck begnügen oder im Gang stehen. Trotz der Fülle ist die Stimmung gelassen und ein Raucherstopp entfällt auf dem Rückweg. Aus meiner Sicht ist das Neun-Euro-Ticket eine gute Gelegenheit, mal schnell nach Magdeburg zu fahren.
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Fürstenwalde Paddeln - Neun-Euro-Ausflüge ab Berlin
Ich wollte euch den Dom zeigen, den Dom St. Marien in Fürstenwalde im Landkreis Oder-Spree. Aber wie das so manchmal ist, mein Plan wird durchquert. Unser Neun-Euro-Ticket-Ausflug führt uns in die 50 Kilometer südöstlich von Berlin entfernte Stadt an der Spree. Wiedermal ist der R1 von Brandenburg nach Frankfurt/Oder unser Transportmittel. Die modernen roten Doppelstockwagen verkehren stündlich über Charlottenburg, Zoo, Hauptbahnhof und Ostkreuz und bieten damit eine optimale Zustiegsmöglichkeit. Wir starten mit der S-Bahn am Bundesplatz und steigen um 09:07 Uhr am Ostkreuz in den Regionalzug. Ohne Probleme findet sich zwei Plätze auf dem Aussichtsdeck.
Der Zug bietet W-Lan und so reichen die 30 Minuten Fahrzeit kaum, Ausblicke zu genießen und E-Mails zu checken. Mein Plan für heute sieht vor, erst in Fürstenwalde frühstücken, dann Dom besichtigen und danach zur Ablegestelle der Paddelboote laufen. Der Weg zum Frühstückslokal „Schukurama“ ist nicht weit, nur, wir sind nicht die einzigen Morgenhungrigen. Die freundliche Bedienung arbeitet konzentriert, zügig und ohne Hektik den Besucherandrang ab, doch bei Müsli, Käse und Cappuccino schwindet der Zeitpuffer.
Um 11:00 Uhr steht das Paddelboot am Spreeufer bereit und mit dem letzten Schluck vom Heißgetränk um 10:45 entfällt damit die Stadtbesichtigung. Aber vielleicht haben wir ja Glück und ihr schickt uns ein Foto aus dem Städtchen.
Pünktlich besteigen wir vorsichtig unser quietschgelbes 2-er Kajak, ohne mit Spreewasser getauft zu werden. Wer übrigens mit der Bezeichnung dieser Wasserfahrzeuge ein wenig punkten möchte: Kanu ist der Überbegriff von Kajak und Kanadier. Kajakfahrende nutzen ein Doppelpaddel und dürfen sitzen, Fahrende im Kanadier hocken auf den Knien und haben ein einseitiges Stechpaddel. Ich sitze bequem hinten im Kajak und bin mir nicht sicher, ob meine Frontfrau mein kleines Paddel-Päuschen bemerkt.
Auf den 14 Kilometern die Spree hinunter von Fürstenwalde nach Hangelsberg muss ich aber gelegentlich auch mein Paddel ins Wasser tauchen, denn die leichte Strömung des Urberliner Flüsschens wird durch starken Gegenwind mehr als aufgehoben. Gut vier Stunden paddeln „Profis“ auf dieser Tour, auch mit so einem kräftigen Heckmotor wie mir. Badepausen und Seerosenbewunderung sind da noch hinzuzurechnen.
Besonders im zweiten Teil der Tour mäandert die naturbelassene Spree mit üppigem Schilfufer so vor sich hin. Aus dem dichten Grün schilpen Vögel um die Wette, nach dem Motto: Du kannst mich hören, aber niemals sehen. Ein stattlicher Bussard kreist dagegen selbstbewusst über unseren Köpfen und ein Graureiher erhebt sich etwas ungelenk von seinem Fischfangposten, als wir seinem abgestorbenen Baumstamm zu nahekommen.
So nah an Berlin und doch so herrlich menschenleer präsentiert sich die Spree. Ab und zu erinnern EasyJet, Lufthansa und Ryanair mit entferntem Brummen an die Stadtnähe. Ansonsten sind ausgesprochen wenig muskelbetriebene Wasserfahrzeuge unterwegs und motorbetriebene gar keine, weil verboten.
Vielleicht kennt ihr das von euren Bootstouren: Wo ist denn eigentlich die Ausstiegsstelle? Ist es hier an diesem Steg, oder doch dort die Böschung? Meine Muskeln jammern leise mit mir: „Wehe, du fährst vorbei!“ Aber nach der dritten Flussbiegung in Hangelsberg ist der Anleger von Kanu-Sport nicht zu übersehen.
Für die Einwegtour von Fürstenwalde nach Hangelsberg werden für das 2-er Kajak 48 Euro fällig. Wer jetzt mit dem Auto angereist ist, hat ein Problem. Er müsste sehen, wie er zurückkommt. Wir sind bequem mit dem Neun-Euro-Ticket unterwegs und schlendern für den Rückweg zum zehn Minuten entfernten Bahnhof Hangelsberg. Der ist übrigens einer der ältesten Stationen Deutschlands. 1842 wurde er mit der Strecke nach Frankfurt/Oder eröffnet. Hangelsberg sagt euch nichts? Dabei war der Ort bis 1930 ein beliebtes Ausflugsziel für Kurgäste und Tagesausflügler mit Pensionen und Biergärten. Davon ist heute nicht mehr viel zu sehen und das Bahnhofsgebäude liegt ungenutzt und verfallen brach.
Der Rückweg mit der Bahn am Nachmittag verläuft wieder unproblematisch. Der Regio bietet eine Auswahl an Sitzplätzen, erst an der Station Fangschleuse wird es voller. Offensichtlich ist bei Tesla Schichtende und die Pendler wollen zurück nach Berlin. Die Ringbahn ab Ostkreuz ist voll und bis zum Bahnhof Neukölln ist Stehen zwischen der typischen Berliner Menschenmischung angesagt. Nur „Mein Name ist Paul, ich lebe auf der Straße und…“ fehlt diesmal.
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Kloster Neuzelle - Neun-Euro-Ausflüge ab Berlin
Der Schwarze Abt ist nicht da, auch keine Prozession der Mönche weit und breit. Dabei könnten sie sich hier hervorragend in Szene setzen. Der Klostergarten ist frisch renoviert und auf Hochglanz poliert. Die Beete akkurat angelegt und als Rabatten strecken ganze Reihen von Walderdbeeren ihre leuchtend roten Früchte dem Besucher entgegen. Stolz schaut die Stiftskirche St. Marien auf ihre Grünanlage.
Vielleicht pflücken sich die Mönche auf ihren Spaziergängen zwischen den Gebeten ein paar von den reifen Früchten, um sie genussvoll zu vernaschen. Gleich daneben findet sich ein vollberankter Laubengang zum Lustwandeln. Nicht schlecht hier.
Aber ehrlich gesagt, ich weiß gar nicht, was die Mönche den langen Tag so treiben. Auf jeden Fall stehen sie früh auf und starten ihr erstes Gebet zum sommerlichen Sonnenaufgang um 5 Uhr. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie das so im Januar ist.
Für unseren Neun-Euro-Ticket-Ausflug ab Berlin brauchen wir zum Glück nicht so früh aufzustehen. Um 09:21 startet der RE1 am Hauptbahnhof nach Frankfurt/Oder und anschließend bringt uns der RB 11 nach Neuzelle. Die Umsteigezeit in Frankfurt ist knapp und so schaffen wir die Strecke in rund einer Stunde und 40 Minuten.
Ich fahre vom Bundesplatz mit der S-Bahn zum Ostkreuz und steige dort in den Regionalzug. Das dauert in etwa gleich lang.
Der Zug ist an diesem Wochentag nicht überfüllt; ohne Probleme findet sich ein Sitzplatz. Abfahrt-Alternativen gibt es jede Stunde. In Neuzelle ist es nur ein kurzer Weg vom Bahnhof zum Kloster. Der Ort selber ist recht klein und recht unattraktiv. Aber das Kloster reißt es voll raus. Schon die Allee zur Stiftskirche mit dem danebenliegenden Klosterteich schindet mächtig Eindruck.
Auf der gegenüberliegenden Allee-Seite lädt die Brauerei zur Besichtigung ein mit ihrem schwarzen Abt. Martin hat das alles schon mal vor längerer Zeit besichtigt und darüber berichtet. So schlage ich vor, schaut mal rein: Neuzelle und ein schwarzer Abt. Neben der eindrucksvollen Stiftskirche bietet ein Museum himmlisches: Das Himmlische Theater. Einzigartige große Tafeln zeigen ein barockes Bühnenbild mit einem gemalten Weg durch Tore und Straßen einer Stadt, den Berg hinauf zu einer Burg, Kirchen und Tempeln. Insgesamt gehören 15 Szenen zu dieser barocken Passionsdarstellung. Ich versetze mich ins Mittelalter und staune über dieses einzigartige Bühnenbild. Im Mittelalter muss das gewirkt haben wie heute eine Lasershow und Bildprojektion. Die Tafeln gelten europaweit als einmalig in dieser malerischen Qualität, Größe und Vollständigkeit.
Diesen Neun-Euro-Ticket-Ausflug nach Neuzelle kann ich euch nur ans Herz legen, auch wenn ihr nichts mit der Kirche am Hut habt. Die Gebäude, das Museum und der Garten sind wirklich sehenswert. Und wenn ihr nicht nur euren Geist, sondern auch euren Magen verwöhnen wollt, dann habe ich einen echten Tipp. Das Abendmenü ist kein Schnäppchen-Essen für zwischendurch, es ist ein Gastroerlebnis zum hohen, aber wie ich finde, angemessenen Preis. Ich war schon mal hier, einschließlich einer Luxusübernachtung, aber schaut selbst: „Wilde Klosterküche“.
Wer hier zum Beispiel das Lachsforellenfilet mit Blumenkohlvariationen und die anderen Gänge genossen hat, mag vielleicht eine Nacht bleiben. Für die Nachteulen, die zurück wollen, gibt es eine Rückfahrmöglichkeit um 22:00 Uhr mit Ankunft am Zoo um 23:50 Uhr. Hier fährt der RE1 direkt nach Berlin. Davor sind es Umsteigeverbindungen über Frankfurt/Oder mit der RB11 und dem RE1.
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Beelitz - Neun-Euro-Ausflüge ab Berlin
Heute starte ich mit dem Neun-Euro-Ticket in die Spargelstadt Beelitz. Und das an einem Wochenende. Mal sehen, wie voll es wird. Los geht es vom Bahnhof Wannsee mit dem Regionalzug der ODEG, also mit den gelb-grünen Zügen der Ostdeutschen Eisenbahn GmbH. Der RB33 in Richtung Jüterbog setzt hier jede Stunde ein und braucht eine halbe Stunde zum Bahnhof Beelitz. Ohne Probleme findet sich ein Sitzplatz in dem recht kurzen Zug.
Vom Bahnhof sind es etwa zehn Minuten zu Fuß in das Zentrum des Städtchens mit seinem kleinen „Dorf“-Kern um die Stadtpfarrkirche St. Marien und St. Nikolai. Denn so richtig städtisch sieht es hier nicht aus. Alles wirkt sehr beschaulich und eher dörflich, obwohl gerade am Wochenende um die Kirche herum ein Markt mit Obstwein-, Blumen- und Schnick-Schnack-Ständen ein paar Besucherinnen und Besucher anzieht.
Ein Großteil davon findet dann auch den Weg in den gemütlichen Hof der Alten Brauerei. Das Haus wird als Denkmal geführt, aber vor allem genieße ich bei dem schönem Wetter zarten Spargel und eine Weinschorle. Okay, nicht ganz stilgerecht in einer Brauerei, aber trotzdem nach meinem Geschmack.
Neben dem allgegenwärtigen weißen Stangen bietet Beelitz in diesem Jahr aber noch etwas anderes: Die Landesgartenschau 2022. Vom Stadtkern führt ein Zugang zum „Gartenfest für alle Sinne“ und als Eintrittspreis werden nicht ganz so sinnliche 17€ verlangt, allerdings gibt es 3€ Rabatt für die Anreise mit dem ÖPNV. Bei meinem Neun-Euro-Ticket wird es speziell: Das Ticket wird nur personalisiert und in Verbindung mit einem Lichtbild anerkannt. Nun denn. Ich bin drin und muss mir erstmal einen Überblick auf einer Pausen-Kuh verschaffen.
Die Anlage ist eher lang als breit und führt durch verschiedene Themenbereiche. Das kleine Flüsschen Nieplitz begleitet mich ein gutes Stück auf dem Spaziergang. Ein ehemaliges Klärwerk ist jetzt ein Springbrunnen, allerdings gibt mir meine Nase einen eindeutigen Hinweis auf den Ursprung der Wasserspiele und ich suche lieber etwas entfernt nach den versteckten Skulpturen im Grün.
Ich schlendere weiter an verwinkelt angelegten Kräuterbeeten vorbei, gärtnerisch in ökologischer Kombination angebaut, schaue auf den Mühlenteich und gelange zum nachgebauten Slawendorf am Ende des Geländes. Ich bin erstaunt, wie schnell ich das 15 Hektar große Gelände durchwandert habe. Zurück an der Mühlenpromenade sitzen ein paar kleine lustige Figürchen am Wasser und natürlich ziehen die offensichtlich wechselnden Anpflanzungen meinen Blick auf sich.
Insgesamt finde ich die Landesgartenschau in Beelitz sehenswert, auch wenn der Eintrittspreis nicht gerade günstig ist, insbesondere verglichen mit den 7€ für die Gärten der Welt in Berlin. Aber wer sich für Gartenkunst interessiert, oder Anregungen für seinen Kleingarten sucht, der kann hier fündig werden. Allzu hoch sollten die Erwartungen aber nicht gesteckt sein.
Für die Rückfahrt nutze ich den Expressbus X41 zum Bahnhof Beelitz-Heilstätten, von wo der RE7 in 45 Minuten nach Berlin fährt. Für die Wartezeit bietet sich das Bahnhofsrestaurant Harveys an, das so gar nichts von einem Bahnhofsrestaurant hat. Ich genieße in dem gepflegten Garten einen exzellenten Cappuccino aus der Siebträgermaschine und bewundere das stilvoll gestaltete Restaurant in dem restaurierten Bahnhofsgebäude. Hier kann man es auch verkraften, wenn man einen der stündlich verkehrenden Züge verpasst oder nicht mitkommt. Mein Zug ist diesmal sehr voll, ich muss bis Potsdam stehen. Aber es ist ja auch Wochenende.
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Lutherstadt Wittenberg - Neun-Euro-Ausflüge ab Berlin
Die Lutherstadt liegt vom Bahnhof Berlin-Südkreuz genau 74 Minuten entfernt und der RE3 startet dort zum Beispiel um 08:41 Uhr oder 10:41 Uhr. Ich nehme den zweiten Regionalzug und bekomme an diesem Wochentag entgegen meiner Befürchtung ohne Probleme einen Sitzplatz in der oberen Aussichtsetage des doppelstöckigen Waggons.
Um Luther, Melanchton und Cranach gebührend zu würdigen, zieht es mich erst einmal für einen Spaziergang ins Grüne. Die Wittenberger Wallanlagen bieten eine interessante und erholsame Umrundung der Stadt in Sachsen-Anhalt, deren Stadtkirche St. Marien, Lutherhaus und Melanchthonhaus seit 1996 zum UNESCO-Welterbe gehören. Die Stadtmauer von 1332 gibt es seit dem 19. Jahrhundert nicht mehr, sie wich einer Parkanlage und bietet mit Schwanenteich und Fontäne eine sommerliche Erfrischung.
Aber auch weniger bekannte Sehenswürdigkeiten, wie die Bastion Cavalier, säumen den Weg. Die Backsteine der Kaserne und Exerzierhalle leuchten orangerot zwischen Bäumen und blühenden Büschen dem Spaziergänger entgegen.
Vom Grün erfrischt, darf natürlich die berühmte Tür an der Wittenberger Schlosskirche auf dem Besuchsprogramm nicht fehlen. 1517 hat Martin Luther hier seine 95 Thesen für eine reformierte Kirche angeschlagen und für ein ziemliches Tohuwabohu gesorgt. Die Thesentür ist eine Nachbildung von 1858, das Original wurde 1760 im Siebenjährigen Krieg zerstört.
Die Innenstadt von Lutherstadt Wittenberg ist autofrei und so schlendere ich hier ungestört durch die Gassen. An jedem dritten Haus erklärt eine Tafel, welche historische Persönlichkeit hier gewohnt und gearbeitet hat. Spannend, aber auch für Besucher, die sich einfach nur treiben lassen, ist das überschaubare Städtchen eine runde Sache.
Auf dem 15-minütigen Weg zurück zum Bahnhof Lutherstadt Wittenberg komme ich noch am Melanchtonhaus vorbei, ein Renaissance-Bau aus dem Jahr 1536, der eigens für den Griechisch-Professor und Wegbegleiter Luthers errichtet wurde, so erfahre ich es auf einer der erklärenden Tafeln.
Für den Rückweg nach Berlin bietet sich wieder der RE3 um 15.00, 17:00 oder 19.00 Uhr an. Dazwischen gibt es noch die Möglichkeit um 15:57 oder 17:57 mit der S2 nach Jüterbog zu fahren und dort dann in den RE3 umzusteigen. Das dauert mit 1:21h genau sieben Minuten länger als die direkte Fahrt. Ich nutze die Umsteigefahrt um kurz vor 16 Uhr und bekomme wieder ohne Probleme einen Sitzplatz in beiden Zügen, obwohl es diesmal deutlich voller ist.
Mein Fazit: Ein absolut empfehlenswerter Ausflug! Die Fahrzeit ist nicht zu lang, die Auslastung der Bahn moderat und die Stadt sehenswert und abwechslungsreich. Dazu gibt es keinen Mangel an Eiscafés mit Cappuccino-Begleitung.