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In Hannover an der Leine – Ein Gastbeitrag

In Hannover an der Leine – Ein Gastbeitrag

Als gebürtiger Hannoveraner lebt Klaus schon lange nicht mehr in der Stadt seiner Jugend. Aber er denkt oft an sie und wird uns heute mit auf einen Besuch in die Landeshauptstadt von Niedersachen nehmen. Wir werden mit ihm rund um die Calenberger Neustadt bummeln und eine Zeitreise durch den ältesten, erst 1824 eingegliederten Stadtteil Hannovers mit viel Kultur, Geschichte und Tradition unternehmen. Gespannt fragt er sich, ob ihn etwas Neues erwartet. Hat sich viel verändert? Gibt es noch die kleinen versteckten Kleinode an der Leine und Ihme, die beide durch die Altstadt plätschern und das idyllische Bild der Stadt prägen?

Wir werden sehen, schauen wir mal, los geht’s:

Ich starte am Leineschloss, dem Sitz der Landesregierung. Sofort fällt mir das begehbare Denkmal auf, das ich bisher noch nicht kenne. Die „Göttinger Sieben“ sind eine Gruppe von Göttinger Professoren, die 1837 gegen die Aufhebung der 1833 eingeführten liberalen Verfassung im Königreich Hannover protestierten.

Die „Göttinger Sieben“ sind eine Gruppe von Göttinger Professoren

Zu den Professoren gehörten auch die Brüder Jacob und Wilhelm Grimm. Sie waren Sprachwissenschaftler und Volkskundler und gelten bis heute gemeinsam mit Karl Lachmann und Georg Friedrich Benecke als „Gründungsväter“ der Germanistik. Grimms Märchen nennt man volkstümlich die berühmte Sammlung von Kinder- und Hausmärchen, die Jacob und Wilhelm Grimm, genannt die Brüder Grimm, von 1812 bis 1858 herausgaben. Die gesammelten Märchen entstanden vor allem aus volkskundlichem Interesse und enthielten entsprechende märchenkundliche Kommentare. Wilhelm Grimms sprachliche Überarbeitungen schufen daraus einen Märchenbuchstil, der bis heute das Bild von Märchen prägt.

Gleich neben dem Denkmal plätschert die Leine. Da fällt mir der Spruch ein: „Zieh Leine“! Der eine oder andere wird ihn als Schimpfwort kennen, wenn wir jemanden loswerden wollen. Doch woher stammt diese Redewendung eigentlich?

Am Ufer der Leine mit Brücke

Mit dem Ruf: „Zieh Leine!" gaben die Schiffer von Bord der Flussschiffe das Kommando, das für die Zugknechte das Signal war, die Pferde anzutreiben. Das ist das Ziehen von Schiffen auf Wasserwegen durch Menschen oder Zugtiere. Ich zieh erst mal Leine und überquere das Gewässer und gehe weiter am Flussufer. Die große Straße, das Leibnizufer, an dem ich nun entlanglaufe, ist die Grenze zwischen der Calenberger Neustadt und der Altstadt von Hannover. Ich bin auf der Skulpturenmeile, die sich quer durch die Stadt zieht. Die „Meile“ verläuft vom Friederikenplatz über das Leibnizufer und die Brühlstraße bis zur Herrenhäuser Allee am Königsworther Platz. Sie bildet auf 1.200 Metern eine Einheit der Kunst im öffentlichen Raum. Ich benötige aber nur wenige Schritte und stehe vor den „Nanas“.  Die Plastiken der französischen Künstlerin Niki de Saint Phalle sind in der Bildersprache der Pop Art sinnliche, farbenfroh gestaltete voluminöse weibliche Körper.

Die Plastiken der französischen Künstlerin Niki de Saint Phalle sind in der Bildersprache der Pop Art sinnliche, farbenfroh gestaltete voluminöse weibliche Körper

Erstmals wurden die Frauenplastiken 1965 in Paris ausgestellt. Die lebensbejahenden, fröhlichen, bunten, meist tanzenden, oft überlebensgroßen, dicken „Nanas“ ziehen sich wie ein roter Faden durch das weitere Schaffen der Künstlerin und waren der Auftakt der Skulpturenmeile im Jahr 1974. Die Kunst von Niki de Saint Phalle kam allerdings nicht bei allen Menschen in Hannover gut an. Die voluminösen Skulpturen waren vielen Bürgern ein Dorn im Auge. Die Wellen der Empörung schlugen hoch und man sprach von der „Schnapsidee einer besoffenen Ratsherren-Stammtischrunde".

Eine weitere Skulptur der französischen Künstlerin Niki de Saint Phalle

Ich kann mich noch gut an die Schlagzeilen erinnern: „Ekelhafte Scheußlichkeiten", „Kulturschande" und „Umweltverschmutzung" hieß es damals in vielen Leserbriefen an die Hannoversche Allgemeine Zeitung. Dem Protest folgte eine intensive Diskussion über Kunst im öffentlichen Raum mit Happy End: Den Hannoveranern sind ihre „drallen Weiber“ längst ans Herz gewachsen und im Jahr 2000 wurde die Künstlerin zur Ehrenbürgerin ernannt.

Ich verlasse das Ufer der Leine und wechsele gegenüber in die Calenberger Neustadt. Als erstes fällt mir in der Clemensstraße die Basilika St. Clemens auf. Sie ist in Norddeutschland die einzige Kirche mit rein italienischem Charakter.

Die Basilika St. Clemens, in Norddeutschland die einzige Kirche mit rein italienischem Charakter

Ich lasse meinen Blick über den Vorplatz schweifen und suche eine kleine Straße, in der ich meinen Spaziergang fortsetzen möchte. Die Straße Rote Reihe kann gleich mehrere historische Geschichten erzählen. Denn es gab an diesem Ort die Burg Lauenrode und hier lag die Wohnung des Massenmörders Fritz Haarmann. Auch die jüdische Synagoge, die von den Nationalsozialisten zerstört wurde, hatte in dieser Straße ihren Platz. Keine 70 Meter in die Straße hinein, mache ich links vor dem Denkmal zur ehemaligen Synagoge Halt und kann an einer Stele noch einmal die Geschichte nachlesen.

Erinnerungstafel an die Jüdische Synagoge

Die Juden wurden mehrmals vertrieben und ihr Gebetshaus wurde abgerissen. Die zuletzt erbaute Synagoge wurde 1870 eröffnet und während der Novemberpogrome 1938 zerstört, der gebliebene Rest gesprengt und beseitigt.

Denkmal geschütztes Haus mit Bögen über den Türen

Nicht weit entfernt befindet sich der denkmalgeschützte Rosmarinhof. Direkt neben dem Haus Nummer 5 stand das Wohnhaus von Fritz Haarmann.

Wohnhaus des Massenmörders Haarmann

Haarmann wurde aufgrund einer Serie von ihm begangener Morde in Hannover zur Zeit der Weimarer Republik bekannt. In der Bevölkerung wurde Haarmann auch „Der Totmacher" genannt. Aufgrund der spektakulären Morde entstand seinerzeit das bekannte Lied „Warte, warte nur ein Weilchen, dann kommt Haarman auch zu dir. Mit dem Hacke- Hackebeilchen macht er Hackefleisch aus dir!". Heute unvorstellbar, darüber auch noch ein Lied zu schreiben. Es waren halt andere Zeiten und die Menschen hatten andere Wertvorstellungen. Fritz Haarmann wurde 1925 wegen Mordes an 24 Jungen und Männern zum Tode verurteilt und hingerichtet. Haarmanns Kopf wurde einem Hirnforschungsinstitut in München zur Verfügung gestellt und erst 2014 anonym auf dem Junkerberg-Friedhof in Göttingen bestattet.

Der Ursprung der Calenberger Neustadt ist eine Siedlung im Gebiet der Burg Lauenrode, die hier im Bereich der Clemensstraße gestanden haben soll. Urkundlich erwähnt wurde die Burganlage erstmals 1215. Burgherren waren die Grafen von Roden, die von Heinrich dem Löwen um 1160 mit der Stadt Hannover belehnt worden waren. 1636 wurde die Calenberger Neustadt in den Befestigungsring der Stadtbefestigung Hannover einbezogen. 1689 hatte die Calenberger Neustadt rund 3.000 Einwohner und wurde zur Kleinen Stadt erklärt. 1824 erfolgte die Vereinigung mit Hannover.

Mutmaßlich hat auch das Hannoversche Schützenwesen bis in das 14. Jahrhundert zurück eine Tradition. Denn zum Vogelschießen trafen sich die Hannoveraner regelmäßig zu Pfingsten außerhalb ihrer Stadt auf dem Gelände der Burg Lauenrode. Hier schossen sie mit Armbrüsten auf einen Vogel am sogenannten „Papageienbaum“. Beim Papageienschießen ging es jedoch nicht nur um das Üben und Zurschaustellen der eigenen Wehrhaftigkeit, sondern auch um ein Fest für Zuschauer und Gäste. Vermutlich wurde auf diesen „Schützenfesten“ auch gern und viel Alkohol getrunken.

Das im Raum Hannover verbreitete Mischgetränk „Lüttje Lage“ (aus einem speziellen obergärigen Schankbier und Kornbrand)

Das im Raum Hannover verbreitete Mischgetränk „Lüttje Lage“ (aus einem speziellen obergärigen Schankbier und Kornbrand) wurde allerdings erst zum Ende des 19. Jahrhundert „erfunden“. Eng verbunden mit der Lüttjen Lage ist eine spezielle traditionelle Trinkweise. Ein kleines Glas (5 cl) mit Lüttje-Lagen-Bier wird zwischen Daumen und Zeigefinger genommen. Der Mittel- und der Ringfinger derselben Hand halten ein mit Korn gefülltes Schnapsglas. Beim Trinken werden die Gläser so angesetzt, dass das Schnapsglas über dem Bierglas liegt und der Kornbranntwein zusammen mit dem Bier in einem Zug getrunken wird. Es ist allerdings ein wenig Übung notwendig, Bier- und Schnapsglas gleichzeitig zu halten. Ich habe lange gebraucht, um mich nicht mehr zu bekleckern.

Ein paar Meter weiter in der Roten Reihe stehe ich vor der evangelisch-lutherische Neustädter Hof- und Stadtkirche St. Johannis, das älteste niedersächsische Beispiel einer Saalkirche.

Die evangelisch-lutherische Neustädter Hof- und Stadtkirche St. Johannis, das älteste niedersächsische Beispiel einer Saalkirche

In der Kirche ist das Grab eines berühmten Hannoveraners, Gottfried Wilhelm Leibniz. Er starb vereinsamt am 14. November 1716 im Alter von 71 Jahren – nur sein Sekretär soll beim Begräbnis anwesend gewesen sein.

Neben der Kirche weitet sich der Neustädter Markt aus. Auf der Mitte des Platzes entdecke ich einen Brunnen und ein künstlerisches Ensemble aus drei Tischen mit zwölf Hockern. Es ist der „Tischbrunnen“ von Max Sauk und soll ein Symbol für Gastlichkeit sein. Ein Brunnentrog mit Bronzefrüchten wird von einem Wasserfall gespeist. Die Tische sind mit Besteck aus Bronze eingedeckt.

Es ist der „Tischbrunnen“ von Max Sauk und soll ein Symbol für Gastlichkeit sein.

Der Brunnen weist eine Besonderheit auf, die man auf den ersten Blick nicht sieht. Neben dem breiten Wasserfall gibt es im Inneren ein Leerrohr, durch das eine Bierleitung gezogen werden kann. So kann bei Festlichkeiten aus dem Tischbrunnen ein „Bierbrunnen“ werden. Was für eine feine Sache, da bekommt man doch Durst, oder? Ein süffiges Broyhan-Bier zu Calenberger Pannenschlag (ein speziell gewürztes Rinderwurstgericht) und hinterher eine Lüttje Lage. Zusammen ergibt das ein typisches Hannoversches Gericht.

Beim Weitergehen fällt mir der „Brocken“ auf, der in seiner Struktur kleine Ausbuchtungen aufweist. Der 2,30 Meter hohe „Wünschestein“ ist reiner Thüster Kalkstein aus dem Weserbergland und rund 60 Millionen Jahr alt.

Der Wünschestein in Hannover

Am Weltkindertag 1996 wurde der Stein aufgestellt, der ein Kästchen mit vielen von Kindern und Erwachsenen beschriebenen Wunschzetteln enthält. Ich habe auch meine Wünsche hinterlassen, doch leider ist bisher kein Wunsch in Erfüllung gegangen. „Habe ich eventuell was falsch verstanden?“

Bronzetafel des Wünschesteins

Die Rote Reihe trifft auf die Calenberger Straße, in die ich rechts einbiege. Bei Hausnummer 15 stehe ich an der Stelle, wo einst das Geburtshaus von Johann Anton Leisewitz stand. Der Schriftsteller verfasste das Trauerspiel Julius von Tarent, das ihn über Nacht bekannt machte.

Im Haus 47 wohnten einst derer von Knigge. Bekannt wurde Adolph Franz Friedrich Ludwig Freiherr von Knigge vor allem durch seine Schrift „Über den Umgang mit Menschen". Sein Name steht heute stellvertretend, aber eigentlich irrtümlich, für einen Benimmratgeber, der mit Knigges eher soziologisch ausgerichtetem Werk im Sinne der Aufklärung keine Gemeinsamkeiten hat.

Informationstafel zu Knigge

Ich gehe die Straße wieder ein kleines Stück zurück und biege rechts in die versteckte Kommandanturstraße ein. An der Ecke zur Brandstraße stoße ich auf das Leibniz Theater.

Leibniz-Theater mit Knigge-Bild

Anfang des 20. Jahrhunderts diente das jetzige Theater als Steindruckerei, von der noch heute die Flaschenzüge in der Theaterebene hängen. Von dort aus wurden die schweren Steindruck-Platten in das Lager im Tiefgeschoss heruntergelassen. Ein riesiger Erfolg ist dem Leibniz Theater mit der Schaffung des Theaterstückes „Haarmann lädt zum Dinner" gelungen. Ein schaurig schöner Abend mit dem „Vampir aus Hannover". Der Dinner-Abend entwickelte sich zu Hannovers Kultstück.

Über Molthanstraße, Mittelstraße und Brandstraße komme ich auf die Archivstraße und verlasse nun langsam die Calenberger Neustadt. Vorher schaue ich mir an der Lavesalle noch das Denkmal einer weiteren bekannten Persönlichkeit aus Hannover an. Carl August Graf von Alten, General auf dem Schlachtfeld von Waterloo im Kampf gegen Napoleon.

Carl August Graf von Alten, General auf dem Schlachtfeld von Waterloo im Kampf gegen Napoleon.

An der Kreuzung Friederikenplatz überquere ich die breite Straße und habe im weiteren Verlauf schon das Rathaus im Blick. Am Trammplatz, so heißt der Rathausvorplatz, stoße ich auf einen großen „verletzten Kopf“ vom Bildhauer Rainer Krieter. Der Künstler beschäftigt sich mit abstrahierten Köpfen, die er „Kopfzeichen“ nennt.

Der große „verletzten Kopf“ vom Bildhauer Rainer Krieter

Das Neue Rathaus selbst ist eingebettet in den zehn Hektar großen Maschpark. Der Trammplatz ist eigens im Zusammenhang mit dem Rathausbau angelegt worden und erhielt seinen Namen nach dem damaligen Stadtdirektor Heinrich Tramm, der die Stadt von 1891 bis 1918 regierte. Sollte das Rathaus geöffnet sein, empfehle ich unbedingt eine „Besteigung“ des Turmes und einen Blick über die Stadt und die Route durch die Calenberger Neustadt.

Das Neue Rathaus eingebettet in den zehn Hektar großen Maschpark

Einzigartig in Europa ist der Kuppelaufzug im Rathausturm, der einen bogenförmigen Fahrverlauf aufweist und dabei in einer Parabel der Kuppelform folgt. Er wird oft fälschlicherweise als Schrägaufzug bezeichnet und mit den Aufzügen im Eiffelturm verglichen, die dort aber nur schräg fahren, ohne die Neigung zu wechseln.

Rathaus mit Maschseepark

Auf der Rückseite des Rathauses, im Maschpark, will ich die Tour mit dem Hinweis beenden, noch ein wenig Zeit für einen Rundgang durch den schön angelegten Park einzuplanen.

Maschpark mit Wasserblick

Meine persönliche Erinnerung an den Park ist der 6. August. Zum Gedenken an die Atombombenopfer in Hiroshima und Nagasaki werden jährlich an diesem Tag mit Einbruch der Dunkelheit gegen 21.30 Uhr Papierlaternen auf dem Maschteich ausgesetzt.

Eine Papierlaterne wir ins Wasser gesetzt

Für mich ein emotionales Ereignis, das ich miterleben durfte. An diesem Tag habe ich Hochzeitstag, werde also beide Anlässe nicht vergessen.

Ausführlicher und umfangreicher ist die ca. 3,5 Kilometer lange Tour übrigens mit der kostenlosen Web-App von lialo und einem Smartphone zu erleben. Dort gibt es noch viel mehr Informationen für interessierte Hannover-Besucher. Außerdem ist der Rundgang zusätzlich mit kleinen Aufgaben und Rätseln gespickt. Hier geht es direkt zur Tour: https://www.lialo.com/tour/v912. Leider ist die Hannover-Tour nicht mehr kostenlos, es werden jetzt 12 Euro verlangt. Bis zum 31.03.2022 gibt es einen Rabatt von 20%, wenn ihr Lüttje20 als Code eingebt. Die Tour selbst kann zu einem späteren (unbefristeten) Zeitpunkt gespielt werden.

Wir danken Klaus für diese interessante Tour durch einen Stadtteil von Hannover. Wenn ihr auch eine Geschichte für uns habt, immer her damit, am besten via E-Mail an info@grad60.com

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